38.
Wie Gernier, der alt ritter, seinem son Gabriotten das fürnemmen Reinharts zů wissen thůt; Gabriotto bekennt seinem vatter, er aller sach ein anfenger sei, auch wie er Philomena die er versprochen hab; davon der alt ritter in ein zwyfach leiden kam.

[285] Ir hand gehört, mit was leyd Gernier, der frumm alt ritter, umbgeben was; seinem son Gabriotten sein leiden vermeynt zů klagen, im was aber verborgen die heymlich lieb, so sein son zů der junckfrawen Philomena tragen thet, deßgleich das im seines gsellen liebe mer dann keinem menschen kundt was.

Sobald nun Gernier zů seinem son kam, mit trawrigem angesicht unnd bekümmertem hertzen anhůb mit im zů reden unnd sprach: ›O Gabriotto, mein allerliebster son, ich mag wol sprechen, das wir zů einer unseligen stund in Engeland kummen seind, dieweil sich das glück also mit ungestümem lauff gegen uns gewendt hat. Weh mir, das ich an den küniglichen hoff ye kummen bin!‹ Gabriotto von seines vatters wortten ettwas bekümmert ward, nit gedencken mocht, was in doch zů semlicher schnellen klag ursachet, also sprach: Allerliebster vatter, die ursach deiner klag ist mir gantz verborgen.[285] Wo es aber dein gefallen wer, wolt ich die gern von dir vernemmen.‹

Der alt ritter hůb an und erzalet seinem son alles: das sich mit dem künig und Reinharten, seinem gesellen, verloffen hat. Alsbald nun Gabriotto seinen vatter gehört, hatt er im behend geantwort und also zů im gesprochen: ›Mein hertzlieber vatter, ich bitt, mir meiner antwort, verzeihen wöllest und mir vergeben, so ich ettwas wider dich gethon hab, mir auch durch gott vergeben wöllest unnd dem gewalt der liebe solche ding zůmessen, welchem vil mannlicher trewer leüt underwürfflich gewesen seind. Ich bitt dich, lieber vatter, du wöllest meinem gsellen sein liebe nit so gantz für übel auffnemmen; dann ich warlich ein große ursach seiner liebe bin; unnd so ich nit angefangen hett lieb zů haben, fürwar Reinhart gegen Rosamunda nymmer in liebe entzündt wer. Du solt auch wissen, lieber vatter, das ich nit minder gegen Philomena in liebe behafft bin dann mein gsell Reinhart gegen. Rosamunda; ich hab mich auch nit weniger mit ihr verpflicht. Darumb, mein hertzlieber vatter, wöllest mir mein freffelheyt verzeihen und mir hierinn ein vätterlichen raht geben, wes ich mich hinfürt halten soll, dieweil ich doch spür, das unser lang verborgene lieb außbrechen will.‹

Mit was schmertzen der gůt frumb alt ritter umbgeben ward, mir nit müglich ist zů beschreiben, dieweil er seinen son vernam mit vil mer sorglicher liebe beladen sein dann Reinharten. O gott‹, sprach Gernier, ›mein son, wie hast du; mich so gantz in angst und nodt versteckt! Ach das ich nit in Franckreich bliben bin, dieweil ich doch einen genädigen künig hett mögen haben; so wer ich doch semlicher grossen unnd schweren sorg entladen. O mein son, du hast die sorg, so darauff stat, noch nye genůgsam bedacht, dieweil der künig also schweerlich gegen Reinharten ergrimmpt ist. Was würt er dann thůn, so er vernommen würt, das du im zůruck sein eigene schwester understohst zů empfůren? Warlich da würt kein ander hoffnung sein, dann das wir all drey von dem künig getödt werden. O mir armen ritter! Vil weger wer mir on ein son gewesen sein, dann eines semlichen schweren urtheils zů erwarten.‹[286]

Als der jung ritter seinen vatter alsü betrübt sah, wolt er nit lenger mit seinem trost verziehen, anhůb und sprach: ›Mein hertzlieber vatter, nit wöllest dir die sach dermassen zů hertzen fassen. Dann warlich soltu mir glauben, wo du meinem raht folgen wilt, wöllendt wir on alle sorg der sach zů gůtem end kummen und nit also in grossen sorgen ston, als du dann meynest. Darumb, so dirs geliebt, will ich Reinharten, meinen gesellen, berůffen und im mein anschlag entdecken. So mir dann Reinhart volgen würt, wend wir dem künig in kurtzer zeit allen seinen argwon benemmen.‹

Der alt ritter anhůb unnd sprach: ›O mein son, wo dir ein semlicher raht zů wissen wer, so wolt ich wol sprechen, du werest nun zůmal mit mer vernunfft dann ich begabet. Dann mich warlich sorg und angst dermaßen umbgeben hat, das mir nit můglich ist einicherley darinn zů rathen. Darumb, mein son, wöllest unverzogenlich nach Reinharten, deinem gsellen, schicken, damit mir mein leyd eins theils benummen werd.‹

Gabriotto sich nach seines vatters worten nit lang saumen thet, seinen gesellen beschicket, im sein anschlag in beiwesen seines vatters entdecket, wie ihr hernach vernemmen werdt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 285-287.
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