8.
Wie Gabriotto enten beysen mit einem seinem falcken reit, dem vogel mit verhengtem zaum nachrandt; indem sein pferdt mit im einen schweren fall thet, also das er von Reinhart, seinem gsellen, für todt auffgehaben, selb ander in eines armen fischers hauß trůg, wider ein wenig erlabten.

[207] Die zwen edlen jüngling nit minder hertzlich verlangen nach den zweyen schonen junckfrawen hatten, wiewol keiner dem andren sein lieb zů wissen thet. Sich eines tags begab, das sye bed auff ein entenbeysen ritten, da sye ein meuge der enten antraffen, auch ettlich von iren falcken zů der erden gefellt wurden. Das so lang triben, ire falcken zůlletst urdrützig wurden. Gabriotto sein falck abzoch, weit in dem feld sich auff einen hohen baum niderlicß. Dem Gabriotto also schnell mit seinem pferdt zůrennen thet, au einen weyten trucknen graben kam, vermeynt sein pferdt hinüberzůsprengen. Das im aber fehlt; dann sein pferdt sich anstieß, schwerlich mit dem edlen jüngling zů der erden schlůg, also uff im ligen, der also in omacht nichts von im selb wissend ligen blib.

Reinhart, welcher im von ferren nachreit, in yetz gantz auß seinem gesicht verloren hett; deshalb im nichts gůts einfiel, seinem rossz die sporen gab, sampt einem knecht, so bei im was, dem fůßschlag nach rannten. In kurtzer zeit an das ort kamen, da sye den edlen Gabriotto mit schweyßendem angesicht, beschlossnem mund und tödtlicher farb under seinem schweren gaul ligen fanden. ›O des grossen leydts,‹ sprach Reinhart, ›du mein allerliebster brůder, wie ist dir das gelück auff disen tag so widerwertig gewesen!‹ Mit dem sye das pferdt von im zugen, in auffhůben, in aber nit anderst dann einen erstorbnen menschen erkannten. Erat fieng Reinhart bitterlich an zů weinen und klagen. ›Ach, ach,‹ sprach er, ›mein allerliebster Gabriotto, der unseligen stund, das wir ye in Engelandt[208] kummen seind! Ach des schandtlichen vogels, so dich zů solchem harten fall geursacht hat! Ach, das ich nit disen fall für dich gethon hab, wie mirs joch gieng! Dann on dich leben mir ein schwere unnd harte sach sein würdt. O du mein süser Gabriotto, sich mich doch noch einmal an, deinen lieben unnd getrewen gresellen und freündt!‹

Mit dem im der knecht sein gewant allenthalben auffgeschnitten hat und Reinhart, so best er mocht, trösten thet. In dem Gabriotto ein wenig uffblicket, Reinhart seinen gesellen vor im ston sach, mit einem schweren seüfftzen und schwacher stimm zů im sprach: ›O mein brůder Reinhart!‹ Da Reinhart Gabriotten wider reden hort, sein hertz im von freüden in seinem leib auffhupffet; sich gegen seinem gesellen keret und sprach: ›Bis getröst, mein allerliebster Gabriotto! Ich bin bei dir, will auch nymmer von dir weichen, dieweil ich leb.‹ – ›O Reinhart‹, sprach Gabriotto, ›ich bitt, gib mir zů trincken! Anderst ich můß hie den todt leiden.‹ Reinhart an dem ort weder wasser noch wein gehaben mocht, in aber mit krefftigen wurtzen, so er bei im hat, erlabet.

Nun was nit weit von dem ort ein armes hüttlin, in welchem ein arm alt mann, ein fischer, sein wonung hat. Reinhart sein knecht bald dahin schicket, wasser oder wein zů bringen, im auch befehlen thet, zwo stangen und stro, so er das gehaben möcht, mit im zů bringen. Der knecht bald uff sein pferdt saß, dem armen heüßle zůranndt, anklopffet. Die fischerin zů im herauß kam; deren er freündtlich zůsprach, sye umb einen trunck wein bitten thet, ir anzeygendt, warzů er den haben wolt. Dem die fraw zůhandt antwort und sprach: ›Ach mein gůt freündt, ir sond mir glauben, dieweil ich in dem hauß gewont hab, nit zwirend wein darein kummen ist. Das ist dannocht von andren leüten, so sich zu zeiten verspät hatten, beschehen.‹ ›Gute fraw‹, sprach der knecht, ›wo ir ye den wein nit gehaben mögen, mir ein trunck wassers zůstellen.‹ ›Das bin ich willig zů thůn.‹ Damit sich schnell in das hauß füget, dem knecht wasser unnd brodt bringen thet. Weiter, als er straw unnd zwo stangen an die fraw begeret, ir auch anzeyget, worzů er das haben wolt, sye im zůhandt ein tragberen, darauff sye dann zů zeiten irem mann die liechergarn[209] auff das wasser tragen halff, bringen thet, im ettlich gůte küssen, so gůt sye es vermocht, dem knecht nachtrůge, an das ort bekam, da der ellendt Gabriotto noch gantz ellend unnd schwach sein leyd klaget, offt an sein allerliebste Philomena gedencken ward.

