13.

Im väterlichen Hause wurde er mit offenen Armen empfangen; Alles war sorglich für seine Aufnahme vorbereitet: »ein bequemer schöner Kasten (Schrank) und das Clavichordin waren in sein Zimmer gestellt,« die Köchin Theresel hatte Kapaunen in Menge gekauft, der Obersthofmeister Graf von Firmian (S. 34) hatte ihm schon seine Pferde antragen lassen, auch der Dr. Prerl stellte ihm »sein schönes Bräundl« zur Verfügung – für viele gute Freunde war Mozarts Heimkehr eine Freude und ein Triumph. Wir wissen, mit welchen Gefühlen er zurückkam. Von den Hoffnungen auf rasche und glänzende Erfolge, mit welchen er, froh sich frei zu wissen, auszog, war keine in Erfüllung gegangen: er hatte nur Hemmnisse auf seiner künstlerischen Laufbahn erfahren; in allen Erwartungen betrogen trat er in die alten Verhältnisse wieder ein, deren Joch ihm nun um so drückender werden mußte, als er sich keine Illusionen darüber machen konnte, wie schwer es halten werde dasselbe abzuschütteln. Seine [346] Mutter hatte er in der Fremde begraben, seine warme treue Herzensliebe war getäuscht: arm zog er wieder ins Vaterhaus ein. Wie mächtig ihn die mannigfachen Erfahrungen des Lebens und die reichen, vielseitigen künstlerischen Eindrücke, die er mit regem Sinn in sich aufgenommen hatte, in seiner künstlerischen Entwickelung gefördert hatten, das empfand er selbst gewiß weniger klar als wir es übersehen, und fand daher auch darin keine Stärkung und Belebung seines Muthes für die Zukunft.

In der ersten Zeit seines Salzburger Aufenthalts diente ihm noch der Besuch des Bäsle zur Aufheiterung und Zerstreuung; sie war von München aus dem Vetter auf sein Zureden für einige Wochen in das Haus ihres Oheims gefolgt1. Auch läßt sich bei Mozarts Gutmüthigkeit und treuherziger Hingebung erwarten daß manches angenehme Verhältniß wieder angeknüpft wurde; allein die wesentlichen Ursachen alles dessen was Mozart in Salzburg mißfiel, namentlich [347] der Mangel an Bildung und einsichtigem Interesse für die Kunst, bestanden nach wie vor und die Abwesenheit mit ihren Erfahrungen und Erinnerungen schärfte ihm nur noch Sinn und Gefühl für diese Uebelstände. Obgleich wir keine nähern Nachrichten über diese Zeit besitzen, so können wir doch sehr wohl begreifen, daß ihm nach einem Aufenthalt von zwei Jahren der »Bettelort« wo möglich noch verhaßter war als vorher. Bei dem Charakter des Erzbischofs ist schon an sich anzunehmen, daß die Art, wie er durch die Umstände und seine Umgebung gewissermaßen gezwungen wurde Mozart wiederzuberufen, der ihn doch durch das freiwillige Aufgeben seiner Stellung tief gekränkt hatte, ihn unmöglich günstig für diesen stimmen konnte, und das unwillige Zaudern Mozarts auf seiner Rückreise trug sicher nicht dazu bei ihn zu versöhnen. Wir werden sehen, welcher Behandlung Mozart bei ihm ausgesetzt war. Das Publicum war auch von der Art daß er später seinem Vater schreibt (26. Mai 1781): »Wenn ich [in Salzburg] spiele oder von meiner Composition was aufgeführt wird, so ists als wenn lauter Tische und Sesseln die Zuhörer wären.« Weil er dort keine passende Unterhaltung, keine Aufmunterung gefunden, gesteht er, daß es ihm, obgleich er gewiß nicht den Müssiggang, sondern die Arbeit liebe, Mühe gekostet habe zu arbeiten, daß er sich oftmals fast nicht dazu habe entschließen können; – »warum? weil mein Gemüth nicht vergnügt war.« Daher meint er auch (8. April 1781 ): »Wenn man seine jungen Jahre so in einem Bettelort in Unthätigkeit verschlänzt, ist es traurig genug und auch Verlust!«

Nach solchen Aeußerungen möchte man annehmen, als habe Mozart während dieser Jahre mit Componiren nachgelassen; allein ein Ueberblick über seine uns bekannten Arbeiten – [348] und schwerlich sind wir von allen unterrichtet – genügt um uns hierüber zu beruhigen.

Die Richtung seiner Thätigkeit schließt sich natürlich im Wesentlichen der früher betrachteten an; seine amtliche Stellung als Concertmeister und als Hof- und Domorganist denn als solcher wird er im Salzburgischen Hofkalender aufgeführt – gab ihm Veranlassung zu Instrumental- und Kirchenmusik, der maßgebende Geschmack höchsten Orts und die Beschränktheit der Mittel waren dieselben wie früher.

Die erste Instrumentalcomposition vom 26. April 17792 scheint auf ganz besondere Veranlassung geschrieben zu sein, wahrscheinlich als Einleitung zu einem dramatischen Werk. Sie hat die Form der Ouverture3, wie sie damals für die Concert-Symphonie nicht mehr üblich war, und im Ausdruck einen individuell dramatischen Charakter, der sich z.B. im Anfang wie im Schluß sehr bestimmt ausdrückt, so daß man [349] die Beziehung auf ein Drama vorauszusetzen geneigt sein muß. Wir werden sehen daß es an Veranlassungen zu solchen Arbeiten damals nicht fehlte.

Ferner fallen in diese Zeit zwei Symphonien in der gewöhnlichen Weise in drei Sätzen geschrieben4. Die frühere (in B-dur)5 aus dem Sommer 1779 ist offenbar in einer Stunde geschrieben, wo »sein Gemüth vergnügt war«; – sie ist ein echtes Kind Mozartscher Laune, lebhaft, heiter, voller Empfindung und Grazie6. Die zweite, ein Jahr spätere (in [350] C-dur)7, hat nicht nur in ihrer ganzen Anlage einen größeren Zuschnitt, sondern auch einen ernsteren Charakter. Besonders spricht sich dieser im ersten Satz aus, der durch eine auffallende Neigung in die Molltonarten auszuweichen, dem Ausdruck der Kraft und Entschlossenheit eine eigenthümliche Beimischung nicht sowohl von Trauer und Wehmuth, als vielmehr von festem Trotz giebt. Durchaus dem hier angeschlagenen Grundton entsprechend ist das einfache und innige Andante di molto, das bei großer Zartheit doch nirgends weich oder zierlich wird, sondern eine gefaßte ruhige Gemüthsstimmung festhält. Sehr wirksam ist auch der Gegensatz der Instrumentation; der erste Satz ist stark und glänzend instrumentirt, im zweiten sind nur Saiteninstrumente (mit verdoppelter Bratsche) angewendet8. Auch die Lebhaftigkeit des letzten Satzes hat nichts von der heiteren Lustigkeit oder gar von dem spielenden Wesen, welches die Finales derzeit oft zeigen, sondern sie ist vorwiegend kräftig, durch die Behandlung des Orchesters zum Theil rauschend.

