15.
Wie Reinhart seinem gesellen einen weg anzeygt, dadurch er seiner liebsten junckfrawen sein lieb zů wissen thůn möchte.

[226] Reinhart die antwort seines gesellen mit allem fleiß vernummen hat, in im selb gedacht: ›Allmechtiger gott, mag ich dann ye mit meinem rhat gegen meinem gsellen nichts anders verfahen, dann das ich sorgen můß, mir uß einem fründ einen feind zů geberen, wolhin so will ich mich doch fleissen und im ye nach meinem vermögen ein weg anzeygen, durch den er sein sach auff das verborgenlichest zůwegen bringen mög.‹

Anhůb und sprach: ›Dieweil ye, Gabriotto, du dein sach also gesetzt hast unnd ich [mich] gen dir umbsunst arbeyten sih, so bitt ich dich doch, du meinen worten noch einmal zůhören wöllest. Ich sprich, wo Philomena, die junckfraw, dir an geburt gleich wer, ich mich keins wegs darwider gelent haben, dieweil aber sye eines künigs tochter unnd aber du nit also hoher geburt bist, můß man warlich die sach mit grosen sorgen underston. Du solt wissen, wo mich nit solich ursach davon entziehen thet, ich hett mir warlich auch ein junckfraw mir zů einem bůlen außerwölt. So ich aber bedenck mich ir nit gemeß sein, entzich ich mich des, so fast ich ymmer mag, wiewol mirs auch hart anligt. Du solt auch wissen, das ich nit minder hoffnung hab, ich sey von ir lieb gehabt, als du von deiner Philomena. Ich gedenck aber auch herwiderumb, sye möcht mich also verwenen unnd mich zilleicht understohn an das seil, da nit wenig narren angebunden seind, verknipffen; dann sye möcht villeicht ein andren lieber han, und müst ich allein ein verwenter liebhaber sein. Ist dir nit ingedenck die handlung unsers gsellen Bruno, der, nit lang ist, sich mit einer burgerin diser stat vertädigt und vermeynt, er allein von ir lieb gehalten wer, ließ sich gegen ir in allem dienst willig finden. Da was kein sparens nit, so lang er zůletst den, so sye im zů allerzeit verschworen, allein bei ir in irem gemach fand. Da was erst zeit nachzůlassen und denen zů glauben, so vor langem davon gesagt hatten. Dise und ander ursachen mich warlich zům dickern mal davon entziehen. Damit du aber nit meynest, ich mich gantz wider dich setzen wöll, so will ich dir hie einen füglichen unnd heymlichen weg[227] anzeygen, in welchem du die sach am basten zů wegen bringen magst; und das můß aber also, zůgohn. Dir ist unverborgen, das die junckfraw Philomena zům offtern mal, so wir den ballen schlagen, in ihrem palast oben an dem fenster ligt unnd die junckfraw Rosamunda gewonlich bei ir, die mir dann auch nit wenig lieben thůt. Nun sichstu, das wir offt allein an das ort bekummen unnd sunst nyemandts dann wir vier zůgegen seind. So lůg und mach dir ein ballen, den andren unsern ballen geleich; darein verneg einen brieff; was dir dann angelegen ist, magst du den junckfrawen darinn zů wissen thůn. So du dann uns allein umb die weg sichst, magst du ihr wol den ballen zůschlagen und ir zůsprechen, das sye ihn zerschneiden soll. Das bedunckt mich der sicherest weg sein, so ymmer erdacht werden möcht.‹

Gabriotto der raht seines gesellen nit wenig trost gab: im auch entlich gedacht nachzůkummen, sich zůhandt sampt seinem gesellen in sein gemach füget, sich nidersetzten. Reinhart einen ballen nam, die an einem ort uffschneid. Gabriotto anfieng einen brieff zů schreiben auff soliche meinung lautendt:

›Mit was gedürstigkeyt, allergnädigste junckfraw, ich mich understand euch, meiner allerliebsten junckfrawen, zů schreiben, ir nit wunder haben solt. Dann mich das band der liebe gegen euch dermassen gebunden und gefangen hat, das mir nit möglich ist euch das lenger zů verhalten, wiewol ich mich nit wirdig schetz, von einer so hochgebornen junckfrawen liebgehabt werden; dann ich euch an geburt und schöne nymmer geleichen mag, dieweil ir von küniglichem stammen und ich nur von einem schlechten edelman geboren bin. Koch dannocht hoff ich, ihr mein hertzlichs liebhaben nit verschmahen unnd mich für eweren armen diener auffnemen. Gott wolt, müglich wer, das ir mein liebe recht erkannten! Hiemit sind gott in sein hůt befohlen.‹

Der jüngling Gabriotto den brieff nam, er vernegt in wol in den ballen, so sein gsell Reinhart auffgeschnitten hat. Nach dem sye mancherley mit einander zů red wurdent, der jüngling seinem gsellen Gabriotto anfing zů bekennen die liebe, so er Rosamunda, der junckfrawen, tragen thet. Des im Gabriotto einen gůten můt nam, anhůb und sprach: ›Ach mein lieber[228] Reinhart, wie mochtest du doch in deinem in hertzen gedencken, mich von solicher meiner fürgenummener liebe zů wenden, dieweil du dich doch selbst mit solchen banden weyst behafft sein! Nun sag mir umb aller freundtschafft willen, ob du anderst meyntest dir etwas widerswertigs davon zů kummen.‹

Reinhart anhüb und sprach: Gabriotto, ich bekenn mich dir einen freffel begangen haben, dieweil ich [dich], wie du sprichst, meynet davon abzůwenden, davon ich mich doch keinswegs entziehen mag. Dann du solt wissen, ich mir zům offtern mal fürgenommen hab, weg und steg zů vermeiden, da ich meynt Rosamunda zů finden. So sich dann von ungeschicht begab, da ich irer schöne ingedenck ward, iren züchtigen wandel befrachtet, wie mocht ich dann mein fürnemmen erstatten! Ja! keinswegs, sunder ich mich mit fleiß fůgen thet, da mir die junckfraw zů sehen werden mocht. Sobald ich iren dann ymmer vorsichtig ward, so meynt ich nit mir grösser freüd zůgestanden sein möcht. Derhalb ich mich auch dest offter mit fleiß auff dem schönen lustplatz hab lassen finden; dann ich gewissz die junckfraw an Philomena fenster finden thet, wie du dann selbs zům dickern mal gesehen hast, so uns die junckfrawen mit kräntzen und wolschmackenden blümlin zůwurffen.

›Ich bekenns‹, sprach Gabriotto, ›und frew mich auch des aus gantzen hertzen, das du auch in dem netz gefangen bist, in dem ich yetz lang zeit gelegen bin.‹ Mit solchen worten die zwen ir zeit vertriben.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 226-229.
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