Das zwölfte Lied

[311] Dem ädlen Paare: Hn. Mattias Dögen/ Kuhrfürstl. Brandenburgischen Rahte und Geschäftsverpflägern bei den Herren Land-ständen in Holland/ uam. dem fürtreflichen/ weltberühmten Maß- und Festungs-meister; und Jungf. Marien Vermeulen/ uam. als sie im 1651 jahre einander ehlich beigeleget worden/wohlmeinend auf-gesätzt durch Einen/ der die Blaue farbe liebet.


gesetzt durch Peter Meiern.


Es brach ein über-schöner morgen

in hofnungs-farbe durch die nacht/

die ich in tieffen zukker-sorgen

fast durch-gebracht.


Ich ging am blanken Elben-strande/

bei Hamburg/ der berühmten stadt/

wo Hermans Zucht im Marsen-lande

ihr läger hat.[312]


Da saß bei seinem tapfren sohne

ein übermänschlichs Frauen-bild/

bekräntzt mit einer rosen-krohne;

die führt' ein schild.


Das schild war schwartz mit grühnen zügen/

das sonst verliebten gar gemein;

ein hertz/ daraus viel flammen stiegen/

sind mitten ein.[313]


Der nennt sie Vene/ jener Fräue/

das beides bei uns Fräundin heisst.

Für ihr stund eine lange reihe

mit krankem geist.


Auch Tugendhold kahm/ anzulangen

die große Frau der Fräuerei/

die ihn mit fast gezwungnen wangen

schier machte schäu.


Er griff aus ihrem Glükkes-schreine

zuerst das ungewisse roht/

darnach zwee schwartze schweermuhts-steine/

das unglüks-loht.


Hierauf zog er ein gnaden-zeuchen/

den weissen glüks-stein/ froh herfür;

ja endlich gold/ dem nichts mag gleichen/

die sieges-zier.


Ha! sprach er/ ha! dis ist gesieget.

Kom meine liebste Marilis/

die mehr als gold von Ofix tüget;

dis ist es dis.


So macht' er sich zu ihr mit freuden/

und nahm sie bei der liljen-hand:

nuhn/ sprach er/ hab' ich lust für leiden/

mein liebes-pfand.


Das volk rief glük. Ich wündsche seegen.

Die Vene schauet gühtig zu.

Der himmel tauet süßen regen

in stoltzer ruh.


Quelle:
Philipp von Zesen: Sämtliche Werke, 17 Bände, Band 1, Berlin/ New York 1970 ff., S. 311-314.
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