Zweiter Auftritt.

[71] Die Vorigen, Gracchus mit Agricola und Volk; später Cornelia.


GRACCHUS kommt mit einem Bürgerhaufen, Laternen und Fackeln von links, bleich und ernst; steht in der Mitte still. Sieh da, mein Weib! – – Ich dank' euch, ihr lieben Freunde, für das Nachtgeleit. Helle Fackeln, leuchtende Augen und feurige Herzen – bessere Sterne als die da oben unter dem Dach der Welt. Gute Nacht! Schlafen wir aus für die kommenden Tage: es giebt noch Arbeit in Rom.

AGRICOLA scherzend. Wir sind das Arbeiten gewohnt! – Gute Nacht, Tribun.

VOLK. Gute Nacht! – Nach Hause! Gehn theils nach rechts, theils durch das Thor ab.[71]

GRACCHUS. Gute Nacht! Sieht zum Himmel hinauf. Die Nacht ist schwarz; Wolken hängen nieder! Kühl und schwül ist die Luft.

LICINNIA seine Hand fassend. Auch in dir ist's schwarz; Wolken auf deiner Stirn! Mit hervorbrechendem Schmerz. Gajus, Gajus, wie kommst du mir zurück?

GRACCHUS. Ich dachte, friedfertiger – besser; – doch in uns sind Geister, die unsere Reden säuseln oder stürmen lassen, wie sie wollen. Stolz wie Götter beschließen wir Dies und Das, und wie Schmetterlinge, von Knaben in die Luft geworfen, flattern wir an unsichtbaren Fäden! Mit stillem, unterdrücktem Grauen. Es ist weit gekommen! Krieg zwischen diesem Scipio und mir! Sich mit schmerzhaftem Ausdruck die Hand an die Stirn legend. Mein Gehirn ist wüst von alledem; – beim Jupiter, ich weiß nicht, wie kam es so weit?

CORNELIA tritt in die Hausthür, ruft. Euporus! Bist du draußen?

EUPORUS. Bin hier. Tritt zu ihr hin.

CORNELIA. Begleite mich. – Erblickt die Andern. Gajus! – Du bist da!

GRACCHUS erschrickt; mühsam. Sieh, meine Mutter! – – Wohin? Noch im Schleier in die Nacht hinaus?

CORNELIA düster. Du fragst, wohin? – Gajus, was hast du mir gethan? Wenn sich dieser Abgrund zwischen dir und Scipio nicht wieder schließt, so wird er verhängnißvoller für unser Rom, als der Abgrund des Curtius war; so ist für die Mutter der Gracchen Glück und Frieden dahin! – Ich will hinüber in Scipio's Haus: will deine Schwester beschwören, daß sie ihrem Mann nicht Ruhe gönnt, bis er sich versöhnt –[72]

LICINNIA. O Mutter! noch heut?

CORNELIA. Soll ich warten, bis ein andrer Tag andre Schicksale bringt? Ich will ihr sagen, wie ich's mit meinem Gemahl gemacht, wenn die Stürme auf dem Forum ihn verwildert hatten. – O ihr Männer! Um ächte Männer zu sein, hütet ihr euch, weise Menschen zu werden!

POMPONIUS der trübsinnig dagesessen, steht auf und tritt näher. Cornelia, das Wort hat dir die Eule der Minerva ins Ohr geflüstert. Aber was hilft's? Werden nicht immer ächte Männer ächte Männer bleiben?

GRACCHUS. Geht, martert mich nicht! – Mutter, geh und thu's: versuch' uns zu versöhnen. – Ich wollte Frieden mit ihm! – Ihr Götter, oder wer da über uns waltet, ich ruf' euch zu Zeugen an: ich wollte Frieden mit ihm!

CORNELIA. Euporus! Euporus geht ihr mit der Fackel voran; klopft an Scipio's Hausthür. Man öffnet, sie treten ein.

LICINNIA bittend. Gajus – nach Haus! Gehn in des Gracchus Haus. Pomponius, den Licinnia durch eine Geberde auffordert, zu folgen, lehnt es halb mürrisch ab und bleibt stehn.

POMPONIUS. Jetzt ruft er die Götter an! Warum that er's nicht früher, als Opimius ihm diese glühende Kohle auf die Zunge legte? Warum hat er sie nicht ausgespuckt?


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Gracchus der Volkstribun. Berlin [1872], S. 71-73.
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