Auch von jener größeren Form der Instrumentalmusik, welche man Serenate zu benennen pflegte, ist uns aus dem Jahr 1778 ein Beispiel erhalten, wahrscheinlich, wie die meisten dieser Art für eine bestimmte Festlichkeit componirt und – abgesehen davon daß kein Marsch dabei ist – ganz in der Weise der früher charakterisirten Serenaten (I S. 568ff.) gearbeitet9. Ein kurzes Adagio dient als Einleitung zu einem [351] Allegro von glänzendem, festlichem Charakter, das ganz in der Weise eines ersten Symphoniesatzes gegliedert und lang ausgeführt ist, auf welches ein Menuett folgt10. Dann ist ein, auch durch die Ueberschrift als solches bezeichnetes, Concertante eingelegt, welches hier aus zwei Sätzen besteht, einem Andante grazioso 3/4, und einem Rondo Allegro ma non troppo 2/4, beide in G-dur11. Während aber in früherer Zeit, wo Mozart noch als Violinspieler auftrat, eine Sologeige in diesen Sätzen die Hauptrolle spielt, sind es hier die Blasinstrumente, zwei Flöten, zwei Oboen und zwei Fagotts, welche concertiren; die Saiteninstrumente mit den Hörnern bilden wesentlich nur die Begleitung. Diese beiden Stücke sind mit großer Sorgfalt und Sauberkeit gearbeitet, und ebenso klar und durchsichtig in der Ausführung als zart und anmuthig in der Stimmung; das Rondo ist im Ganzen etwas [352] leichter gehalten als der erste Satz. Von eigentlicher Bravur und Virtuosität ist übrigens hier nichts zu finden, was von Coloratur u. dgl. angebracht ist beschränkt sich auf sehr mäßige Verzierungen der Melodie; es sind Soloinstrumente, insofern sie entschieden und durchgängig die Hauptstimme führen, concertirende, insofern sie wirklich in mannigfach abwechselnder Zusammenstellung mit einander wetteifern, es ist ein heiteres, mitunter fast neckisches Spiel das sie unter sich treiben. Das Wesen dieser Concertante beruht somit nicht darin daß den Soloinstrumenten Gelegenheit gegeben wird ihre Fertigkeit zu zeigen, sondern in der musikalischen Conception, indem einem sein gegliederten Kunstwerk durch die Berücksichtigung der Eigenthümlichkeit jener Instrumente die rechte Färbung verliehen wird. Einen starken Gegensatz bildet gegen die beiden Sätze der Concertante das nun folgende Andantino. Aeußerlich schon dadurch daß die Saiteninstrumente hier ebenso in den Vordergrund treten, wie sie dort im Hintergrund blieben, indem sie hier die eigentlichen Träger der musikalischen Darstellung sind, während die sehr sparsam gebrauchten Blasinstrumente nur dienen einzelne scharfe Accente wirksam hervorzuheben. Aber auch im Gegensatz gegen die heitere, leichte Stimmung, welche jene Sätze wahrhaft lichthell macht, spricht sich hier ein wehmüthiger Ernst aus, der nicht mehr von einem gegenwärtigen Schmerz leidenschaftlich aufgeregt ist, sondern in dem tiefen Gefühl eines durchgekämpften Leidens innere Ruhe gewinnt. Nach einem weniger bemerkenswerthen Menuett12 schließt dann die Serenate mit [353] einem langen, ausgeführten Presto ab, einem bedeutenden Satz voll Leben und Kraft, in welchem der Hauptnachdruck auf der im Mittelsatz vorgenommenen contrapunktischen Durchführung des Hauptthemas liegt, die nicht allein gewandt und tüchtig, sondern lebendig und eigenthümlich ist.

Wenn man davon absieht, daß in den Melodien und Motiven dieser Werke vielfach eine gereiftere Erfindungskraft zu Tage tritt, daß sie mehr musikalische Substanz, wie ich sagen möchte, und mehr Adel und Feinheit in der Fassung zeigen – was durch Worte nicht wohl wiederzugeben ist –, so verräth sich ein Fortschritt in diesen Instrumentalcompositionen namentlich in der größeren Freiheit, mit welcher das contrapunktische Element, das in den Gesangscompositionen schon früher völlig entwickelt erscheint, sich hier geltend macht. Dies tritt am augenfälligsten in den Partien hervor, wo es auf eigentliche thematische Verarbeitung abgesehen ist, die nun freier und reicher durchgeführt, ferner in manchen Motiven, die ihre Bedeutung erst durch contrapunktische Behandlung z.B. in mehr oder weniger ausgeführten, nicht selten hanonischen Imitationen erhalten. Hier aber ist nicht minder als die Sicherheit und Leichtigkeit der Arbeit das Maaß zu bewundern, welches Mozart dabei beobachtet. Die Grenze, an welcher das Interesse für contrapunktische Combinationen, denen ein Motiv unterworfen werden kann, anfängt ein wesentlich technisches und nur für den welcher sich praktisch mit ihnen beschäftigt bedeutendes zu werden, während sie den Charakter des aus den Bedingungen des Kunstwerks nothwendig hervorgehenden und also allgemein Künstlerischen verlieren – diese Grenze hat er mit sicherem Tact inne gehalten. [354] Ebenso sicher hat ihn seine Natur vor dem Mißgriff bewahrt, der contrapunktischen Behandlungsweise einen absoluten Werth beizulegen, und das rationale Element welches in demselben liegt einseitig vor dem der sinnlichen Schönheit zu begünstigen; denn auch hier wird das wahre Kunstwerk nur geschaffen, wo beide Elemente sich wirklich durchdringen und eins werden. Wir finden daher auch daß diese contrapunktischen Formen schon hier von Mozart in einer Weise und in einer Ausdehnung angewendet werden, daß sie der musikalischen Darstellung einen neuen Reiz geben ohne an sich gelten zu wollen, daß sie die Aufmerksamkeit anspannen, das Interesse vertiefen ohne zu ermüden, ohne etwas dem ursprünglichen Wesen des Kunstwerks Fremdes in dasselbe hineinzutragen, oder der schönen Form zu vergeben; Mozart vergißt nie daß Musik klingen soll. Daher läßt ein empfänglicher aber ungebildeter Hörer kunstvoll und selbst künstlich gearbeitete Stellen behaglich auf sich wirken, ohne die Schwierigkeiten zu ahnen, welche er genießt. Der Einfluß der contrapunktischen Methode aber reicht viel weiter als auf die Anwendung bestimmter, schulmäßiger Formen, für welche in der freien Instrumentalmusik immer nur ein beschränkter Spielraum geboten ist; wie ja ein streng disponirter und wohl durchdachter Vortrag auch nicht regelmäßig in den Formen des Syllogismus fortschreitet. Sie erweist vielmehr ihr Princip der freien Bewegung und des individuellen Lebens der einzelnen Glieder eines Ganzen als wirksam bis in die kleinsten Theile, und nirgends bewährt sich die innige Vereinigung und gegenseitige Förderung des schöpferischen Vermögens und der künstlerischen Durchbildung in gleichem Grade wie in der Gestaltung der einzelnen Elemente, die das Ganze bilden, zur individuellen Selbständigkeit. Wie bewundernswerth Mozart ist einen Plan zu entwerfen, die Hauptpartien übersichtlich [355] und klar zu disponiren, Licht und Schatten an die gehörigen Stellen zu vertheilen, so ist er wahrhaft unerschöpflich darin eine Fülle von einzelnen kleinen Zügen rings umher zu vertheilen, die nicht allein in die Charakteristik des Ganzen fortwährend neue Nuancirungen einführen, sondern den einzelnen Stimmen eine individuelle Thätigkeit, und dadurch gewissermaßen eine berechtigte Existenz gewähren. Diese Fülle, welcher immer über das Nothwendige hinaus noch etwas zu Gebot zu stehen scheint, während doch alle die kleinen Züge, die nur als zufällige Aeußerungen einzelner ihrer Lebenskraft und Freiheit sich erfreuenden Individuen erscheinen, in Wahrheit durch das Ganze, dem alle angehören, nothwendig bedingt sind, ist das Vorrecht echt künstlerischer Schöpferkraft und nähert sie der ewigen Natur, welche in der scheinbaren Verschwendung des Ueberflusses dem tiefer Blickenden die weiseste Sparsamkeit oder vielmehr die ungetrübte Harmonie eines großen Ganzen enthüllt. Die reichste Fülle beeinträchtigt daher auch die Einfachheit und Klarheit, die individuellste Charakteristik die einheitliche Haltung des Ganzen nicht, sondern Alles wirkt nur darauf hin in jedem Moment das unmittelbare, stets bewegte Leben künstlerisch darzustellen; wie eine Statue des Phidias in dem Beschauer den Eindruck der lebenden Natur hervorruft, weil sie nicht bloß ein allgemeines Bild der leiblichen Gestalt des Menschen ihm vor Augen stellt, sondern die Gesammtheit von äußeren Etscheinungen der zahllosen, in jedem Moment des körperlichen Lebens thätigen Muskelbewegungen, deren unendliches Detail durch das mit künstlerischem Blick erfaßte Gesetz der Bewegung, welches im Kunstwerk zur sinnlichen Anschauung gebracht wird, auf sein Maaß und Verhältniß zurückgeführt ist. Wie die einzelnen Kräfte und Impulse in der Natur, je weiter man eindringt, um so einfacher und geringer erscheinen, [356] so ist es auch in der Kunst. Gar manche der einzelnen Züge und Motive können für sich betrachtet geringfügig und unbedeutend erscheinen, mehr gefunden als erfunden; es fragt sich aber, ob sie im Ganzen an ihrem Platz das wirken, was sie wirken sollen; und wenn ein Kunstwerk als Ganzes eine künstlerische Wirkung macht, welche man sich aus den Einzelnheiten, weil sie an sich wenig bedeutend erscheinen, nicht meint erklären zu können, so darf man dies als den sichersten Beweis ansehen, daß der Künstler aus dem Ganzen schuf.

