Vierter Auftritt.

[53] Die Bürger, dann Opimius und Drusus.


CARBO nach einer Pause. Oho! Der Mann spricht nicht besonders höflich mit uns.

AGRICOLA. Standet ihr nicht auch alle wie Schulbuben da, hatte Einer den Muth, ihm zu widersprechen? Wenn mir noch Zwei oder Drei beigestanden hätten –

CARBO. Ich denke immer, wenn der Scipio mich so ansieht: jetzt haut er zu! – Wo geht er hin? In den Tempel des Saturn?

AGRICOLA. Nein; dran vorbei.

CARBO. Vor der kleinen Kapelle der Eintracht bleibt er stehn; zieht sich die Toga übers Gesicht und betet. Das ist mir auch eine schöne Eintracht: hier von Assen und faulen Dünsten zu schimpfen!

AGRICOLA. Draußen in Spanien und Afrika waren wir seine Soldaten, mußten uns verdonnern lassen: hier in Rom sind wir Bürger, hier donnern wir selbst! – Seht, da kommt der Rechte![53]

CARBO. Wer?

VOLK aufgeregt. Mörder! Mörder! – Mörder und Verräther!

OPIMIUS tritt vorne links mit Drusus auf; mit verbissenem Zorn. Hinweg, Gesindel! Hinweg!

AGRICOLA. Was sagt er?

CARBO. Das, was Scipio noch vergessen hatte! Gesindel, sagt er.

AGRICOLA. Ist der Mann noch so frech? – Ich wünsch' dir glückliche Reise in die Unterwelt, Meuchelmörder!

VOLK. Mörder! Meuchelmörder!

OPIMIUS. Das ist mehr, als zu viel! Fährt in den Busen seiner Toga, wie um nach einer Waffe zu greifen.

AGRICOLA. Nur zu: nur den Dolch heraus! Jeder kennt sein Handwerk.

DRUSUS halblaut, Opimius ganz nach vorn ziehend. Ich bitte dich, Opimius, fasse dich, sei ein Mann! Gieb nicht Acht auf diesen bellenden Pöbel, laß uns weitergehn.

OPIMIUS. Ich ertrag's nicht! Es sprengt mir die Rippen auseinander, das anzuhören, und nicht mit Feuer und Eisen unter sie hinein!

DRUSUS. Fasse dich; gieb ihnen dein Herz nicht preis. In den Tempel; komm![54]

OPIMIUS blickt nach hinten. Sie lassen von mir ab, – suchen die Dolche auf. Man soll nicht denken, daß ich vor ihnen fliehe! – Die Lippe beißend. Drusus! seit gestern Nacht hab' ich schlechte Zeit.

DRUSUS. Gemeine Zufälle spielen mit unsern Plänen, wie die Winde mit unsern Wetterfahnen! – – Scipio ist nun da; rascher, als wir gedacht. Entzweien wir ihn nicht mit Gracchus auf unheilbare Art, so wachsen sie uns verbündet über den Kopf. Drum, was ich dich fragen wollte; du hast Metellus beredet, die Versammlung noch auf heute zu berufen?

OPIMIUS nickt, höhnisch lächelnd. Mein Vorwand leuchtete ihm ein, dem biedern Mann! – Sieh, wie das Volk aus allen Gassen heranzieht; bald wird auch der würdige Consul auf dem Platze sein.

DRUSUS. Das, sag ich, kann helfen! Lassen wir ihnen Zeit, so versöhnen, verbrüdern die Beiden sich von Haus zu Haus, und unser Reich ist zu Ende. Wir müssen sie gleich, wie gehörnte Stiere, aufeinanderstoßen! Stelle sie hier, vor allem Volk, Stirn gegen Stirn, so brichts in ihren Feuerköpfen los, und einer von den beiden Schädeln muß an dem andern zerschellen!

CARBO im Hintergrund. Da kommt unser Tribun; Gracchus, Gracchus soll leben!

VOLK. Gracchus soll leben!

OPIMIUS halblaut, wie oben, hastig. Fort, Drusus; hinweg!

DRUSUS. Zum Tempel also! Beide nach hinten rechts ab; das Volk hat sich nach links dem Gracchus entgegengedrängt.


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Gracchus der Volkstribun. Berlin [1872], S. 53-55.
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