Seekönigs Krone

[81] Des Eilands felsige Reckenbrust

Umtobte der Sturm mit rüttelnden Schlägen.

Da irrt ich, berauscht von Pilgerlust,

Wie suchend durch Heide und Nebelregen.


Ich suchte/ ein Flüchtling, dem Fuß und Hand

Noch immer die Kette gefesselt hält;

Er schlägt sie und schlägt an die Felsenwand,

Bis ein wütender Fluch das Eisen zerschellt.


Ich suchte/ und fand! O seliger Trost!

Wo die Heide zu trotziger Klippe sich hügelt,

Und schauerlich süß die Brandung tost,

Von Wolkendunkel und Möven umflügelt.


Geheimnisvoll winkte das Hünengrab,

Wo oft im Sande der struppigen Heide

Der Schäfer gewühlt mit dem Hirtenstab

Nach Wikingerkönigs verscharrtem Geschmeide.


Da hab ich, was nimmer der Täppische fand,

Das gleißende Gold in der Höhlung erschaut.

Frei legte die Krone sich mir in die Hand,

Wie eine vor Zeiten verlobte Braut.
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Ich klomm auf den Malstein. Da hub sich das Meer

Ein Wasserwall um mein einsam Eiland.

Ja banne hinweg, du wogende Wehr,

Das Land, das ich floh, und den Gram von weiland!


Das Land, das ich floh/ verächtliche Sklaven,

Barbaren und Krämer/ wie lagen sie weit,

Im Flutengehügel begraben, entschlafen ...

Ich stand in köstlicher Einsamkeit.


Ich stand erhaben auf steinernem Throne,

Die Hand gebieterisch ausgestreckt.

Drauf hat Seekönigs heilige Krone

Mein sturmgesalbtes Haupt bedeckt.


Und die Wogen, die üppigen Brauser und Schäumer,

Rollten zur Huldigung jauchzend herbei,

Hymnen donnernd dem großen Träumer,

Der mit Träumen sich krönte, in Träumen frei.

Quelle:
Bruno Wille: Der heilige Hain. Jena 1908, S. 81-82.
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