Dritter Auftritt.

[69] Die Vorigen; Apelles, Phöbe treten aus dem zweiten Gemach von rechts ein; Apelles wenig gealtert, reicher als im ersten Aufzug gekleidet; Phöbe in prächtiger römischer Gewandung. Sie wird von derselben Schauspielerin gespielt, die Zoe spielte; aber durch Kleidung, Anordnung des Haars und jugendlich weltlichen Ausdruck ihr so unähnlich wie möglich.


APELLES.

Wie! Ist hier Krieg? – Was gibt's?

PHÖBE.

Septimius finster?

O pfui – Erheitre dein Gesicht!

SEPTIMIUS.

Hier dieser

Streitsüchtige –

PHÖBE.

Still! Ich will von Streit nichts hören, –

Dein holdes Antlitz nicht verfinstert sehn.

Gleich lächle wieder: sonst zeig' ich noch heut

Palmyra meinen Rücken und entfliehe

Nach meinem Rom!

APELLES.

Nimm's ernst, Septimius:

Denn Phöbe nimmt es ernst. Seit einer Stunde

Schwatzt sie von Rom nur, sehnt sich an den Tiber,[70]

Schilt auf Palmyra wie aufs Schattenland

Und nennt uns alle toll!

PHÖBE.

Ihr seid es auch.

Hier soll der Schakal hausen, nicht der Mensch;

Hier, wo Palmyra wie ein grünes Pünktlein

Im gelben Sandmeer liegt, die Berge kahl

Und öd sind wie der ewig leere Himmel.

Zeig mir doch Schönes, mein Apelles, sag' ich,

Ein Stückchen Paradies; hier sterb' ich sonst!

Was thut er? In die Bergschlucht führt er mich,

Wo wie versteinte Riesen, plump und düster,

Die Gräbertürme stehn; die Totenstadt

Der Palmyrener! Das ist euer Schönstes,

Die Weide eurer Augen! – O mein Rom!

O Bajae! O ich Närrin!

APELLES etwas gereizt.

Ja, im Urteil.

Lern erst den Zauber dieser Wüste kennen,

Drin wie ein Schmuckkästlein Palmyra ruht –

PHÖBE legt ihm voll Anmut ihre Hand auf den Mund.

Still! Nicht so ernst. Was bliebst du nicht in Rom?

Ein Jahr – kein Jahr noch – warst du dort; sie schätzten

Den »Meister von Palmyra«, der die Tempel

Und Säulenstraßen baute, liebten dich

Und sagten: bleib! – Was gehst du nicht zurück?

Was klebst du hier am Sand?[71]

APELLES.

Palmyra lieb' ich

Und meine Mutter.


Sie mit Zärtlichkeit umschlingend.


Frag nicht mehr. Zum Wein!

Was stehn wir noch? – Hier sitz als Königin;

Und diese Krone, die dem »Wüstensand«

Entstammt, setz auf die launenreiche Stirn.


Nimmt einen Rosenkranz von der Tafel, drückt ihn ihr auf die Locken. Sie setzen sich um den Tisch; die Sklaven bedienen sie.


Bekränzt euch alle!

PHÖBE.

Trinkt! Ich thu's voran.


Zu den Sklaven.


Doch weg die Speisen! Muß ich essen sehn,

So seh' ich, daß wir Tiere sind; wir wollen

Wie Menschen heut, wie Götter uns gebärden.

Wohl jeder aß schon;


Lächelnd.


Wen noch hungert, nehme

Die edlen Früchte dort, die duften süß

Und könnten auch die Göttertafel schmücken.

Die Speisen fort! – Die Sklaven auch! Ein jeder

Bedient sich selbst; so will es das Gesetz

Der großen Circe!

AURELIUS.

Welche Circe meinst du?

PHÖBE.

Mich hieß man so in Rom: die »Zauberin«; –

Doch all mein Zauber war mein lust'ger Frohsinn –

Und soll's auch heute sein.


Zu den Sklaven, kindlich übermütig.


Hinaus mit euch!


[72] Apelles winkt den Sklaven, sie verschwinden im zweiten Gemach nach rechts und links.


Wir sind im Zauberland; mein Reich beginnt!


