Wasserwirtschaft

[875] Wasserwirtschaft, die ökonomische Ausnutzung des Wassers bei Schaffung von Verkehrsmöglichkeiten (Wasserstraßen), Verhütung von Ueberschwemmungen und gesundheitlichen Gefahren, Nutzbarmachung von Wasserkräften bezw. auch von seither unverwendet gebliebenen, in ihrer Wirkung oft schädlichen Wasserabflüssen, Regelung der Wasserbenutzung u.s.w. durch technische Maßregeln.

Der Nutzen wasserbaulicher Arbeiten ist nicht immer in Zahlen ausdrückbar. So werden z.B. in der Anlage und Unterhaltung kostspielige Flußregulierungen sehr häufig auch dann ausgeführt, wenn dem Herstellungsaufwande keine entsprechenden Einnahmen in Geld gegenüberstehen; durch Ermöglichung der Schiffahrt soll in großen Gebieten der Verkehr und damit der Wohlstand der Bevölkerung gehoben werden. Auch kostspielige Korrektionen werden in Fällen ausgeführt, in welchen die wirtschaftliche Bedeutung nicht in der Gewinnung von brachliegendem Gelände, sondern mehr in der Hebung der gesundheitlichen Verhältnisse, in der Verhütung von Eigentumsbeschädigungen, in politischen Gründen (z.B. bei Grenzflüssen) u.s.w. liegt, Vorteile, die sich ziffernmäßig sehr schwer – besonders nicht unanfechtbar – feststellen lassen. Nur bei wenigen Anlagen – z.B. bei Wasserwerksbauten, Wasserversorgungen, Schiffahrtskanälen, Meliorationen u.a. – stehen den Herstellungskosten bestimmte Einnahmen an Geld gegenüber, die mit einiger Sicherheit zahlenmäßig zu bewerten sind.

Das technische Vorgehen ist dann streng ökonomisch, wenn unter den wasserbaulichen Entwürfen jene ausfindig gemacht werden, bei welchen die Lebensdauer des zu schaffenden Objektes ein Maximum und dabei die Kosten für die Verzinsung des Baukapitals sowie die Unterhaltungskosten ein Minimum werden. Die besonderen Umstände bei allen Wasserbauten – namentlich die in unserm Klima unvorherzusehenden Hochwasser u.s.w. – erschweren im übrigen die richtige Bemessung der Herstellungskosten. Auch die Lebensdauer, d.h. die Zeit, nach deren Umlauf eine vollständige Erneuerung eines Wasserbaues erforderlich wird, läßt sich nur in wenigen Fällen genau angeben; vielfach haben auch hier Hochwasser und Eisgang, besondere Naturereignisse, fremde Eingriffe aller Art unberechenbaren Einfluß. Ganz besonders von Bedeutung für die Lebensdauer ist die mehr oder weniger gute Unterhaltung eines Wasserbauwerkes; je nach dieser wird unter sonst gleichen Umständen die jährliche Rücklage (Amortisationsquote) zur Bestreitung späterer Erneuerungskosten bemessen werden müssen. Nicht seiten – besonders bei Privatunternehmungen kleineren Stils – stellt man Wasserbauwerke mit möglichst geringem Bauaufwande her, obgleich hohe Unterhaltungskosten vorherzusehen sind, und ersetzt sie schon nach kürzerer Zeit – in welcher voraussichtlich die ursprünglich geringe finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmers erstarkt ist – durch eine dauerhaftere Neuanlage u.s.w. – Derartige Nebenumstände können also ein streng ökonomisches Vorgehen verhindern. – Bei Nutzbarmachung von Wasserkräften ist vorzugsweise zu erheben, wie die Anlage bei den verschiedenen Wasserständen (s.d.) funktionieren wird. Durch das Niederwasser ist die Leistung abgegrenzt, durch das Hochwasser der Bestand gefährdet. Daraus ergibt sich von selbst das Bestreben, eine mehr gleichmäßige Wasserführung mit besonderen Stauanlagen (s.d.), vor allen Dingen mit Talsperren (s. S. 259) zu ermöglichen. Man kann in kleinen Verhältnissen hier stets günstige Wirkungen erzielen (s. Sammelteiche); dagegen ist die Verminderung der sekundlichen Hochwassermenge in größeren Flüssen mit diesem Hilfsmittel selbst bei enormen Kosten nur in geringem Maße erreichbar. Hier sind also wirtschaftliche Erwägungen von der[875] allergrößten Bedeutung. – Die Wasserbenutzung ist in allen Kulturstaaten durch kodifizierte Wassergesetze (s. Wasserrecht) oder durch landrechtliche Bestimmungen geregelt.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 875-876.
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