45.
Wie Lasarus bey seinem herren verdacht ward und aber sein unschuld durch Ferdinandum an tag kam.

[240] Ir habend oben gehört, wie Ferdinandus, auch ein portugalesischer jüngling, den Lasarum in allen trewen warnet vor den beiden beiden yßvöglen, als namlich dem Lorentzen und Veiten, also das er sich ir beider, so weit im müglich[240] wer, entschlagen solt. Des im dann Lasarus auch gern het gefolgt, kam solcher gůten getrewen warnung lang zeit nach. Es haben sich aber gedachte zwen lottersbůben an sein abscheuhen gar nit keren wöllen, sunder im als ye mehr nachgeeylet, wie sie in in ir geselschafft bringen möchten, dieweil sie wol bedaucht, das in seins herren haus gůt mausen und vogel außnemen wer. Sie kamen auch offtermal unverschampt in seines herrn haus, nach im zů fragen. Sein herr, der umb ire bůbenstuck kein wissen trůg, mocht sie fast wol leiden. Wann sich dann Lasarus so unfrüntlich gegen in stalt, ward es den gůten herren verdriessen, strafft den Lasarum mit fründtlichen worten und sagt: ›Mein Lasare, wie magstu doch in deinem hertzen haben, dise zwen deine landtsleut also unfründtlich anzůsprechen? Ich vermeint, es solt dir ein sundre freud sein, wann sie dich haimsůchten und deiner geselschafft begerten. Zůdem beger ich dir auch nit abzůstricken, das du gůte ehrliche jungen mit dir zů haus bringest, freud und kurtzweil mit in habest.‹

Lasarus hett seinen herren wol verstanden, kundt an seinen worten wol abnemmen, das er diser bůben begangenschafft nit wußt. So wolt er ihn auch kein böss geschray machen gegen seinem herren, dieweil er von ir keinem nichts args wußt dann eben das, so er von Ferdinando gehört het; darumb liess er die sach recht also hingon. Wann nach derselbigen zeit oder tag deren jauffkinder eins kam, was er leichtsinnig mit inen, yedoch bedacht er zů aller zeit und stund die wort Ferdinandi, sahe in dester fleissiger auff die händ.

Sein fleissigs unnd emsiges auffsehen mocht aber dannocht nit die schalckheit beider schälck hinderstellig machen; dann sie der bůben- und schelmenstuck durchtriben und gantz abgericht waren. Sie sahen und spürten das fleissig auffsehen des Lasari; darumb machtend sie in kuntschafft mit den andren gesellen, so in der werckstat waren. Wann dann zů zeiten Lasarus inn der schůlen war, wußten sie sich gar fein zů schicken, brachten des morgens geschleck, etwan grünen ingwer, ein andren morgen ein käntlin malfasier. Disen schleck begunten die gůten gsellen zů gewonen, namen auch die zů grossem danck an. Wann dise zwen setzling kamen,[241] liessend sie die nit mehr ausserthalb am laden ston, sie můsten hinein. Inen ward auch von den gesellen zůgelassen, alle arbeit, so uff dem werckbret lag, nach irem willen zů besichtigen.

Auff einmal begab sich in abwesen Lasari, das ein reicher zollerier ein kostlichen stein bracht; der was in einem guldinen kleinat versetzt, nit sehr gros, aber hoch gewirdiget. Das kleinat gab er in den laden sampt andren ringen; under welchen stainen die folien verdorben, begert er im andre darunder zů legen. Dise ding alle bliben auff dem werckbret ligen. Darnach bald kam Lorentz, der gůten knaben einer, besahe die ding. Und als im blatz werden mocht, vergaucklet er das kleinat, davon oben gesagt, das sein der gesellen keiner wahrgenumen. Zůdem mißtrawten im die gesellen gar nicht; so war Lasarus derzeit mit seinen fleissigen und gewarnten augen nit zůgegen.

Diss stund also an bis auff den abent. Lasarus nach seiner gewonheit das gold gearbeit und ungearbeit ynraumet, die fremden ring und kleinat in einem sunderen lädlin fand, denen nachfragt, von wannenhar die kemen. Des er auffs kürtzest von den gesellen bericht ward; er fragt der sach nicht weiter nach.