Neben dieser fortgeschrittenen Reise in der freien Handhabung der Gesetze auf denen das innere Wesen der Musik beruht, – welche mit seiner ganzen menschlichen Entwickelung eng zusammenhängt – darf auch die genauere Kenntniß und freiere Verwendung der äußeren Mittel nicht gering angeschlagen werden. Wir haben gesehen, daß ihm der Aufenthalt in Mannheim über die Leistungen eines guten Orchesters, sowohl was die Klangwirkungen an sich als den Vortrag anlangt, ganz neue Vorstellungen gegeben hatte. Die Wirkung ist auch in diesen Compositionen unverkennbar, obgleich die Salzburger Verhältnisse und Sitten ihn in der Anwendung der Mittel gar sehr beschränkten. Wenn aus diesem Grunde die Instrumentalcombinationen keinen erheblichen Fortschritt gegen früher wahrnehmen lassen, so ist dieser in der Verwendung der dort gebotenen Kräfte um so sichtbarer. Das summarische Anwenden des Orchesters, welches sich beinahe auf den Unterschied von Stärke und Schwäche reducirt, findet gar nicht oder selten mehr statt, die Instrumente werden, auch wo sie in Masse wirken, doch als Individuen angesehen. Es ist merkwürdig, wie im Ganzen bei unveränderter Besetzung der Klang des Orchesters jetzt so viel voller und reicher geworden ist, was eben die Folge einer sorgfältigeren Berücksichtigung [357] der besonderen Natur eines jeden Instruments ist. In der Behandlung der Blasinstrumente wird dies am auffälligsten. So ist die selbständige Anwendung des Fagotts sowohl zur Ausfüllung der Harmonie, als zum Hervorheben der Melodie wie der Mittelstimmen, jetzt durchaus vorherrschend, während es sonst wesentlich nur den Baß verstärkte; ebenso ist die Behandlung der Hörner, namentlich durch die ausgedehnte Benutzung gehaltener Töne, sehr fortgeschritten. Dies gilt ferner auch von der Combination der Blasinstrumente zu einem Chor, theils den Saiteninstrumenten gegenüber – längere Stellen bloß von Blasinstrumenten vorgetragen finden sich jetzt schon nicht selten –, theils mit ihnen vereinigt; so wirksam aber wie die Blasinstrumente zusammengestellt werden, finden wir sie auch einzeln mit großer Feinheit der Nuancirung angewendet. Diese sorgfältigere Ausbildung der Blasinstrumente mußte nothwendig auf die der Saiteninstrumente zurückwirken; nicht allein die Selbständigkeit in der Führung der einzelnen mußte gewinnen, auch die genaue Beachtung der Klangwirkung wurde dadurch gefördert, und überhaupt finden wir, daß ihnen höhere Leistungen zugemuthet werden. Daher ist der Gesammteindruck des Orchesters in diesen Symphonien ein merklich verschiedener gegen die früheren, während wir der Hauptsache nach schon den Charakter festgestellt finden, welchen Mozart später nur reicher entwickelt hat. Von Experimentiren und Suchen nach Effecten ist auch hier nicht die Rede; Mozarts Sinn für das Naturgemäße und Einfache ließ sich nicht irren, und das Gefühl für gesunden Wohlklang tritt in der Behandlung des Orchesters überall hervor.

Auch in Hinsicht auf den Vortrag des Orchesters hatte er in Mannheim Erfahrungen gemacht, die nicht ungenutzt blieben. Die außerordentliche Wirkung des Crescendo auf ihn [358] ist unverkennbar, denn beinahe in jedem Satze finden sich Stellen die auf ein eigentliches, langathmiges Crescendo gebauet sind; nicht minder werden die Effecte des Contrastes zwischenpiano und forte jetzt in einer ganz anderen Weise ausgebeutet als dies früher der Fall war, wo – abgesehen von einzelnen Fällen – eine gewisse regelmäßige Abwechslung des forte und piano bei längeren Stellen Statt fand, während nun eine scharf nuancirte Schattirung oft in raschem Wechsel durchgeführt, auch fortissimo und pianissimo nicht vergessen wird. Indessen sind dies ja nur die äußeren Symptome einer höheren geistigen Auffassung, welche auch den Ausführenden zugemuthet wurde, und die daher bei einem Künstler, der nicht einseitig auf äußere Effecte ausging, voraussetzen läßt, daß er selbst größere Ansprüche an den inneren Gehalt, an die künstlerische Bedeutung seiner Compositionen machte, und von diesem Standpunkt aus gewinnen die Fortschritte, welche wir bei Mozart in der Handhabung der künstlerischen Mittel gewahren, ihren eigentlichen Werth13.

Als Virtuos ließ sich Mozart auf der Violine nicht mehr hören und wir finden daher auch keine Compositionen für die Violine aus dieser Zeit; nach seiner obigen Aeußerung über das Salzburger Publicum scheint er sich nicht eben dazu gedrängt zu haben vor demselben als Klavierspieler aufzutreten. [359] Zwei Compositionen fürs Klavier verdanken offenbar dem Wunsch mit seiner Schwester zusammen zu spielen ihre Entstehung. Das bedeutendere ist ein Concert für 2 Claviere mit Orchesterbegleitung in Es-dur14. Der Anlage und Behandlung nach ist es im Allgemeinen dem früheren Tripelconcert ähnlich; auch hier ist eine contrapunktisch durchgeführte Selbständigkeit der beiden Instrumente nicht beabsichtigt, der Reiz besteht darin, daß im Vortrag der Melodien und Passagen beide Spieler bald zugleich bald nach einander oft im raschen Wechsel sich ablösend und einander gleichsam ins Wort fallend, bald in schlichter Wiederholung bald mit Variationen fortwährend mit einander wetteifern, ohne daß der eine vor dem andern eigentlich bevorzugt würde. Die Technik ist im Wesentlichen dieselbe, doch sind die Aufgaben hier eher schwieriger, – es kommen z.B. einzelne, obwohl sehr bescheidene, Octaven und Terzengänge vor –, in den Passagen zeigt sich mehr Mannigfaltigkeit und Eleganz. Einen wesentlichen Fortschritt verräth auch die Haltung des Orchesters, das im Ganzen einfach und discret, aber sehr sein behandelt ist, [360] namentlich sind die Blasinstrumente in gehaltenen Accorden sehr wirksam als Grundlage für die Passagen der Klaviere angewendet; die Effecte des Crescendo und überhaupt einer seineren Nuancirung sind auch hier nicht vergessen. Daß die wesentliche Bedeutung des Ganzen nicht in den oben angedeuteten Vorzügen aufgeht läßt sich nach Allem was wir von Mozarts Art zu arbeiten kennen schon erwarten; auch in diesem Concert finden wir ein wohl gegliedertes Kunstwerk, das den eigenthümlichen Bedingungen seiner Existenz entspricht, durchaus klar und wohlklingend, sauber ausgeführt, der Ausdruck einer heiteren und freien Stimmung, die besonders im letzten Satz mit frischem Humor sich behaglich und anziehend ausspricht.

Die zweite Composition, eine vierhändige Sonate in B-dur, ist den meisten Klavierspielern wohlbekannt. Das vierhändige Klavierspiel war damals noch sehr wenig verbreitet und ausgebildet und Compositionen dieser Art gab es nur in geringer Anzahl. Ihrer Anlage nach ist die Sonate in der damals gewöhnlichen, knappen wenig ausgeführten Form gehalten; das Wesen des vierhändigen Spiels ist mit richtiger Auffassung darin gesetzt, daß beide Spieler gleichmäßig und selbständig sich am Ganzen betheiligen, was durch den bestimmten Gegensatz der Tonlage, der jeder Partie gewisse Schranken zieht, eigenthümlichen Bedingungen unterliegt. Wenn daher Baß- und Discant-Spieler auch nicht in der Art wie die auf zwei Klavieren Spielenden einander gleichartig gegenüberstehen, wenn der eine wesentlich das Fundament, der andere die Krönung zu vertreten hat, so lassen sich doch beide in ihrer Art mit eigenthümlicher Wirkung selbständig gestalten, so wie auch in den Mittellagen, in welche sie sich theilen, noch mannigfacher Spielraum geboten ist. Auf dieses Ziel einer freien Durchbildung der verschiedenen Elemente [361] zum Ganzen ist aber Mozarts Behandlung des vierhändigen Klavierspiels gleich in dieser ersten Composition gerichtet.

