16.
Wie Gabriotto seiner liebsten Philomena ein brieff schreibt, welchen er ir in einem ballen zůwarff, den sye mit grossen freüden einpfahen thet.

[229] In kurtzer zeit hernach begab sich eins tags, das Reinhart und Gabriotto allein auff dem schönen lustplatz zůsamen kummen waren und nyemands dann sye allein den ballen mit einander schlůgen. Sich nit lang verzog, Philomena mit Rosamunda an das gewonlich fenster kamen, dem ballenschlagen[229] zůzůsehen. Als sye aber nyemandts dann der zweyer jüngling gewar wurden, aber nach irer alten gewonheyt anhůben mit schönen kräntzen nach inen zů werffen. Gabriotto des werffens bald wargenummen hat, seinen krantz zůhanden nam, mit züchtigen geberden sich gegen Philomena danckbar beweisen thet; seinen gemachten ballen zůhanden nam, den ein mal oder drey hoch in den lufft schlagen ward, demnach zů der junckfrawen Philomena fenster hineinschlůg, zu der junckfrawen sprach: ›Allergnädigste junckfraw, nemmendt hin den ballen und lond in umb kein ding unzerschnitten!‹

Die junckfraw, welche mit sundrem fleiß des jünglings red warnam, wol verstohn kundt, die sach nit umbsunst geschehen wer, den ballen mit grossen freüden auffhůb, in freündtlich an ir brüstlin trucket, demnach in auffschneiden thet, des brieffs, so darinn was, bald warnam, in zů handt auffthet, den in gegenwertigkeyt irer vertrewten junckfrawen lesen thet, mit grossen freüden zů Rosamunda sprach: ›Nun sichst du mein allerliebste Rosamunda, das mein liebe gegen meinem allerliebsten Gabriotto nit umbsunst gewesen ist. Darumb frew dich mit mir, mein liebe freündin!‹

›Ach gott‹, sprach Rosamunda, ›wie mag ich ein gleiche freüd mit euch haben, dieweil ich nit wissen mag, ob mich Reinhart auch lieb haben will oder nit, oder ob er mich villeicht zů einer liebhaberin zů gering achtet.‹ – ›Biß getröst‹, sprach Philomena, ›dann du in kürtze aller sorgen entladen würst. Ich sich, das dich Reinhart ob allen andren liebet; und so du auff seine geberdt acht bettest, du müste mir solchs selbs bekennen. Dann fürwar ich sein acht genummen hab, wo es im als güt werden mag, er dich von gantzem hertzen anblicken thůt und doch so gantz züchtiglichen, das nit müglich ist im ein solchs abzůmercken.‹

Von disen worten Rosamunda nit wenig trost empfahen thet, das ir die junckfraw also zůgesagt hat, sich deshalb mit der junckfrawen Philomena größlich erfrewen thet. Als nun Philomena den brieff nach irem willen gelesen, sye sich zůhandt[230] nidersetzt, dem jüngling ein anderen brieff auff solche meynung schreiben thet:

›Mein hertzliche liebe, edler jüngling, füg ich dir zů wissen. Was grosser freüden mir dein schreiben bracht hat, ich dir nimmermer erzalen mag. Fürwar mich hertzlich erfrewen thůt, so ich vernummen hab, dich also grosse liebe zů mir tragen. Das du aber meynest dich nicht würdig sein mich lieb zů haben, solt du in keinen weg gedencken. Dann dein züchtiger wandel, edels gemüt meiner liebe wol würdig ist, ich geschweig deiner schöne, welche den Hector von Troy weit übertreffen thůt, dergleich den Absalon mit seiner schöne übertriffet, ja sye mer den englen dann menschen sich vergleichet. Darumb, mein allerliebster Gabriotto, schlag zůruck alle solche gedancken und glaub meinen worten! Fürwar mich nye mer freüd umfahen thet, dann da ich deines brieffs zům ersten mal ansichtig ward. Doch klag ich, das du nit wissen magst, wie lieb ich dich hab; ich aber hoff, du in kurtzer zeit ein solchs von mir erfaren solt, so uns anderst das gelück nit mit widerwertigem fal begegnen thůt. Edler jüngling, ich bitt dich, so du mich anderst lieb hast, du wöllest mir zů wissen thůn, ob doch Rosamunda auch von deinem gsellen Reinharten gehuldet werd. Wo dem also wer, so sag ich, das wir unser lieb on alle sorg zů end bringen wolten. Hiemit ich dich, edler jüngling, gott dem herren in seinen schirm befehlen will.‹

Als nun die junckfraw Philomena den brieff geschrieben: hat unnd den auff das geschmeydigst zůsamen gelegt hat, sye in mit fleiß wider in die ballen vernegen thet, sich zůhandt wider an das fenster füget. Des der jüngling Gabriotto bald ersehen hat, sich nit lang saumet, zů dem fenster kam, ob er doch etwas von Philomena vernemmen möcht. Die junckfraw im den ballen wider hinabwarff, also sprach: ›Nimm hin, jüngling, den ballen, unnd wie du mir befahlst, also thů ihm.‹

Der jüngling Gabriotto ein klein von solcher red erschrack; dann er vermeynt, die junckfraw den ballen nit auffgethon hette; sich also schamrot von dannen machet an ein heymlich: end, da sein nyemandts acht nam, den ballen auffschneid. Als er den brieff ersehen thet, von gantzem hertzen erschrecken thet: dann in geducht, solichs sein brieff wer; in willen aus[231] zů zerreißen. Als er in yetz schon fasset, befand er das papyr dicker sein, dann seins gewesen was: in zůhandt uffschloß, der junckfrawen geschrifft erkennen thet. Allererst ward sein hertz mit lausentfaltigen freüden umbgeben; den brieff zům offtern mal lesen thet, in auch als offt zů tausent malen kusset. Sieh wider zů Reinharten, seinem gsellen, füget, der ihn so bald nit ersehen hat, an seiner gestalt vermarckt, im ein frölich bottschafft worden wer. Gabriotto im alle sach zů verston gab und namlich den letsten inhalt seines brieffs. Des im Reinhart auch sunder freüd nam, dann wol gedacht, ein solich nit on ursach beschehen sein, als es dann was. Dann ihm der jüngling Reinhart wol gedacht, das Rosamunda die junckfraw Philomena darzů bewegt bet. Darumb er sich dann eylend mit Gabriotto berahtschlagen thet, mit was fůgen er der junckfrawen ein semlichs zů verston geben wolt, damit er von nyemandts gegen ir verdacht werden möcht.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 229-232.
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