Zweites Capitel
Ein Beispiel, daß ein Augenzeuge nicht allemal so zuverlässig ist, als man zu glauben pflegt

[150] Pedrillo weckte also seinen schlafenden Herrn, aber unglücklicher Weise in einem Augenblick, da er in dem angenehmsten Traum begriffen war, den sich ein platonischer Liebhaber, als der Liebhaber eines Schmetterlings ist, nur immer wünschen konnte.

Unglückseliger, rief der erwachende Don Sylvio, aus was für einem Traum weckst du mich?

Sapperment, Herr Don Sylvio, schrie Pedrillo, es ist jetzt die Frage nicht von Träumen, es sind ganz andere Dinge auf dem Tapet. Aber ich bitte euch, mein lieber Herr, wenn ihr anders noch ein Fünkchen christlicher Liebe für den armen Pedrillo habt, so sagt mir vor allen Dingen, ob ich würklich Pedrillo bin[150] oder nicht? Denn, meiner Six, es ist nicht alles wie es sollte, ich will geprellt sein, wenn ich meiner leiblichen Mutter auf ihr bloßes Wort glaubte, daß ich meines Vaters Sohn sei.

Was für eine Tollheit kommt dich an, fragte Don Sylvio, den diese Reden in Verwunderung setzten – was für Ursachen hast du zu denken, daß du ein anderer seist als du selbst?

Sagt mir nur erst, ob ichs bin, erwiderte Pedrillo, die Ursachen werden seiner Zeit schon nachkommen; wir wollen erst den Hauptpunct ausmachen; seid so gut und antwortet mir nur directe auf meine Frage, denn ihr werdet sehen, daß mehr daran liegt als ihr euch jetzt einbildet.

Alberner Junge, sagte Don Sylvio lächelnd, du bist zwanzig Jahrelang immer Pedrillo gewesen, warum solltest du es nicht noch sein?

Seht mich recht an, gnädiger Herr, betrachtet mich von vorn und hinten, und sagt mir die Wahrheit, so wahr ihr ein Edelmann seid.

So wahr ich ein Edelmann bin, antwortete Don Sylvio, du bist Pedrillo, oder du bist ein Esel, eines von beiden ist gewiß – –

Ein Esel? – Hier sind meine Ohren, Herr; es stecken, denk ich, unter mancher Doctor-Mütze längere, und wenn ich so gewiß Pedrillo bin, als ich kein Doctor – kein Esel, wollt ich sagen, bin, so geht alles wie es gehen soll. Die Wahrheit zu sagen, Herr, ich hatte selbst so eine Ahnung, so eine Art von Reprehension, daß es nicht wohl anders sein könne, als wie ihr mich versichert; aber wenn einem solche seltsame Dinge begegnen wie mir, so wär es kein Wunder, wenn einer endlich seinen eigen Namen darüber vergäße.

Und was ist dir dann begegnet, fragte Don Sylvio? Mach es kurz, wenn ich bitten darf.

Herr, antwortete Pedrillo, das läßt sich nicht in einem Augenblick sagen; ein weiser Mann kann in einem Atemzug mehr fragen, als ein Narr in einem ganzen Tag beantworten kann. Wenn ihr mir Zeit lassen wollt, so will ich euch alles haarklein erzählen; denn, meiner Six; es ist mir, ich sehe sie noch vor mir, mit ihren großen braunen Augen, und mit der allerliebsten schelmischen Mine, womit sie mich seitwärts anlachte, wie sie[151] wieder aufsitzen wollte. Sterb ich, wenn mir nicht war, als ob sie mein Herze an einem Bindfaden hinter sich her zöge! Ihr werdet über mich lachen, Herr; aber ich will nicht ehrlich sein, wenn ich den Maulesel, auf dem sie saß, nicht mit neidischen Augen ansah.

Mißbrauche meine Geduld nicht länger, sagte Don Sylvio, der von allem diesem Gewäsche nichts begriff; erzähle mir ordentlich und von Anfang an, was dir begegnet ist, seit dem ich eingeschlafen bin.

