29.

Wie der alt ritter Gottlieb von diser welt schied, und was er seinem son für gůte leren vor seinem end geben hab.

[94] Die hochzeit und fäst weret etlich tag, davon nit not ist zů schreiben. Wilbaldus und sein liebste gemahel lebten in grossen freüden fridlich und freüntlich mit einander; dann was ein jedes begert, das wolt das ander. Sein vatter Gottlieb ward von in in grossen züchten und ehren gehalten; so hat in sein sonsweib Marina über die massen lieb und wert. Das[94] wert so lang, biß Marina eines schönen jungen sons genaß, davon der alt vatter groß freüd empfieng.

Aber daß unstet glückrad, welches seinen ungewissen lauff nicht verlaßt, mocht dem gůten alten man solche freüd nicht lang vergunnen. Dann eh das kind eines jars alt was worden, legt sich der gůt frum alt ritter nider zů beth und ward fast kranck unnd seer abnemmen. Davon sein son unnd sonsweib grossen kummer unnd hertzleid empfiengen; sodann auch der hochmeister unnd alles hoffgeseind seines niderkummens sich hart klagten. Ward davon Wilbaldo sein leyd und kummernüß größlich gemeret, wann er bedocht, wie lieb unnd wert sein vatter von menigklich, jung und alten, armen und reichen, gehalten gewesen was; ursach, das er in seinem ampt den armen mann nie beschwert hat, sunder mit gantzem ernst ein solchs verhüten thet. Darumb er von reich und armen hart beklagt ward. – Er underwiß und ermanet auch alweg seinen son, er solt sich vor tyranny und hoffart wol verhüten, dieweil hoffart unnd tyranny iren rechten und gewissen ursprung von dem vermaledeyeten teüffel hetten. Er befalh im auch, sein lieben gemahel schon und ehrlich zů halten, dann sie in in groß reichtumb und ehr gesetzt het. Er bat in auch ernstlich, so [gott] im die frucht, so er im geben hat, leben ließ, solt er sie in der forcht gottes aufferziehen, damit die kinder in tugenden auffwůchsen, solt sie auch mit gantzem ernst von böser gesellschafft abziehen, damit sie nit von inen verfürt vatter und můter verliessen, wie dann er auch gethon hatt; dann durch sein ungehorsam hett er vatter unnd můter in jamer, angst unnd noth gesetzt, auch sein liebste můter umb ir läben brocht. Sollichs alles zů vermiden, solt er seine kinder in der forcht aufferziehen, gůt exempel vortragen, sie in der jugent anheben biegen, den zaum nicht zů bald auff den halß legen, so lang biß sie zů verstand kämen und zeit [zů] verhyraten were; so wurd ihm und ihnen von gott glück und gnad vilfaltig verluhen werden hie zeitlich und dort ewig.

Als nun der gůt frumm alt ritter meynet, seines belibens wer nit mehr, schicket er sich, wie einem jeden frummen christenmenschen zimpt, schickt nach Fridberten dem cantzler und nach Felixen, befalhe in seinen son, auch sein liebste sonsfraw[95] und kinder, batt sie auch, das sie sich in iren diensten nit minder früntlich gegen jedermann erzeigen solten, dann wie sie bißher geton hetten; dann gott würd des armen zwancksal, so im wider recht gescheh, nimmermehr ungerochen lassen; darumb solten sie das kurtz läben in diser welt bedencken, welchs gegen dem ewigen läben nit eins augenblickleins lang ist zů schetzen. Er befalh in auch, sie solten ihm seinen liebsten herren auffs freüntlichest gesegnen. Und als er nun sein sachen allsammen auff das fridlichest hat außgericht, ist er gantz lieblich auß disem jamertal verscheiden, wie man dann gemeinlich spricht: Welcher wol läbt, der stürbt auch wol.

Also ward ein groß und jämerliches klagen umb disen theüren und frummen ritter. Er ward auch gantz wirdigklich und ehrlich, von allem volck zů Boßna zů grab getragen und jämerlich geklaget, insonders aber von seinem herren, dem hochmeister, welcher dann nit lenger dann ein jar nach im lebet.

Wilbaldus aber belib an dem hoff bey andren hochmeistern. Er ward ein fast fürnemmer werder mann in gantzen Preüssen. Sein haußfrauw gebar im vil schöner und lieber kinder, knaben unnd töchterlin. Die alle worden gar schon und ehrlich nach der leer seines vatters; sie liessen keines under ihn allen die zeit müßig vertriben, sunder můst ein jedes, nach dem und es von gott begnadet was, arbeiten leren. Die töchteren leret ir můter erstlichen spinnen, demnach neben, wircken, sticken, sticken und weben; dann sie wol kondt ermessen, das müßiggang nichts gůts geberen thůt. Dann als künig David müßig auff seines palastes zinnen spatzieret unnd ersahe Bersabeam müßig in wolustigen wasser baden, was kam anders darauß, dann sie beid im ehbruch versuncken und ein grosser mort dadurch gestifftet ward? Die Dina, als sie müßig spazieret, die töchtern der Sichemiten besehen wolt, ward von Sichem, des Hemors son, übergeweltiget und irer junckfrawschafft beraubet, darauß nachvolgens ein seer große mannschlacht ervolget hatt. Diß alles kondt die fürsichtig und edel Marina wol ermessen; darumb sie dann ire lieben kinder und tochteren zů subtiler kunst unnd weiblicher arbeit[96] aufferziehen thet. Sie ließ auch auff der harpffen, clavicordium und andren junckfrewlichen sinfonyen gar kunstlich underrichten, damit sie auch beyweilen ire müden und schläferigen geister erquicken möchten.

Nit weniger beflyß sich auch Wilbaldus gegen seinen sünen; sobald sie immer zů verstand kamen, schicket er sie zů schůlen. Wann sie dann nach seinem beduncken erwachsen waren, welcher dann lust und liebe hatt zů studieren, den ließ er bey der schůlen bliben. Do er aber erkennen kondt, das sollichs umbsunst was, nam er sye, nachdem sie wol lesen und schriben konden, harauß, lernt sie ritterspyl triben, desgleichen jagen und beytsen und als ander weydwerck, ließ in auch kein ander geselschafft zů dann kinder, so seinen gleichformig in tugent aufferzogen waren.

Fridbert und Felix lebten gar ehrlich unnd wol mit iren weibern unnd kindern. Sie hielten sicli auch die zeit, diewil sie umb einander lebten, gar brüderlich und freüntlich mit Wilbaldo. So hatten auch ire kinder grosse freuntschafft zůsammen, als wann sie blůtverwante freünd mitnander weren gewesen.

Als nun Wilbaldus lange zeit mit seiner liebsten gemahel Marina hauß gehalten und freuntlich gelebt, seind sie zůletst seliglichen gestorben, iren kinden groß hab und gůt verlassen. Also auch die zwen redlichen und gelerten mann Fridbert und Felix nach langem läben verscheiden seind. Gott der almechtig verlüh allen gleübigen die ewig freüd unnd seligkeit, in disem zergencklichen läben frid und einigkeit und am letsten ein seliges end, nach disem läben das ewig läben! Amen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 94-97.
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