Viertes Capitel
Die Weissagungen des Pedrillo fangen an in Erfüllung zu gehen

[204] Während daß Pedrillo seinem sprudelnden Humor gewöhnlicher maßen Luft machte, setzten sie ihren Weg durch einen Wald von Castanien-Bäumen fort, welcher, je weiter sie kamen, immer mehr das Ansehen eines Parks bekam. Hier und da sahen sie große Sommerlauben, Springbrunnen, Urnen, Grotten und Ruinen, die aus Gebüschen von Rosen, Jasmin oder Geißblatt hervor ragten, und nachdem sie eine kleine halbe Stunde fortgegangen waren, so befanden sie sich in einer Art von Labyrinth von Rosen und Myrthenhecken, dessen Gänge so künstlich durch einander geschlungen waren, daß sie einige Mühe hatten sich heraus zu finden.

Diese Anscheinungen ließen unsre Wanderer nicht zweifeln, daß sie sich in der Nähe eines Feen-Schlosses und am Anfang eines sehr merkwürdigen Abenteuers befänden.

Pedrillo rief einmal übers andre, sagt ichs nicht, sagt ichs nicht vorher, die Fee Rademante würde sich besser halten? Da seht nun einmal, gnädiger Herr, ob es wohl getan gewesen wäre, wenn wir uns, dem verfluchten Zaubergeschmeiß zu Gefallen, ins Wasser gestürzt hätten, wie ihr ganz gewiß getan hättet, wenn ich nicht gewesen wäre. Das Beste was wir davon gehabt hätten, wäre etwan gewesen, daß uns irgend eine Nymphe oder Syrene in Wasserschlangen oder Meerschweine verwandelt hätte; an statt daß wir jetzt Hoffnung haben, in einem crystallenen oder diamantnen Schlosse zu übernachten, auf seidenen Matratzen zu liegen, und von lauter schönen Sylphiden bedient zu werden, von denen die schlechteste so viel Perlen und Edelsteine an sich hängen hat, daß man ein kleines Königreich darum kaufen könnte.

Indem er dieses sagte, befanden sie sich in einem großen[204] Spaziergang von Pomeranzen-Bäumen, an dessen Ende sie einen prächtigen Pavillion erblickten, dessen halb geöffnete Flügeltüren in einen großen Saal sehen ließen, aus dem, weil die sinkende Sonne ihm gegen über stand, ein Schimmer von Spiegeln, Vergoldungen und reichem Geräte von ferne schon die Augen des Pedrillo blendete.

So erfreut er über diesen Anblick war, so fing ihn doch an ein wenig zu schauern, wenn er dachte, daß er sich in einem Orte befände, wo alles durch Zauberei zuginge, und das Herz schlug ihm immer stärker, je näher sie dem Pavillion kamen. Don Sylvio selbst, der sonst nicht der furchtsamste war, schien eine Weile unentschlossen was er tun sollte, denn er hatte schon so viele Proben von der Arglist und unermüdeten Bosheit seiner Feinde, daß er nicht wußte, ob nicht etwan eine neue List unter diesen schönen Anscheinungen verborgen liege. Allein die tröstlichen Versprechungen, die ihm seine geliebte Princessin so kürzlich erst gegeben hatte, verbannten alle diese Besorgnisse bald wieder, und ob er gleich außer einigen Papagaien, die auf dem vergoldeten Geländer, das den Saal umgab, herum hüpften, kein lebendiges Wesen gewahr wurde, so beschloß er doch, nach einer kleinen Überlegung hinein zu gehen, und zu erwarten, was aus diesem Abenteuer werden möchte.

Aber wie groß war sein Erstaunen, als er beim Eintritt in den Saal, dessen Schönheit und kostbare Auszierung einer Fee würdig schien, eine Menge Katzen von allen Farben erblickte, die sich nicht anders gebärdeten, als ob sie die einzigen Bewohner dieses prächtigen Ortes wären! Einige lagen auf Polstern von goldnem Brocat, andre spazierten ganz gelassen zwischen den Blumen-Gefäßen und schinesischen Pagoden, womit der Camin ausgezieret war, herum, indem noch andre sich um ein wunderartiges schneeweißes Kätzchen geschäftig zeigten, welches mit Perlenschnüren umwunden, in einer anmutig-nachlässigen Stellung, auf einem Sopha von rosenfarbem Damast mit Silber ausgestreckt lag.

Bei einem solchen Anblick hätte sich wohl ein weiserer Mann als Don Sylvio war, des Palasts der weißen Katze, aus einem der artigsten Märchen, die man hat, erinnern können. Aber da die Katzen, die auf den Polstern lagen, so bald er den Fuß in den[205] Saal setzte, ihn mit einer Symphonie nach ihrer Art bewillkommten; so war nunmehr, nach seiner Weise zu schließen, nichts gewissers, als daß er sich in dem nämlichen Palast befand, worin ein gewisser Prinz, dem die Geschichte keinen Namen gibt, in Gesellschaft einer sehr geistreichen, zärtlichen und tugendhaften weißen Katze, die sich in der Folge eine eben so schöne Princessin befand, drei Jahre zubrachte, die ihm nur einzelne Tage deuchten.

