52.

Wie Lewfrid mit dem graven zům imbis geht, darab sich alles hoffgesind größlichen verwundern thůt.

[399] Als nun Lewfrid und der graff lang gnůg mittnander gespracht hatten und es jetzund umb den imbiß worden ist, hat mann die hoffglocken angezogen; meniglich zů hoff kummen, ein jeder an sein verordnete dafel gesessen. Der graff aber Lewfriden und Waltern mit im inn den großen saal bracht hatt. Darab sich alles hoffgesind größlichen verwundern thet; dann niemans wußt, wie oder wann Lewfrid zů hoff kummen wer, wiewol ihm niemans under allem hoffgesind des glücks vergünnet, sonder grosse freud ab seiner zůkunfft hatten.

Als man nun das wasser genommen und zů tisch gesessen, hat man das essen angetragen. Der imbiß ward mit lust unnd freuden volbracht, und was Lewfriden schon aller sein unmůt verschwunden; allein mangelt im, das er sein liebe Angliana nit bey im an dem tisch haben mocht. Jedoch thet er in keinen weg desgleichen, sonder erzeygt sich mit weiß und geberd gantz frölichen. Nit minder freud hat Walter, das er sahe seinen liebsten brůder unnd gesellen bey seinem herren an seinem tisch sitzen, so er doch ein sollichs gantz unmüglich geschetzt hatt.

Nun was es jetzund eben in dem halben imbiß, so kompt ein künigische post eilens reitend, ein brieff in der hand füren. Sobald er nun von seinem pferdt gestanden, ist er eilens in den grossen saal gangen, dem graffen den brieff von dem künig geantwort. Des inhalt was, das der graff unverzogenlichen[399] in dreyzehen tagen an des künigs hoff erscheinen solt und sich auch mit aller nodturfft, so im von nöten were, versehen, als namlich mit harnasch und wehr, so best er möcht; dann des künigs meynung was, in (den graffen) zů einem obersten zů machen über sein reysigen zeug. ›Auf mein trew,‹ sagt der graff, ›Lewfrid, mich duncket, wir haben den krieg schon vor der thüren. Darumb laß dich nur nit seer darin belangen! Ich gedenck, wir sollen sein all genůg überkommen.‹ – ›Das frewet mich in meinem hertzen,‹ sagt Lewfrid, ›es sagt mir auch mein eygen hertz, mir werd gentzlich inn künfftigem krieg gelingen.‹

Nun was junckfrawen Angliana gantz nichts darvon zů wissen, das der jüngling vorhanden und mit ihrem vatter zů tisch seß. So het ir semlich der schildtbůb gern zů wissen gethon, er kundt aber der zeit nit weichen. Alsbald aber jetzund das mal vollendet was und die tafeln auffgehaben, der schiltbůb mit grösten freuden zů der junckfrawen kommen ist, daß bottenbrot an sie begeret, ir auch alles, so sich verloffen hat, zů wissen gethon. Davon ir hertz in unmeßlichen freuden sich erhebt, hat dem bůben ein reiches bottenbrot gegeben, des er dann auch wol zů můt ward. Also hat sich Angliana an ein fenster gestelt, do sie gewißt, das ir vatter mit dem jüngling fürgon werde, das dann bald geschehen ist. Bey unnd neben ir sind gestanden ihre junckfrawen und zů allernechst Florina und Cassandra.

Als nun der graff sampt seinen dienern auß dem sal gangen unnd Lewfrid zůnechst bey ihm, hatt Angliana gesagt: ›Liebe Florina, sag mir, wer ist der schon jüngling, so mit meinem vatter auß dem saal goht?‹ Florina, die sein vormals nit wargenommen, hat jetzund Leuwfriden erstmals ersehen, von freuden gentzlich inn ihrem angesicht erröttet unnd gesagt: ›O junckfraw, jetzund mügend ir wol frölicher sein, dann junckfrauw auff erden je ward. Dann ihr seind gantz sicher, das Lewfrid in allen gnaden bei ewerem herren und vatter ist. Jetzund bedörffend ihr niemans mehr, der euch tröste, dieweil ewer trost wieder zů gnaden kommen und on alle sorg an dem hoff wonen darff.‹

›Nun wißt ich gern,‹ sagt Angliana, ›wie doch die sach[400] zůgangen unnd wer die ding so bald gehandelt het. Dann ich weyß, das Lewfrid am nechstverschinenen sontag des noch gar nit gesinnet gewesen ist; sunst het er sich in die scheützlich kleidung nit verstellen dörffen. Wolan, ich weyß die sach wol an Walthern zů erfaren.‹

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 399-401.
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