Zweiter Auftritt.

[105] Die Vorigen; Timolaos jetzt alt und gebückt, das dünne Haar weiß, hat vorsichtig und geräuschlos die Thür der Basilika geöffnet, mit mühsam verhaltenem Husten; tritt heraus und hustet nun stark und lange. Der Gesang hat schon früher geendet.


JAMLICHUS.

Der alte Timolaos.

TIMOLAOS.

Ja, ja, ja, der ist's.


Hustet wieder.
[105]

LONGINUS. Du schon aus der Kirche? Ist's aus?

TIMOLAOS. Nein, sie sind erst dran; Herennianos, der Hirte der Gemeinde, weiht das neue Gotteshaus und gibt seinen Segen. Ich huste so viel, das stört; und wenn ich es aus Andacht zurückhalte, so erstickt es mich; da bin ich denn leise aus der Thür gegangen, um mich hier draußen nach Herzenslust auszuhusten. Hustet.

LONGINUS. Armer Märtyrer!

TIMOLAOS lacht. »Märtyrer« – das ist gut! Timolaos ein Märtyrer des Glaubens – beim Zeus, das ist gut! Erschrickt, blickt nach der Basilika und rundum. Sagt ich eben »beim Zeus«?

LONGINUS. Ja.

TIMOLAOS. Diese alten Gewohnheiten! Hüstelt. Die wird man so wenig mehr los wie den alten Husten!

LONGINUS. Warum nahmst du denn die Pflicht auf dich, sie dir abzugewöhnen? Warum gingst du zu den Nazarenern?

TIMOLAOS. Warum? – Rücksicht, Longinus! Notwehr! – Die Väter der Stadt gaben mir ein Aemtchen; die Väter der[106] Stadt folgten dann dem Kaiser, dem großen Konstantinus, und nahmen die Taufe; – so, nun denke weiter! Wir gehen alle nach Brot; und das Brot wird christlich – Hüstelt.

LONGINUS. Und der, der es ißt!

TIMOLAOS. Wär' es dir lieber gewesen, daß ich verhungert wäre? – Ich bin in guter Gesellschaft; die großen und reichen Herren von Palmyra, so nach und nach sind sie alle im Gänsemarsch in die Kirche hineinspaziert! – Sie wollen nun auch nicht mehr Aurelius, Septimius oder Agrippa heißen: wollen wieder Wahballath der Araber, Malku oder Mokim der Syrer sein; mich nennen sie wieder Taimila, statt Timolaos. Denn nach Rom zu schauen und vor Rom den Rücken krumm zu machen, ist nicht mehr das feinste; jetzt residieren unsre Majestäten in Konstantinopolis Hustet stark. Aber ich spreche zu viel. Dann hust' ich.

LONGINUS. So sprich weniger.

TIMOLAOS. Will's versuchen, weiser Mann; will nach Hause gehn. – Ich huste mich so allmählich ins bessere Leben hinüber; – na, dabei gewinn' ich. Hüstelt. Eßt euer Brot und lebt wohl! Links hinter dem Hause ab.[107]

LONGINUS.

Gäb's keine strengre Christen, Jamlichus,

Als den, dein Herzglück hätte nichts zu fürchten!


Aus der Basilika beginnt die christliche Gemeinde herauszutreten. Männer, Frauen und Kinder aller Stände; auch die Sklaven und Sklavinnen des Apelles, doch andere als in den ersten Aufzügen.


Sie kommen. Gehn wir. In Apelles' Haus

Erwart' ich ihn! Er war mein Freund und ist es,

Und wird es sein. Getrost! Ich red' mit ihm

Und sag' ihm eure Not, und er wird helfen!


Mit Jamlichus ab in Apelles' Haus.


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Der Meister von Palmyra. Stuttgart 61896, S. 105-108.
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