14.

Wie Lewfrid ob dem nachtimbis überlauffen ward von einem des forstherren diener, und wie er sich sein mit grosser not erweren můst und zůletst mit dem pracken davonkam.

[303] Es ist von altem her ein sprüchwort: Ein frommer wirt ist seines gasts herrgott, bey einem schalck findt man rauh geliger. Also geschah auch dem gůten jüngling. Er versahe sich keines argen, sonder meynet, er hett einen gůten wirt erlangt; der aber was sein verrähter, wie oben gemelt.

Der forstherr, sobald er von des wirts knecht vernommen, das der prack vorhanden wer, hat er von stund an einen under seinen dieneren zů dem wirdt gesandt; derselbig diener was ein außerleßner můtwilliger reiter. Lewfrid saß an dem tisch, hat den pracken bey ihm auff der banck ligen. Der knecht kam hinein, růfft den pracken mit seinem nammen, der was genant Treuw. Der prack wolt nit von Lewfriden[303] auffstahn. Das verdroß den reyter gar hart. Er gieng zů Lewfriden und sagt gantz hochmütiglich: ›Du zernichter jüngling, wie darffest du so frevel sein, das du meinem herren seinen liebsten pracken so gwaltigklich darffest hinwegfüren! Ich sag dir, es sol dir nimmer gůt thůn. Darumb so gedenck unnd gib den hund von dir, so du anders dein haut gantz behalten wilt!‹

›Gůter gesell,‹ sagt Lewfrid, ›du schuldigest mich einer schmälichen sachen, die mir nit zů leiden ist. Dann ich disen pracken gar nit auß můtwilliger weiß hab understanden hinwegzůfüren, sonder als ich frembder inn dem wald gantz irr geritten, ist diser edel prack zů mir kommen, hatt mich auff den rechten weg beleitet unnd auß dem irrigen forst und wald gefüret. Demnach ist er bey mir verharret, on alle band oder strick laufft er gantz frey mit mir.‹ – ›Des můß dich als übel bestohn,‹ sagt der reütter, ›ich merck wol, du brauchst kunst mit disem pracken; die soll dir zů grossem schaden geraten.‹

Als er solichs geredt, zucket er seinen fausthamer, meynet Lewfriden damit zů boden zů schlagen. Er aber was nit faul, sprang von dem tisch auff, zucket sein gůtes schwert, drang fast hart auff den reyter, also das er im auß seinen streychen weichen můßt. Daß ersach der wirt, welcher Lewfriden verraten hat; der sprang dem reyter zů und wolt in entschütten. Des gewaret Lewfrid, drang auff den wirt dermassen so mit grossem grimm, schlůg in des ersten streichs auff sein haupt, das er mit einem lauten galff zů der erden nidersanck. Lewfrid eylet dem reitknecht nach. Der was aber schon auff sein pferdt kummen, machet ein groß rumor in dem dorff, also das die bauren zůsammenlauffen wurden. Da diß Lewfrid ersach, sagt er zů im selb: ›Hie ist nit gůt lang zů harren.‹ Er fügt sich geschwind zů seinem pferd, saß darauff und reit schnell und bald von dannen; dann er sorget, wo er von den bauren gefangen worden wrer, es het im grosser unraht darauß erwachsen mögen.

Als nun der reitknecht zů seinem herren kam und aber den pracken nit mit im bracht, ward er fast zornig über den knecht. Der dorfft aber nit sagen, wie es im mit dem pracken[304] und mit Lewfriden ergangen was; dann er sorget sich grosses spots damit zů erholen. Darumb ließ er all ding beim nechsten bliben. – Diser und derglichen ysenbeisser findt man noch zůr zeit, welche all welt in eim streich vermeynen umbzůbringen; wann aber sie iren mann überkummen, schlagen sie gemeinlich mit färsen darin. Also thet diser reiter: dann er braucht seines pferdts füß für harnasch unnd wher. Das bleib also.

Lewfrid, der gůt jüngling, was also on erlaubung seines wirts darvongeritten, hat auch niemans gefragt, wo er sein weg den nechsten haben möcht. Jedoch behalff er sich seines compas, so er bei im hat; darauß verricht er sich, das was sein wegleitung, dann er wol abnemen möcht, ob er gegen mittag, auffgang oder nidergang geritten wer oder nit. Darumb reit er nach seinem compaß so lang, biß er kam zu einem brůderhauß, darinnen wonet ein alter brůder, ein frommer und gůter getrewer man. Lewfrid rüffet mit lautter stimm vor dem brůderheußlin und sagt: ›Ist jemans hierinn, der thů so freundtlich an mir und weiß mich auff die rechte strassen; dann ich des wegs unerfaren bin.‹

Der brůder kam behend herfür, empfieng Lewfriden gar früntlich, fragt in, wohinauß sein reyß gieng, des in Lewfrid grüntlich berichtet. ›Gůter freund‹, sagt der brůder, ›ir sind etwas von der strassen geritten. Ich sag euch auch fürwar, das ir in dreien stunden zů keiner herberg kommen mögen. Darumb bit ich euch, stond ab. Ich wil üch ein bissen brot und gedeyen fleysch und gůt frisch wasser bringen, damit ir euch ein wenig mögt erlaben.‹ – Diß nam Lewfrid zů grossem danck an, stund ab von seinem pferd. Der brůder decket im ein tischlin, so er vor seinem hauß hat under einem grünen baum, bracht im gar gůt und wolgeschmackt brot und fleysch, so das in bedaucht, er het in langem baß nie gezecht; dann es was jetzund über den mittentag, und was im der hunger gar in bauch kommen. Der brůder gab seinem pferdt ein meßlin gersten, so ward seines pracken auch wol gepflegen. Nachdem er sich nun seines hungers ersettigt hat, fragt den brůder, was er im zů gelten wer; der wolt gar nichts von im haben, allein bat in für gůt zů nemmen. Also schanckt im[305] Lewfrid etlich gelts, das můst er von im wider seinen willen nemmen. Demnach saß Lewfrid wider uff sein pferdt, reit wider sein straß, nach dem in der brůder gewisen hat.

Den wöllend wir also lassen zů vollend heimreiten und jetz ein wenig sagen von seinem vater und můter, auch von seinem herren, so in erzogen hat, wie es nach Lewfrids abscheid sich mit in zůgetragen hab.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 303-306.
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