Sechste Szene

[28] Zu den Vorigen treten auf: Musikanten, Petruchio, Katharine, Bianca, Lucentio, Baptista, Grumio; die Hochzeitsgäste der ersten Szene.


CHOR.

Wir haben zeitlich uns noch eingefunden,

Da wir gehört, daß doch heut Hochzeit ist.

Wir hoffen jetzt ein paar vergnügte Stunden

hier durchzujubeln.

PETRUCHIO.

Liebe Freunde! Wißt!

Ihr denkt zwar jetzt mit mir zu essen,

Bereitet steht der Hochzeitschmaus.

Nun, nehmt nur fröhlich Platz!

Indessen ich, selber muß mit Käthchen gleich nach Haus.

BAPTISTA.

Ist's möglich, noch heut abend wollt ihr fort?

PETRUCHIO.

Ei, von heut abend sagt ich ja kein Wort.

Gleich jetzt, mein Freund, gedenk ich aufzubrechen.

Die Pferde denk ich, stehn schon bereit.

BAPTISTA.

Erlaubt mir, Schwiegersohn, zu widersprechen!

PETRUCHIO.

Ei, tut es nur, mich kümmert's keinen Deut!

Ihr guten Leute, setzt euch ruhig nieder.

Stoßt an und zecht, sing frohe Lieder.

Wir aber ziehn, will euch das nicht gefallen,

Doch muß es sein und Gott sei mit euch allen!

CHOR.

Laßt uns euch bitten: bleibt, o bleibt beim Feste,

Jetzt kommt ja erst das Lustigste, das Beste!

PETRUCHIO.

Ei, nicht von fern!

BAPTISTA.

Ich bitt euch: bleibt noch da.

PETRUCHIO.

Mich treibt mein Stern.

LUCENTIO.

Ich bitt euch: bleibt noch da.

PETRUCHIO.

Bleibt ihr mir fern?

HORTENSIO.

Ich bitt euch: bleibt noch da.

PETRUCHIO.

Hört auf, ihr Herren, hört auf, ihr Herren!

BIANCA.

Ich bitt euch: bleibt noch da.

PETRUCHIO.

Mich treibt mein Stern, mich treibt mein Stern.

BIANCA, LUCENTIO.

Wir bitten: bleibt noch da!

KATHARINE.

Ich bitte: bleibt noch da!

PETRUCHIO.

Das hör ich gern, das hör ich gern!

KATHARINE.

Er ist gewonnen, er bleibt da!

PETRUCHIO.

Ei, nicht von fern, ei, nicht von fern!

KATHARINE.

Du sagtest doch, das hörst du gern!

PETRUCHIO.

Ich hörte gern dein freundlich bittend Wort,

Doch ungebeugt bleibt mein Entschluß, wir gehn!

KATHARINE.

Der du dein Herz geweiht am heilgen Ort,

Laß sie nur heute nicht vergebens flehn!

CHOR.

Soll das nicht erweichen?[28]

PETRUCHIO der gewaltsam seine Rührung bekämpft hat.

Es kann nicht sein, sag Lebewohl den deinen!

KATHARINE.

Ha, steht es so, mir dies am Hochzeitstag?

Beginnt schon jetzt das Weigern, das Verneinen?

So geh mit dir, wer mit dir gehen mag!

Mich aber, mich bringst du heut nicht weg, geh!

Offen steht dir Tür und Steg.

PETRUCHIO.

Ich bitte, sei nicht böse, Weibchen!

KATHARINE.

Ich will nun böse sein, was kümmert's dich?

PETRUCHIO.

Zwing mich zum Aeußersten nicht, mein sanftes Täubchen!

CHOR.

Seht nur, die Neuvermählten streiten sich.

Gebt nach und bleibt bei uns einmütiglich!


Die Herren scharen sich um Petruchio und Katharine.


KATHARINE.

Wir bleiben hier

Die Bitte schlugst du ab, wohl, ich befehl es dir.

LUCENTIO UND CHOR.

Ja, ihr bleibt hier, wir nehmen euch gefangen.

Ihr bleibt bei uns, geht keinen Schritt von hier!

PETRUCHIO die Hand an den Degen legend.

Ihr Herrn macht's noch in Güte, und laßt den Ausgang frei!

Erregt nicht mein Gemüte.

CHOR.

Nein, nein, du wirst nicht frei!


Die Herren bewaffnen sich auf komische Art mit Suppenlöffeln, Tranchiermessern, Ofengabeln, Regenschirmen usw.


PETRUCHIO.

Frisch, Grumio, zieh den Degen,

Hilf meine Frau befrein!

KATHARINE.

Mein Herz in wilden Schlägen fühlt namenlose Pein.

PETRUCHIO UND GRUMIO.

Wer wagt sich mir (uns) entgegen,

Wir fechten nicht zum Schein.

CHOR.

Jetzt wollen wir uns regen, wo mögen Waffen sein?

Und käm es auch zu Schlägen, ihr sollt euch nicht befrein!

PETRUCHIO.

Hier, dieser gute Degen soll unsre Rettung sein!

CHOR.

Laß deinen Zorn sich legen, schau hier die Waffe mein!

Was soll der Streit euch frommen?

O höret unser Flehn!

PETRUCHIO.

Mein Käthchen, sei nicht bange,

Ich hau dich schon heraus,

Wenn ich erst recht anfange,

Dann läuft das ganze Haus.

KATHARINE.

O wär ich tausend Meilen von diesem Manne fern.

PETRUCHIO.

Ganz recht, wir wollen eilen, gebt Raum ihr Herren!

CHOR.

Laß ja sie nicht heraus!

BAPTISTA.

So weit laß ich's nicht kommen,

Das kann ich nicht ansehn.

BIANCA, LUCENTIO.

O wollet ihrer schonen!

Laßt endlich sie hinaus![29]

CHOR.

Wir werden euch noch lohnen,

Mit Prügeln diesen Strauß.

PETRUCHIO.

Gebt Raum, gebt Raum, ihr Herren!

BAPTISTA.

Ich gäbe tausend Kronen! Wär Ruhe erst im Haus!

KATHARINE.

Willst du mich hier nicht schonen,

Wie wird es erst zu Haus?

BIANCA, LUCENTIO.

Laßt endlich sie hinaus!

CHOR.

Laßt ja sie nicht hinaus!

PETRUCHIO läßt sich darauf zum Schein in eine Ecke drängen, dann mit gezücktem Degen vortretend.

Und wären's Millionen, ich haue dich heraus!


Nach einem kühnen Satze steht Petruchio plötzlich mitten auf der Tafel und reißt Katharine zu sich hinauf. In demselben Augenblick sprengt Grumio mit zwei Pferden in den Saal und an die Tafel. Petruchio springt in den Sattel, setzt Katharine vor sich und alle drei ab.


ALLE.

Nun sind sie doch hinaus! Ha, ha, ha, ha, ha!

Quelle:
Hermann Goetz: Der Widerspenstigen Zähmung, frei bearbeitet von Joseph Viktor Widmann, Zürich, Wien, München [ca. 1925], S. 28-30.
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