Als nun des fischers weib den ellenden Gabriotto also schweißig und omechtig ligen fand, groß mitleiden mit im hat, erbermblichen anhůb zů weinen. Reinhart das wasser von dem knecht nam, Gabriotten, so best er mocht, ihm sein angesicht weschen thet, Gabriotto seinen mund, der ihm aller voll gerunnens blůts was, schwencket. Also namen sye den edlen jüngling, legten in uff die mistperen mit küssen und irem gewandt, darauff also in die ellend wonung des armen fischers trůgen, da ihn die fischerin erst mit einer warmen brůgen laben thet. Reinhart seinen knecht in die statt nach einer rossboren schicken thet.

Sich von ungeschicht begab, das Gernier ders ritter zů hoff bei dem künig in dem frawenzimmer was. Der knecht bald nach im fraget, zů im gewisen ward. Der ritter in nit so bald ersehen hat, im sein hertz nichts gůts saget; zů dem knecht gieng, ihn fragt, wie es im, Gabriotto, und Reinhart gangen wer auff dem entenbeysen. Der knecht im zůstund all sach entöffnet. Davon der ritter seer bekümmert ward, zů dem künig kam, ihn umb ein rosszbor bitten. Zůhandt der künig wissen wolt, wie und wem er die brauchen wolt. Gernier im des knechts bottschafft zů wissen thet. Davon der künig seer bekümmert ward, zůhandt schůff, ein rosszbor mit linden küssen und decke zů bringen, auch seinem leibartzet befelch gab, mitzůfaren unnd dem jüngling nach seinem besten fleiß rhat zů thůn. Das alles nach des künigs befelch beschehen thet.

Nun mocht das unsteht und wanckelmůtig gelück der edlen junckfrawen Philomena den unfal des jünglings Gabriotto nit verhalten, damit sye im ihr mitleiden het mögen entziehen. Dann sye von Gernier dem ritter alle wort, so er mit dem künig geredt, vernummen hat; derhalben sich von stund an mit Rosamunda in ir gemach füget, anfieng bitterlichen zů weinen und klagen. Die junckfraw Rosamunda ein frembde sach nam des schnellen klagen und weinens der junckfrawen.[210] Wiewol sye sah ir die sach schwer anligen, noch ließ sy sye ungefragt, also stillschweigend mit ir anhůb zů weinen.

Philomena sprach: ›O du mein allerliebste Rosamunda, wiewol du zůgegen gewesen bist, als ich die ursach meiner klag vernummen hab, noch ist dir das alles verborgen; dann ich allein darauff merckung hat. Ich glaub, so du die ursach meines weinens und klagens wissen möchtest, du dein klag noch minder underlassen würdest. Damit ich aber dich mir ein gesellin meiner klag mach, ich dir semlichs entdecken můß. Du solt wissen, das auff heüt dem edlen jüngling Gabriotto ein mercklicher unfal zůgestanden ist, das es warlich sorglich umb sein leben stohn würt.‹ Der junckfrawen damit alles, das sye von dem ritter Gernier gehört hat, anzeyget.

Sobald Rosamunda den unfal, so Gabriotto begegnet, von Philomena vernummen hat, fast groß mittleiden mit ihm hat, erst anfieng erbermbklich zů klagen; dann sye wol wußt, das Reinhart ein harte zeit ihm umb seines gesellen unfal nemen würd.

In dem Gernier und der knecht zů seinem liebsten son Gabriotto kummen waren, welcher seinen fall zům theil verklagt het, wiewol noch gantz unvermüglich seines leibs. Der vatter groß mitleiden mit seinem son Gabriotto hat, so er bests mocht, in trösten thet. Alsbald in auff die rosszbor lůden, gen Lunden fůrten, da ihm von dem künig ein sunder gemach ingeben ward, darein Gabriotto mit allem dem, so ihm seines leibs halben nodt was, versehen ließ. Die weil Philomena unnd Rosamunda ir stetes klagen unnd trawren fůrten, so lang sye vernamen, Gabriotto seines falls nit tödtlichen schaden nemmen würd.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 207-211.
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