[103] Auff Echonische Art
1.
Dich Lustkind Echo wil ich fragen/
Echo. diß dein klagen?
Ja klagen: Wo fühl' ich die Schmertzen?
E. In dem Hertzen.
Wer macht die Gluth/ die mich entzündet?
E. die dich bindet.[103]
2.
Wer macht die Angst/ die mich betrübet?
E. die dich liebet.
Was kan doch lindern solch betrüben?
E. Treulich lieben.
Wie sol mich dann mein Schatz ümbfangen?
E. Mit den Wangen.
3.
Wenn wird die Last von mir genommen?
E. Sie wird kommen.
Wird Sie dann balde mich befreyen?
E. Gantz verneuen.
Wie lange wird es sich verzihen?
E. Zeit muß flihen.
4.
Wovor wird doch geschickt die Krohne?
E. Dir zu Lohne.
Was macht der Krantz von Gold und Seiden?
E. Lauter Freuden.
Ach möcht ich nur Sie selbsten haben!
E. Dich zu laben.
5.
Wird sie bald kommen mich zu küssen?
E. Sie wird müssen.
Ach! sih der Tag leufft schon zum Ende
E. Gar behände.
Nun kömmt Sie/ meine Freuden-Sonne/
E. Deine Wonne.[104]
6.
Nun wil ich Kuß üm Kuß Ihr geben.
E. und dein Leben.
Sie wird mir Lust und Freude machen.
E. Dich anlachen.
Sie wird mir alles seyn zu willen/
E. Dich zu stillen.
7.
Wo seyn doch hin die langen Stunden?
E. Gantz verschwunden.
Sol ich nun fort in Freuden schweben?
E. Lustig leben.
Nun wil ich ruhen in den Armen:
E. Zu erwarmen.
8.
Nun fühl ich weder Angst noch Schmertzen:
E. in dem Hertzen.
Der Schmertz ist itzo gantz verschwunden:
E. mit den Stunden.
Nun kan ich meine Liebste hertzen:
E. mit Ihr schertzen.
9.
Ihr Zucker-Mund muß mich erquicken!
E. und dich drücken.
Was soll ich itzo thun und üben?
E. lauter lieben.
So lange biß die Nacht verstiebet:
E. Sie dich liebet.[105]
10.
Ey nun wil ich den Schmertzen meiden:
E. Angst und Leiden.
Nun mag ein ander Leide tragen:
E. Weh und klagen.
Ich kan nun für und für mich üben/
E. völlig lieben.
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