12.
Reichart begabt sein braut mit eyner rheilichen morgengab. Weiter von einem zůtütler, der die armen leut hasset, was Richart mit im geredt hab.

[151] Es was eben auff disen morgen der lieb und selige mai angegangen. Die morgenröt mit gar frölichem anblick, in rosienroter farben mit schöner wath angethon, sich sehen liess; die edlen waltvögel mit gar süsser und lieblicher stimm zůsamenstimmeten. Bald bracht Phebus seinen wagen, daruff fürt er die sonn mit irem spreissigen kopff, damit der lieblich mai also seinen yngang het.[151]

Robertus und Sophia stůnden auff, legten ire kleyder an, giengen eylends für der braut kameren; auch hetten sich schon etlich der anderen freünd harzůgemacht, sie forderten die morgengab an den breutigam. Er bat, sie solten ein klein verziehen, dann sie würd bald vorhanden sein. Indes kamen die zwen diener mit den vergulten köpffen, klopfften auch an der kammern und gaben irem herren ein wortzeichen, damit er wußt, das sie vorhanden waren. Also schlos er von stund an auff und empfieng die köpff von dem jungen und dem andren diener. Der schweher, schwiger sampt der andren freundtschafft giengen auch hinein inn die kammeren.

Richart nam erstlich die schöne kettin, hieng die seiner braut an den hals, demnach stalt er ir auch die zwen übergulten köpff dar. Als aber sie gantz schamhafftig under sich sehen des schönen und ausserlesenen golds nit wahrnam, hatt Richart ir den einen kopff mit dem gold in den geeren geschüt und darzů gesagt: ›Allerliebste braut, nement hin dise morgengab! Und nach diser gaben sollend ir täglichen mehr und vil bessers von mir gewarten sein, so uns anders got ein zeitlang frisch und gesunt bey einander lassen wil.‹ Alle, die semlichs sahen, verwunderten sich ab dem grossen gůt; dann Robertus het selb nit vermeint, das der jüngling ein semliche barschafft und gůt bey im gehabt het.

Nůn solten wir weiter anzeigen, wie der ymbis gehalten und der tag zů end bracht worden were. So dunckt michs gar nit von nöten, dieweil nichts da verhandlet worden dann kostlich trachten fürgetragen, schöne credentz von gold und silber da gesehen, der diener ein gros summa umb die tisch rumbher gelauffen. Aber eins, so fürgangen, můs ich anzeigen.

Es was ein nachbaur, ein gewandbereiter, zůnechst an Roberten haus gesessen, ein rechter und grosser dellerschlecker; denselbigen dorfft man zů keinem wolleben nit berůffen; dann er fand zů aller zeit ursach, damit er sich selb hienin schraubet. Also hat er auff diser hochzeit auch gethon. Er kam ungeladen unnd machet sich gantz geschefftig. Nun hetten sich etlich arme leut, die den anderen tag nit bey dem mal gewesen, zůsamengeschlagen, sassen vor herr Robertus[152] haus, ob in doch ein almůsen von der hochzeit werden möcht. Als sie nůn diser schmorotzer ersehen thet, hat er sie gantz unwirs angefaren unnd gesagt: ›Wer hat euch heut hieher bescheiden? Ihr habt ewer mal gester yngenumen. Darumb ziecht nur hinweg, ir dürffen uff nichts hoffen.‹

Diss erhort einer des herren diener, so dann disem schleckdenlöffel sunderlichen find war; der gieng herzů und sagt zů im: ›Lieber, laßt euch die armen nit irren! Dann die beyde herren haben sie gesehen und befelch in der kuchen geben, das man in sol das almusen zůsamenhalten unnd demnach austeilen.‹ Diser suppenfresser wolt gesehen sein, stach mit bösen worten wider hinumb. Zůletst sagt der diener: ›Lieber, laßt doch die armen leut beleiben neben euch! Nun seit ir doch gleich so wenig berůfft als sie. Was wölt ir daraus machen?‹

