9.

Wie das newjar aber vorhanden waß und Lewfrid von junckfrauwen Angliana aber außgeschlossen, darnach in gespött ein guldin faden von ir ramen gab.

[288] Es fůget sich aber auff den newenjarstag, das Angliana ir gewonheit nachgon thet. Sie befalch Lewfriden, irem kammerknaben, er solt alles hoffgesind auff ein bestimpte stund zů ihr in das zimmer heissen kommen und das newjar von ihr empfahen. Des was er, Lewfrid, gantz willig; dann er was gůter hoffnung. Angliana wird ihn nicht mit dem geringsten begaben, dieweil unnd er ihr diener was unnd stetigs auff ihren befelch warten můßt.

Das gantz hoffgesind versamlet sich eilens. Als sie zůsammen waren kommen, hat Angliana angefangen das newjar außzůteilen von dem ersten biß auff den letsten. Als es aber an den gůten Lewfriden kam, sagt Angliana: ›Dein, Lewfrid, hab ich sicher vergessen. Du aber hab dißmal gedult, auff ein ander jar wil ich dich zwifach begaben.‹ Diß aber thet Angliana allein darumb, das sie versuchen wolt, wie sich der jung halten würt. Lewfrid wendet sich mit einem grossen und schweren seüfftzen von der junckfrawen Angliana; dann ir wort nit anders in durchschnitten, als wann man im ein schneidendes schwerdt durch sein hertz gestochen hett. Er můßt scham halben auß dem zimmer und fing an hertzlichen weinen sein ellend und jamer zů klagen.[288]

Den andren tag aber, als er in dem zimmer seines amptes warten solt, stund er vor der junckfrawen Angliana, welche an einer rammen köstlich gewirck, deß sie dann ein meisterin was, wircket. Lewfrid, so offt und er die junckfraw ansah, einen schweren seüfftzen von seinem hertzen gohn ließ. Des die junckfraw warnam, doch gar nicht dergleichen thet, als wann sie es mercket; dann ihre junckfrawen waren zum theyl noch in dem zimmer. Derhalben verzog sie, biß sie jetzund all hinaußkommen waren. Lewfrid aber seines leyds noch nit vergessen, sonder für unnd für mit schweren seufftzen umbfangen, die er dann offt von hertzen ließ. Angliana, als sie jetzund allein bey Lewfriden in dem gezimmer war, sagt sie mit lachendem mund und mit freundtlichen worten zů im: ›Mein lieber Lewfrid, wiß, das ich dich zweyer ursachen halb gern etwas fragen wolt! Die ein ursach, darumb ich fragen wolt, hat sich deinenthalben in vergangnem sommer zůtragen, namlich mit dem lied, so du von der armůt gesungen, ob du oder jemans anders semlichs gedicht, oder wen es doch berüren thet. Die ander ursach aber ist diß, was dich doch heüt und den gestrigen tag zů semlichen tieffen seufftzen ursachet. Daran wöllest mir, lieber Lewfrid, nichts verhalten.‹

Der jüngling nit lang auff der junckfrawen frag schweigen thet; von stund an gab er ir antwort und sagt: ›Wolgeborne gnedige junckfraw, ich bin bereit euch die beiden fragen zů erkleren. Die erst, fürnemlich das liedlin, so ich gemacht, an dem ewer gnad allein schuld tragen thůt; dann vor einem jar vergangen do hat ewer gnad gleich wie auff den gestrigen tag alles hoffgesind mit einem newenjar verehret, allein mich armen kuchenbůben dozumal außgeschlossen. Jetzund aber, dieweil ich in ewer gnaden dienst kommen, het ich nit gedacht, daß mich euwer gnad dermassen außgeschlossen hett, wie mir dann auff das gestrig newjar widerfaren ist. Dasselb allein ursachet mich zů meinem trauren.‹

Angliana, als sie von Lewfriden die ursach vernam, gedocht sie heimlich in ir selb, wie sie den gůten jungen wider wolt verursachen über sie zů klagen, damit er aber etwan ein liedlin davon machet. Jedoch nam sie ihr für, ihme in kurtz hernach ein reiche verehrung zů thůn. Sie griff also nach[289] einem gezwirnten güldin faden, so sie an ihr wirckrammen hat hangen, und mit spötlichen worten gab sie denselbigen dem gůten Lewfriden und sagt: ›Damit du, mein lieber diener, nit sagen dörffest, du seyest jetzund aber von mir so gar außgeschlossen vor andrem hoffgesind, so nimb von mir zů danck dise reiche schanckung und gab! Behalt die wol, damit du mir das künfftig jar mögest zeigen, mit was fleiß du sie habest auffgehaben!‹

Lewfrid empfing disen goldtfaden mit grosser freud, dancket auch der junckfrawen mit höchstem fleiß: ›Gnedige junckfraw‹, sagt er, ›dise gab will ich dermassen verwaren und so wol behalten, das ich nimmer darumb kummen will.‹ – ›Das thů,‹ sagt Angliana, ›damit gibst du mir ursach, dich mit einer andren schanckung zů verehren.‹ Diß redt Angliana zu dem jüngling; ihren aber was sein unmeßliche lieb gar verborgen; so hat sie auch gar kein gedancken, wohin der jüngling den goldtfaden behalten wird. Lewfrid nam urlaub von der junckfrawen und gieng eilens in sein gemach.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 288-290.
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