Gut, gnädiger Herr, das will ich auch, wenn ihr nur Geduld haben könnt; denn, wie ich sagte, ich habe euch so viel zu erzählen, daß ich nicht weiß, wo ich anfangen soll, ob ich gleich so voll davon bin, daß alles auf einmal heraus platzen möchte. Aber weil ihr verlangt, daß ich die Sache von Anfang an erzählen soll, so wisset also, Herr, daß ihr noch nicht lange eingeschlafen waret, als mich ein oder zweimal ein so entsetzliches Gähnen ankam, daß ich dachte, ich würde den ganzen Abend nicht damit fertig werden. Ich merkte daraus, daß sich der Schlaf bei mir anmelden wolle; aber weil ich mir vorgesetzt hatte, bei Eu. Gnaden zu wachen, so wehrte ich mich so gut ich konnte, und tat, um mich munter zu erhalten, noch zwei oder drei Züge aus der Flasche; vielleicht mochten es viere gewesen sein, ich kann es so eigentlich nicht sagen! Kurz, die Flasche wurde endlich leer, ohne daß ich muntrer wurde; die Auglider fielen mir alle Augenblicke zu, und dann gähnte ich wieder, und so capitulierten wir so lange mit einander, der Schlaf und ich – –

O! wahrhaftig, rief Don Sylvio, wenn du so erzählen willst, so wird dein und mein Leben nicht zureichen, bis du fertig bist. Du hast geschlafen, gut, und da bist du wieder aufgewacht, oder sind dir die wunderbare Dinge im Schlaf begegnet, die du mir erzählen wolltest?

Im Schlaf? Nein wahrlich, Herr, damals wie ich die Erscheinung hatte, war ich schon wieder aufgewacht, wie ich euch gesagt haben würde, wenn ihr mich nur hättet fortreden lassen. Denn wenn ich die Sachen der Ordnung nach sagen soll, so muß doch eins auf das andere folgen. – –

Ohne Zweifel, sagte Don Sylvio, aber mußt du deswegen[152] alle diese nichts bedeutenden Umstände mit dazu nehmen, wodurch deine Erzählung so schleppend und einschläfernd wird, als ein altes Kunkel-Stuben-Märchen? Du hast geschlafen, und bist wieder aufgewacht, das ist das ganze Geheimnis; und das hättest du mit dreien Worten sagen können. Nun weiter – –

Ja freilich, zum Henker, nun weiter, wenn ihr mich alle Augenblicke aus dem Concept bringt, da soll ichs gleich wieder finden – Wo blieb ich? – Ja, bei meinem einschlafen – –

Du bist ja schon wieder aufgewacht – –

Man muß doch vorher einschlafen, ehe man wieder aufwachen kann? Aber weil ihrs so haben wollt, so sei es dann! Ich wachte also wieder auf, wie ihr sagtet, und die Wahrheit zu gestehen, ich würde vielleicht noch schlafen, wenn mich nicht eine gewisse Notwendigkeit – ein gewisses – ich weiß nicht wie ichs sagen soll, daß es nicht gar zu unhöflich heraus komme, aber dem Gelehrten, sagt das Sprüchwort, ist gut predigen – Kurz, eine gewisse Angelegenheit, die man durch keinen Procurator verrichten kann, – – ihr versteht mich ja? – –

Unvergleichlich, Pedrillo, mache nur, daß du bald wieder davon kommst.

