2.

Wie eines armen bauren weib eines schönen sons genaß, und Gottlieb das kind auß der tauff hůb, auch von seines gemahels und seiner gelübt.

[7] Der edel und theür ritter Gottlieb hat in seinem lehenland einen armen baursmann, frumm und gerecht, aber eines gar ruhen und groben verstands. Den hat gott versehen mit einer tugentsamen haußfrauwen, welche ihm gar vil schöner kinder gebar, die er dann in grosser armůt, aber doch in der forcht gottes aufferziehen thet. Der ritter und sein gemahel groß mitlyden mit ihnen, dem bauren und seinem weib, hatten, im tägliche hantreychung thetten, seine kinder mit speiß und kleideren versahen, und wo sie mochten zůstatten kummen. Der baur was genant Růdolff und sein gemahel Patrix.

Nun begab es sich, das die gůt Patrix aber eines kindes schwanger gieng. Sobald und sich nun die zeit irer geburt nehet, nam des ritters weib mit namen Concordia die Patrix zů ir in ir behausung und befalh, man solt ir wol und ehrlich pflegen, glich als wann sie es selb were. Dann sie sprach: ›Diewyl mich gott nit erhören wil von meiner sünd wegen, so soll mir dise frauw einen trost geberen, damit ich mein zeitlich freüd haben mag. Es sey gleich ein son oder ein tochter, soll es in aller gestalt als mein eigen kind aufferzogen werden.‹

Diß stund nit seer lang, die gůt Patrix gewan grossen[7] wehtagen (dann die zeit irer geberung sich nehet) und gebar einen gar schönen knaben, so das meniglich sagt, er solte eines küniges son billichen erkant werden seiner schöne und tugent halb. Von disem schönen kind name ir Concordia ein gar grosse freüd und frolocket nit anderst, dann wann das ir eigen fleisch und blůt gewesen were. Jedoch zů allen zeiten ward sie auch hertzlich bekümmert und gedacht: ›Ach almechtiger himmlischer vatter, wie unerforschlich sind deine gericht, wie unaußsprechlich deine milten gaben! Mir hast du verluhen groß gůt und zeitliche narung unnd mich aber diser freuden beraubet, unnd dise an zeitlichen güteren arme frauw begabst du mit so manigfaltigen freüden, gibst ihr sün und tochteren, in deren angesicht sie sich mit grossen freüden ersehen mag.‹

Mit solchen gedancken die edel Concordia ire zeit verdreib; das kind aber ward köstlichen unnd zertlichen ingebischlet unnd zů der tauff getragen. Gottlieb der ritter ward selbs götti oder pfetter. Und als er jetzundt das zart und schon kind also nacket und bloß auff seinen armen trůg, erwag er gar schwerlich, das er von gott nit möcht erhört werden, und mit bekumberten hertzen sagt er: ›O mein gott und mein herr, dieweil mir diß kind als einem geistlichen vatter bevolhen ist, so will ich auch sein zeitlicher vatter sein, es versorgen und erziehen, als wann das mein eigen blůt und fleisch were. Und ob du mich schon mitler weil mit einem oder mereren kinden begabtest, will ich dannocht diser meiner gelübdt nimmermer vergessen.‹

Do nu das kind getäufft ward und man das wider zů hauß brocht, empfienge das Concordia von den frawen, so das trůgen, und brocht das zů seiner naturlichen můter, sagt also: ›Patrix, mein liebste fründin, nim hin von mir disen schönen und adelichen knaben, welcher dir von got beschert ist und dein eigen leiblich kind! Denselbigen befilhe ich dir nun zůmol als minen son, das du ihm an keinem ding solt mangel lassen; und so dir etwas manglen werd, solt du mir das zůstund öffnen; bald soll dir semlicher mangel gewendt werden. Deines mannes und anderer deiner kind solt du dir kein unmůt tragen; dann inen soll gůter raht beschehen.‹

Wer ward jemals frölicher dann die frumb und einfaltig[8] Patrix, welche vormalen ire kindbetten in armen strowinnem hütlein hat außbringen müssen, sich mit milch, schwartzem rauhen brot und grober speis beholffen, in rauschendem stro die nacht mit unrüwigem schlaff verzeren! Die aber lag jetz in fürstlichem bett, ward mit gůten pflegerin und vorgengerin versehen; man speiset sie mit herlichen kostbarlichen spysen, ir dranck was bei dem kostlichsten. Solche gůte wartung was der gůten frauwen ungewon, nams also mit grossem dank an und ward in kurtzer zeit gar schon und frech. Darbey ward auch ires gemahels Růdolfen nit vergessen, darzů irer anderen kinder. Der ritter Gottlieb hat ein pfleg oder vogtey in seinem land, welche jerlich ein schones inkummens hat; auff dieselbig satzte er den gůten und einfaltigen Růdolfen, der ime auch sein korn und frucht getrüwlichen inziehen ward.

Das laß ich stahn und kumm wider an des ritters weib, welche grosse freüd mit dem jungen kind haben thet, jedoch von irern emsigen gebet nit abließ, sonder got täglichen bitten thet; der sie dann zůletst geweret, und ward sich in kurtzen befinden eines kindes schwanger gahn. Do ward grosse freüd bey ihr und irem gemahel gesehen, auch von allen denen, so umb und bey in woneten. Jedoch gewann sie iren angenummenen son je lenger je lieber; dann sie meynet, alles glück käme von im; wie dann auch ist. Wer armen leüten gůts beweiset, denselbigen lonet got gewißlich hie im zeitlichen und dort ewig. Patrix, die gůt fraw, hat seer grosse freüd an irem son Fridbrecht; und als der eben eines jars alt was, gnaß Concordia auch eines jungen sons.

Was aber für freüden und kostlicheit bey diser kindertauff und dem geburtstag fürgangen, ist nit von nöten zů melden, dieweil bey unseren zeiten von schlechten und gemeynen burgeren vil gepreng und kostlicheit fürgeht; dann die tauffdecken und andere kleidung sampt den kintsbettstatten auff das köstlichest müssen zůgericht sein. Das laß ich einen jeden selb ermessen. Wie auch die kinder in iren kintlichen jaren aufferzogen worden seind, wil ich von kurtze wegen underlassen und anheben zů beschriben von dem an, da der ein knab sechs, der ander siben jar alt worden ist, wie und in was tugenden, künsten und anderen mannlichen thaten der ein[9] durch gůte geflißne lernung und underwisung zůgenummen, und der ander aber von wegen zertlicher, weicher und unstraffbarer ufferziehung, dergleich von halstarriger böser geselschafft underweisen, gar eines unkündigen, groben und unartigen verstands worden, so das menicklich den edlen für einen bawren und des bawren son für edel schatzten.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 7-10.
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