26.
Lasarus begeret an seinen vatter Lasarum, im gold zů einem ring zůzůstellen, im selb denen zů machen. Reichardus schencket im ein kostlichen stein darzů, welchen er darein versetzen solt.

[184] Ein sehr unrhüwig ding ist umb ein liebhabenden jüngling; dann er weder tag noch nacht růen mag, er sinnet im gantz fleissig nach, was er zů yeder zeit anfahen und schaffen sol, damit er seiner liebsten junckfrawen zum besten gedienen und ir zů gefallen möge sein. Sunderlich die, so mit künstlichen handwercken umbgohn, die befleissen sich irer arbeit, das sie die auffs kunstreichst herfürbringen, damit sie desto mehr von iren liebgehabten junckfrawen gelobt und gebrisen werden. Also was auch dem jungen Lasaro zů můt. Er was gar fleissig auff der goldarbeit; und so er dann ein arbeit, es wer von kleinotten oder ringen, ausgemacht, zeiget er das seiner junckfrawen Amelien. Die lobt und rümpt in dann auff das[184] allerhöchst; davon ward er dann dermassen so lustig, das er die nachvolgend arbeit noch besser macht.

Eins tags begab es sich, das Reichart inn dem laden was, dem jungen Lasaro seiner arbeit zůsah, in auch fast drob lobet. Der jung Lasarus zů seinem vatter sagt: ›Mein lieber vatter, mich lust ein bitt an euch zů keren, wann ich nit in sorgen stünd, das mir die von euch würd abgeschlagen.‹ Daruff sagt der vatter: ›Lieber mein sůn, du magst wol bitten und begeren, was zimlich und ehrlich ist, und [so] ich dir auch ein semlichs gelaisten mag, es sol dir unversagt sein.‹

Darauff sagt der jung: ›Ich wil gar nichts unzimlichs an euch můten noch begeren, dann allein umb ein wenig goldes; daraus wolt ich mir selb einen ring machen nach meinem gefallen.‹ – ›Das sey dir unversagt, mein sůn,‹ sprach der vatter, ›nim gold, sovil dir zů einem ring von nöten ist, und mach dir ein ring nach deinem wolgefallen!‹ Richart sagt zů dem jungen: ›Mein Lasare, dieweil du des vorhabens bist, das du dich selb probieren wilt, so sey dir zůgesagt, das ich dir einen kostlichen rubin schencken wil; derselb dir deinen ring nit wenig zieren sol.‹

Als nůn der jung Lasarus das gold und den stein überkumen, hat er gleich von stund an das ringlin angefangen zů machen und das mit solchem fleis gearbeit, den stein so sauber versetzt und das ringlin ausbereitet, das sich sein vatter darab verwundert. Desgleichen Richart nit klein verwunderen darob empfing. Als nůn der jung Lasarus das ringlin ein zeit lang behalten, so das er meint, sein vatter würde dem nicht mehr nachfragen, hat er das seiner liebsten junckfrawen Amelien zů einem newen jar geschencket. Die dann semliche gab mit gar grossen freuden empfangen hat. Sie ist auch dem Lasaro mit anderen schencken begegnet, als mit schönen gestickten fatzanetlin, schlaffhauben und mit andrer arbeit, so sie mit iren henden selb gewircket hett. Diss sind die ersten gaben gewesen, so dise zwey einander verehrt hand.

Das unstet glück aber, welches kein bestendige freud haben mag, wolt disen zweyen jungen liebhabenden ir heimliche freud, so sie zů beiden theilen mit iren gaben hetten, nit lenger vergünnen. Und wie dann der liebhabenden gewonheit[185] ist, das sie die ding, so von lieber hand kumen, des tags offt beschawen, also pflag auch Amelia mit irem ringlin umbzůgohn. Jetzund, wann sie sich einig wußt, so stackte sie es von einem finger an den anderen, darnach kußt sie das zů tausent malen, dann so verwand sie es widerumb in ein schönes seidines tüchlin, trüge das zů allen zeiten bey ir. Eines tags, als ir heimliche und verborgene lieb außbrechen wolt, begab es sich an einem morgen frü, das sie in irem sunderen gemach sass, und umb des gůten lufftes willen hett sie die thüren und fenster auffgespert. Sie versahe sich aber nit, das yemand im haus noch auffgestanden wer, fienge aber an mit irem ringlin zů gefätterlen und nit anderst mit im zů sprachen, als wann ein mensch bey ir gewesen und ir red und antwort gegeben hett. Reichardus, der jetz von etlicher geschefft willen auffgestanden was, für der tochter gemach hingieng. Als er sie also lautt reden hort, auch etliche wort wol verstůnd, das als ir gespäch von dem jungen Lasaro was unnd von dem schönen ringlin.

Der vatter gieng hinein in das gemach. Bald ward sein Amelia gewar; sie blicket umb sich und ersah den vatter kumen, darab sie über die mass sehr erschrack; sie mocht auch nit so vil platz gewinnen, das sie den ring het verbergen mügen. Der vatter hett in erblicket, aber gar nit dergleichen gethon. Er wunscht ir ein seligen morgen, fragt sie, was das frü uffston meinet. Sie antwort dem vatter mit zittrender und verzagter stimm: ›Ach mein vatter,‹ sagt sie, ›du sichst, was den gantzen tag für unrhů in unserm haus ist beide von knechten und mägden; das ein laufft auff, das ander nider. Wann ich dann ein semlich getöbel und getös hören můs, ist mir nit müglich etlich arbeit zů volbringen, dieweil ich in steten gedancken bin: Jetz wirt man dich zům vatter berüffen, oder begert vileicht die můter deiner. Zů zeiten gedencke ich, wöl man mich zům imbis oder nachtmal berüffen. Semlich gedancken benemend mir dann den fleiß, so ich uff die arbeit legen solt. Derhalben ich mir gäntzlichen fürgesetzt hab, allen morgen so zeitlichen uffzůston, meine arbeit zů volbringen. So ursachet mich auch nit wenig das lustig aussehen meines gemachs. Des morgens durchbrechen[186] die külen windlin dis gantz gemach, so erklinget auch der vogel gesang in unserm garten gar lieblich. Das hören dann meine beiden schwetzigen pappagei, die fahend auch an mit einander zů kurtzweilen. Das alles, mein hertzlieber vatter, sind ursachen meines früen uffwachens.‹

Bey diser antwurt lies es der vatter bleiben; er wust aber wol, was sein tochter am meysten ursacht so frü auffzůston; dann er auch inn semlichem spittal kranck und wund gelegen was. Er nam urlaub von seiner tochter, leget sich vollend an, gieng demnach eylents zů sehen, ob Lasarus uffgestanden wer. Er fand in schon ob seiner arbeit im laden sitzen sampt seinem sůn. Er wunscht in beidsamen einen säligen morgen, des sie im auch früntlich danckten. Als er nůn ein gar kleine zeit bey ihn gestanden, hatt er zů dem alten Lasaro gesagt: ›Mein Lasare, ich bitte dich, wöllest mir zů gefallen ein stund oder zwo müssig gehn; dann mich eben yetzund das spatzieren ankumen ist. Darumb so nim deinen mantel! So gond wir hinaus von einem garten zů dem anderen, empfahen den gůten lufft und süssen geschmack der reichen blůst.‹

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 184-187.
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