Flüssigkeitswärme

[98] Flüssigkeitswärme heißt diejenige Wärmemenge, welcher 1 kg Flüssigkeit zugeführt werden muß, um sie bei konstantem Drucke von 0° auf t° C. zu erwärmen.[98]

Wenn q die Flüssigkeitswärme und cp die spezifische Wärme (s.d.) der Flüssigkeit bei konstantem Drucke p bezeichnen, so besteht hiernach die Beziehung:


Flüssigkeitswärme

Die aus Versuchen erhaltenen Werte von q pflegen durch Gleichungen der Form

q = a t + b t2 + c t3 + ...

2.


mit von t unabhängigen a, b, c ... dargestellt zu werden, so daß bei bekanntem Ausdrucke von q die spezifische Wärme zufolge 1. aus

cp = a + 2 b t + 3 c t2 + ...

3.


und bei bekanntem Ausdrucke von cp die Flüssigkeitswärme zufolge 1. aus 2. berechnet werden kann. In 2., 3. könnten a, b, c ... je nach der Höhe des konstanten Drucks p verschieden sein, da derjenige Teil der Flüssigkeitswärme, welcher zur Leistung äußerer Arbeit (s. Bd. 1, S. 102) dient, von p abhängt. Allein bei den geringen Volumenänderungen der Flüssigkeiten ist jener Teil im Vergleiche zu q so klein, daß die a, b, c ... innerhalb der bisherigen Beobachtungsgrenzen meist als konstant und damit q, cp lediglich als Funktionen der Temperatur dargestellt wurden.

Häufig wird speziell diejenige Wärmemenge als Flüssigkeitswärme bezeichnet (z.B. bei Zeuner [6], S. 20), welche nötig ist, um 1 kg Flüssigkeit bei konstantem Drucke p auf die p entsprechende Siedetemperatur zu bringen, welch letztere gleich der Temperatur des alsdann entstehenden gesättigten Dampfes ist (s. Dampf). Um diese Werte aus Gleichungen der Form 2. entnehmen zu können., müssen letztere aus Versuchen bis genügend nahe dem Siedepunkte abgeleitet sein. In der Technik werden gegenwärtig noch allgemein die von Regnault auf Grund solcher Versuche ermittelten Ausdrücke verwendet, wonach in Kalorien (s.d.) gemessen:


Flüssigkeitswärme

Die hieraus folgenden Flüssigkeitswärmen bis zum Siedepunkt hat Zeuner ([6], S. 465) mit andern für Dämpfe wichtigen Größen in Tabellen zusammengestellt. Bezüglich der Werte für Ammoniak, schweflige Säure und Kohlensäure s. [6], S. 242, 249, 256 und die erwähnten Tabellen, für Wasser s.a. die Tabelle unter Dampf, gesättigter, Bd. 2, S. 540. Nach vorstehender Gleichung von Regnault liefert 1. oder 3. für Wasser:

cp = 1 + 0,00004 t + 0,0000009 t2 Kal.

Ueber Abweichungen der Regnaultschen q, cp von den Resultaten andrer Beobachter vgl. [3]–[5], [7], [10]. Beispielsweise hat neuerdings Dieterici [8], [9] auf Grund von Versuchen zwischen 35 und 300° erhalten:

q = 0,99827 t – 0,00005184 t2 + 0,0000006912 t3 Kal.,

cp = 0,99827 – 0,00010368 t + 0,0000020736 t2 Kal.

wobei als Wärmeeinheit der hundertste Teil der Wärmemenge zur Erwärmung von 1 kg Wasser von 0 auf 100° verwendet ist (Bunsensche Kalorie). Mit Berücksichtigung der von Dieterici verwendeten und andrer Versuche gab Winkelmann [10], S. 173:

q = t – 0,0003342 t2 + 0,00000364 t3 Kal.,

cp = 1 – 0,0006684 t + 0,00001092 t2 Kal.

wonach wieder die Wärmeeinheit der spezifischen Wärme cp bei 0° entspricht und ein Minimum von cp bei 30,6° entsteht.

Ueber die Beziehungen der Flüssigkeitswärme zu den übrigen bei der Verdampfung auftretenden Wärmemengen s. Dampf, gesättigter.


Literatur: [1] Regnault, Relation des experiences etc., Paris 1847, Bd. 1, S. 729 (Wasser); Paris 1862, Bd. 2, S. 262 (weitere Flüssigkeiten). – [2] Landolt und Börnstein, Physikalisch-chemische Tabellen, Berlin 1894, S. 331. – [3] Lüdin, Die Abhängigkeit der spezifischen Wärme des Wassers von der Temperatur, Zürich 1895 (Dissertation). – [4] Pernet, Ueber die Aenderung der spezifischen Wärme des Wassers mit der Temperatur und die Bestimmung des absoluten Wertes des mechanischen Wärmeäquivalentes, Festschr. d. Naturforsch. Gesellsch, in Zürich 1896, S. 121. – [5] Pfaundler, Müller-Pouillets Lehrbuch der Physik und Meteorologie, Bd. 2, 2. Abt., Von der Wärme, Braunschweig 1898, S. 349. – [6] Zeuner, Technische Thermodynamik, II, Die Lehre von den Dämpfen, Leipzig 1901, S. 19, 242, 249, 256, 265. – [7] Chwolson, Lehrbuch der Physik, III, Die Lehre von der Wärme, Braunschweig 1905, S. 176. – [8] Dieterici, Die kalorischen Eigenschaften des Wassers und seines Dampfes bei hohen Temperaturen, Zeitschr. des Vereins deutscher Ingenieure 1905, S. 362. – [9] Dieterici, Ueber die Flüssigkeitswärme des Wassers und das mechanische Wärmeäquivalent, Wiedemanns Annalen 1905, XVI, S. 593. – [10] Winkelmann, Handbuch der Physik, Bd. 3, 1. Hälfte: Die Wärme, Leipzig 1906, S. 165, 196.

Weyrauch.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 98-99.
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