Ein jedes Ding will seine Zeit haben, sagt Salomon. Kurz, und gut, es war ein Geschäfte, daß der Corregidor von Xelva, und der König selbst gerade auf die nämliche Art verrichten muß wie der armste Bauerjunge – Und in der Tat, ich habe schon oft gedacht, wenn große Herren und Damen der Sache recht nachdenken wollten – – und es brauchte eben nicht viel Kopfverbrechens – – es könnte ihnen ein gut Teil von der hohen Einbildung benehmen, als ob sie wer weißt wie viel besser seien, als wie andre gemeine Leute, wenn sie zum Exempel dächten, – ich will es aus Respect vor Eu. Gnaden nicht heraus sagen; aber es ist doch gewiß, daß sie weder Bisem noch Ambra machen, und wenn mans beim Licht besieht – –

Pedrillo, Pedrillo, rief Don Sylvio lachend, wenn du ins moralisieren hinein kommst, so kannst du das Ende nicht wieder finden. Überhüpfe immer die erbaulichen Sachen, die dir bei Gelegenheit, daß du deine Notdurft verrichtet hast, beigefallen sind. – –[153]

Ha, nun habens Eu. Gnaden selbst gesagt, das war in der Tat nicht verblümt gegeben; ich hätte mich nimmermehr unterstanden, die Sache so deutsch heraus zu sagen, aber da es nun einmal heraus ist, so will ich jetzt ohne weitere Präscription oder Circumherumschweifung sagen, daß ich, nachdem ich die Natur erleichtert hatte, welches, im Vorbeigehen zu sagen, hinter einem dichten Gebüsche, fünfzig oder sechzig Schritte weit von dem Orte, wo ihr schlieft, geschah – –

Pedrillo, mein Freund, unterbrach ihn Don Sylvio, ich sehe, daß du in der Laune bist, mich zur Verzweiflung zu treiben. Aber fahre immer fort, weil es nun einmal mein Schicksal ist, daß ich durch die Geduld, die ich mit deiner mördrischen Waschhaftigkeit haben muß, zum Märtyrer werden soll – – Ich will aushalten, so lang es die Natur ausstehen kann.

Gnädiger Herr, antwortete Pedrillo, es sollte mir von Herzen leid tun, wenn ich Eurer Gnaden Geduld mißbrauchte, aber ihr seht ja wie es geht, ein Wort gibt das andre; man fangt oft bei einer Gansspule an, und hört beim Engel Gabriel auf; und zu dem, so dürfte ich den bewußten Umstand um des folgenden willen nicht vorbei lassen, weil ihr daraus sehen könnt, daß ich gewiß erwacht und bei völligem Gebrauch meiner Sinnen war. Aber wir wollen uns um deswillen nicht entzweien; denn weil ich jetzt zur Haupt-Sache komme, so will ich schon desto kürzer sein.

Vortrefflich, Pedrillo, nur keine weitere Entschuldigungen.

Wisset also, mein lieber Herr, daß wie ich wieder hinter meinem Busche hervor kam, und gehen wollte, und sehen was ihr machet, da sah ich – – ratet einmal, gnädiger Herr, was ich gesehen habe?

Da sahst du in einen Bach, und da sahst du den albernsten, dummsten, unverschämtesten, langweiligsten, abgeschmacktesten Schurken von einem Esel, der seit Bileams Zeiten jemals auf zwei Beinen gegangen ist, nicht wahr?

Ihr habt es nicht getroffen, Herr; aber ich will gehangen sein, wenn ihrs nicht erratet, so bald ichs euch sage – – eine Fee sah ich, eine Fee, aber die schönste, feen-mäßigste Fee, die man nur an einem Sommertag sehen mag, und die gewiß, wenn sie nicht die Frau Rademante selbst gewesen ist, schöner und[154] glänzender war als alle eure Bellinen, Scharmanten, Amaranten und Rademanten zusammen genommen.

Ein Fee, sagst du, und woher wußtest du, daß es eine Fee war?

Woher ichs wußte? Sapperment, Herr, glaubt ihr denn daß ich gar nichts wisse? ich sollte schon so lang in eurem Dienste sein, und nicht wissen was eine Fee ist? wenn es keine Fee war, so sagt; Pedrillo sei ein Stockfisch, und laßt mich wässern und pläuen wie einen Stockfisch, bis es genung ist. Ich sag euch, Herr, ihr Gesicht glänzte, als ob es aus einem einzigen Carfunkelstein geschnitten wäre – – es wurde auf drei oder vier Meilen um sie herum so heiter, als ob ein halb dutzend Sonnen am Himmel wären – – Wenn das keine Fee war, so könnt ihr kecklich alle eure Feen-Märchen ins Feuer werfen und sagen, daß nie keine Fee gewesen ist, noch sein wird, so lange man Suppen mit Löffeln gegessen hat, und wenn es Gott gefällt, auch noch künftig essen wird.