Sie zieht aus einem Gefäß mit Blumen und Pflanzen, das vor ihr steht, einen Palmzweig heraus, hebt ihn wie ein Zepter.


SEPTIMIUS.

So muß man fürchten, schöne Circe, du

Verwandelst uns –

AURELIUS.

In Tiere!

PHÖBE.

Freilich, wen

Der Stab berührt, dem gibt er andern Namen; –

Zunächst dem ernsten Philosophen, der

Nur denkt, nicht spricht.


Zu Longinus.


Wie nenn' ich dich?

TIMOLAOS.

Ernenn ihn

Zum Pelikan, dem Urbild aller Denker,

Dem gravitätischen Grübler!

PHÖBE lacht.

Gut.


Berührt Longinus mit der Palme.


So fühl dich

Als Pelikan, und sei des Vorbilds würdig!

SEPTIMIUS.

Und ich, Gebiet'rin?[73]

PHÖBE.

Welches Tier verdient

Dich zum Gefährten? Nur das schönste aller,

Das edle Roß!


Berührt ihn.


APELLES.

Und ich?

PHÖBE.

Mein Wüstenlöwe

Bist du; mein oft nicht sanfter Herr und König,

Vor dem ich zittre.


Berührt seine Hand, die sie dann küßt. Zu Aurelius.


Doch wie nenn' ich dich,

Den weisen Mann des Staats? – Die Adler blicken

Auch so von oben –

TIMOLAOS sie unterbrechend.

Nein, zum Storch ernenn ihn,

Dem Herrn im Froschteich! Wer ist klüger als

Der sinnige Storch? Auf einem Beine stehend

Erwägt er: wie wird's enden? Wird Maxentius,

Der Heide, siegen, oder Konstantin,

Der Christenfreund? Wenn dieser, werd' ich Christ;

Wenn jener, bleib' ich Heide!


Apelles lacht.


AURELIUS steht zornig auf.

Nessel du!

Willst du mich brennen? mich? den Herrn der Stadt? –

Und du, Apelles, duldest, daß dies Unkraut

In deinem Haus mich höhnt?[74]

PHÖBE.

O Zeus! So zornig –

AURELIUS.

Mein Langmut ist erschöpft. Wir heißen Freunde

Seit ungezählten Jahren, er und ich, –

Apelles mein' ich; ihm die Leiten hielt ich

Zu allen Ehren, half zu seinen Ruhm,

Bedeckt' auch mit dem Mantel meines Ansehns,

Was nicht im Recht war. Nun? wie dankt er's? Diese

Tarantel hält er sich, um uns zu stechen –

Auch mich, den Herrn, Aurelius Wahballath –

Und nickt dazu und lacht!

APELLES hat sich erhoben; kämpft mit seiner Erregung.

Du sprichst wohl irre,

Aurelius Wahballath. Frei war immer

Das Wort in meinem Haus, und Witz belach' ich;

Doch gift'ge Bosheit war hier nie gebrütet.

Du hieltest mir die Leiter? Was! Du mir?

Ist dein Gedächtnis trunken? – Du bemänteltest,

»Was nicht im Recht war« – – Was war nicht im Recht?

Beim höchsten Zeus, was nicht?

AURELIUS.

Ich bitt' dich, laß uns

Nicht hier – –

APELLES.

Was sonst? Hier siehst du Ehrenmänner;

Was du nicht überall siehst. Sprich! Was that ich

Jemals, das unrecht war?[75]

AURELIUS.

Nicht unecht –

APELLES.

Doch

Nicht recht. Beim Höllenhund! nun sag es, oder

Ich reiß dir's aus der Kehle!

AURELIUS.

Du bist rasend.

Von jenen Geldern sprach ich, die du mehr

Verbautest, als bestimmt war; erst beim Tempel

Der Glückesgöttin dort vor deiner Thür,

Dann bei der Säulenhalle –

APELLES.

Wie!

AURELIUS.

Zuletzt

Bei den sechs Türmen, die den Wall verstärken –

APELLES.

Wer schilt mir meine Werke? Sie sind gut

Und schmücken euch die Stadt!

AURELIUS.

Und kosteten

Ein Fünfteil mehr, als du versprachst –[76]

APELLES.

