39.
Wie Gabriotto seinem gesellen seinen anschlag öffnet; wiewol das schwerlich zů vollbringen was, noch verwilliget Reinhart, damit ein ärgers vermitten blieb.

[287] Als nun Gabriotto seinem vatter die sorg eins theils bennumen hat und yetz nach seinem gesellen geschickt hat, welcher sich nit lang saumen thet, zů seinem allerliebsten gsellen kummen was, seines gsellen vatter in grossem trawren bei im finden thet, wol gedacht, was die ursach seines berüffens sein würd, Gabriotto anhůb und sprach: ›Reinhart,[287] darumb ich nach dir geschickt hab, solt du dich nit verwundren. Dann es nit umbsunst beschehen ist; dann ich warlichen förcht, unser heymliche liebe, wöll außfindig werden. So dann semlichs bescheh, würd uns warlich nit ein kleine sorg darauff stohn. Dieweil aber die sach noch nit ganz lautbrecht ist, möcht man noch wol weg finden, damit wir beyde. on argwon bei dem künig wonen möchten, das aber in kein andren weg beschehen mag, dann wie ich dir, Reinhart, hie zů verston geben will. Du můst dich erstmals begeben, ein zeit lang auß Engelandt zů reysen, es sei ein jar oder mehr, ye nach gstalt der sach, doch mit dem bescheyd, das du und ich beyd urlaub von dem künig begeren, uns auch durch kein mittel noch weg bereden lassen, an disem hoff zů bleiben. Dann ich weyß, der künig nit nachlassen würt, uns du durch bitt understan zů behalten. Sobald er dann unser ernstlich fürnemmen sehen und hören würt, er sich gäntzlich von seinem argwon keret. Wiewol mir diser mein anschlag schwerlich zů volbringen würt, dannocht zwingt mich die liebe, so ich zů meiner liebsten junckfrawen trag, das mir kein weg zů ferr, kein arbeit zů schwer sein soll, damit ich hernach dest unforchtsamer bei meiner liebsten junckfrawen wonen mag. Wer weyßt, in mitler zeit sich begeben mag, das villeicht der künig abgoht oder uns gott durch ander weg helffen mag, dardurch. wir unserem begeren on sorg zů end kummen.‹

Als nun der jung und edel ritter Reinhart seinen gsellen also hort reden, in mit einem grimmen gesicht anblicket, zů im sprach: ›O Gabriotto, nun erst erkenn ich, mit was liebe. du gegen deiner junckfrawen umbgeben ist. Fürwar dein liebe sich nit dermaßen enden will, wie du offt unnd dick gesagt hast. Ich mag nit gelassen dich der ding zů erinnern, wiewol dein vatter zůgegen ist Wie offt hast du dich aller not begeben umb deiner junckfrawen willen zů leiden, auch mit deim schreiben deiner junckfrawen offt verheyßen, du wöllest, so es die nodt erfordert, den todt von iretwegen zů leiden, wo es zů schulden kumb. Nun aber begerst du der flucht, und ist doch nyemandts, so dir nachjaget; dann ich weyß, das der künig in keinen weg argwenig gegen dir ist Laßt du dich anfechten, das mir der künig also auffsetzig ist, dieweil es[288] mich doch gantz nichts irret, wie woltest du erst thůn, wann du. als ich gegen im stindest? Fürwar, ich glaub, du von dem ersten anrennen entritten werest und dich als einen flüchtigen erst schuldig geben. Fürwar mich kein mensch des bereden soll, und solt ich wissen, das mir der todt als nach wer, als mir das leben ist. Dann mich nyemandts von meiner liebsten junckfrawen scheyden soll dann der todt.‹