Als Organist hatte Mozart auch die Obliegenheit die Orgel zu spielen, was sich in der Regel auf die Begleitung zum Gesange und die an bestimmten Stellen üblichen Zwischenspiele beschränkte, die ihm eine Veranlassung zu freiem Phantasiren darbot, woran er, wie wir sahen, große Freude fand. Indessen sind auch einige Sonaten für Orgel mit Instrumentalbegleitung15 aus dieser Zeit bekannt, ganz in der Weise der oben (I S. 539ff.) besprochnen Sonaten gehalten, Compositionen nach Art des ersten Satzes einer freien Sonate, ohne eine Spur von kirchlicher Strenge, weder in der technischen Bearbeitung, die ganz leicht, noch in der Stimmung, die glänzend und heiter ist. Nur in einer dieser Sonaten (251), welche die längste und in der Form am meisten, aber ohne eigentliche Durcharbeitung, ausgeführte ist, tritt die Orgel als obligates Instrument auf, jedoch in sehr mäßiger Weise ohne Passagenwerk.

Von größeren Kirchencompositionen fallen in diese Jahre zwei Messen in C-dur16, von denen die erstere wohl zu den bekanntesten Werken Mozarts in diesem Fach gehört17. Sie sind ganz nach dem vorschriftsmäßigen Zuschnitt, nicht zu lang, [362] nicht zu ernst, ohne doch auffällig leicht zu werden, in keiner Hinsicht schwer und bedeutend, vielmehr durchaus bequem, und schließen sich ihrem Gehalt und der technischen Behandlung nach ganz den früheren, bereits näher charakterisirten (I S. 478ff.) an. Die leichte Erfindung, die nie verlegen ist etwas Angemessenes zu sagen, das Organisationstalent, welches immer ein wohl zusammenhängendes, klar übersichtliches Ganze herstellt, die Sicherheit der Technik, welche das Interesse am Einzelnen zu unterhalten weiß, vor Allem die unerschöpfliche Gabe des Wohllauts und Ebenmaaßes verläugnen sich auch hier nicht und sind Ursache daß auch unter so beschränkenden Verhältnissen doch noch etwas Ganzes und Gesundes zu Stande kommt. Allein nirgends erkennt man mehr, wie die Fessel des äußeren Gebotes den Aufschwung der inneren Kraft hemmt; die Regungen des eigenthümlichen Gefühls treten hier fast noch weniger hervor als in früheren Werken der Art; es ist wie die Hofuniform, in der er zwar auch mit Anstand sich zu zeigen versteht, die aber den eigentlichen Menschen mehr verkleidet als bekleidet. Recht auffällig kommt dieser Einfluß des Conventionellen in der Instrumentation zum Vorschein, die sich im Ganzen wenig von der früher üblichen unterscheidet: es durfte eben nicht viel anders klingen. Mitunter zeichnen sich einzelne Sätze auch in dieser Hinsicht aus [363] z.B. das Et incarnatus und Crucifixus der ersteren Messe durch eine ausdrucksvolle Geigenfigur, in der zweiten das Crucifixus und Resurrexit durch die Behandlung der Blasinstrumente, das Agnus Dei durch die Begleitung der Orgel, Oboe und Fagott, welche mit einem Solosopran concertiren; allein dies sind Einzelnheiten, im Ganzen ist die Klangfarbe des Orchesters die alte, die rauschenden Violinfiguren herrschen vor, die Posaunen blasen regelmäßig mit den Singstimmen u. ähnl. Auch in anderer Beziehung fehlt es natürlich nicht an eigenthümlichen Wendungen, selbst an überraschend schönen Stellen, wohin z.B. der ungemein schön verklingende Schluß der zweiten Messe gehört, in welcher das Benedictus sogar gegen die Gewohnheit ein ernster Chorsatz in streng contrapunktischer Form ist. Indessen sind auch dies nur einzelne Spuren eines hohen Genius, die um so lebhafter bedauern lassen, daß nicht das Ganze von gleichem Geist eingegeben und beseelt ist18.

[364] Sowie in früherer Zeit den Messen sich mehrere Litaneien anschließen, so sind aus diesen beiden Jahren einige Vespern von Mozart bekannt19, welche durch Umfang und Gehalt den Messen nicht bloß gleich sondern in mancher Hinsicht höher stehen. Was für besondere Umstände dahin gewirkt haben, daß er früher ausschließlich Litaneien, jetzt allein Vespern geschrieben hat, ist mir nicht bekannt; in musikalischer Hinsicht waren beide Aufgaben zwar verwandt, aber doch auch in mancher Beziehung unterschieden.

Denjenigen Theil der Vespern, an welchem die Figuralmusik sich betheiligt, bilden fünf Psalmen und der Lobgesang der Maria; jedes Stück wird mit demGloria patri u.s.w. abgeschlossen und bildet ein Ganzes für sich20. Während in der Litanei ein durch seinen Umfang und die eigenthümliche Haltung des Textes stark hervorgehobenes Hauptstück durch zwei ebenfalls eigenthümlich charakterisirte Sätze, dasKyrie und, Agnus, eingerahmt wird, zerfallen die Vespern in sechs äußerlich getrennte Sätze, welche jeder in sich abgeschlossen [365] und ohne bestimmte Verbindung sind, so daß sie in der künstlerischen Behandlung kein nothwendiges, in sich zusammenhängendes Ganze bilden21. Auch hier hat sich aber für die Auffassung im Ganzen wie für die unterscheidende Darstellung im Einzelnen eine bestimmte Gewohnheit gebildet, welche auch bei Mozart sich wirksam erweist. Im Allgemeinen wird man die Auffassung und Behandlung von der, welche sich in den Litaneien ausspricht (I S. 494ff.), nicht wesentlich verschieden erwarten; es ist auch hier dem entschieden Kirchlichen gegenüber der Nachdruck mehr auf das specifisch Künstlerische gelegt, und das Bestreben mit den Anforderungen des Gottesdienstes auch dem Verlangen nach künstlerischem Genuß, und zwar in dem keineswegs vorherrschend ernsten Sinn jener Zeit zu genügen, tritt auch hier unverkennbar vor. Indessen macht sich in den Vespern ein strengeres Festhalten an dem Ernst und der Würde kirchlicher Musik ungleich mehr geltend als in den Litaneien. Ein entschiedenes Anlehnen an die Weise und die Form der Oper zeigt sich hier nirgends, der Bravur sind nur ausnahmsweise und geringere Concessionen gemacht, das Orchester ist in der ganzen Einfachheit des altgewohnten [366] Kirchenorchesters gehalten22, und selbst dem Anmuthigen und Gefälligen ist nur ein bestimmter und beschränkter Spielraum gegönnt. Auch so darf man nicht außer Acht lassen, daß der Ausdruck des Ernstes und der Würde unter dem Einfluß jener Zeit stand, welche auch in der kirchlichen Kunst nicht die unbedingte Versenkung des innersten Menschen in das Heilige und Göttliche, weder innerhalb der strengen Satzung des Cultus noch in freier Hingebung, verlangte, sondern eine von menschlichen Verhältnissen entnommene Beobachtung der Formen, in welchen eine äußerliche Verehrung sich dem Anstand gemäß ausspricht. Es war also die Individualität des Künstlers, welche durch ein Bedürfniß tieferer gemüthlicher Befriedigung ebensowohl als durch das künstlerische Gefühl, daß die Anwendung bedeutender, nur in strenger Gesetzmäßigkeit zu handhabender Formen auch an den inneren Gehalt und die geistige Auffassung höhere Forderungen stelle, bestimmt wurde die Aufgabe ernster zu fassen, und die Würde der Kunst und des Künstlers zu wahren. In diesem Sinne darf man diese Vespern dem bei Weitem größten Theil nach zu den bedeutenden Werken Mozarts zählen.

