61.

Wie Walter wider ledig worden und Lewfrid groß gůt an den freyherren fordert von wegen der erschlagnen des graven diener.

[420] Als nun der freyherr den brieff geschriben, hat in Lewfrid nit wöllen lassen zůschliessen, er habe in dann zůvor gelesen; dann er besorget sich, der landherr möcht ein andre geschwinde practick anrichten, sein folck heimlich zůsammen manen und in underston mit gewalt zů entledigen. Als aber der brieff nach seinem gefallen geschriben, gab er ihn dem landherren. Der verschloß in zůhand, überschicket denselbigen bey Lewfriden seinem burgfogt.

Als aber Lewfrid yetzund nit gar ein meil in den wald geritten was, findt er des freyherren diener. Die waren von seiner zůkunfft fro; dann sie meynten, ir herr keme durch den dicken wald hertraben. Bald aber sehend sie, das er es nit ist, erschracken sie gar seer; dann sie waren eines theils von ihren pferden abgestanden und hatten Walthern unnd die beyden diener an die beum gebunden, ihr fatzwerck und gespey mit in getriben. Sie hattend auch ihr hauptharnasch von ihn gelegt.

Lewfrid der ritter nam sein gar eben war; dann er seinen liebsten brůder Walter schon erblicket hat. Er aber bedacht sich nit lang, sprenget mit verhengtem zaum under sie, strenget sie mit rauhen worten an und sagt auß gantzem zorn: ›Ihr ungetrewen und trewlosen straßreuber, sagen an, wie dörffen ihr einen sollichen frummen herren auff seinen grund und boden also mit gewalt und wider alles recht also mit grosser schmach fahen und anbinden, ihm auch seine diener, welche sich alles gůten zů euch versehen, so jemerlichen ermörden und umbringen? Ir müssend mir euch wie ewer herr disen tag gefangen geben oder alsampt von meiner ritterlichen hand sterben.‹ Damit zucket er sein schwerdt und schlůg mit gantzen krefften nach einem, welcher zů seinem hauptharnasch eilen wolt, und zerspielt im sein haupt biß auff sein halbes angesicht. Derselbig geschwind todt zůr erden fallen thet. Bald eilet ritter Lewfrid auff zween andere; dem einen schlůg er des ersten streichs sein haupt von der achslen hinweg, dem[421] andren stieß er sein schwerdt oben bey seinem halß zwischen dem harnasch hinin, das er auch gleich todt zů der erden sanck.

Als nun die anderen die streng und mannlich that an dem ritter sehen theten, erschracken sie dermassen so seer, das sie nit auff ihren beinen ston kundten, sunder fielen auff ire knye umb gnad bittend. Under disen sibnen was auch der burgfogt, wöllichem ritter Lewfrid den brieff von seinem herren bracht haben solt. Als der vernam, das sein herr auch gefangen was, erschrack er on massen gar seer, gab sich von stund an sampt den andren gefangen. Also nam Lewfrid sicherheyt von ihnen und ließ die andren diener reitten; den landfogt aber fůrt er gefangen mit ihm.

Walter und seine beiden mitgefangenen wurden beidsammen ledig gemacht. Sie sassen auff ire pferd, wurden größlich widerumb erfreuwet. ›O mein liebster Lewfrid,‹ sagt Walter, ›wie hastu uns so aus grossen engsten und nöten erlöset! Dann sunst wirden wir in schwere und harte gefencknüß kommen sein; dann uns diser burgfogt darauff hart getrawen hat.‹ Der ritter Lewfrid antwort: ›Also sol man den gesten rechnen, weliche die ürtin vor dem wirt machen. Disem burgfogt solt wol beschehen als einem, so feindtliche tieffe grůben gedolben hat und aber selb darein fallen thůt. Hat er ein semlichen hochmůt an euch, den unschuldigen, wöllen und understanden zů begon, solle im auch grössere barmhertzigkeit nicht widerfaren. Dann ich soll in in ein hartere gefencknuß verschaffen; dann er ein semlichs an euch wol verschuldet hatt.‹ Von disen worten dem burgfogt fast angst ward, entschuldiget sich, so best er mocht.

Mit disen worten sind sie kommen auff das schloß, darauff der gefangen freyherr was; zů welchem Lewfrid sagen thet: ›Herr, ir habend meinen gnedigen herren wider alle recht und landfriden sonder alles absagen in seinem eygenen land gefangen, ime auch zwen seiner diener, eh dann sie zů wehr kommen sind, erstochen. Dasselbig euch als einem landsherren nit wol angestanden, werden auch wenig rhůms davon erlangen, wo das ymmermer von euch gesagt. Es hatt aber gott semlichs nit mügen vertragen; dann er je kein übels ungestraffet laßt. Dann er mich darzů hat lassen kommen, das[422] ich mein liebsten herren ledig gemacht, euch hergegen an seiner statt gefangen hab. So ist mir auch mein liebster gesell von euch gefangen gewesen. Denselbigen sampt meines herren dieneren hab ich wider ledig gemachet, nit durch eweren geschribnen brieff, sonder durch mein ritterliche faust und gůtes schwert. Semlichs haben drey ewerer diener wol erfaren, die gleich so wol als meins herren diener in dem wald todt ligen. Die übrigen sind alle uff disen tag meine gefangnen, müssend sich auch nach gegebner irer sicherung auff ein gelegen tag stellen. Den burgfogt aber als den obersten hab ich in meiner gewalt und gefencknüß behalten wöllen, damit ich euch nach meinem gefallen rantzonen mög. Ir habend mich gehasset, umb das mich das glück vor euch beschert hat. Das solle euch von mir vergolten werden, will mich auch des vor küniglicher majestat hoch beklagen; der soll mich an euch rechen.‹

Von disen worten erschrack der freiherr gar seer, dieweil im unverborgen was die ritterliche that, so er in dem vergangenen krieg volnbracht hat, begab sich derhalben gantz willigklichen inn des ritters rantzon, was er ihm aufflegen thet, wolt er gern tragen und leiden, allein solt er in nit vor dem künig verklagen und zů schanden machen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 420-423.
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