1.

Wie der ritter Gottlieb mit seinem gebätt sampt seinem weib gott fleißiglichen umb ein leiblichen erben bitten thůnt, und wie in gott einen erben bescheret.

[4] Es ist gewesen vor langen jaren ein frummer alter ritter an dem hoff zů Preüssen, welcher seine tag in mannlichen und ritterlichen thaten hinbracht biß auff fünfftzig jar, so das er keinem ehlichen weib vermehelt ward. Mitler zeit fügt sich, das ein richer edelmann an des bochmeisters hoff mit tod abging, welcher des hochmeisters schenck gewesen was; an desselbigen statt kam der obgenant ritter, genant Gottlieb.

Zů einer zeit begab sich, das er seines amptes pflegen thet, seinem herren in kostlichen guldinen geschirren den wein dartrůg. Der hochmeister, welcher gar ein betagter alter mann was, als er den ritter ersehen unnd seiner langen getrüwen dienst bedencken thet, gedacht er in im selb: ›Diser dein getrüwer diener vor lang umb seine gefleissen dienst bas verdient gewesen wer, aber auß meinem grossen unfleiß nit bedacht worden ist; nun hat sich das glück jetz gleich gegen im erblicket, wo im anderst ein semlichs gefellig sein wil.‹ Mit disen gedancken den ritter ernstlich mit unabgewendeten augen ansach. Davon im der ritter Gottlieb nit wenig schrecken nam, jedoch mit unbeweglichen augen seinen herren ansach; dann er sich aller straff unschuldig wußt.

Sein herr fieng in an gütlich anzůsprechen also sagende: ›Gottlieb, edler und gestrenger ritter, deine langen und getreuwen dienst seind mir unvergessen. Darumb, so du wilt, magst du ein zimliche bitt an mich wenden. Was mir dann müglich ist mit land und leuten, hab und gůt, solle dir nit versagt sein, damit du auch einmal diner diensten entladen werdist. Zů dem ist dir unverborgen der todt meines lieben dieners, welcher das schenckenampt vor dir getragen, der dann ein schön jung züchtig edel weib verlassen hat mit übergrossem[5] reichtumb und on alle kinder. Wo dir nu anmütig wer, die zů der heyligen ehe zů haben, wölt ich die sach dohin triben und fürderen, das sie dich für iren herren und gemahel nemmen solt; darzů wolt ich dich reichlich begaben und außsteüren. Darauff magstu mir wol dein gůten willen zů verston geben.‹ – Gotlieb, wiewol ein mechtiger strenger ritter, so was er doch an gůt nit so gar überflüssig reich; derhalben nam er im einen kurtzen bedanck und sagt: ›Allergenädigster fürst und herr, die sach ist nit gůt abzůschlagen; dann die frauw ist schon, jung und frumb. Darumb bit ich auff das demůtigist, so müglich, euwer fürstlich gnad wölle die sach zů dem zeitlichesten fürderen; will ich mich dannocht zů aller zeit in eüwer fürstlichen gnaden diensten, auff das undertenigst und gehorsam finden lassen.‹

Alsbald nun das mal vollendet was und die taffel hingenummen, ließ der hochmeister die frawen für in berůffen, iren alle sach erzelende des ritters halb. Die fraw zůstund sich mit aller zucht und scham in des hochmeisters schutz und schirm ergeben thet und imme irenthalben zů handlen allen vollen gewalt übergabe. Zůhand ward der tag angesetzt, und kurtz darnach beschahe der hantschlag; dann was gern gaht, bedarff nit vil treibens. Wie aber und mit was kostlicheit und freud die hochzeit volbracht ward, wöllend wir von kurtze wegen underlassen, damit wir bald zů der materi greiffen, dovon dann diß gantz büchlein sagen würdt.

Diser ritter Gottlieb und sein gemahel also früntlich und fridsam und in grossen freüden mit einander lebten; allein was ir gröste kummerniß, das sie keinen erben von gott bekummen möchten, dann sie nun in das drit jar bey einander gewont hatten. Gottlieb der ritter belib an seinem ampt, pflag des mit grossem ernst und fleiß, hielte sich mit jedermann tugendtsam und früntlich, so das in meniglich liebgewan. Der hochmeister in Preüssen versahe in auch mit gůten lehen, so das er einen herrlichen und ritterlichen stat füren mocht, nam fast zů an zeitlichen ehren und gůt; allein bekummert in, wie obgemelt, das im gott kein frucht bescheren wolt. Darumb er dann mit grosser andacht gott den almechtigen täglichen batt, dem gelich thett auch sein liebste gemahel. Sie aber[6] baten allein gott den herren umb die frucht, wenig bedencken, das ihn auch die gnad von gott verluhen wird, damit die frucht, so in von gott bescheret, in seinem göttlichen willen und wolgefallen aufferzogen wirde, welchs dann, die notwendigist bitt gewesen sein solt. Wie aber sie gott irer bitt erhöret und gewert hat, wie auch das kind, so in gott bescheret, aufferzogen, werdend ihr hernach hören.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 4-7.
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