Seine Freude über einen so glücklichen Zufall war ungemein; denn außer der verbindlichen Aufnahme, die er sich in diesem Schlosse versprechen konnte, war ihm das gute Herz und die Großmut der weißen Katze so wohl bekannt, daß er sich versichert hielt, sie werde ihm zu glücklicher Vollendung seines Vorhabens allen Beistand leisten, den er sich nur wünschen könne.

In diesen Gedanken näherte er sich dem Sopha, wo das schöne weiße Kätzchen saß, und war im Begriff, sie mit aller der Ehrfurcht, die einer Katze von so hoher Geburt und außerordentlichen Eigenschaften gebührte, anzureden: als sich plötzlich eine Türe öffnete, aus welcher zu großem Erstaunen des Pedrillo die kleine Sylphide herein guckte, die er gestern im Walde gesehen hatte. Wenn eine so unvermutete Erscheinung den Pedrillo in Bestürzung setzte, so tat sie auf die Sylphide keine geringere Würkung. Kaum wurde sie unsrer Abenteurer gewahr, als sie den Kopf mit einem Schrei zurück zog, die Türe wieder zuschlug, und so eilfertig zurück lief, als ob sie ein Gespenst gesehen hätte.

Don Sylvio wußte nicht, was er aus dieser seltsamen Art zu erscheinen und wieder zu verschwinden machen sollte! aber Pedrillo half ihm augenblicklich aus dem Wunder. Da haben wirs, rief er, Glück zu, gnädiger Herr, unser Traum ist erfüllt; seid nur unbekümmert, sie wird bald wieder kommen; sie lief nur, um der Fee zu sagen, daß wir da sind.

Von wem redst du, fragte Don Sylvio leise, indem er ihn auf die Seite nahm.

Sapperment, von der Sylphide, die eben jetzt zu dieser Türe herein guckte, und die, wie ich Eu. Gnaden schwören kann, eben dieselbe Sylphide ist, die ich gestern unter der Rosenlaube neben euch antraf, und die mir heut im Traum erschienen ist.[206]

Pedrillo, sagte Don Sylvio, es müßte mich alles betrügen, oder wir befinden uns im Schlosse der weißen Katze, welche eine große Princessin und zugleich eine Fee ist; wenn die Sylphide, die du kennest, zu diesem Palast gehört, so war die Fee, die du gestern sahest, vermutlich die weiße Katze selbst.

Ich weiß nicht, was ihr mit eurer weißen Katze haben wollt, antwortete Pedrillo; ihr werdet doch, zum Deixel! nicht denken, daß das Pußchen, das dort auf dem Sopha sitzt und Gesichter schneidt, die Fee ist – –

Rede nicht so laut, unterbrach ihn Don Sylvio, und laß dir ein für allemal sagen, daß man an solchen Orten, wie der, wo wir uns jetzo befinden, nicht vorsichtig und bescheiden genug sein kann.

Don Sylvio hatte die letzten Worte noch nicht ausgesprochen, als Pedrillo einen großen Schrei tat, und mit beiden Händen wie ein Unsinniger um sich schlug; denn einer von den Papagaien, die den Katzen in diesem Zimmer Gesellschaft leisteten, hatte entweder, weil ihm seine Physionomie nicht anständig war, oder aus einer andern Ursache, die er (so viel wir wissen) niemalen entdeckt hat, für gut befunden, ihm, indem er hinter ihm vorbei flog, einen kleinen Backenstreich mit seinen Krallen zu versetzen, den Pedrillo, weil er den Urheber davon nicht sah, mit großen Beteurungen, von irgend einem Kobolt oder unsichtbaren Zwerg empfangen zu haben versicherte.

Nimm es, sagte Don Sylvio, als den Lohn für dein unbescheidenes Geplauder an, es wird weiter nichts als eine kleine Züchtigung gewesen sein, die dir eine von den unsichtbaren Händen gegeben hat, von denen man in diesem Palast bedient zu werden pflegt.

Potz Herrich, sagte Pedrillo, das ist eine vertrackte Art die Leute zu bedienen. Wenn es eine Hand war, so muß sie sich die Nägel in sieben Jahren nicht beschnitten haben; ich versichere Eu. Gnaden, daß ein Griff von einem jungen Waldteufel nicht tiefer einschneiden könnte. Sapperment! wenn man für ein jedes Wort, womit man sich hier verfehlt, einen solchen Circumflex bekommt, so muß ich mir das Maul zunähen lassen, oder die boshaften Kobolte werden mir bis Morgen das ganze große und kleine Alphabet in mein Gesicht hinein gekratzt haben.[207]

In der Tat, sagte Don Sylvio, du würdest am besten tun wenn du einen vollkommenen Stummen vorstelltest; denn so wie du dich aufführst, steh ich dir nicht davor, daß dir nicht noch unangenehmere Dinge begegnen könnten; nichts davon zu sagen, daß du mir mit deiner ungezogenen Waschhaftigkeit und mit deinen pöbelhaften Schwüren und Ausdrücken sehr wenig Ehre machen wirst.

Nun gut, Herr, versetzte Pedrillo, ein guter Rat findet eine gute Statt; ich will, weil ihrs für gut anseht, so stumm sein als ein Karpe; ich will euch einen Stummen agieren, daß ihr eure Lust daran sehen sollt. Aber, hum! ich höre jemand kommen he! sagt ichs nicht? Es ist die Fee selbst. – St!

Quelle:
Christoph Martin Wieland: Werke. Band 1, München 1964 ff., S. 204-208.
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