Gut, gut, wo sahst du denn die Fee, und was machte sie?

Was sie machte? Sapperment, sie schaute euch an, ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sie euch anschaute; nicht anders, als ob man das Sehen bald verbieten würde; sie stund ganz hart an euch, und bückte sich ein wenig, und sah euch immer wieder an, daß es eine rechte Lust war zuzusehen.

War sie allein?

O! das ist eben der Haupt-Umstand, wenn sie allein gewesen wäre, so würde ich nicht so viel Wesens von ihr machen; aber sie hatte eine andere kleine Fee oder Nymphe, oder ein Sylphen-Mädchen, oder wie ihrs heißen wollt, bei sich, das allerdrolligste holdseligste kleine Ding, das ihr in eurem Leben gesehen habt.

Wie sah sie denn aus? Beschreibe sie mir einmal, ob ich vielleicht erraten kann, wer es war?

Wie gesagt, Herr, ein liebliches kleines Ding, beerschwarze Haare – –

Ich frage, wie die Fee aussah, rief Don Sylvio.

Was ich sage, Herr, wunderartig, nicht zu fett und nicht zu mager, aber frisch und saftig wie eine Morgenrose; ein Gesicht wie Milch und Blut, und einen Hals – und Arme – ich kanns euch nicht beschreiben, wie mir dabei zu Mute war, aber das[155] schwör ich euch, die Frau Beatrix ist nur eine Meerkatze gegen sie; ich schämte mich recht, daß ich so dumm gewesen war, und mit einer solcher alten, abgestandenen Runkunkel gelöffelt hatte; aber ohne Wissen, ohne Sünde; wem, ich diese hätte voraus sehen können – –

Ich will, daß du mir von der Fee reden sollst, und du redst mir immer nur von ihrem Mädchen?

Potz Herrich! von was sollt ich auch sonst reden, gnädiger Herr, sie ließ mir keine Zeit, die andre recht anzusehen; Ihr hättet sie nur sehen sollen! Sapperment, ich hätte den ganzen langen Tag da stehen und sie angaffen wollen, ohne daß ichs müde geworden wäre.

Nun, gut dann! aber die Fee – –

Die Fee? Ja, was die Fee anbelangt, die stand eben da, wie ich sagte, und schaute euch an, ich kann eben nicht viel von ihr sagen, denn, wie ich sagte, das kleine Ding war immer in Bewegung, und ich sah alle Augenblicke wieder etwas an ihr, das mich aus dem Concept brachte; ich sagte euch ja gleich anfangs, daß es eine überaus schöne Fee war; ich denke, die Diamanten und Carfunkelsteine, die sie an sich hängen hatte, waren wohl zwei oder drei Königreiche wert, und sie gaben einen Glanz von sich, daß man sie nicht lang ansehen konnte; aber die kleinere – –

Gut, gut; sprachen sie denn nichts mit einander? Hörtest du nichts? Was sagte die Fee?

Was sie sagte? O! sie sagte recht hübsche Sachen, das versichre ich euch; ich lauschte wie ein Habicht, und ich habe mir alles von Wort zu Wort gemerkt. Sapperment, sagte sie, das ist doch ein feiner junger Herr! – Gelt, gnädige Frau, sagte die andre, ich will kein ehrliches Mädchen sein, wenn wir in Valencia etwas hübschers gesehen haben; ich wette was man will, sagte sie, wenn es nicht ein Sylphe ist, so ist es gar ein Waldgott. Aber wer mag es denn wohl sein, sagte die Fee? Gnädige Frau, sagte die Kleine, er muß nur durch Hexerei hieher gekommen sein, denn wir kennen doch alle Mannsleute auf zehen Meilen in die Runde, und ein so hübscher Junggeselle ist bei meiner Six! keine Sache, die lange verborgen bleiben kann – Mit einem Wort, ich mag euch nicht alles wieder sagen, was sie von euch[156] sagten; denn ihr wißt wohl, der Hochmut ist eine von den sieben Todsünden, und ich wollte nicht ein Kaisertum drum nehmen, und es auf meinem Gewissen haben, wenn ihr nur eine Stunde länger im Fegfeuer sitzen müßtet, als es Gott gefallen wird.