Doch sind sie

Ein Dritteil besser, schöner; ich gewann

Nicht einen Heller mehr, als mir gebührte.

Was schwiegst du damals? Warum zogst du nicht

Die Stirne kraus, wie jetzt, und klagtest mich

Vor Rat und Volk der Geldverschleudrung an?

AURELIUS.

Weil ich dein Freund war. Rat und Volk, sie hätten

Dich arg bedrängt, gemurrt, gezürnt, wohl gar

Gerufen: »zahle du, was drüber ist,

Wir sind's nicht schuldig!« Darum schloß ich schweigend

Die Rechnung ab, den Meister nicht zu kränken,

Und nahm's von anderm, das zu Handen war,

Und sparte dort, was hier gebrach. So war ich

Dein Freund –


Auf Septimius deutend.


Und der mit mir –

APELLES.

Dann thatst du unrecht,

Und ich verklage dich! Erschleichen will ich

Nicht einen Heller mir; auch bettl' ich nicht

Um Gnade, nicht bei dir, noch bei Palmyra.

Gib deine falsche Rechnung her! Ich zahle

Dies Fünfteil, meine Schuld!

SEPTIMIUS.

Bist du von Sinnen?

Du wirst zum Bettler –[77]

APELLES.

Lieber Bettler werden,

Als euer Schuldner sein und euresgleichen! –

Ich sah schon manches, das mich wurmte; sah

Die neue Freiheit oft in eurer Hand

Zum alten Mißbrauch werden, sah, wie klug du

Das Zepter führtest; schwieg nach meiner Art,

Weil alte Freundschaft gen geduldig ist

Und ich bedenke: fehlbar sind wir alle!

Doch mit dir klug und falsch sein? schmutz'ge Gnade

Aus deinen Händen nehmen? Lieber mit

Der Schlange kriechen und beim Schakal betteln:

Gib her die Rechnung! Was Apelles schuldet,

Das soll er zahlen. Haus und Hof fahr' hin,

Der letzte Deut im Säckel, kann ich dann

Nur sagen: Geh! Die Hand ist rein, sie nahm

Aus deiner nichts und hat dir nichts zu danken!

PHÖBE.

O Zeus! Du wirst nicht –

APELLES.

Laß! Mein Wort ist Stein.


Zu Aurelius.


Du wirst mir senden, und ich werde zahlen.

AURELIUS.

Wie du begehrst. Wen Zeus verderben will – –

Doch nein, ich will nicht schmähn wie du. Dir bleibe

Das letzte Wort; sonst, denk' ich, bleibt dir nichts.

Ich werde senden, und dein Stolz wird zahlen.

Fahr wohl!


Geht nach hinten ab.[78]


TIMOLAOS zu Longinus, leise, ganz verstört.

Der Mann ist toll!

LONGINUS leise.

Doch weise.

PHÖBE.

Weh mir!

Was ist dies alles? – Mein Apelles! Komm!

Ruf ihn zurück – Laß mich Vernunft dir –

APELLES verfinstert, rauh.

Still!

Du weißt nicht, was du sprichst!


Geht nach links zur Thür.


LONGINUS.

Wohin?

APELLES.

Zur Mutter,

Ihr dies zu sagen, eh' es andre thun. –

Die Lust ist doch gestört; verlaßt mich, bitt' ich.

Lebt wohl bis morgen!

LONGINUS drückt ihm die Hand.

Gute Nacht!


Apelles links ab.


SEPTIMIUS.

Longinus,

Ich bin verstört, – bekümmert.[79]

LONGINUS.

Gehn wir jetzt.


Winkt dem Timolaos; dieser folgt ihm zögernd.


TIMOLAOS im Gehn, leise.

Ein edler Mann; doch toll!

LONGINUS ebenso, mit feinem Lächeln.

So toll wie edel.

Ein Ding, zwei Worte. Komm!


Beide nach hinten ab.


PHÖBE hält Septimius zurück, der gleichfalls gehen will.

Nein, bleib du noch.

Verlaß mich nicht, Septimius. All ihr Götter,

Was für ein Blitz vom Himmel!

SEPTIMIUS.

Ich beklag' ihn,

Den närrischen Freund Apelles. – Doch vor allem

Beklag' ich dich.

PHÖBE.

So hilf!

