43.

Wie im Lewfrid einen beghartsrock machen ließ und ein künstlichen langen weissen bart, demnach den nechsten in den forst, so des graffen was, reit, sein pferdt bei einem waldtbrůder ston ließ.

[377] Nit lang darnach, als Walter sampt dem botten hinweg was, saumet sich Lewfrid nit lang, ging zů einem gewandschneider, verdinget ein beghartsrock und kappen zů machen von einem wüsten groben grawen hotzentůch. Demnach schawet er im umb einen langen künstlichen venedigischen bart; und als er nun sein bereitschafft bei einander hat, ist er tag und nacht geritten; dann im der weg wol bekant was. Nymmer kam er von seinem pferdt, es were dann sach, das er essen und sein pferdt füteren wolt; kam also in kurtzer zeit in den grossen forst oder wald, so zůnechst bei seines herren schloß lag. In demselbigen wald wonet ein seliger klaußner oder waldtbrůder oder beghart, wie man den nennen will.

Derselbig was vor zeiten des graven vatter liebster diener gewesen, ein freudiger und seer küner held, der in stürmen und schlachten vil umbracht hat. Denselben ward auff ein zeit sein conscientz dermassen nagen und anklagen, das er endtlich meynet, wo er sich nit von der welt absünderen thet, möcht er nymmer selig werden. Kam auff einen tag zů seinem herren, sagt unnd klagt ihm mit weinenden augen sein anligen, wie er gantz beschwerdt wer inn seiner conscientz, dieweil er bedecht, das er so manigen man beleydet, vil erschlagen,[377] witwen und weysen gemacht, wißt er seine sünd inn unnd bey der welt nit abzůlegen; darumb wer sein fürnemen endtlich dohin gericht, von der welt zů gon, in der wildtnüß sich zů erhalten biß an sein end.

Als nun der graff seinen willen verstund, gefiel es im wol, und sagt zů ihm: ›Mein lieber diener, dieweil du des vorhabens bist, wil ich dir fast gern darzů helffen. Dir ist wol wissen, daß ich zwo schöner und reicher apteyen in meiner graffschafft hab, deren beide ept mir gantz angenem sind, ligen auch beide in rauhen und finstern welden. In welche du nun lust hast, magstu mir zů verston geben, will ich dir mit allem willen beholffen sein, damit du zů einem leyenbrůder angenommen würst.‹

Der ritter antwort: ›Gnediger herr, ich bedanck mich zům höchsten ewers gnedigen erbietens. Aber got bewar mich darvor, daß ich in ein kloster gang; dann so ich meynet die, welt zů fliehen, wird ich erst in die mitte hineinkommen. Was ist doch das klosterleben anderst yetzund zů unser zeit, dann das sie in allem überfluß und wollust leben, wie uns dann der hochgelert Bruno von Bamberg in seinem bůch, das er nent den Renner, darumb das er alle stend der welt durchrennet, grüntlich zů verston gibt, in welchem bůch ich von meinem und aller reiter und hoffleut stand wol gelesen, so das mich reüterordens noch hofflebens nit mer glust. So ich mir aber under zweyen eins erwölen solt, wolt ich das hoffleben für das münchisch leben ahnemen, weyß auch, das ich die seligkeyt alsbald und eh zů hoff dann in einem kloster überkommen wolt. Sovil unnd ich umb klosterleut gewont, hab ich nichts mehr bey in funden dann ehrgeitz. Ein yeder wolt gern am brett sein; ist einer procurator oder suprior, gedenckt er von stund an nach dem priorat oder gar apt zů werden. Neid und haß wonet mit hauffen bey in. In summa, was ich in der welt fliehen, wird ich im kloster mit hauffen finden. So mir aber ewer gnad zů meinem fürnemen helffen will, vergunn mir die, in dem grossen forst ein ort zů erwölen und ein hüttlin darinn zů bawen, wie ich mir dann das mit riß und laub wol zů machen weyß.‹

›Wolan,‹ sagt der graff, ›so erwöl dir in dem forst ein[378] gelegen ort! Do will ich verschaffen, das dir ein brůderheußlin und kappellen zů deiner notdurfft und gotsdienst soll gebawen werden. Du solt auch teglich von meinem hoff dein zimliche narung haben.‹ In summa, diß ward also vollendet.

Zů disem brůder kam Lewfrid des nachtes geritten bey hellem und vollem mon; und es was nit weit von mitternacht, als er für die zellen kam. Er klopffet züchtigklichen an. Der brůder aber mocht in nit gehören; dann er was noch an seinem gebett in der capellen. Die stund ein wentzig baß in wald hinein; so stund die zell an einem felsen, darauß sprang ein lustiger brunn. Lewfrid gedacht: ›Ich mag den gůten brůder nit weiter bemühen; ich will weiter in wald hineinreiten zů der kolhütten. Villeicht sind die koler in ihr dorff gangen, so find ich dannocht stallung für mein pferdt und hew, damit es die nacht nit gar über auff leren bauch stohn dörffe.‹ Also trabt er gemachsam durch den wald.

Als er aber nit lang geritten was, sicht er ein hellen glast durch die beum herscheinen, davon er sich nit wenig verwundern ward. ›Nun bin ich,‹ sagt er, ›noch nit bei der kolhütten, was feur oder liecht mir doch hie entgegenschein; so hat mich auch niemans können verrhaten; dann kein mensch weyßt von meinem anschlag. Sind es aber meines herren diener, so vileicht die nacht auff dem gejäd verharren, damit sie des morgens desto früer anbinden, wes soll ich mich do halten? Es möchten villeicht etlich under in sein, so auch ir wartgelt auff mich hetten, damit sie mich erschlagen solten. Nun getrew ichs keinem under in allen. Wolan, es sey im wie es wöll, so můß es doch gewagt sein.‹

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 377-379.
Lizenz:
Kategorien: