Luftfahrzeugbewaffnung

[491] Luftfahrzeugbewaffnung. In Frage kommen Handfeuerwaffen, Maschinengewehre und Wurfgeschosse; abhängig von der Tragfähigkeit. Lenkluftschiffe von 18000 cbm Inhalt können an Stelle des Wasserballasts 1000–2000 kg Bewaffnung tragen, Flugzeuge schon 150–200 kg, außer Bemannung und Betriebsstoff.

Von Handfeuerwaffen kommen nur Selbstladegewehre in Betracht. Gewicht rund 5 kg, 100 Patronen rund 2,5 kg. Neuerdings hat man besonders leichte Maschinengewehre für Flugzeuge gebaut; so soll in Belgien ein Maximgewehr von nur 12 kg Gewicht erprobt worden sein. Auch die Mitrailleuse portative von Hotchkiß, das Lewis-Maschinengewehr, das leichte Maschinengewehr Bergmann, das Madsen-Maschinengewehr wiegen nur 8–12 kg. Bei Starrschiffen bringt man die Maschinengewehre auf einer Plattform an, die sich oben auf dem Ballonkörper befindet; bei Flugzeugen hat man sie in Frankreich und England vor dem Sitz des Beobachters auf einem Drehzapfen beteiligt. Bei den Schießversuchen hat das Feuer aus[491] kriegsmäßiger Höhe gegen Erdziele nur geringen Erfolg gehabt; von Versuchen, Luftziele vom Flugzeug bezw. Lenkluftschiff aus zu beschießen, ist noch nichts bekannt geworden (schwierige Zieldarstellung). Als Wurfgeschosse kommen Minengeschosse (Bomben), Brand- und Schrapnellgeschosse in Frage. Schrapnellgeschosse werden nur gegen lebende Ziele verwendet. Sie sind 3–20 kg schwer, aus Eisenblech, mit Kugeln und Sprengstoff gefüllt und meist mit einem Aufschlagzünder, unter Umständen aber auch mit einem Zeitzünder versehen. Da es auf große Breitenwirkung der Kugelgarbe ankommt, wird brisanter Sprengstoff verwendet, und mit Rücksicht auf dessen hohe Verbrennungswärme fertigt man die Kugeln aus Stahl und macht sie meist 8 g schwer. Ein 3-kg-Geschoß kann 300, ein 7-kg-Geschoß bis 800, ein 20-kg-Geschoß bis 2000 solcher Kugeln aufnehmen. Als Sprengstoff wird im Hinblick auf die Stoßsicherheit meist Trinitrotoluol verwendet. Eine Schwierigkeit bietet die Zündung. Das sonst übliche Knallquecksilber ist zu empfindlich gegen die Stöße, denen ein Flugzeug beim Landen häufig ausgesetzt ist. Man wendet daher Bleiacid oder besondere Zündpulver als Zündmittel an. Brandgeschosse zur Zerstörung von Luftschiffen und Luftschiffhallen sind Metallzylinder, die mit einem Brandsatz oder mit leicht brennbarer Flüssigkeit gefüllt und im Kopf mit Sprengladung und Aufschlagzünder versehen sind. Damit sie sich in der Luft nicht überschlagen, muß der Kopf besonders beschwert und das Geschoßende mit einer Luftschraube ausgestattet werden. Das Gewicht der Minengeschosse ist von ihrem Verwendungszweck abhängig. Gegen lebende Ziele genügen Geschosse von 1–7 kg Gewicht, gegen Luftschiffhallen, Kriegsschiffe, Brücken, Bahnhöfe u. dergl. sind beträchtlich schwerere notwendig. So rechnet man für Zerstörung der Gurtung einer Eisenbahnbrücke 50–100 kg Trotyl, und da bei Wurfbomben immer nur ein Teil der Sprengkraft des Geschosses zur Ausnutzung kommt, so sind Bomben von 150–300 kg anzuwenden. Die Geschosse haben entweder Kugel- oder zylindrische bezw. Birnenform. Die Wandung, aus Stahl, ist zur Erzeugung zahlreicher Splitter gegen lebende Ziele stark, gegen tote Ziele zur Aufnahme einer großen Sprengladung schwach gehalten. Zündung nur beim Aufschlag.

Die Bomben werden entweder mit der Hand geworfen oder man läßt sie aus nach unten gerichteten Rohren bezw. aus einem Aufhänger fallen; hierzu ist eine Auslösevorrichtung notwendig. Vorgeschlagen, aber meines Wissens praktisch noch nicht erprobt, ist auch das Schießen aus Lanzierrohren. Als Triebkraft kommt hierbei fürs erste nur Federkraft in Frage, um eine zu starke Rückwirkung auf das Flugzeug zu vermeiden. Man rechnet, daß man mit Lanzierrohren bei den heutigen Fahrgeschwindigkeiten der Flugzeuge Geschosse von 7 kg etwa 300 m, solche von 3 kg etwa 500 m weit zu schleudern vermag. Das schwierigste ist das Treffen aus einem in kriegsmäßiger Höhe (800–1000 m) in Fahrt befindlichen Flugzeug. Lenkluftschiffe sind hierbei im Vorteil. Wenn sie auch größere Höhen (etwa 1200–1500 m) aufsuchen müssen, um sich gegen Geschoßwirkung von der Erde zu sichern, so können die Schußvorbereitungen doch mit mehr Ruhe und Sicherheit getroffen werden, und die Eigengeschwindigkeit ist geringer bezw. kann fall ganz aufgehoben werden. Bei dem Abwerfen von Geschossen aus den Flugzeugen muß seine Eigengeschwindigkeit, die Flughöhe sowie Windstärke und -richtung berücksichtigt werden. Die geringen Erfolge, welche die italienischen Flieger mit dem Abwerfen von Bomben in Tripolis hatten, und die sehr mäßigen Treffergebnisse bei Wettbewerben auf verschiedenen Flugplätzen legten es nahe, Umschau nach geeigneten Richt- und Abwerfeinrichtungen zu halten. Besonders befruchtend haben hierbei die Michelin-Preise in Frankreich gewirkt. Am erfolgreichsten zeigte sich dort die Richteinrichtung des amerikanischen Leutnants Riley Scott (Abbildung in »Revue d'artillerie«, August 1912), welcher 1912 den ersten Preis für 12 Treffer von 15 Würfen aus 200 m Flughöhe gegen Ziel von 20 m Radius und für 8 Treffer von 15 Würfen aus 800 m Flughöhe gegen Ziel von 120 × 40 m erhielt. – Für Lenkluftschiffe hat die Firma Zeiß in Jena eine brauchbare Richteinrichtung geschaffen.


Literatur: [1] D.R.P. Nr. 226192 vom 15. Dezember 1908, N. Koch & G. Hayn, Essen a. d. R.: Geschütz für Luftschiffe. – [2] Zeitschr. f. d. ges. Schieß- und Sprengstoffwesen vom 1. Februar 1913, »Aero-Sprenggeschosse« (tabellar. Zusammenstellung der Patente). – [3] Militärwochenblatt 1912, Nr. 128.

Wille.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 491-492.
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