Aber wenn sie alles das gesagt haben, mein guter Pedrillo, was du da erzählst, so sind es eher ein paar Landstreicherinnen gewesen, als Feen – – Wenn haben jemals Feen in einem so pöbelhaften Ton gesprochen?

Ich muß euch bekennen, gnädiger Herr, daß ich selbst einen kleinen Scrupel darüber bekam, und das machte mich auch so beherzt, daß ich näher zu ihnen ging und mit ihnen redte. Aber wie ich dem kleinen Mädchen wieder in die Augen sah, und wie ich die Juwelen ansah, womit die andre über und über behangen war – – ja, und das hätt ich schier vergessen, sie hatten auch ein paar Salamander bei sich, die wie die helle Sonne glänzten, und bei den Maultieren stunden, auf denen die beide Feen gekommen waren.

Salamander, sagst du?

Ja, Herr, Salamander, leibhafte Salamander, und wie die beide Damen sich wieder auf ihre Maultiere gesetzt hatten, so flogen sie alle mit einander durch die Luft davon, daß ich in einem Augenblick so wenig von ihnen sah, als ob sie nie da gewesen wären.

Pedrillo, mein Freund, rief Don Sylvio aus, entweder, du willt mir die Ehre antun deinen Spaß mit mir zu treiben, oder die Dünste des Malaga hatten deine Augen bezaubert, wie du alle diese Dinge sahst. Seit dem es Feen gegeben hat, hat man noch keine auf Maultieren reiten gesehen; wenn du noch gesagt hättest, sie seien in einem goldnen oder elfenbeinernen Wagen mit geflügelten Maultieren davon gefahren, das ginge noch an. Aber daß eine Fee nicht anders reisen soll als wie eines jeden ehrlichen Pachters Frau, das mache einem andern weis, oder bekenne, daß du nichts davon verstehst. Deine Fee ist aufs höchste ein Frauenzimmer, die ein Landgut in dieser Gegend hat; die Nymphe, die dir so wohl gefiel, ihr Kammermädchen, und was du für Salamander angesehen hast, das werden ein paar Erden-Söhne von kleinen Pagen gewesen sein, die gewiß sehr verlegen sein würden, wenn sie, wie die wahren Salamander[157] auf einem Sonnenstrahl in sechs oder sieben Minuten von einem Ende der Welt zum andern reiten müßten.

Gnädiger Herr, antwortete Pedrillo, ich hätte doch gedacht, daß ich ein besseres Zutrauen von euch verdient hätte, als daß ihr glauben sollt, ich wolle euch was weis machen. Wenn die Salamander, die ich bei den Maultieren stehen sah, keine Salamander waren, so ist das ihre Sache und nicht die meinige; was geht das mich an; oder warum soll ich subligiert sein zu wissen, ob sie dieses oder jenes sind? So viel könnt ihr mir glauben, daß der Irrwisch, den ihr vergangene Nacht für einen Salamander angesehen habt, nicht des zehenten Teils soviel Salamander war als diese da; ich will ein Kohlstrunk sein, wenn er etwas bessers in Vergleichung mit ihnen war als ein Schwefelhölzchen gegen ein Windlicht. Und was die Fee anbelangt, so sollen mir weder Artischokeles noch Pluto ausreden, daß sie nichts bessers und nichts schlechters als die Fee Rademante war, wenn es nicht gar eure Princessin gewesen ist; denn in der Tat, sie hatte viel Ähnlichkeit mit dem kleinen Bildnis, das euch die Fee gegeben hat. – –

Du faselst, mein lieber Pedrillo – –

Mein Six, gnädiger Herr, es ist, wie ich sage, weist mir einmal die Princessin, wenn ihr so gut sein wollt – – Pestilenz! es ist nicht anders, als ob es an ihr runter geschnitten wäre. Die Größe ausgenommen (denn in der Tat könnte sie dieses ganze Bildchen auf den Nagel ihres Daumens setzen) wollt ich schwören, daß sie es selber wäre.

