40.
Wie Reinhart seiner liebsten Rosamunda das fürnemen seines gsellen verschreibet, die junckfraw sich fast übel davon gehebt, gäntzlich nit darinn gehellen will.

[290] Reinhart, welcher seinem zůsagen ernstlichen nachgedencken thet, sich des andren tags heymlich vor seinem gesellen verbarg, in seinem gemach nidersaß, der junckfrawen Rosamunda einen brieff, wie er von dem zauberer Valentin gelert hat, auff einem schneweisen papyr schreiben thet auff semliche meynung von wort zů wort also lautend:

So mir, hochgeborne züchtige allerliebste junckfraw, müglich sein möcht, euch ettwas frölichs zů schreiben, wolt ich mich sunder zweiffel diser trawrigen unnd leydigen maß nit gebrauchen, damit ich euch sunder zweiffel weyß grossen schmertzen bringen würd. Dieweil mir aber, allerliebste junckfraw, nit müglich ist mein hinwegscheyden zů verhalten, so bitt ich euch, wöllend ab meinem brieff kein unmüt nemen und gedencken, was mich und meinen gsellen zů semlichen hinwegscheyden ursachet. Ir sond wissen, mein allerliebste junckfraw, das der argwon des künigs noch nit erloschen ist, sunder von tag zů tag ye mehr und mehr zůnimpt. Dann seidher er mich bei euch in dem frawenzimmer funden hat, er ein schwere grosse klag wider mich gegen dem alten ritter, meines gesellen vatter, gefürt, hat sich auch dabei hören lassen, wo er mehr dergleichen an mir spür, er wöll mich hart unnd schwerlich darumb straffen. Damit hat mich der künig also angsthafft gemacht, das ich besorg, es möcht uns durch solche practick zůgericht werden, das wir von einander scheyden müsten unnd hierinn keinen trost mer haben wider zůsamenzůkommen, das mir warlich minder dann der todt zů gedulden wer. So ir mir aber, allerliebste junckfraw, erlauben wend, will ich mich sampt meinem gsellen dahin richten, das wir in jars frist on alle sorg wider bei einander sein wöllen und dem künig damit allen seinen argwon benemen. Hiemit befilh ich mich, allerliebste junckfraw, in eweren schirm. Gott bewar euch, ein trost meines lebens!‹[291]

Als nun Reinhart dissen brieff geschriben und volendt hat und aber das papyr gantz lauter unnd weiß was, nam ers und brachts seiner Laureta, also sprach: ›Mein allerliebste Laureta, ich bitt, wöllendt meiner junckfrawen diß papyr eylens überantworten; dann sye es vast von nöten sein würt.‹ Die ertzettin nit anders meynt, dann es wer ein gantz lauters papyr, sich des verwundert, was Reinhart damit gemeynet also offen und nit zůgethon; der junckfrawen Rosamunda den brieff überantwort, die sye noch in irem gemach fand; dann es noch fast frü was. Zů ir sprach: ›Rosamunda, nemend hin, junckfraw, diß papyr! Dann als ich bericht würd, seind in sein von nöten.‹ Rosamunda, die yetz der geschrifft langest bericht was, das papyr mit grossen freüden empfahen thet zů Laureta sprach: ›Ja fürwar, liebe Laureta, ich nit venig verlangen nach disem papyr hab getragen. Darumb ich mit großem danck von euch empfah.‹ Laureta urlaub von der junckfrawen nam, von dannen schied.

Rosamunda ein beckin mit lauterem wasser nam, den schneweißen brieff darein legt, der ir bald ires allerliebsten ritters fürnemen zů verstan gab. Ach, die edel und züchtig junckfraw, so mit grossen freüden dos weiß papyr empfangen hat, yetzundt mit tausentfaltigem leyd und schmertzen umbgeben was, vor grossem leyd die geschrifft kümmerlichen zů end lesen mocht, mit manchem heyßen trehen die geschrifft ires allerliebsten ritters übergiesen thet, anhůb das gelück zů verflůchen und sprach: ›O du falsches schmeychendes gelück, wie machest du so manch kurtze freüd also schnell zergon unnd übergeißt die mit tausendtfaltigem leyd und schmertzen! Ach warumb hastu doch dem jüngling also vil schöne verlihen und zůgetheylt, dieweil du ihm die zů gebrauchen nit vergünnest! Warumb hastu mir anfencklichs zůgelassen den ritter lieb zů haben, dieweil du ihn mit solchen ungenaden von mir ziehen woltest! O Reinhart, gott wolt, du auß Franckreich nye kummen werest! So hett ich dich nye erkannt, und werest du auch von vil leiden und leyd behüt gewesen, welchs dir yetzund vilfeltig begegnen würd. O Philomena, solt dir diser anschlag. kundt sein, fürwar, du würdest auch mit tausentfaltigem schmertzen umbgeben.‹[292]

Mit semlichen worten Rosamunda ein gůte zeit vertreiben thet So lang sye meynt, Philomena allein zů finden, sye das nassz papyr zů ir nam, zů der junckfrawen gemach gieng, anklopffet bald eingelassen ward. Die junckfraw Philomena an ir gestalt wol abnam, das die sach nit nach dem glückliechsten stünd; derhalben sye grossen schrecken von der junckfrawen zůkunfft überkam.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 290-293.
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