Einem Vorübergehenden

[133] Vorübergehender, du ahnst nicht wie sehnsüchtig ich dir nachblicke!

Du mußt der sein, den ich suche, oder die, die ich suche (es kommt über mich wie ein Traum),

Ich lebte gewiß schon mit dir ein Leben des Glückes ...

Alles kam wieder ins Bewußtsein zurück, als wir eben so rasch aneinander vorbeigingen, eilig, zärtlich, reif und geläutert;

Du bist mit mir aufgewachsen, als Knabe oder Mädchen,

Ich aß mit dir und schlief mit dir; dein Körper gehört nicht dir allein, und meiner nicht mir allein,

Du schenkst mir im Vorübergehen die Freude deiner Augen, deines Gesichts und deines Fleisches, und nimmst mir dafür von meinem Bart, Brust und Händen,

Ich darf dich nicht anreden, muß aber an dich denken, wenn ich einsam sitze oder nachts wach liege,

Ich soll warten, ich weiß gewiß, daß ich dich einmal wiedersehen werde,

Ich habe nur darauf zu achten, daß ich dich nicht verliere.

Quelle:
Whitman, Walt: Grashalme. Leipzig 1904, S. 133-134.
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