Was die musikalische Gestaltung im Einzelnen betrifft, so war durch das Bedürfniß des Cultus durchgängig eine knappe Behandlung bedingt; die Textesworte mußten ungefähr sowie in der kurzen Messe grade durch componirt werden. Eine breite Ausführung einzelner für den musikalischen Ausdruck [367] geeigneter Stellen war nicht gestattet, ebensowenig war ein nach dramatischer Charakteristik strebendes Ausmalen gewisser Momente, wie es in neuerer Zeit mehrfach versucht worden ist, in dem Sinne damaliger Kunstübung. Jeder einzelne Psalm bildet vielmehr im Wesentlichen einen, in sich zusammenhängenden, fest gegliederten Satz. Es kam also auch hier darauf an, nicht in einer fortlaufenden musikalischen Darstellung den einzelnen Worten des Textes zu folgen, jeder Besonderheit ihren eigenen neuen Ausdruck zu geben und so in buntem Wechsel eine Fülle unzusammenhängender musikalischer Einfälle wie auf eine Schnur aneinander zu reihen; sondern vielmehr für die bezeichnenden Momente des Textes Motive zu erfinden, welche in einer Weise charakteristisch und bedeutend sind, um eine weitere Ausbildung und Anwendung zu gestatten, individuell unterschieden und doch aus der gemeinsamen Grundauffassung des Ganzen hervorgegangen und deshalb innig mit einander verwandt. Diese Elemente zu einem wohl gegliederten Kunstwerk zu organisiren war die Aufgabe, bei deren Losung sich Verständniß und Beherrschung der gesammten Technik unausgesetzt mit dem lebendigen Schaffen durchdringen mußten; wie denn auch die Erfindung der einzelnen Motive ebensowenig ohne die Conception des Ganzen denkbar ist. Die klare Organisation des Ganzen nach einfachen Gesetzen und die reiche Ausführung im Detail, welche Mozart in gleichem Maaße eigen sind, bewähren sich auch hier. Es sind nicht etwa nur die ebenmäßige, kunstvolle Verknüpfung der einzelnen Motive, die geschickte Vertheilung derselben, die interessanten Modificationen und Variationen derselben, welche einen stets wohlthuenden Eindruck machen; bei genauerem Eingehen wird man erstaunen, wie das, was nur als ein Erforderniß der einmal gewählten musikalischen Form erscheint und befriedigt, in der Regel ebenso wesentlich [368] dem charakteristischen Ausdruck des Gedankens dient und im innersten Grunde auf der geistigen Auffassung beruht23. Dieses Zusammentreffen der Lösung verschiedenartiger Bedingungen in einem Punkt, welches bei vollständigem Gelingen dem oberflächlichen Beobachter als ein glücklicher Zufall erscheint, ist das echte Siegel der künstlerischen Leistung. Wenn die Bewunderung noch gesteigert wird durch die Erwägung, wie einfach die Mittel sind, durch welche so bedeutende Wirkungen erreicht werden, so lehrt freilich die nächste Betrachtung daß eine solche Einfachheit, welche aus der Tiefe geschöpft ist, allein die Vereinigung und Durchbildung verschiedener Elemente zu einem Ganzen möglich macht. Die Aufgabe ist hier durch die Beschaffenheit der Textworte nicht leicht gemacht, da die Psalmen weder in der äußeren Form oder in der Art wie die Gefühle und Gedanken gegliedert sind der musikalischen Gestaltung eine leicht faßliche Handhabe bieten, noch durch den Ausdruck im Allgemeinen die musikalische Production bestimmt anregen. Der Musiker muß daher in nicht gewöhnlichem Grade selbstthätig sein, und es ist also sehr begreiflich, wenn er die Gesetze und Formen seiner [369] Kunst mit einer gewissen Schärfe handhabt, und ihnen nicht den Geist und Sinn seines Textes, wohl aber die Fassung des wörtlichen Ausdrucks hie und da unterwirft, soweit es ohne schädlichen Zwang geschehen kann.

Um in die Reihe im Wesentlichen einander nahe verwandter Musikstücke Abwechslung zu bringen hatte sich eine Norm gebildet, nach welcher die einzelnen in verschiedener Weise behandelt wurden; eine Norm, welche nicht grade mit Nothwendigkeit aus der Beschaffenheit der Texte hervorging, bei deren Feststellung offenbar auch das äußerliche Bestreben verschiedenen Richtungen der Kunstübung und des Geschmacks zu genügen mitgewirkt hat, wie wir dies auch bei den Litaneien beobachtet haben.

Die beiden vollständigen Vespern aus den Jahren 1779 und 1780, beide in C-dur, sind der Haltung und Arbeit nach einander sehr ähnlich. Verschiedene Stücke sind in beiden mit größerer Vorliebe behandelt und daher von ungleichem Werth: im Ganzen dürfte man kaum eine bestimmt über die andere setzen, doch ist vielleicht die frühere im Allgemeinen etwas strenger und ernsthafter. Die Entstehungszeit der beiden Sätze der dritten – Dixit und Magnificat – ist durch kein äußeres Zeugniß bestimmt und es wäre möglich daß sie ins Jahr 1776 oder 1777 gehörten; die Formen sind etwas breiter und ausführlicher behandelt als in jenen beiden, denen sie übrigens so nahe stehen, daß sie am besten ihnen beigesellt weiden.

Der erste Psalm Dixit Dominus ist in einem lebhaft bewegten Satz dargestellt, dessen Hauptcharakter Kraft und Würde ist; bei gleicher Grundstimmung ist in der ersten Composition mehr Feuer und Glanz, in der zweiten mehr Ruhe und Milde hervortretend. Die Art der Behandlung kann man etwa der im Gloria und Credo der Messe vergleichen. Ohne [370] eine ins Einzelne gehende und durchgeführte thematische Verarbeitung sind doch gewisse Hauptmotive festgehalten und kommen in verschiedener Art zur Geltung – namentlich machen sich die lebhaften Figuren der Saiteninstrumente in dieser Weise geltend; sie werden nicht allein harmonisch verschieden gewendet, sondern auch contrapunktisch – bald imitatorisch, bald durch Combination verschiedener Motive – bearbeitet. Ebenso sind die Singstimmen frei und selbständig geführt, aber abgesehen von einzelnen leichten Eintritten wesentlich harmonisch behandelt; Solostimmen treten mitunter zwischen den Chor, ohne aber etwa merklich bevorzugt zu sein. Das dritte Dixit Dominus ist größer und feierlicher gehalten und zeigt nicht allein von Anfang her bestimmtere contrapunktische Formen, sondern das Gloria patri ist selbständig behandelt, in einem langsameren einleitenden, und von den Worten Et in saecula saeculorum an in einem zwar kurzen, aber regelmäßig fugirten Satz mit einem hübschen Orgelpunkt.

Der zweite Psalm Confitebor tibi Domine ist in der früheren Vesper ein Chorsatz mit untermischtem Solo, nur von der Orgel und den Saiteninstrumenten begleitet (E-moll 3/4), eine der schönsten und reifsten Compositionen Mozarts und durch die Innigkeit und Zartheit des Gefühls wie die schöne Einfachheit und Reinheit der Form der früher besprochenen Messe inF-dur (I S. 473ff.) am nächsten stehend. Allein dort ist die Behandlung durchaus contrapunktisch, und hier wesentlich harmonisch. Ohne je schwülstig oder unklar zu werden ist hier eine Fülle der reichsten und überraschendsten Harmonien ausgebreitet, durch den selbständigen Gang der Stimmen in lebendiger Bewegung und natürlicher Entwickelung, trotz der vielen Vorhalte und unerwarteten Wendungen immer klar und wohllautend und – was die Hauptsache ist – immer der wahre und einfache Ausdruck der Stimmung24 [371] . Diese ist zwar nicht die eines aufgeregten, selbstquälerischen Bußfanatismus, wohl aber einer von dem schmerzlichen Gefühl der Schuld, die sie zu bekennen sich gedrungen fühlt, innerlich ergriffenen Seele; und das Maaßhalten im Ausdruck einer Stimmung, die gar leicht ins Sentimentale überschlägt, trifft mit dem wunderbaren Ebenmaaß der Form im Einzelnen, wie im Ganzen – denn auch die Gliederung des Satzes ist von großer Schönheit – vollkommen überein. Der entsprechende Satz in der zweiten Vesper hält mit diesem den Vergleich nicht aus. Er hält im Allgemeinen die im ersten Satz angeschlagene Stimmung fest und steigert sich zu höherem Ernst, ist auch ein durchaus tüchtiges und wohlklingendes Musikstück, das an seinem Platz gute Wirkung macht, allein von der eigenthümlichen, tief poetischen Schönheit jenes Satzes ist hier nichts zu finden.

Am wenigsten von einer eigenthümlichen Färbung hat der dritte Psalm Beatus Vir. Er ist in beiden Vespern ein lebhafter, kräftiger, man kann fast sagen heiterer Satz, der dem Gloria oder Credo mancher Messen ziemlich nahe steht, ohne aber den Charakter des Ernstes und der Würde in dem Maaße aufzugeben, wie es dort wohl der Fall ist. Auch hier wechseln Solostimmen mit dem Chor ab25, ohne daß der Fluß in dem das Ganze fortgeht dadurch unterbrochen wird; in der früheren Composition sind einige eigenthümlich schöne Effecte harmonischer Art, in der späteren treten mitunter contrapunktische [372] Wendungen hervor; eine lebhafte, rauschende Begleitung in den Geigen ist beiden gemein.

