48.
Wie dem ritter Gernier die brieff kummen von seim son und Reinharten; das er bald den edlen junckfrawen zů wissen thůt, frölich und wol zů můt seind.

[312] Ir hand gehört, wie Reinhart unnd Gabriotto ihr zeit in Franckreich vertriben. Nun wend wir wider kummen an die schönen unnd züchtigen junckfrawen, welche keinen trost nye empfangen hatten, sunder gäntzlich glaubten, ire beiden ritter im mör versuncken weren, derhalb sie ir zeit lang in trawren und klagen verzerten.

Als sich nun das glück ir anfieng erbarmen, fügt es sich, das die kauffleüt mit gůtem wind an dem englischen port ankamen, von welchem oben meldung beschehen ist. Nit lang stund, dem ritter Gernier zů wissen kam, wie das ettlich frantzösisch kauffleüt in ihrem englischen port ankummen[312] weren. Gernier sich nit lang saumet, an das port reit, da er die kauffleüt nach aller sag finden thet, deren er ettlich, so von Pariß waren, fast wol erkannt. Zů den er sich füget, sie freündtlich empfieng, demnach fragt, ob in neüt von seinem son zů wissen wer. ›Ja sicher,‹ sprach der ein, ›vil gůts. Er hat mir auch ettlich kleinot und brieff geben, euch die zů überantworten.‹ Als der gůt alt ritter den kauffmann also reden hort, vor grossen freüden nit wußt, was er in zů antwort geben solt, nit lenger warten mocht, urlaub von inen nam.

Den beiden junckfrawen die frölich bottschafft nit lenger verhalten wolt, sich zůhandt zů Philomena gemach füget, anklopffet, von ungeschicht Philomena und Rosamunda bei einander fand: in irem alten wesen einander ir leyd klagten. Als sie aber den alten ritter also frölichs angesichts erblickten, dann es lang nit sein gewonheyt gewesen was, ettwas freüd von seiner zůkunfft empfiengen. Der in zůstund der beiden jüngling wolfart zů wissen thet; des die schönen junckfrawen mit unzalicher freüd umbgeben wurden, zůstund der brieff von dem ritter begerten. Der er aber noch keinen hat; dann sein begirdt zů groß gewesen was inen die bottschafft zů verkünden, das er die brieff und kleinot nit an die kauffleüt begeren thet.

Des die beyden junckfrawen aber seer betrübt wurden; dann sie meynten, Gernier die ding erdicht het, damit er sie von irem trawren unnd klagen wenden möcht. Deßhalb Philomena anhůb unnd sprach: ›O Gernier, mit diesem trost uns unser klagen unnd trawren nit benummen werden mag. Dann wir wol ermessen künden, warumb solchs geschehen thůt.‹ Der ritter in die red so theür behalten thet, das sie im zůletst glauben gaben; in bitten thetten, die brieff auff das fürderlichest zů überkommen. Damit aber sie der ding gewiß weren, schicket Philomena ir vertrawte Laureta sampt irer magt mit dem ritter und seinem knecht an den port, da die kauffleüt ir güter außlůden.

Als nun der kauffman, so die brieff hat, den ritter widerkummen sah, sich nit gnůg verwundren mocht, das im der ritter nit zům ersten die brieff abgefordert hat, ihm fürnam stillzůschweygen und des ritters wort mit fleiß zů vernemen.[313] Der ritter so bald nit zů im kummen was, anhůb unnd sprach: ›Herr kauffmann, hab ich nit verstanden, wie ihr ettlich brieff haben, so mir zůstanden?‹ – ›Ja‹, sprach der kauffmann, ›ich meynt aber sye wider in Franckreich zů füren, dieweil ir sie zůvor nit von mir hand wöllen empfahen und also stillschweygendt von mir gangen seind.‹ Damit im die brieff sampt den kleinotten überantwort. ›Das nempt nit zů ungnad,‹ sprach der ritter, ›dann mich also grosse freüd umbgab, als ich vernam mein son noch bei leben sein, das ich an kein brieff noch kleinot gedencken mocht.‹

Als er nun dem kauffmann mit höchstem fleiß gedanckt hat, sie auch batt nit hinweg zů scheyden, er wollt ihn vor gůt gsellschafft halten, des sie im zů thůn versprechen thetten, der ritter mit seiner gsellschafft wider heym kam, zů den beyden junckfrawen gieng, die dann sein mit grossem verlangen warteten, inen die brieff überantwort. Erst wurden sie mit grosser freüd umbgeben, von stundt an die handtschrifft irer lieben ritter erkannten. Inen auch bei disen kauffleüten wider schriben alles, das sich in irem abwesen verloffen hat, auch wie sie also lange zeit irenthalb in grossem leyd gewesen weren. Die junckfrawen demnach mit mehr freüd und kurtzweil ir zeit vertriben.

Das alles wend wir umb kürtze willen underlassen unnd sagen, was sich weyters mit Reinharten und Gabriotten in Franckreich verloffen hab. Dann es inen zůletst auch nit nach irem gefallen gon wolt, wie ir hören werdt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 312-314.
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