7. Auff Artemons Deutsche Gedichte

[215] Artemon hat gelernt an mehr als einem Ort

Ein unverständlich Nichts durch auffgeblasne Wort'

In wollgezehlte Reim' ohn' allen Zwang zu bringen;

In jedem Abschnitt hört man klingen,

Schnee, Marmor, Alabast, Musck, Bisem und Zibeht,1

Samm't, Purpur, Seid' und Gold, Stern, Sonn' und Morgenröht'.[215]

Die sich im Unverstand verschantzen,

Und in geschlossner Reihe tantzen:

Zwar les' ich selten sie vom Anfang biss ans End',

Doch klopf' ich lachend in die Händ',

Und denck' es sind nicht schlechte Sachen

Aus Schell'n ein Glockenspiel zu machen.


Fußnoten

1 Schnee, Marmor, Alabast, u. Diese Worte, die an sich selbst nicht zu tadeln sind, sind nur deswegen lächerlich in vielen Deutschen Gedichten, weil sie darinnen nichts als einen leeren Thon haben. Vielleicht bilden sich einige ein, dass hierinnen die Poetische Raserey bestehe, denn es kan in der That nichts Unsinnigers erdacht werden, als wenn man sich trefflicher Worte bloss allein des Klangs halber und ohne einige Bedeutung bedienet. Nihil est tam furiosum, sagt Cicero, quam verborum vel optimorum sonitus inanis, nulla subjecta sententia de. Orat. l. 1.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 215-216.
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