Diss bestůnd also biss uff den vierden tag, das yetzund der kauffman kam zů besehen, ob ihm sein arbeit gefertiget were, besahe seine kleinat unnd ring, ob die noch all vorhanden weren. Alsbald manglet er seines liebsten und besten kleinats, so er under in allensamen gehabt hett. Er fragt im geschwind nach; aber es wußt im niemand antwurt darumb zů geben. Der gůt kauffman kundt nit lenger zůr sach schweigen. Der herr ward berüfft und die ding angezeigt. Die gesellen all gemein můsten dem kauffman geston, das er in gedacht kleinat überantwurt hett; wie aber das von den andren kumen, were in gar nicht zů wissen.

Wer was mehr geengstiget dann der gůt herr, das im ein solcher böser růff in seinem laden kumen solt! Haimlich het er gern das kleinat bezalt, das niemands der sachen innen worden wer. Im fiel auch von stund an das böst ein, wie dann gewonlich in solchen dingen beschicht, das der argwon der gröste schalck ist und gemeinlich das loß uff den unschuldigen[242] fallet. Also geschache dißmal auch. Der herr gedacht in im selb: ›Es wirdt sich gewisslich Lasarus an disem kleinat vergriffen haben und vermeint das seiner junckfrawen in Portugal zů schicken.‹ Er gedacht der sachen auffs allergeschwindist nach, so er immer mocht. Bald nam er den kauffman uff ein ort und sagt: ›Lieber herr und fründt, laßt euch den verlust des kleinats nůr nit hart anligen! Es sol euch zů dem theuristen bezalt werden, so es anderst nicht funden wirdt. Mir aber ist zů sinn, ich wölle das in gar kurtzen stunden wider zůr handt bringen.‹ Also satzt der kauffman sein hertz zůr rhůen.

Franciscus befalh seinem gesind, sie solten dem kauffman die andren kleinat und ring auff das allerseuberst und fleissigest außbereiten, wie ihn der kauffman anzeigt hette. Er saumbt sich nit lang, fügt sich zů Ferdinando; dann er im gar wol vertrawet. Er nam in heimlich auff ein ort, zeigt im alle sach an, was sich des kleinats halben verloffen het. Von diser red Ferdinandus nit wenig schrecken empfing, wiewol er Lasaro der ding gar nicht verdrawet. Er sagt: ›Francisce, lieber herr, ewer wort habend mir mein hertz durchschnitten, wiewol ich dem Lasaro deren dingen gar keins wegs vertraw, hoff auch, er werd gantz unschuldig des orts erfunden werden. Aber ich sorg der bösen gesellen, so im täglich nachgehangen sind, die werden im ein letz gelassen haben‹.

Franciscus fragt den Ferdinandum und sagt: ›Mein Ferdinande, wer sind dieselbigen gesellen? Bericht mich des!‹ – ›Es sind,‹ sprach Ferdinandus, ›zwen jung Portugaleser, gar zwen bös abgeschaumpt lecker. Der ein heißt mit namen Lorentz, der ander Veit.‹ – ›Acha‹, sagt der gůt herr, ›fürwar ich binn ein ursach daran. Dann sich Lasarus ir gar nicht beladen wöllen; als ich das an im gemerckt, binn ich mit rauhen worten in angefaren. Er aber mir die ursach gar nit endecket, allein befand ich in harnach geselschafft zů beiden jungen zů haben.‹ Darauff sagt Ferdinandus: ›Francisce, lieber herr mein, ich bitt, wöllend allen argwon fallen lassen gegen dem unschuldigen Lasaro und setzend ewer vertrawen gantz in mich. Ich sol die sach, ehe dann die sunn iren lauff volbringt,[243] dahin gericht haben, das ir eygentlich erkundigen sollend, wo das kleinat hinkumen seye.‹

Mit disen worten ist Franciscus gesettiget gewesen und hatt also den Ferdinandum gebetten, geflissen in der sachen zů sein; sind damit von einander geschaiden. Ferdinandus mit allem fleiss der sach nachgedencken ward, wie und durch was weg er die an die handt nemmen wolte.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 240-244.
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