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Wie Angliana von dem kauffman und seinem son Walther vernam, das Lewfrid von einem hirschen tödtlich verwundt, und sie von stund an in den wald zů ihm lieff.

[428] Das geschrey kam eylens für Angliana, wie das ihr liebster gemahel Lewfrid hefftig von einem hirschen verwundet were und in dem wald vor grossem schmertzen gar onmechtig lege, darab die Angliana grossen schrecken empfieng. Die nam vil gůter und krefftiger latwergen; sie wolt niemans erwarten, sonder eylet zů fůß hinauß auff die strassen zů dem brunnen. Aldo fand sie Lewfriden in grosser onmacht ligen; dann er sich gar hart verblůt hat. Angliana was mit grossem hertzenleyd umbfangen; dann sie ires liebsten herren in grossen sorgen stund. Wie fast sie im růffet, so wolt er ir gar kein antwurt geben; zůlest kam im von irem steten rieffen sein verschwundener gaist harwider. Er blicket sein liebste fraw mit einem grossen süffzen an und sagt: ›O du mein liebste gemahel, wie schwach und krafftloß bin ich an meinem hertzen!‹ Angliana, so fast sie mocht, ihnen trösten ward; sie erquickt in auch mit gůten krefftigen confecten, so sie mit ir genummen.[428]

In dem kam auch sein herr sampt Walthern mit einer roßbaren und brachten ein wundartzt mit in, so im erstlichen das blůt verstellet, darnach sein wunden verband. Darnach hůben sie in uff die roßbar. Angliana saß zů im hinauff, sein haupt in irer schoß ligen hat.

Bald sie nun zů hoff kummen seind, ist der alt graff der geschicht innen worden. Und als er eylens auß grossem schrecken ein steg hinablauffen wolt, seind im beide füß außgangen, und als er von leib ein groß und schwer man was, ist er gar hart die stegen hinabgesturtzt, also das man in für todt dannen trug. Davon ein newes leid zů hoff entstünd. Der graff ward von seinen dienern in ein sal getragen und auff sein schlaffbet gelegt. Alles, so müglich was, ward mit im versucht, aber gar umbsunst war. Da nun der graff befand, das sein end sich gar fast harzůnehet, schicket er sich gantz christlich zů sterben, ordnet seine sachen zům besten, so er in solcher zeit zůwegen bringen mocht. Am dritten tag aber verschied er gantz seligklichen und ward mit grossen trauren und klagen von den seinen zůr erden bestattet und hertzlichen beweinet. Es wurden aber solche geschichten Leuwfriden gar verhalten, biß er wider seiner wunden genesen thet, wie ir vernemen wert.

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Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 428-429.
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