Schertz-Gedichte auf einen guten Freund

[308] 1.

Mein lieber ehrlicher Crispin,

So wahr ich eine Wittbe bin,

Betaur ich dich von Hertzen.

Was macht dein kranck und siecher Leib?

Ey nimm dir doch ein liebes Weib,

So fliehen alle Schmertzen.


2.

Mich dünckt, dein halbgebrochner Mund

Wird von dem Vorschlag schon gesund.

Nicht wahr, ich habs getroffen?

Die Liebe macht sonst andre kranck,

Doch hier, ich weiß, du sagst mirs Danck,

Läst sie Genesung hoffen.


3.

Cupido, der dir helffen muß,

Bleibt wohl der beste Medicus

In jeden Theil der Erden.

Wer sich, wenn ihn die Kranckheit prest,

Ein Recipe verschreiben läst,

Der muß curiret werden.
[309]

4.

Ein wohlgestalt und artges Weib

Bleibt wohl der schönste Zeitvertreib,

Vor einen Junggesellen.

Er kan den offt verwirrten Geist,

Der voller Sorg und Grillen heist,

Dadurch zufrieden stellen.


5.

Wilst du die Junggesellenschafft,

Die noch kein Wind dir weggerafft,

Dereinst den Würmern schencken?

Hilff Hymen! daß es nicht geschicht,

Was würden denn die Jungfern nicht

Und auch die Wittben dencken?


6.

Verlachte dich nicht alle Welt,

Die dir, mein Freund, vor übel hält,

Dein still und einsam Leben,

Und Amor würde dir fürwahr,

Begäbst du dich zur Mönchen Schaar,

Den derbsten Wischer geben.


7.

Mein! Sage wie das Ding doch heist,

Das dich auf Bett und Federn schmeist?

Was ist sein Nahm und Titel?[310]

Plagt dich das liebe Podagra?

Ists etwan gar die Colica?

Man hat ja tausend Mittel.


8.

Die Musen trauren warlich schon,

Sie singen aus betrübten Thon

Und werffen Spiel und Lieder

Verzweiffelnd und fast halb entseelt,

Weil dein Verlust sie rührt und quält,

Auf Phöbens Winck darnieder.


9.

Die Gratien betauren dich,

Dieweil sie bey Gesellschafft sich

Von dir verlassen sehen:

Sie schicken schon den Aesculap

Nach dir und deinen Zimmer ab,

Du wirst ihn nicht verschmähen.


10.

Indessen lebe wohl und fein!

Noch eins, es fällt mir jähling ein,

Ich soll dich schönstens grüssen.

Von Magdalis, den losen Dieb,

Sie hat dich sicher hertzlich lieb,

Und wünscht vor dich zu büssen.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 308-311.
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