Chloralhydrat

[442] Chloralhydrat (Chloralum hydratum, Trichloracetaldehydhydrat), eine aus dem Chloral (s. unten) durch Addition von 1 Molekül Wasser entstehende organische Verbindung von der Konstitution


Chloralhydrat

bildet große monokline Kristalle, ist leicht in Wasser löslich, schmilzt bei 57° und siedet bei 96–98° unter Zerfall in Chloral und Wasser. Auch beim Mischen von Chloralhydrat mit konzentrierter Schwefelsäure wird Chloral zurückgebildet.

Die Vereinigung des Chlorals mit Wasser – durch Schütteln molekularer Mengen der beiden Komponenten geschieht unter Wärmeentwicklung. Beim Erkalten erstarrt das Reaktionsprodukt zu einem Kristallbrei. Gießt man dasselbe noch vor dem Erstarren in flache Schalen, so bildet das Chloralhydrat Platten, die zerschlagen in den Handel kommen. In wohlausgebildeten Kristallen wird es erhalten, wenn man die geschmolzene Masse langsam abkühlen läßt und vor dem völligen Festwerden den noch flüssigen Anteil abgießt. Das Chloralhydrat ist ein bekanntes Schlafmittel; außerdem dient es zur Darstellung eines sehr reinen Chloroforms (s.d.). In konzentrierter Lösung findet es Anwendung zum Aufstellen mikroskopischer Präparate. – Die physiologischen Wirkungen werden nun nicht erst durch die Vereinigung des Chlorals mit Wasser hervorgerufen, sondern sie sind vielmehr dem Chloral eigentümlich, und man gibt in der praktischen Verwendung dieser Verbindung dem Hydrat nur deshalb den Vorzug, weil es äußerst handlich und bei weitem haltbarer als die Muttersubstanz ist.

Chloral besitzt die Zusammensetzung CCl · CHO und stellt also den dreifach chlorierten Acetaldehyd (s.d.) dar. Dementsprechend zeigt das Chloral die für die Aldehyde (s.d.) charakteristischen Reaktionen. Es ist eine ölige Flüssigkeit von scharfem, durchdringendem Geruch, siedet bei 97,7° und besitzt bei 20° das spez. Gew. 1,512. Mit Wasser an sich nicht mischbar, vereinigt es sich mit demselben unter den obengeschilderten Erscheinungen zu Chloralhydrat. Mit Alkohol tritt das Chloral zu einer ganz analogen Verbindung, dem Chloralalkoholat


Chloralhydrat

zusammen, Additionsreaktionen, welche die eigentlichen Aldehyde nicht zeigen und für das Chloral charakteristisch sind. Beim Aufbewahren, namentlich bei Gegenwart geringer Mengen Schwefelsäure geht das Chloral in ein festes polymeres (das Metachloral) über. Ammoniakalische Silberlösung wird unter Spiegelbildung reduziert, rauchende Salpetersäure oxydiert zu Trichloressigsäure; wässerige Alkalien spalten schon in der Kälte in Chloroform und ameisensaures Alkali: CCl3 · CHO + KOH = CCl3H + HCOOK. Das Chloral wird dargestellt durch Chlorieren von Alkohol, indem man einen langsamen Strom von sorgsam gewaschenem und dann[442] getrocknetem Chlor zunächst unter Kühlung, später unter Erwärmung mit Dampf in Alkohol leitet, so lange, als noch Chlor absorbiert wird, wozu im Durchschnitt 6–10 Tage erforderlich sind. Hierbei werden die ersten Absorptionsgefäße mit schon teilweise mit Chlor gesättigtem, »angechlortem«, Alkohol beschickt. Nach Beendigung der Operation, während der fortwährend Salzsäure entweicht, wird das Reaktionsprodukt, das nach dem Erkalten eine kristallinische Masse von wesentlich Chloralalkoholat (s. oben) darstellt, zur Zersetzung desselben in mit Rückflußkühler versehenen Apparaten mit konzentrierter Schwefelsäure so lange erwärmt, als noch Salzsäure entweicht, und das ölförmig abgeschiedene, oben schwimmende Chloral entweder abgezogen oder abdestilliert. Bei dieser letzteren Operation darf die Temperatur der Flüssigkeit 100° nicht überschreiten, da sonst ein Teil der entstandenen Nebenprodukte mit übergehen und das Chloral verunreinigen würde. Das Destillat wird durch Schütteln mit etwas Wasser und kohlensaurem Kalk von Salzsäure befreit und dann rektifiziert. Der Reaktionsverlauf der Bildung von Chloral aus Alkohol läßt sich einfach ausdrücken durch die zwei Gleichungen:

CH3 · CH2(OH) + Cl2 = CH3 · CHO + 2HCl

CH3 · CHO + 3Cl2 = CCl3 · CHO + 3HCl.

Doch deuten die in bedeutenden Mengen entstehenden Nebenprodukte darauf hin, daß die Reaktion komplizierter verläuft.

Das Chloral wird zur Darstellung von Chloralhydrat verwendet. Zuerst von Liebig 1832 durch Chlorieren von Alkohol gewonnen, wurde es in seiner Zusammensetzung von Dumas richtig erkannt. 1869 entdeckte Liebreich die bekannten physiologischen Wirkungen [2]. Weiteres über Chloral s. unter [1].


Literatur: [1] Beilstein, Handbuch der organischen Chemie, 3. Aufl., Hamburg und Leipzig 1893, Bd. 1, S.929. – [2] v. Mering und Musculus, Berichte der deutschen ehem. Gesellschaft, 8, 662. – [3] Schmidt, Lehrbuch der pharm. Chemie, organ. Teil, Braunschweig 1901.

Bujard.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 442-443.
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