Gabriotto wider anhůb und sprach: Ach mein lieber Reinhart, so du mit fleiß betrachtest, was leyds dir auß deinem hiebleiben entston mag, herwiderumb was grossen glimpffs, freüd und liebs dir dein hinscheyden bringen würt, fürwar du meinen getrewen und gůten raht nit so gantz verachten würdest. Ich will dein liebe nit dermaßen urtheylen, als du die mein. So ich aber mein Philomena nit lieber hett, dann ich mich selbs hab, so sprech ich gleich wie du also, das mich kein leiden noch angst von ir bringen solt; ja ich wolt auch mein leben gleich so ring als du das dein schetzen. Sag mir aber, mein Reinhart, so sichs also begeb, das dich der künig also ließ umbbringen oder in gefencknüß werffen oder zů dem gnädigsten dich seines künigreichs verweisen thet, und dein junckfraw also deins trübsals, leiden und leyds täglich gedencken und alsbald mit ihren augen selbs sehen müßt und deiner zůkunfft kein hoffnung nimmermehr haben möcht, was freüd würt sye davon nemmen? Warlich du würst sye in ein ewigs leiden unnd kläglich leben setzen. Dasselb dir, so du sye anders lieb hast, mer anligen soll dann dein eygen übel, so dir darauß folgen würt. Dann fürwar so würt dir ein solches widerfaren, wo du meinen gůten unnd getrewen raht verschmahest. Das alles, so ich mich begeben thůn, nit darumb beschicht, das ich mir fürgenummen hab diß künigreich zů meiden, sunder das wir beyd hinach mit minder sorgen umb unsere allerliebsten junckfrawen wonen möchten. Sye würden auch sunder zweiffel solchen unsern anschlag größlichen loben, wo sye anderst des recht und gründtlich bericht wurden. Ich bin auch sunder zweiffel, das kein ferre des wegs unser liebe außleschen solt. Darzů wolten wir mein vatter allhie bleiben lassen; der möcht uns allzeit verschreiben, wie[289] es in Engelandt stünde. Herwider solt im von und keiner bottschafft manglen, das uns dann ein sundern trost und freüd bringen würd. Darumb, mein lieber brůder wöllest meinen raht nit verwerffen unnd mir an dem ort folgen. Ich weyß du würst mir noch über lang meines rahts dancken.‹

Dem alten ritter Gernier der raht seines sons fast wol gefallen thet. Wiewol im ir abscheyd auch ser zůwider was, noch redt er so vil mit Reinharten, das er zůletst verwilliget seines gsellen raht zů folgen, anhůb und sprach also: ›Wiewol ich mit mir entlich beschlossen hab, uß disem künigreich nymmermehr zů kummen, wie mirs doch gangen wer, noch dannocht müß ich bekennen, das mir ewer beyder raht nit gäntzlich mißfallen thůt. Jedoch bitt ich dich, mein lieber Gabriotto, du wöllest bedencken, wodurch wir unseren allerliebsten junckfrawen unsern willen und meynung auff das füglichest entdecken wöllen. Dann dasselb zůvor unnd eh geschehen můß, eh dann wir kein urlaub von dem künig genummen haben. Wer weyß, was rahts sye uns darinnen geben mögen, so villeicht erschießlich sein würt!‹

Gabriotto anhůb und sprach: ›Reinhart, diß und alles, so du an mich begerest, bin ich willig bereyt zů volbringen, wo du mir versprichest und in mein handt gelobest, deinem zů sagen nachzůkummen.‹ Der ritter Reinhart seinem gesellen in sein handt geloben thet, alles das zů thůn, so er im gerahten hett. Der sach der ritter Gabriotto wol zůfriden was, wiewol im sein fürgenummene reyß mehr leyd dann freüd brachte. Die sach also auff dißtmal růgen liessen, den tag volls mit andren edlen in mancherley kurtzweil und freüden vertriben. Reinhart aber seinem versprechen stätigs nachsinnet; einsteils gerewen was, das er sich so vil gegen seinem gesellen begeben hat, yedoch im entlichen fürnam, seinem zůsagen nachzůkummen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 287-290.
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