Wie in der Litanei die Worte Pignus futurae gloriae, so war in der Vesper der vierte Psalm Laudate pueri zu einer streng contrapunktischen Behandlung bestimmt worden, und ein gründlicher Kirchencomponist mußte sich hier ausweisen. In der ersten Vesper ist denn auch dieser Psalm ein tüchtiges Stück von contrapunktischer Arbeit. Er beginnt mit einem strengen Canon, bald aber wird diese Form verlassen, und es folgt eine Reihe imitatorischer Sätze, zum Theil mit einem Cantus firmus, die in verschiedener Weise bearbeitet und durch kurze freie mehr homophone Zwischenglieder mit einander verbunden, in einem langen Orgelpunkt ihren Abschluß finden26. Ungleich höher gespannt ist die contrapunktische [373] Kunst in der zweiten Vesper, wo eine Reihe schwieriger Aufgaben, die in streng geschlossener Form gelöst werden, zusammengedrängt sind. Nach der ersten regelmäßigen Durchführung des Thema


13.

tritt ein zweites Motiv auf


13.

welches anfangs frei behandelt wird und in einen kurzen [374] harmonischen Satz ausläuft, der nachher wieder als Zwischenglied verwendet wird. Hierauf werden beide Motive mit einander verbunden


13.

und zusammen durchgeführt, worauf dieser Abschnitt in einer Engführung des Hauptthemas, indem die Geigen das Nebenmotiv aufnehmen, auf dem Dominantaccord schließt. Nachdem das Hauptthema wieder eingesetzt hat, tritt die Umkehrung desselben als Gegenthema hinzu


13.

und die regelmäßige Durchführung endet in den obigen Zwischensatz, nach welchem nun das Thema und die Umkehrung zusammen auf dem Grundton als Orgelpunkt auftreten


13.

während die Geigen eine selbständige Begleitung ausführen. Nachdem die obige Engführung wieder auf den Dominantaccord geführt hat, treten in eigenthümlicher Steigerung beide ersten Motive zwischen die Singstimmen und die Begleitung vertheilt auf


13.

[375] Ein freier Schluß führt die kunstreiche Arbeit kräftig und bündig ans Ende.

Wie zur Erholung von dieser Anstrengung wird der fünfte Psalm Laudate dominum als ein Solosatz von gefälligem Charakter behandelt. In der früheren Vesper ist es ein Sopransolo mit obligater Orgel, das zwar nicht in der bestimmten Arienform gesetzt, aber durch lange brillante Coloratur und die leichte Haltung des melodiösen Theils mehr der weltlichen Musik angehört als irgend ein Stück Mozartscher Kirchenmusik aus diesen Jahren. Würdiger gehalten ist dieser Psalm in der zweiten Vesper. Auch hier ist es ein Sopransolo von mildem und lieblichem Charakter, der sich dem des Pastorale nähert27; aber es ist durchaus einfach gehalten, und erhält zum Schluß eine schöne Steigerung indem die Dorologie vom Chor gesungen wird.

Der Lobgesang der Maria (Magnificat anima mea), welcher den Schluß bildet, ist seiner ganzen Beschaffenheit nach [376] für die musikalische Darstellung am geeignetsten; die Verbindung, in welche er hier durch eine bestimmte Gestaltung des Ritus mit den vorangegangenen Psalmen gesetzt ist, bedingt auch für ihn eine dem Umfang wie der Auffassung nach entsprechende Behandlung. Wir finden daher weder eine umfassende, die einzelnen Sprüche im Detail ausführende Bearbeitung, wie sie sonst dem Magnificat von großen Meistern zu Theil geworden ist, noch eine auf individuelle, dramatisirende Charakteristik, zu welcher hier wohl die Veranlassung geboten wäre, hingerichtete Darstellung, sondern Alles ist knapp und kurz behandelt und mit der bestimmten Absicht, ein Gegenstück zum ersten Psalm zu geben, wodurch das Ganze abgeschlossen würde. Diesem entspricht nicht allein der äußere Umstand daß hier mit der ersten Tonart wieder Trompeten und Pauken eintreten, sondern auch der verwandte Ausdruck der Stimmung und die technische Behandlung. Der lebendige und kräftige Ausdruck einer festen und fröhlichen Zuversicht, welcher beiden gemein ist, wird natürlich hier dem Text gemäß gesteigert, da dort die Verheißung, hier der Dank für ihre Erfüllung ausgesprochen wird, und demgemäß ist auch die technische Behandlung, besonders durch den erweiterten Gebrauch contrapunktischer Formen, bedeutender und lebendiger; im Ganzen aber herrscht in beiden ein Ton und eine Farbe, und eine zusammengedrängte, rasch zu Ende treibende Darstellung. In dem Magnificat der beiden vollständigen Vespern sind die Worte Magnificat anima mea Dominum in einem kurzen langsamen Satz als eine feierliche Einleitung behandelt; mit Et exultavit tritt ein lebhaftes Tempo ein, das bis zu Ende festgehalten wird, in welchem Chor und Solo in der schon bekannten Weise abwechseln. Auch hier kann man die Beobachtung machen, daß charakteristisches Hervorheben einzelner Momente in dem früheren Magnificat [377] meist durch harmonische, im zweiten durch contrapunktische Mittel bewirkt wird. Ungleich größer angelegt und ausgeführt ist das dritte Magnificat, welches dem dazu gehörigen Dixit entspricht, aber sich noch mächtiger als dieses ausbreitet. Die Worte des Lobgesanges selbst sind in einem großen Satz (allegro moderato C) behandelt. Mozart hat aus dem dritten Choralton des Magnificat


13.

das Thema gebildet28, mit welchem der Tenor beginnt, indem der Baß sogleich mit einem Gegenthema dazu eintritt


13.

Dies Thema bildet nun den Grundstock des ganzen Satzes, indem es in ähnlicher Weise wie im Credo der Messe in F-dur geschieht (I S. 475f.), in verschiedener contrapunktischer Behandlung zu kleinen Sätzen verarbeitet ist, welche durch andere frei gestaltete Zwischenglieder mit einander verbunden sind. Die Dorologie ist, wie beim Dixit, selbständig in zwei Sätzen behandelt. Der erste langsame ist durch eine figurirte Begleitung – die übrigens auch in dem Magnificat [378] oft in eigenthümlicher Weise eingreift – belebt, der zweite ist eine lebhafte, regelrecht durchgeführte Fuge29.

Fußnoten

1 Auf die Anmeldung Wolfgangs antwortet der Vater (11. Jan. 1779): »Ich habe meine Niece schon öfter eingeladen, allein ich habe ihr auch geschrieben, daß in Salzburg der Winter nicht so schön als der Sommer ist. Sie schrieb mir auch, daß sie kommen werde, indem ihr der Postwagen in München durch einen Freund immer zu Diensten stehe. Du kannst Dich aber nicht aufhalten um eine Antwort von meinem Bruder deßwegen abzuwarten, dann ich will absolute daß Du mit dem Hrn. Gschwendner abreisest; ich habe es aller Welt gesagt daß Du mit ihm kommst, und Du wirst die Sache doch nicht aufs Aeußerste treiben und mich zum immerwährenden Lügner machen. Will meine Niece mich mit ihrer Gegenwart beehren, so kann sie den 20ten mit dem Postwagen nachkommen, da wir für sie unterdessen das Zimmer, wo die Mitzerl war, herrichten müssen, indem Du wohl weißt, daß die anderen Zimmer vorn wegen der erschröcklich großen Oefen nicht zu heitzen sind. Der Postwagen-Conducteur, der ein braver Mann ist, wird alle Sorge für sie haben und ich werde schon mit ihm dann sprechen, daß er Alles auf der Reise bezahlt.«


2 Die Originalpartitur (André Verz. 122) hat die Ueberschrift di Wolfgango Amadeo Mozart d. 26 April 1779. Das Orchester ist stark besetzt, außer dem Quartett 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Fagotts, 4 Hörner; auf einem Beiblatt sind nachträglich noch 2 Trompeten von Mozart hinzugefügt, ob vielleicht eine Paukenstimme verloren gegangen sei läßt sich nicht bestimmen. Zu bemerken ist, daß die Hörner in G undD, die Trompeten in C stimmen; die dadurch gebotenen Vortheile sind mit geschickter Berechnung benutzt.


