Achtzehnter Auftritt

[198] Gertrud Wins, Agnes Wins von rechts. Gertrud führt Agnes, die starren Blickes geistesabwesend geht.


STROBAND tritt hinzu. Frau Trude Wins –? Reicht ihr die Hand.

GERTRUD gibt ihn die Hand. Ja, Henning Stroband, ich weiß, was Ihr sagen wollt: Der Mensch mag arm sein, wie ein Bettler; zum Verlieren ist er immer noch reich genug.


Es wird ein Stuhl herbeigetragen, Agnes sinkt darauf.


STROBAND. Agnes – kennst du den Ohm nicht mehr? Den Henning Stroband aus Berlin?

AGNES. O – das heiße, heiße Feuer und der rote Tod![198]

GERTRUD. Ihr sprecht zu einem Stein; sie sieht nur Feuer und Blut vor ihren Augen.

STROBAND. Wie ist denn das gekommen?

GERTRUD. Die Pommern haben Feuerpfeile in die Stadt geworfen!

WINS. Nicht die Pommern, der Quitzow hat es getan.

GERTRUD. Ja, man sagt, der Quitzow ist es gewesen.

WINS. Man sagt? Man sagt?

STROBAND. Laßt doch Euere Frau erzählen.

GERTRUD. Unser Haus ist lichterloh in Flammen aufgegangen, und wie wir aus dem Höllenwrasen herausgeflohen sind, hat uns ein gräßliches Geschrei auf der Straße empfangen; die Pommern hatten die Mauer erstiegen und in dem Augenblick kommt auch schon ein Kriegsknecht die Straße dahergerannt und wirft sich auf unsre Agnes und reißt sie von mir weg. Und wie ich ihr nach will, so hebt der Mensch den Fuß und – stößt mich vor den Leib, daß ich zur Erde falle –

STROBAND. Arme Frau.

GERTRUD. Und so höre ich, wie unsre Agnes einen fürchterlichen Schrei tut und sehe, wie der Mensch sie an die Mauer von unsrem Hause drängt und wie das Kind schneeweiß wird im Gesicht – und in dem Augenblick kommt von der andren Seite ein Haufe Quitzowscher die Straße herunter und vorneweg der Dietrich von Quitzow, das nackte Schwert in der Hand – und so schreit er den Pommern an und »du Hundsfott,« sagt er,[199] »hab' ich Euch nicht befohlen, daß Ihr die Weiber in Ruh' lassen sollt?« Und damit so nimmt er das Schwert und haut den Pommern übern Kopf, daß er gleich um und um fällt und das rote Blut über unsre Agnes dahingeht – und dadrauf so nimmt er sie beim Arm und wirft sie mir zu – und wie ich sie in meine Arme nehme – und sie anrufe, da kennt sie mich nicht mehr – und da – ist es unsre Agnes nicht mehr – sondern das hier – was Ihr da vor Euch seht. Bricht in Tränen aus.

WINS. Das Entsetzen hat ihr den Verstand genommen! Mein Kind! Mein Kind!


Kniet vor Agnes nieder, beugt das Haupt in ihren Schoß.


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 9, Berlin 1911–1918, S. 198-200.
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