Höre Pedrillo, sagte Don Sylvio, wenn es nicht der ganze Inhalt deiner albernen Erzählung schon klar genug machte, so würde dieser einzige Umstand ein genugsamer Beweis sein, daß du geträumet haben mußt. Ich bin so gewiß als ichs von meinem eignen Dasein bin, daß dieses Bildnis niemand in der Welt ähnlich sieht als meiner Princessin. Nun ist unleugbar, daß meine Princessin nicht eher aufhören kann ein Schmetterling zu sein, bis ich sie gefunden, und ihr Kopf und Flügel ausgerissen habe; Folglich ist es die Unmöglichkeit selbst, daß die Person, die du gesehen zu haben glaubst, meiner Princessin gleich sehe. Das ist eine Demonstration, die so gut ist als die beste im Euclides.[158]

Ich verstehe mich nichts auf eure Remonstration, Herr Don Sylvio, erwiderte Pedrillo, aber was ich gesehen habe, das hab ich gesehen, und wenn der Pabst euer Vetter wäre, so könntet ihr mir nicht übel nehmen, daß ich meinen Augen mehr glaube als euren Schlüssen. Wenn ich einen Zwiebel vor mir habe, und es stünden alle Bacularii und Licentiaten von Salamanca, ja alle Patriarchen, Exarchen und Monarchen der ganzen Christenheit da, und bewiesen mir, daß es eine Schöps-Keule sei, so würde ich doch glauben, daß ein Zwiebel ein Zwiebel sei, und warum das? Weil meine Augen meine Augen sind, und weil niemand in der Welt besser wissen kann als ich selbst, ob ich sehe was ich sehe. Kurz und gut, Euer Gnaden kann hievon glauben was ihr beliebt, es wird sich seiner Zeit schon zeigen wer recht hat, das ist mein Trost; denn die Fee, sie mag auch sein, wer sie will, wird es, denk ich, bei diesem ersten Besuch nicht bewenden lassen. Sie machte mir, beim Velten! eine Mine, ob sie nicht viel Gutes im Sinn habe, und es deuchte mich, sie hörte es gar nicht gern, daß ihr in einen bezauberten Sommer-Vogel verliebt seid.

Hast du ihr denn das gesagt, Pedrillo?

Wenn ich es nicht hätte sagen sollen, antwortete Pedrillo ein wenig erschrocken, so bitte ich Eu. Gnaden tausendmal um Vergebung; ich weiß selbst nicht, wie mir geschah, aber die kleine Hexe, ihr Mädchen machte mich so treuherzig, daß sie mir immer eins nach dem andern heraus lockte; ich muß bezaubert gewesen sein; und zudem dacht ich, wenn sie eine Fee ist, so weißt sie das alles ohnehin, und es würde sie nur ungehalten machen, wenn ich auf ihre Fragen nicht die rechten Antworten gäbe.

Sie fragte dich also aus, und du sagtest ihr alles?

Ja, gnädiger Herr, aber nur überhaupt, und so verblümt, daß sie nichts hätte davon verstehen können, wenn sie keine Fee gewesen wäre. Aber wie ich sagte, die Kleine sah mir aus, als ob sie alles schon vorher besser wisse als ich selbst; ich wollte gleich wetten; sie fragte mich nur, um zu sehen, was ich ihr antworten würde.

Und was sagte denn diejenige dazu, die du für die Fee ansahst?