3 Sie besteht aus drei zusammenhängenden Sätzen:Allegro spiritoso C, in welchem neben dem gleich anfangs auftretenden Hauptmotiv von energischem Charakter, das in verschiedener Art mehrfach wiederkehrt, zwei selbständige, ruhigere Motive nach einander eingeführt sind; Andante 3/8, sanft und weich, etwas langer als sonst meist diese Mittelsätze sind, aber einfach ohne thematische Verarbeitung, welches unmittelbar in das erste Allegro zurückführt, das aber verkürzt (es tritt nur das erste der beiden Nebenmotive wieder auf) und auch in der Bearbeitung modificirt ist – wie sich von selbst versteht, mit dem nothwendigen Wechsel der Tonarten.


4 Der Menuett in der Symphonie war damals in Salzburg nicht beliebt. Zu der Symphonie in B-dur ist der Menuett von Mozart später – nach der Handschrift zu urtheilen erst in Wien für eine dortige Aufführung – componirt und auf einem besonderen Blatt beigelegt; zu der anderen in C-dur hat er einen Menuett angefangen, aber nur den ersten Theil vollendet und in der Partitur durchgestrichen. Das Bestreben die Symphonie nicht zu lang werden zu lassen, das man darin wohlerkennen kann, zeigt sich auch dadurch, daß im ersten Satz der erste Theil, obwohl er vollständig abgeschlossen ist, nicht wiederholt wird.


5 Auf dem Autograph (André Verz. 123) ist bemerktdi Wolfgango Amadeo Mozart Salisburgo li 9 di Luglio 1779. Sie ist für das gewöhnliche Salzburger Orchester (Saitenquartett, 2 Oboen, 2 Fagotts, 2 Hörner) geschrieben. Die Partitur ist gedruckt in der Sammlung von Breitkopf und Härtel 11.


6 Als ein Curiosum mag hier angemerkt werden daß in der Durchführung des ersten Satzes wieder das Motiv


13.

in mannigfachen Wendungen als eine Art von Uebergangsformel zum Vorschein kommt, das schon früher als ein von Mozart öfter gebrauchtes angemerkt wurde (I S. 475).


7 Die Originalpartitur (André Verz. 125) trägt die Bemerkung di Wollgango Amadeo Mozart li 29d'Agosto, Salisburgo 1789. Sie ist für Saitenquartett, 2 Oboen, 2 Fagotts, 2 Hörner, 2 Trompeten und Pauken geschrieben. Die Partitur ist gedruckt in der Sammlung von Breitkopf & Härtel 10.


8 Die Fagotts verstärken bloß den Baß.


9 Auf dem Original (André Verz 124) steht: di Wolfgango Amadeo Mozart Salisburgo li 3 d'Agosto 1779. Die Symphonie ist in D-dur, für Saitenquartett, 2 Oboen, 2 Fagotts, 2 Hörner, 2 Trompeten und Pauken, wozu in einigen Sätzen zwei Flöten, Flautino und Posthorn treten, geschrieben. Gedruckt ist der erste Satz (Adagio, Allegro con spirito), das Andantino und das Finale als selbständige Symphonie in der Sammlung von Breitkopf & Härtel 7. Dabei ist es nicht ohne Fehler und einige Verballhornisirungen abgegangen; eine der schlimmsten findet sich S. 42, wo die erste und zweite Violine in Octaven gehen, wahrend Mozart die zweite Violine einen Tact vor der ersten eintreten laßt und die Imitation zwölf Tacte durchführt. Auch hat offenbar keine Paukenstimme vorgelegen, sondern diese ist nach der Trompetenstimme unglücklich ergänzt. Für den, welcher auch auf das Kleine zu achten Sinn hat, sind diese Differenzen selbst in einer Paukenstimme nicht ohne Inte resse.


10 Im Trio treten wie häufig Flöte und Fagott hinzu um die Melodie zu verstärken. Uebrigens ist dasselbe weniger bedeutend als der sehr schöne Menuett.


11 Diese beiden Stücke besaß André auch in einer besonderen Abschrift, von Mozart Sinfonia concertante überschrieben, also zu besonderer Aufführung bestimmt (I S. 572).


12 Nach der üblichen Weise dem Trio des Menuetts durch ungewöhnliche Instrumentalcombinationen einen eigenthümlichen Reiz zu geben (I S. 571), ist hier im ersten Trio dem Flautino, im zweiten dem Posthorn ein Solo gegeben. Dabei ist auffallend, daß in Mozarts Originalpartitur die Stimme des Flautino leer gelassen ist; wofür ich keine sichere Erklärung weiß.


13 Man kann denken daß Mozart zu thun hatte dem altgewohnten Treiben der Salzburger Kapelle gegenüber die neuen Anforderungen an eine ganz andere Vortragsweise durchzusetzen. Rochlitz (A. M. Z. I S. 85f.) erzählt mit welcher Lebhaftigkeit er das etwas eingerostete Leipziger Orchester in Bewegung zu bringen verstand; wie mag er als junger Mann seinen Salzburgern gegenüber aufgetreten sein. Wenn das Bäsle sich später über die excentrische Lebendigkeit Mozarts beim Dirigiren aufhielt, so laßt sich wohl begreifen, daß sie damals in Salzburg eigenthümliche Orchesterscenen erlebt hat.


14 Auf der Originalpartitur steht nur Concerto a due Cembali. Worauf Andrés bestimmte Angabe (handschr. Verz.), es sei 1789 componirt, sich gründet weiß ich nicht, aber sie scheint mir ganz richtig. Denn Mozart erbittet sich in Wien von seinem Vater 27. Juni 1781 »die Sonate à 4 mains ex B und die zwei Concerte auf 2 Clavier«, berichtet auch später daß er in einer Academie mit Frl. Auernhammer das Concert a due gespielt habe (24. Nov. 1781). Dazu stimmt es auch, daß während ursprünglich das Orchester außer dem Saitenquartett aus 2 Oboen, 2 Fagotts und 2 Hörnern besteht, auf einem Beiblatt später noch 2 Clarinetten – für die Aufführung in Wien – hinzugefügt sind. Dies Concert ist gedruckt in der Sammlung bei Breitkopf & Härtel 17. Das zweite Concert, welches dort erwähnt wird, ist ohne Zweifel das ursprünglich für drei Klaviere geschriebene und dann für zwei von ihm eingerichtete (I S. 616). Die vierhändige Sonate ist Oeuvres VII, 4 gedruckt.


15 André Verz. 250, Sonate für Orgel, 2 Violinen und Baß; 251, Sonate für Orgel mit 2 Violinen, 2 Oboen, 2 Hörnern, 2 Trompeten und Pauken und Baß; 252, Sonate für Orgel, 2 Violinen und Baß, mit der Bemerkung di Wolfgango Amadeo Mozart nel Marzo 1780.


16 Sie sind Beil. VIII, 16 und 17 angeführt.


17 Daß man sie später in Wien gern aufführte, bezeugt ein Brief Mozarts an Stoll, Schullehrer und Regens Chori in Baden, aus seinen letzten Lebensjahren (Wiener Musikzeitg. 1843 Nr. 88):


»Liebster Stoll!

(Sei er kein Schroll!)«


»Imo möchte ich wissen, ob gestern Stadler bei Ihnen war und die Messe


13.

von mir begehrt hat? – Ja? – so hoffe ich sie heute noch zu erhalten; wo nicht, so bitte ich Sie die Güte zu haben mir sie gleich zu schicken, NB. mit allen Stimmen, ich werde sie bald wieder zurückstellen.«


18 Ich kann jetzt über das Beil. VIII, 30 verzeichneteRegina Coeli genauer berichten, da ich Mozarts Originalmanuscript, das von Carl Mozart dem Mozarteum in Salzburg geschenkt worden ist, eingesehen habe. Es ist allerdings ein Kyrie, das nicht vollendet ist; es bricht ab nach dem zweiten Tact der Wiederholung des Hauptthemas (S. 9 Tact 2 der gedruckten Partitur), wohl nur weil die folgenden Blätter verloren sind. Von Mozart vollständig ausgeschrieben sind nur die vier Singstimmen, außerdem der bezifferte Baß und die erste Violine größtentheils und Einzelnes in den anderen Stimmen. Vollendet ist der Satz vom Abbe Max Stadler, wie ein von Nissen am Rand abgeschriebener Brief desselben beweist: »Es machte mir Mühe ein solches Meisterstück zu vollenden. Ich wäre aber der unmaßgeblichen Meinung, daß statt des Kyrie andere Worte, sollten es auch teutsche seyn, unterlegt werden sollten, und dann wäre diese herrliche Composition ein selbständiges Werk, welches allenfalls ein Chor, und zwar ein recht prächtiger, majestätischer Chor genannt zu werden verdiente.« Nissen hat dann hinzugesetzt: »Text zu dieser erhabenen Musik:


Herr wie groß, wie viel sind deiner Werke! Halleluja!


und auf das Piano:


O wie gütig und barmherzig bist du, Gott, Herr des Himmels und der Erde!