SEPTIMIUS zuckt die Achseln.

Du hast gehört,

Ob ihm zu helfen ist. Er stieß dich fort –

Dein schönes Auge schwimmt noch jetzt in Thränen.[80]

PHÖBE.

O wie er rauh war! – – Alles, alles hin?

SEPTIMIUS.

Gewiß.

PHÖBE.

Er galt für reich –

SEPTIMIUS.

Er ist's gewesen.

Ein Fünfteil all der Gelder!

PHÖBE.

Bettelarm?

SEPTIMIUS.

Nun, arm, wenn auch nicht Bettler. – Und verfeindet

Mit dem, der alle Macht hat, ihm zu schaden.

PHÖBE.

Kann man so sinnlos stolz sein? – O Apelles,

Apelles!


Geht nach links gegen die Thür.


Nein, er stieße mich zurück. –

Er läßt mich stehn. Er weiß nicht, daß ich lebe.

Und arm – ihr Götter! Armut ist der Tod!

So laßt mich sterben, gleich auf dieser Stelle!


Wirft sich auf einen Stuhl, weint, bedeckt das Gesicht mit den Händen.
[81]

SEPTIMIUS mit immer gedämpfter Stimme.

Ich bitt' dich, weine nicht. Ich kann's nicht hören,

Es quält mich, hier im Herzen. Wär' ich nicht

Apelles' Freund, so läg' ich dir zu Füßen,

Zu sagen, was ich fühle; denn der Gott

Mit Pfeil und Bogen hat mir's angethan,

Und wehrlos leid' ich. Doch dem Freund zu lieb' –

Obwohl er schwer mich kränkte – muß ich schweigen.

Nur weine nicht! Dann steigt das Herz empor

Und legt sich auf die Zunge!

PHÖBE.

O Apelles! –

Und o mein Rom!

SEPTIMIUS.

Riefst du nur »Rom« und nicht

Zugleich »Apelles«, wüßt' ich dir zu helfen

Und wagte wohl ein Wort. Dann sagt' ich dir:

Was willst du in Palmyra noch? verbannt

In diese Wüste, die dein Auge peinigt,

Dein Herz mit Heimweh füllt; wo Feinde herrschen,

Ins Haus die Sorge tritt, vielleicht der Perser

Bald wieder Krieg und Not bringt – denn er lernt

Das Friedenhalten nicht. Drum denk' ich auch

Dies Land mit meinen Schätzen zu verlassen

Und in dein fernes Paradies zu ziehn,

Zur Stadt der Städte: Rom!


Sie hebt überrascht den Kopf, blickt ihn schweigend an.


Wenn du mir folgtest,

So zög' ich gleich. Schon morgen; diese Nacht;

Sobald du sagtest: gehn wir![82]

PHÖBE nach kurzem Schweigen.

Du bist schlecht,

Und denkst auch schlecht von mir, um so zu reden.

SEPTIMIUS behutsam.

Vergib. Ich meint' es gut. Ich sagte nicht,

Daß dich mein Herz begehrt; das schweigt und stirbt.

Ich denke nur: was wird aus dir? Du bist

Für Rosen, Perlen, Gold und Glück geschaffen;

So wie die Rebe nicht im Sand gedeiht,

Wirst du in Armut welken und vergehn.

Was bist du dem Apelles dann? Er liebte

Dich, weil du sangst und Glück und Wonne strahltest

Und lachtest; wenn du weinen wirst und welken,

Wird er zu andern gehn. Wart nicht so lang;

Geh du zu andern –


Sie fährt auf, blickt ihn unwillig an. Septimius rasch.


Nicht zu mir. Ich schwieg

Von meinem Herren, und ich werde schweigen.

Nur wenn du selbst mir sagtest: laß es reden,

So legt' ich alles vor dich – hin mich selbst

Und was ich habe – und als Kaiserin

Von dem, was mein ist, solltest du gebieten.

Doch davon sprech' ich nicht. Als Führer nur

Würd' ich nach Rom dich bringen, dich zu retten

Zu jeder Stunde komm' ich, wann du rufst;

So treu ergeben, wie kein Mann auf Erden,

Doch wunschlos, willenlos –


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Der Meister von Palmyra. Stuttgart 61896, S. 69-83.
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