11.

Wie am andren tag Angliana in irem innersten gemach dem jüngling einen brieff schreibt, im den sampt vilen köstlichen kleinoten antworten thet.

[294] Die junckfraw Angliana hat jetzund kein ander sinnen noch gedancken meer dann allein nach Lewfriden, dem jüngling, so offt sie bedencken ward den grossen schmertzen, so er von irentwegen gelitten, darzů sie jetzund seinenthalben keiner zeügniß bedorfft, dieweil sie selb von im gesehen, wie er sein brust hat geöffnet und den goldtfaden heraußgezogen. Derhalben sie den gantzen tag mit wunderbarlichen gedancken vertreiben thet.

Des ire junckfrawen an ir warnamen. Sie aber sorgten ein anders, als wann sie mit grosser kranckheyt behafft wer und aber solchs nit sagen dörfft. Derohalb sie mit einander zů rat heimlich vor der junckfrawen giengen. Eins ritters tochter under in mit nammen Cordula fieng an vor in allen zů reden: ›O ir mein liebsten junckfrawen und gespilen, welche ist doch under uns so unverstanden, die do nit sicht und warnimpt der manigfalten verenderung der farb unnd angesichts unser gnedigen junckfrawen! Fürwar es můß ein grosse und geferliche kranckheit darunder verborgen sin. Dann ich sich und spür, das sie uns nit angsthafft machen wil und erzeigt sich frölich gegen uns; geschicht aber on zweifel mit schwach und bekümmertem hertzen. Darumb wer mein getrewer[294] raht, daß wir bitlicher weiß an unser gnedig junckfraw langten, damit wir doch ir anligen und kranckheit erfaren möchten. Dann wo sich die sach anderst dann wol zůtragen solt, wir wurden das gar schwerlich gegen unserem gütigen herren, ihrem vatter, verantworten mügen.‹

Disen rahtschlag lobten die junckfrawen all gemeinlich, wurden kurtz zů raht, giengen all zů Angliana der junckfrauwen. Junckfrauw Cordula, welche ein sunder groß hertz zů ihr junckfrauwen hatt, von wegen der andren allen fründlich auß gantzen trüwen mit anfieng zů reden: ›Allergnedigste junckfraw,‹ sagt sie, ›die groß treüw unnd liebe, so mir zů euch tragen, zwingt uns, das wir nit underlassen mögen von euch die ursach ewer schwermütigkeit zů erfaren. Dann fürwar uns das nit ein kleyne beschwernuß bringet, und stond ewers stillschwigens halb inn grösten sorgen, als wann ihr uns darfür achteten, gleichsam wer uns nicht zů vertrawen. Darumb, liebste junckfrauw, ist unser underthänigst bitten unnd begeren an euch, wöllet die ursachen ewer schweren gedancken anzeigen. Wer weyßt, wir möchten veileicht rhat finden, damit euch geholfen wirdt.‹ – Angliana die junckfraw antwort: ›Ir mein allergetreüwisten junckfrawen, ir solt euch gar keinen unmůt nemen von wegen meiner blödigkeit; dann ich hoff zů gott, mein sachen sollen sich bald zů gůtem end schicken. Darumb bitt ich euch freundtlich, wöllend mich dis tags in meinem inneren gemach allein beliben lassen, damit ich mein rhů gehaben mög.‹ Damit gab sie den junckfrawen allen urlaub; die giengen in ire gemach, liessen Angliana allein beleiben.

Lewfrid als ein embsiger torhüter stůnd vor dem eusseren gemach vor der thüren, und so offt er die thüren vernam uffgon, wartet er mit freuden allzeit in hoffnung, sein liebste Angliana wird in zů ir berüffen. Sie aber saß in irer kammer, schrib einen brieff auff solche form lautend:

›Vil glück und wolfart winsch ich dir auß grundt meines hertzens, du mein allerliebster jüngling. Mir ist fürbaß nit mehr müglich dir lenger zů verhalten die groß und inbrünstig liebe, so ich in aller zucht und ehren zů dir trag. Dann du hast mich mit öffnung deiner brust unnd verborgnen goldtfaden[295] gantz gebunden und gefangen, so das ich mich dir gantz zů eigen geben will, unnd solt ich darumb auff meines vatters gůt verzihen, dieweil ich weiß, das der liebe gelich, so du zů mir tragen thůst, umb meines vatters gůt nit möcht erkaufft werden. So du mir aber volgen wilt, so weyß ich dir fügliche weg anzůzeigen, durch welche mir beid mit gunst und bewilligung meines vatters noch lang in freuden on alle forcht beynander wonen mögen. Dann ich weyß dich so eines herrlichen verstands, das du in aller geschickligkeyt dich gegen meinem vatter magst lieben und dir ein gnedigen herren machen. Jedoch soltu, mein allerliebster jüngling, die ding gantz verborgenlich treiben, dir niemandt so geheim oder lieb sein lassen, dem du unser beider lieb öffnest. Deßgleichen solt du auch an mir gewiß sein, und domit dise unser liebe stet und fest sey, so nim von mir zů einem zeichen disen ring, welcher mir seer angenem und von meiner lieben fraw můter seligen an irem todtbet zůr letze gelassen. Den soltu dir auch von irentwegen lieb sein lassen, so ich dir anderst auch lieb bin, des ich dann gar nit zweifel. Die andren kleinot und gaben, so du in disem pecklin finden wirst, die hab dir anstatt des goldtfadens zů einem glückseligen jar. Bit, wöllest die von wegen ihrer unachtbarkeyt nit verschmehen; dann du solt noch vil mer von mir gewertig sein. Mein liebster Lewfrid, so dir etwas gegen mir angelegen, so du mir gern zů wissen woltest thůn, magstu mir das allezeit in geschrifft offenbaren. Hiemit sey gott befohlen, der pflege dein in steter gesundtheyt!‹

Angliana, nachdem sie disen brieff zůgeschlossen und mit irem eigen ring verbitscht hat, nam sie den und band in in ein pecklin sampt dem ring und einem schönen hemmet, darzů einem köstlichen piret.

Als es nun umb den abent ward, kamen die junckfrawen wider zů besehen, wie es umb die junckfraw Angliana stünd. Sie aber fanden sie gantz wolgemůt und gůter farb, darab sie gar groß freud empfingen. Demnach nun das nachtmal ward volbracht und das gestirn dem sattblawen himmel sich hatte undermischet, ist man zů beth gangen, die nacht mit gar süssem schlaff verzert worden.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 294-296.
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