Zů disem streit und zanck kam von ungefer der jung herr Richhart. Der fragt, was sich da für ein zanck zůtragen, wolt den bericht der diener aller sach wissen. Als er nůn aller sach bericht, ward er darüber erzürnt und sagt: ›Ir solt die armen nit also, hassen; dann iren ist das reich der himel, wie dann Christus selb spricht Mathei 5. So wir nůn auch inn das reich gottes begeren, müssen wir uns mit den armen hinindringen. Wißt ir nit, wie Salomon in seinen sprüchen so treulich ermanet, das wir den armen alle zeit sollen gůts beweisen? Dann er spricht in seinem 14. capitel: Der sünder verachtet seinen nechsten, aber wol dem, der sich des ellenden erbarmet. Item am 19. spricht er: Wer sich des armen erbarmet, der leihet dem herren, der wirt im wider gůts vergelten. Und an dem 21. zeigt er die straff an denen, so den armen gehessig sind; dann er sagt: Wer seine ohren verstopfft vor den armen, der würt auch rüffen und nit erhört werden. Und gleich im andren capitel hernach: Ein gůt aug wirt gesegnet, dann es gibt seines brods den armen. So habend wir auch gar ein schön exempel an dem lieben Tobia. An seinem 4. und 14. capitel da vermanet er seinen lieben sůn Tobiam gar hertzlichen, das er almůsen geben sol. Also auch Jesus Sirach am 12., das man den ellenden und armen gůts thůn sol. Item am 14. capitel sagt er: Vergiss der armen[153] nit; wann du denen gůts thůst, so wirt dir auch frewd widerfaren, die du begerest. Darzů haben wir dort ein schönen trost von Christo selb Mathei 25., da Christus sagen wirt zů den seligen und ausserwelten, welche da werden stehn zů der rechten des herren; zů denen wird der herr sprechen: Kumpt her, ir gesegneten meines vatters, ererbet das reich, so euch bereit ist von anbegin der welt! Dann ich binn hungerig gewesen, und ihr hand mich gespeiset; ich binn durstig gewesen, und ir hand mich gedrenckt; ich binn ein gast gewesen, und ir hand mich beherbergt; ich binn nackend gewesen, und ir hand mich bekleit; ich binn kranck gewesen, und ir habend mich besůcht; ich bin gefangen geweßt, und ir sind zů mir kumen. Und wann sie dann sagen werden, sie habend im keine solche gůtthat erzeiget, wirt in der künig wider antwurten: Warlich sag ich euch, was ir geton habt einem aus disen meinen geringsten, das habt ir mir gethon. Das solt ir, lieber nachbaur, bedencken und die armen liebhaben; so werdet ir hinwider von dem herren geliebt werden.‹

Der schmarotzer verlachet dise wort gantz spötlichen und sagt: ›Hey breutgam, ich hab nie anderst gewißt, dann ir seit ein kauffherr; so vernime ich yetzund wol, das ihr ein predicant seit.‹

Die wort hort der diener, so vor mit ihm gebalget hett. Er sagt: ›Mein herr, bekümmert euch nit mit disem fatzman! Dann dise wort sind im nůr ein gespött.‹ – ›Aber mir nit,‹ sagt herr Reichart, ›sie sind mir lieber dann gold und silber, berlin und edelgestein. Ich trag und für sie auch alwegen bey mir.‹ Damit zeigt er in ein schönes gebundenes büchlin, in welchem die bücher Salomonis und der Syrach yngebunden was.

Der diener sagt: ›Kein bůch wirt in nit bekümmern; dann er und sein hund versehend sich, in ein himelreich zů kumen. Des ich dabey abnim: er hat den hund dahin abgericht, das kein armer mensch zů seiner hausthür kumen darff; so grausam thůt er über die armen.‹ – ›Das ist ein grosse und schwere sünd,‹ sagt Reichhart, ›ir müsset auch gott einen schweren stand darumb thůn.‹ Damit gieng Reichart in die[154] kuche, befalh, wann man die letst richt oder essen angetragen hett, solt man den armen leuten die auffgehabne speis fein und ordenlichen außtheilen.

Jetzund wend wir gnůg von der hochzeit gesagt haben, dieweil sich doch keinerlei kurtzweil weder mit tantzen noch andrem zůgetragen. Richart aber gantz stil darzů schweigend nam im gäntzlich für, wann die zeit sich ein wenig verlieff, (dann das würd eben auff sein widerkunfft sein, so er aus Hispanien keme) alsdann wolt er erst ein frölichs wesen anfangen und alle gůten freund unnd nachbauren darzů laden, ein new hochzeit haben, wie es dann auch geschah.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 151-155.
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