Oder es könnte der Musik ein Text unterlegt werden, wodurch sie in einen sanften Chor umgewandelt würde z.B. aus Mendelssohns Uebersetzung des 92 Psalms: Lieblich ists dem Ewgen danken, Höchster, deinem Namen singen.« Der ergänzte Chor mit untergelegtem Text des Regina Coeli befindet sich in einer wahrscheinlich von Stadler gemachten Abschrift im Besitz der Frau Baroni Cavalcabo in Wien. Daß das interessante Musikstück in diese Zeit gehöre ist der Handschrift nach, so wie, von Anderem abgesehen, der selbständigen Führung des Fagotts wegen wahrscheinlich.


19 Beil. VIII, 25. 26. 27.


20 S. Beil. IX, II.


21 Der Wechsel in der Tonart der einzelnen Stücke ist daher auffallender als es sonst bei zusammengehörigen Sätzen der Fall zu sein pflegt. So ist in VIII, 25 das Dixit und Magnificat in C-dur, Confitebor in E-moll, Beatus vir in B-dur, Laudate pueri in E-dur, Laudate dominum in A-dur; in Vl II, 26 ist Dixit undMagnificat ebenfalls in C-dur, Confitebor in Es-dur, Beatus vir in G-dur, Laudate pueri in D-moll, Laudate Dominum in F-dur. Man wechselte deshalb auch mit den einzelnen Psalmen und stellte je nach Gutdünken verschiedene Compositionen derselben, auch von verschiedenen Meistern, zusammen. Dixit undMagnificat, als die beiden Eckpfeiler, galten für die Hauptstücke; daher wurden diese am häufigsten neu componirt, und zwischen ihnen dann andere eingelegt. Auch von Mozart ist ein Dixit und Magnificat vorhanden (VIII, 27), zu denen er die anderen Psalmen nicht componirt zu haben scheint.


22 Es dienen außer der Orgel (die nur einmal obligat auftritt) zwei Violinen mit dem Baß, Trompeten und Pauken (diese nur beim Dixit und Magnificat) und die mit dem Chor blasenden Posaunen zur Begleitung. Die Bratschen gehen regelmäßig mit dem Baß; dagegen ist – was früher äußerst selten vorkommt – das Violoncello öfters vom Contrabaß getrennt. Einmal ist auch ein sehr einfaches Solofagott, und zwar ad libitum, gebraucht.


23 Interessant ist es die verschiedenen Behandlungen der Doxologie (Gloria patri u.s.w.) mit einander zu vergleichen. Da am Schluß jedes Satzes dieselben Worte wiederkehren, so hatte man wohl auf den Gedanken kommen können, sie auch in derselben musikalischen Darstellung zu wiederholen und durch diese Art von Refrain eine Beziehung der einzelnen Sätze zu einander herzustellen. Allein man hat sie vielmehr ganz eng mit dem Text in Verbindung gesetzt, dem sie angeschlossen sind, um die Anwendung dieser allgemeinen Formel auf den einzelnen Fall als eine durch dessen besondere Natur bedingte und sie selbst als eine dadurch ganz individuell bestimmte zu charakterisiren. Meistens wird daher ein Hauptmotiv des betreffenden Stücks der Doxologie angepaßt, und es ist zum Erstaunen, wie verschiedenartig und doch in jedem Fall angemessen und ausdrucksvoll diese Worte musikalisch ausgedrückt werden.


24 Auch die einfache, aber mitunter in der schönsten Weise selbständig eintretende Begleitung, namentlich der Violinen, hebt die Wirkung des Ganzen ähnlich wie in jener Messe.


25 In der zweiten Vesper ist dem Solosopran bei den Worten cornu eius exaltabitur eine lange Triolenpassage gegeben, was dort sonst nicht weiter vorkommt.


26 Die Form des Ganzen ist sehr eigenthümlich und abweichend von der strengen Regelmäßigkeit welche bei Mozart vorherrscht. Es beginnt mit einem unendlichen Canon; die 12 Takte lange Melodie des


13.

Soprans wird 3 Takte später vom Alt im Einklang vollständig nachgeahmt, dann folgt der Tenor in der Octave, diesem der Baß im Einklang. Der Sopran nimmt nach Beendigung der Melodie dieselbe wieder auf, Alt und Tenor folgen; der regelrechte Gang des Canons wird aber dann durch eine vollständige Finalcadenz unterbrochen, in der sich alle Stimmen auf der letzten Schlußnote der Melodie des Basses vereinigen. Ein kurzes Thema, das der Baß jetzt einführt, wird von den übrigen Stimmen in gleicher oder Gegenbewegung nachgeahmt, und geht bald in einen kurzen mehr homophonen Satz über der in D-moll schließt. Hierauf setzt der Sopran mit einer neuen charakteristischen Melodie ein


13.

deren Anfangstakte von den übrigen Stimmen imitirt werden; anstatt einer weiteren Durchführung tritt im Alt ein neues Thema ein, dem ein Gegenthema folgt, die beide mit einander imitirt werden; worauf der Alt eine neue Melodie anhebt, die als Cantus firmus von den übrigen Stimmen in Imitationen figurirt wird und in A-moll schließt. Darauf beginnt der Alt wieder mit dem obigen Thema des Sopran, aber in F-dur, der Sopran folgt mit dem zweiten, die imitatorische Figurirung aber macht bald einer schönen harmonischen Bearbeitung Platz, auf welche der dritte Satz folgt: die imitatorischen Stimmen sind in demselben Charakter gehalten, der Alt hat nun einen anderen Cantus firmus. Hieran schließt sich endlich eine lange Coda, welche aus einzelnen Abschnitten früherer Themen gebildet ist, die auf mannigfache Art contrapunktisch in Engführungen und Gegenbewegungen durchgearbeitet werden, und im Orgelpunkt auf der Dominante zum Abschluß gelangt. Dabei ist wohl zu bemerken, daß die Stimmen nicht allein stets selbständig, häufig bedeutend und charakteristisch, sondern auch sangbar und wohlklingend geführt sind. – Uebrigens vermuthe ich, daß die Melodien, welche als Cantus firmus auftreten, zum Theil wenigstens Choraltönen entnommen sind.


27 Ein Solofagott, das in einfach gehaltenen Tönen bald die Melodie unterstützt, bald eine Mittelstimme übernimmt, hebt dies noch mehr hervor.


28 Der zweite Choralton des Magnificat


13.

ist, wie man sieht, das Grundthema zu Mendelssohns Lobgesang, von ihm wahrscheinlich mit Absicht ausgewählt.


29 Unter den unvollendet gebliebenen Entwürfen Mozarts im Archiv des Mozarteums in Salzburg befinden sich mehrere Anfänge eines Kyrie, die der Handschrift und der Instrumentation nach, wie aus anderen Grün den dieser Zeit angehören. Unter ihnen ist besonders bemerkenswerth der Ansang einer Messe mit obligater Orgel (Nr. 56), und der Anfang (zwei Blätter) eines Kyrie (Nr. 29), welches so streng contrapunktisch gearbeitet ist, daß diese Messe, wenn sie vollendet wäre, wohl zu den ausgearbeitetsten gehören würde. Aber dergleichen Compositionen auszuführen fehlte es ihm damals in Salzburg an Antrieb und Förderung.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 2, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1-2,346-380.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Seltsame Leiden eines Theaterdirektors

Seltsame Leiden eines Theaterdirektors

»Ein ganz vergebliches Mühen würd' es sein, wenn du, o lieber Leser, es unternehmen solltest, zu den Bildern, die einer längst vergangenen Zeit entnommen, die Originale in der neuesten nächsten Umgebung ausspähen zu wollen. Alle Harmlosigkeit, auf die vorzüglich gerechnet, würde über diesem Mühen zugrunde gehen müssen.« E. T. A. Hoffmann im Oktober 1818

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon