§. 11.

[105] Wenn man rein spielen will, kömmt auch vieles darauf an, daß man auf die Stimmung der Violin sieht. Ist sie tief gestimmet; so muß man den Bogen von dem Sattel etwas entfernen: ist sie aber hoch gestimmet; so kann man sich dem Sattel mehr nähern. Hauptsächlich aber muß man sich bey der (D) und (G) Seyte allezeit mehr vom Sattel entfernen, als auf der (A) und (E) Seyte. Die Ursach hiervon ist ganz natürlich. Die dicken Seyten sind am Ende, wo sie aufliegen, nicht so leicht zu bewegen: und will man es mit Gewalt thun; so geben sie einen rauhen Ton von sich. Doch verstehe ich keine[105] weite Entfernung. Der Unterscheid beträgt nur etwas weniges: und da eben nicht alle Violinen gleich sind; so muß man auf ieder den Ort sorgfältigst zu suchen wissen, wo die Seyten mit Reinigkeit in einen gelinden oder gähen Schwung zu bringen sind: wie es nämlich das Singbare des abzuspielenden Stückes erfordert. Uebrigens darf man die dicken und tiefen Seyten allezeit stärker angreifen, ohne das Gehör zu beleidigen; denn sie zertheilen und bewegen die Luft langsam und schwach, folglich klingen sie nicht so scharf in den Ohren: die feinen und stark angespannten Seyten hingegen sind von einer geschwinden Bewegung, und durchschneiden die Luft stark und geschwind; man muß sie also mehr mäßigen, weil sie schärfer in das Gehör fallen.

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Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 105-106.
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