17.
Wie Philomena dem hoffgesind ein kleinot ußgab, mit dem ballen darumb zů schlagen.

[232] Eines tags sich begab, das die junckfraw Philomena mit irem frawenzimmer für die statt auff einen schönen anger spacieren giengen und mit iren vil des künigs hoffgesind, unter denen was auch Reinhart unnd Gabriotto. Als sye nun an das lustig ort kummen waren, die junckfraw Philomena, welche allzeit ein wolgefallen an irem allerliebsten jüngling nemen thet, – damit sye in aber mer dann die andren preisen möcht, gedacht sye ir, den jungen edlen ein gab außzůgeben, mit den ballen die zů gewinnen. Dann sye wußt Gabriotto also geschickt und behend mit sein, das im nyemandts an dem hoff geleichen mocht. Das, so die junckfraw außgab, was ein reiche schnůr, mit goldt und perlin meysterlich geschmuckt, also das sye ein graff mit ehren wol bet mögen[232] tragen. Philomena schuff die zu hencken an ein schöne grüne linden, da sye ihr dann iren sitz sampt iren junckfrawen außerkoren hat. Die jungen edlen, welcher an der zal bei dreissig was, sich allzůmal nach irem besten vermögen darzů schickten: dann ein yeglicher die gab understund zů erlangen. Da sah man manchen behenden jüngling dem ballen entgegenspringen, gleich als wann er gellogen wer, und dann den ballen mit seiner band von im weisen so behendt, das man im nit bald genůg hett mögen zůsehen. Wie vil aber deren waren, noch ward keiner under in, so dem jüngling Gabriotto mit behendigkeyt, weiß und geberden geleichen mocht. Des Philomena ir sunder grosse freüd nam, dieweil sye menigklich frawen und junckfrawen dem jüngling den preiß geben hort.

Reinhart sich auch nach allem seinem vermögen brauchet unnd zů aller zeit der junckfrawen Rosamunda warnam, die im nit minder eüglin zů tausent malen schiessen ließ; den jüngling in solch gedancken setzt, das er sein selbs gäntzlich vergessen thet und, als im einer seiner gesellen den ballen zůschlůg, er in solchen gedancken im den ballen meynt wider zůschlagen, in aber gegen Rosamunda schlagen thet. Des er von hertzen seer erschrack, auch von allen andren seinen gesellen größlich verlacht ward: ihn damit bewegten, das er sich denselben tag des ballens nit mer underziehen wolt. Also schamrot zů Rosamunda sich füget, sye mit züchtigen worten freündtlich bitten ward. Die junckfraw, die yetzund sampt Philomena ein klein von der linden unnd den andren junckfrawen gangen waren, Reinharten mit mancherley schimpffworten umbtriben, der in zů aller zeit zůchtiglichen antworten kundt.

Zůletst Philomena anhůb und sprach: ›Fürwar, Reinhart, ir mir auff dißmal nit mer schuldig seind. Dann ir euch mit ewerem mißschlagen ein ursach genummen haben, mit Rosamunda zů reden, welchs euch, als mich bedunckt, mer freüd geberen thůt, dann der ballen.‹ Der jüngling Reinhart sich von wegen der wort Philomena seer schamen ward, zůchtiglichen anhůb und sprach: ›Ach allergnädigste junckfraw, es ist nit on; mir ein semlichs grosse freüd bringen thůt. Wiewol ich wol dencken mag, alles umbsunst sein, noch muß ich[233] bekennen, mir grösser freüd nit bekummen möcht, dann so ich wißt ein diener sein einer semlichen wolgebornen züchtigen schönen junckfrawen, als dann mein gnädige junckfraw Rosamunda ist.‹

Philomena sprach: ›Reinhart, so ich wissen möcht, dir semlicher wort ernst sein, und das du nit deinen spott mit uns treiben thetest, ich dir warlichen etwas zů wissen thůt wolt, davon dir grosse freüd bekummen möcht.‹ Der jüngling anhůb unnd sprach: ›Ach gnädige junckfraw, des sond ir sunder zweyffel an mir sein. Dann ich mich des nimmer gegen euch underston dörfft, als ir mir vertrewen, ja das ich mich spottwort gegen euch oder der junckfrawen Rosamunda gebrauchen solt; dann ich michs gegen einer mindern nye unterstanden hab. Ich sprich wie vor, mir grösser freüd nymmer zůston möcht, dann so ich wisst einer solchen schönen junckfrawen zů dienen, also das ir meine dienst angenem weren. Sagend mir doch, ob sich ein jüngling auch seliger schctzen möcht, dann in einem solichen stand, wie ich euch angezeygt hab!‹

