29.

Ein stattvogt tranck laugen für branntenwein.

[35] In einer statt in Schwabenlandt ware ein abenteürer, ein seltzamer fatzmann; unnd wiewol es nit seines handwercks war, hatt er allen morgen geprenten weyn feil neben seiner andern war unnd hette aber seinen laden zůnechst an der kirchthüren; unnd alle morgen samleten sich ein gůte burß von handtwercksgesellen und meistern und allerley volcks by seim gebrenten weyn, also daß sy so mancherley geschwetz und neüwer meeren da außrichteten. Und do die pfaffen da auß und eyngiengen, wurden sy auch ettwann von hin gespeyet; derhalben die pfaffen verschůffen, das im durch die oberkeyt verpotten warde, auff kein suntag mer brentenwein feyl zů haben.

Diß hielt er nit lang, sunder fienge allgemach wider an, den laden am suntag aufzůthůn; derhalb im der vogt offt treüwet, er wolt im die gleser sampt dem brentenwein[35] nemmen. Do diser obgemelter abenteürer vernam, rüstet er ein groß glaß zů mit laugen unnd ein wenig saffran oder waß er dann darunder thet, weiß ich nit, in summa, das er aller gestalt eim branntenwein gleich sahe, und stalt das auff ein sontag auff den laden. Solchs warde dem stattvogt durch seiner diener einen von stund an zů wissen gethon. Also eilte der vogt in einem grossen zorn mit sampt seinen dienern dem branntenwein zů. Alß in aber der abenteürer von verrem sahe kommen, thet er alle andere gleser und schüßlen hinweg und ließ das glaß mit dem gemachten tranck ston. Und do der vogt zů im kame, fůr er in mit zornigen worten an; aber der branntenweinmann stalt sich einfaltig, alß ob er erschrocken were. In dem erwüst deß vogts diener das glaß unnd meint, er hette ein peut erholt; alß aber der vogt sampt seinen knechten zů hauß kamen, brachten sy ein grosse schüssel herfür und schutten den branntenwein darein und sayten zucker darauff und vermeinten ein gůte gebrennte suppen zů essen. Wie aber der vogt alß der herr den ersten bissen asse, und die knecht geschwind hinnach, sahe einer den andern an, und warde ein groß ausspeiens und flůchens under inen; wie sy aber recht lůgten, waß inn dem glaß was, so funden sy, das es ein alte laugen was. Also schickt der vogt zwen diener hinfür, sy solten den schalck fahen; aber er hette sich hinweggemacht.

Morgens verklagt in der vogt vor den herren; also warde er beschickt und im geleit geben. Do er für die herren kame, sagten die herren: ›Sag an, du schalck, wie darfstu eim solchen erlichen mann ein solch wüst tranck für branntenwein geben?‹ Er antwortet und sprach: ›Genedigen herren, ich habe im das tranck nit geben, sunder er hatt mir das mit gewalt genommen. Hette er mir ein gůten brenntenwein gehöyschet, ich wolt im wol ein han geben; dann das glaß, so er mir genummen hatt, ist nur also ein schawfal, das man sech, das ich branntenwein feil hab, auch wo es mir zerbrochen wurde, das mir nit ein grosser schad geschehe.‹ Also hiessen die herren den abenteürer heimgon, biß das man wider nach im schickt; und hett der vogt sampt seinen knechten den schleck versůcht.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 35-36.
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