Nichts sonderliches; denn sie eilte gar gewaltig fort; wir[159] müssen gehen, sagte sie, und machte ein ziemlich verdrießliches Gesicht dazu, was wird mein Bruder denken, wenn wir so spät nach Hause kommen?

O Himmel! rief hier Don Sylvio aus, und wurde so blaß wie ein weißes Tuch; jetzt geht mir auf einmal ein schreckenvolles Licht auf Wie wenn es die Schwester des grünen Zwergs – –

Potz Gift! gnädiger Herr, schrie Pedrillo, was ihr da für einen Einfall habt! der Himmel gehe, daß ihrs nicht erraten haben möget. Aber jetzt erinnert ihr mich wieder daran, sie hatte in der Tat einen grünen Unterrock und eine grüne Westen an, mit Golde gestickt. Mein Seele! was ich für ein Dumfkopf bin! Ich dachte an nichts Böses! Aber das verzweifelte kleine Mädchen – –

Je mehr ich alle Umstände deiner Erzählung über lege, fuhr Don Sylvio fort, desto mehr find ich mich in meiner Vermutung bestärkt. Es ist nichts gewissers als daß es diese verhaßte Donna Mergelina war – –

Aber die Fee war so schön wie ein Frühlingstag, und Donna Schmergelina ist, mit Respect vor Eu. Gnaden, der garstigste Sausödel, den ich in meinem Leben gesehen habe. Wie reimt sich das?

Die Fee, ihre Tante, hat Macht genug, ihr, was für eine Gestalt sie will, zu geben, und es ist gewiß nicht ohne Ursach, daß sie, wie du behauptest, eine Ähnlichkeit mit meiner geliebten Princessin hatte.

Das hatte sie, gnädiger Herr; aber beim Element! wenn sie nun wählen kann, was für eine Gestalt sie annehmen will, so war sie eine große Närrin, daß sie sich euch nicht lieber anfangs in einer schönen zeigte. Sapperment! sie muß gewaltig in ihren Buckel und in ihren breiten Busen verliebt sein.

Das alles hat seine Ursachen, erwiderte Don Sylvio. Meinst du, diese Zwergin, so abscheulich sie ist, schmeichle sich nicht, eine der liebenswürdigsten Personen ihres Geschlechts zu sein? Oder glaubst du, sie würde meiner Princessin nur den kleinsten Vorzug vor ihr eingestehen? Die Eigenliebe ist die größte unter allen Feen, sie braucht weder Zauberstab noch Talismanne, um die seltsamste Verwandlungen zu machen. Wenn ich mich[160] dessen, was mir in den Gärten der Fee Radiante begegnet ist, und des neuerlichen Abenteuers mit der Sylphide erinnere, so besorge ich sehr – –

Wohl dann, gnädiger Herr, fiel ihm Pedrillo wieder ein, wenn die schöne Dame, die euch so aufmerksam betrachtete, Donna Schmergelina ist, so kann ich nichts dazu, ich muß es geschehen lassen; Aber für die Kleine will ich gebeten haben; ich weiß nicht wie es kommt, aber mein Herz sagt mir, daß die Gestalt, die sie hatte, ihre eigne war; ich will mir die Ohren abschneiden lassen, wenn ihr in der ganzen weiten Welt ein paar Augen, oder eine Nase, oder ein kleines Maul findet, die ihr besser ließen als ihre eigene. Mit einem Wort, ich laß ihr nichts geschehen, und wenn ihr sie ja in etwas verwandeln wollt, so müßte es in einen Pomeranzen-Baum sein, aber mit der Bedingung, daß ich in eine Biene transferiert werde, und daß außer mir alle andre Bienen, Hummeln, Wespen, Hornissen, Fliegen und Mücken auf zwei hundert quadrate Cubic-Meilen in die Runde von ihr verbannt sein sollen.