Philomena also sprach: ›Nun wolan, Reinhart, so biß du des sunder zweyffel, das dich junckfraw Rosamunda vor lang von gantzem gehuldet hat; darumb du dich sein billich erfrewen magst.‹ Die junckfraw Rosamunda zugegen stund, allen worten von Philomena der junckfrawen geredt zůhort; derhalb sie sich in irem angesicht entferbet, das sye ein klein roßlechter ward, das dann ir ein sunder zier gab.

Reinhart sprach zů der junckfrawen Rosamunda: Wolgeborne junckfraw, dieweil ir mich dann zů einem diener nit verschmahen wend, demnach Philomena mit mir geredt hat, so bitt ich euch mit höchstem fleiß, ir wöllend mich in keinem dienst nymmer sparen und mir zů aller zeit gebieten, euch zů dienen. In allem, so ewer gefallen ymmer sein mag, ich mich nymmer in keinen weg sparen will.

Die junckfraw Rosamunda dem jüngling seiner red mit grossen freüden zůgehört hat, anhůb und sprach: ›Edler jüngling, ewer trostlich zůsagen mich von gantzem hertzen erfrewet; und wiewol ich mir fürgenummen hat, euch semlichs zů verbergen und mein liebe, so ich euch lang zeit getragen hab, nit zů öffnen, so mag ichs doch nymmer geleügnen, dieweil[234] euch Philomena deren zům theyl bericht hat. So wissen, das ich euch fürthin für meinen lieben bůlen halten will. Damit aber mir yetzund nit den falschen zungen ursach geben, etwas args wider uns zů gedencken, wöllend wir auff dißmal genůg davon geredt haben. Den nechsten tag aber, so ihr mir auff dem platz mit ewerem gsellen Gabriotto allein zů gesiecht kummen, will ich eich den unsprung meiner liebe in gschrifft anzeygen. Darumb gond nun zůmal mit freüden wider zů ewerer gsellschafft und schaffend euch freüd und kurtzweil mit inen! Dann uns die zeit lenger nit vertragen will bei einander zů bleiben.‹ Der jüngling mit züchten urlaub von den beden junckfrawen nam, frölich und wol zů můt von dannen gieng.

Gabriotto das lang gespräch mit fleiß wargenummen hatt, kaum gewarten mocht, das er allein zů seinem gsellen käm, damit er vernemmen möcht, was doch Rosamunda mit im geredt hett. In dem sich begab, das man dem schimpff yetzt ein end gab. Alle, so zůgegen waren, Gabriotto den preiß gaben. Des im dann Philomena von hertzen günnet, ihn bald zů ir kummen schůff. Der jüngling das mit grossen freüden volstrecket. Als er nun zů Philomena kam, sye mit züchtiger reverentz grüssen thet, dem die junckfraw zůhandt züchtiglichen danck saget, anhůb und sprach: ›Edler jüngling, ich glaub, euch ein sundere gnad von gott verleyhen sey, dann euch yederman auff disen tag den preyß geben thůt. Darumb ir dann billich mit disem kleinot sollen begabt werden.‹ Im mit solichen worten die schon und wolgemacht schnůr zů seinen handen geben thet, die er mit grossen freüden von deren, so ihm ob allen weiben liebet, empfieng.

Dem nach yedermann wider heym zoch. Reinhart und Gabriotto under allen andern die frölichsten waren, aus der ursach Reinhart von seiner Rosamunda einen sichern trost empfangen hat, Gabriotto von seiner liebsten junckfrawen Philomena ein reiliche gab. Darumb sye sich dann billichen mer dann der andren keiner erfrewen mochten; deßgleichen die beyden junckfrawen mit grossen freüden wider an den küniglichen hoff kamen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 232-235.
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