8.

Wie Lewfrid von junckfrawen Angliana zů singen angesprochen und er ein klagliedlin gemacht, in welchem er sein armůt klagt, daneben die junckfraw seüberlich treffen thůt.

[285] Als nun Lewfrid an seinem ampt sich so dapffer unnd underdienstlich halten was, hat in junckfraw Angliana fast lieb gewunnen. Unnd als sie seiner zum theyl gewonet, hatt sie auff ein zeit angefangen mit ihm zů reden: ›Lewfrid,‹ sagt sie, ›ich wird von meinen junckfrawen bericht, wie das du auß der massen wol singen kanst. Nun möcht ich semlich gesang gern von dir hören; derhalben wer mein beger an dich, das du mich dein stimm auch hören liessest.‹

Lewfrid gantz schamrot vor der junckfrawen stund, mit zichtigen worten zů ir sagt: ›Gnedige wolgeborne junckfraw, wann mir wer ewer gnaden zů gefallen etwas mehrers und grössers zů volbringen, wolt ich mich mit allem fleiß darzů schicken.‹ Damit fing er gar lieblichen an zů singen; dann er hat zůvor selbs ein lied gedicht, in welchem er sein armůt gar hertzlichen thet klagen und insonderheyt meldung thůt, das im von junckfraw Angliana nichts zům newenjar worden. Ein sollichs aber keine der andren junckfrawen verstund, allein Angliana, die dann sich erst erinneren thet, wie sie alles hoffgesind verehrt hett, sonder allein Lewfriden nit bedacht het. Sie aber nam sich der sach nit an; doch het sie fast gern gewißt, was Lewfrid damit gemeynet het, darumb sie in dann zum offtermal bitten ward, von der armůt zů singen; dann also was das liedlin gemacht:


Im thon: Gang mir auß den bonen.


1.

O armůt, du untreglichs joch,

Wie bist so gar verachtet!

Wer wolt dick gern behaussen doch,[286]

So er auß grundt betrachtet,

Wie gantz unwerdt du bist auff erdt,

Es möcht eim vor dir grausen.

Köntst schon all kunst, so ists umbsonst,

Niemant wil dich behausen.


2.

O armůt, du untreglich bürd,

Wie hart hast mich beschwäret!

Auff erd niemant erfunden wirt,

So dein zum fründ begeret.

Kumbst eim zů hauß, wilt nimmer drauß,

Versperrest im sein glücke,

Dem sonst zur zeit gůt hab und beüt

Möcht werden offt und dicke.


3.

So giengs mir auch im newenjar.

Da můst ich dein entgelten,

Ward hindann gstelt und lär gezelt;

Drumb ich dich billich schelten

Můß tag und nacht; dann ich veracht

Wardt vor allem hofgsinde,

Die man sunst all begabt mit schall.

Darumb bin ich dir feinde.


Angliana die junckfraw diß liedlins mit allem fleiß hat wargenommen, von stund an gedencken ward, es wer ihrenthalb gemachet worden; dannocht wolt sie nicht fragen, sonder ließ die sach dißmal berůhen. Sie fleiß sich auch fürbaß, das Leufrid kein schenckung oder gab von ir empfieng; dann sie ein verborgen anschlag mit ir selbs gemacht hat, wie ir nachmals wol solt vernemmen. Aber nicht dest weniger erzeigt und beweiß sie sich gantz genediglichen gegen Leufriden, sie begert auch offt an ihnen zů singen; zů zeiten vermanet sie ihn an gemeltes liedlin. Des war er gantz willig zů singen, unnd in summa so was im nicht zů vil, darin er wust der junckfrawen zů dienen, er schickt sich darzů mit allem seinem vermögen; deß name Angliana offt war.

Also vergieng die zeit mit in. Der herpst mit seinen külen lüfften hatt jetzunder die dicken bäum gantz laubloß gemachet, der winter kam mit rauchem gewalt, alle feld unnd acker mit schnee bedecket warent. In dem nehnet sich das newjar, uff welche zeit ir Angliana fürgenommen hat irem[287] anschlag ein end zů geben. Sie ristet sich mit vil und mancherley schöner newer jar, damit sie alles hoffgesind damit möcht begaben; aber für Leufriden hat sie gar nichts zůgericht. Dis aber thet sie allein der ursach, damit sie mit glimpff an Lewfriden erfaren möcht, ob er das liedlein von ir oder einer andern gesungen hett.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 285-288.
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