Hei da, Pedrillo, rief Don Sylvio, du bekommst ja ganz poetische Einfälle? was die Liebe nicht tut. Wenn du so fortmachst, so werden wir noch zuletzt ganze Bände voll zärtlicher Elegien und Sonnette von deiner Handarbeit zu sehen bekommen. Aber mein guter Freund, schmeichle dir nicht zu viel; es wäre nicht das erstemal, daß der grüne Zwerg die Gestalt einer schönen jungen Nymphe angenommen hätte; du solltest dich noch wohl erinnern, was mir diesen Morgen begegnet ist, – – das einzige, was mich noch was bessers hoffen heißt, ist dieses, daß sie mir das Bildnis meiner Princessin gelassen haben.

Gut, Herr, sagte Predillo, wann man recht nachsieht, so werdet ihr das wohl wieder einem gewissen Pedrillo zu danken haben; versichert, sie waren euch schon nahe genug auf dem Leibe, und wer weißt was hätte geschehen können, wenn ich nicht in Zeiten dazu gekommen wäre; in der Tat machte mir die kleine Spitzbübin eine Mine – – wie eine kleine Spitzbübin, und zischelte der andern, was weiß ich was in die Ohren, und wies immer mit dem Finger auf euch; aber wie gesagt, ich verrückte ihnen das Concept ein wenig, wie ich hinter meinem Busch hervor kam. Wahrhaftig, meine gute Damen, Pedrillo[161] ist ein feinerer Kauz als ihr euch einbildet, er schneuzt sich nicht am Ärmel, das könnt ihr versichert sein – –

Gut, gut, sagte Don Sylvio, indem er aufstand, und sich wieder reisfertig machte, für diesmal sind wir noch glücklich genug davon gekommen; aber wir wollen uns nicht länger hier auf halten; der Abend ist überaus anmutig, und wir können noch ein paar Stunden reisen, ehe es Nacht wird. Es wird sich vielleicht in kurzem aufklären, was die Erscheinung, die du gesehen, zu bedeuten hatte.

Pedrillo, der bekannter maßen immer das letzte Wort haben mußte, nahm von dem unschuldigen Worte Bedeuten Anlaß, das Gespräch unvermerkt auf die fruchtbare Materien von Vorbedeutungen, Ahnungen und Anzeichen zu lenken, und regalierte seinen Herrn während daß sie ihren Weg fortsetzten, mit einer sehr umständlichen Erzählung aller Histörchen von dieser Art, die seit undenklichen Zeiten den Tanten und Großmüttern in seiner Freundschaft, vermöge einer ununterbrochenen Tradition von Großmutter zu Großmutter, begegnet sein sollten. Er merkte nicht, daß Don Sylvio, der mit ganz andern Betrachtungen beschäftigt war, nicht die geringste Aufmerksamkeit auf seine Erzählung hatte; und wenn ers auch gemerkt hätte, so würde er vielleicht nichts desto weniger fortgemacht haben; denn denken und reden waren bei dem guten Pedrillo einerlei, und wenn er nur ungehindert plaudern durfte, so bekümmerte er sich wenig darum, ob man ihm zuhörte oder nicht; eine Discretion, die ihm mit einem gewissen Poeten von unsrer Bekanntschaft gemein war; der seine Freunde nie besuchte, ohne ein paar starke Hefte von seiner Arbeit bei sich zu haben, die er, so bald er sich gesetzt hatte, vorzulesen anfing; sein Zuhörer hatte inzwischen vollkommene Freiheit, zu gähnen, einzuschlafen, ja, so laut zu schnarchen, als er nur wollte; die Entzückung unsers Poeten erlaubte ihm nicht, darauf Acht zu geben, und wenn der Zuhörer nach einer Sieste von zwei oder drei Stunden nur früh genug erwachte, um den Schluß des Gedichts zu hören, und den Beifall zu bekräftigen, den der Poet sich selbst gab, so fiel es diesem nur nicht ein, daran zu zweifeln, daß er seinem Freund die angenehmste Zeitkürzung von der Welt gemacht habe.[162]

Quelle:
Christoph Martin Wieland: Werke. Band 1, München 1964 ff., S. 150-163.
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