Eisenbahnverbände

[323] Eisenbahnverbände. Sobald aus den zuerst einzeln hier und da entstandenen Eisenbahnen ein Eisenbahnnetz zusammenwuchs, ergab sich überall die Notwendigkeit, daß die Eisenbahnen in Verbindung traten, um durch einheitliche technische und Verkehrseinrichtungen einen Uebergang der Personen und Güter, tunlichst ohne Umsteigen und Umladung, und die direkte Abfertigung im durchgehenden Verkehr, tunlichst von der Ausgangs- bis Zielstation, zu ermöglichen. In neuerer Zeit sind infolge der Eisenbahnverstaatlichungen in mehreren Ländern und des Eingreifens der Staatsregierungen durch innere Gesetzgebung und Staats vertrage in vielen Fällen die früher von den Verbänden vereinbarten Bestimmungen in Gesetze, staatliche Vorschriften und Staatsverträge aufgenommen.

Auf dem europäischen Festlande ist der weitaus wichtigste Verband der Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen, 1846/47 gegründet, der jetzt alle Eisenbahnen Deutschlands und Oesterreich-Ungarns (mit Ausnahme der Bahnen von nur örtlicher Bedeutung), die niederländischen und luxemburgischen Hauptbahnen, die rumänischen Staatsbahnen, die (belgische) Chimay-Eisenbahn und die (russische) Warschau–Wiener Bahn umfaßt und dessen Haupterrungenschaften für das Vereinsgebiet, und zum Teil weit darüber hinaus, sind: Sehr vollkommene Entwicklung einheitlicher technischer Einrichtungen (Technische Vereinbarungen u.s.w.), Einrichtungen für den durchgehenden Wagenverkehr (Vereinswagenübereinkommen), Vereinbarungen über Personen-, Güter- und Gepäckverkehr (Vereinsbetriebsreglement), Einrichtung der zusammenstellbaren Fahrscheinhefte (Vereinsreiseverkehr), gemeinsame Ausgleichung der Schuld- und Guthabenbeträge (Vereinsabrechnungsstelle). Vieles von den Ergebnissen der Vereinstätigkeit ist jetzt in die staatlichen Vorschriften und die Staatsverträge übergegangen.

Anders als der Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen behandeln andre Verbände, an denen die deutschen Eisenbahnen beteiligt sind, in der Regel nur einzelne Sachgebiete, so den Wagenübergang der sogenannte Internationale Verband (zwischen Vereinsbahnen, belgischen und französischen Bahnen), der Deutsch-österreichisch-ungarisch-italienische u.s.w. Wagenverband und viele andre, das Abfertigungswesen im Eisenbahnverkehr der Deutsche Eisenbahnverkehrsverband, die Vereinbarungen über durchgehenden Verkehr und durchgehende Tarife zahlreiche Verkehrs- oder Tarif verbände, diese auch wohl als Eisenbahnverbände im engeren Sinne bezeichnet.

Unter Tarifkartellen [3] versteht man Vereinbarungen, die bezwecken, eine den Verhältnissen entsprechende Teilung der vorhandenen Transporte oder der aus diesen erzielten Einnahmen unter allen teilnahmsberechtigten Wagen zu finden und die Gesamteinnahmen gegen eine Schädigung durch Frachtnachlässe aus unmoralischen Wettbewerbsrücksichten sicherzustellen. Außerdem gibt es Produktionsschutzkartelle. Die zwischen den Eisenbahnen andrer europäischen Länder, außer den vorstehend aufgeführten Verbänden, an denen sie beteiligt sind, im inneren und Durchgangsverkehr begehenden Eisenbahnverbände aufzuführen würde zu viel Raum beanspruchen. Erwähnt sei nur, daß in England das Railway-Clearing-House (s. Eisenbahnabrechnungsbureau) eine Vereinigung der Eisenbahnen für verschiedene Zwecke mit besonders vollkommenen Einrichtungen bildet.


Literatur: [1] Roll, Encyklop. d. ges. Eisenbahnwesens, Wien 1890. – [2] Cauer, Betrieb und Verkehr der Preußischen Staatsbahnen, I und II, Berlin 1897 und 1903. – [3] Rank, Grundsätze für den Abschluß von Eisenbahntarifkartellen, Wien 1890.

Cauer.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 323-324.
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