Achte Reise.

[280] Der Vater mit dem Sohne allein nach München, vom December 1774 bis zum 7ten März 1775.


Briefe des Vaters an die Frau und die des Sohnes an die Mutter und an die Schwester.


Die letzte Reise des Vaters mit dem Sohne.


Im folgenden Jahre, Anfangs December 1774, machte unser Wolfgang mit seinem Vater eine Reise nach München, welche ihm zur Verfertigung mehrer vortrefflichen Musikstücke, wie der Opera buffa, La finta Giardiniera, zweyer grossen Messen, eines Offertoriums und einer Vesper de Dominica für die Kapelle des Churfürsten Gelegenheit bot.


(Leopold M. Brief No. 155.)


München, den 9. Decbr. 1774.


Wegen der Oper kann ich noch Nichts schreiben. Heute haben wir erst die Personen kennen gelernt, welche Alle mit uns sehr freundschaftlich waren, besonders Graf Seau. – – –


(Leopold M. Brief No. 156.)


München, den 14. Decbr. 1774.


Wegen unserer Tochter, die herkommen möchte, um ihres Bruders Oper zu hören, habe ich noch keinen anständigen Ort gefunden: in diesem Puncte ist hier grosse Aufmerksamkeit nöthig. Suche mir in meiner Musik die zwey Litaneyen de Venerabili und vom hochwürdigen Gute, die im Stundgebete gemacht werden. Eine von mir ex D: die neuere fängt an mit Violin und Bass staccato. Du kennst[281] sie schon: die zweyte Violine hat beym Agnus Dei lauter dreyfache Noten. Dann des Wolfgangs Litaney, in welcher die Fuge Pignus futurae gloriae. Diese zwey Litaneyen werden hier am Neujahrstage im Stundgebete gemacht werden. – – –


(Leopold M. Brief No. 157.)


München, den 16. Decbr. 1774.


Ich habe nun eine Wohnung für die Nannerl bey Frau von Durst. Diese ist 28 Jahre alt, sehr eingezogen und voller Belesenheit und Vernunft: sie leidet keinen Umgang von Schmirbern um sich, und ist sehr höflich und angenehm. Nannerl findet da einen Flügel zu eigenem Gebrauch; auf diesem muss sie fleissig die Sonaten von Paradies und Bach und das Concert von Lucchesi spielen. – –


(Leopold M. Brief No. 158.)


München, den 21. Decbr. 1774.


Nannerl soll auch des Wolfgangs geschriebene Sonaten und Variationen mitbringen. Wolfgangs Concert haben wir mit uns. – – – –


(Leopold M. Brief No. 159.)


München, den 28. Decbr. 1774.


Von Wolfgangs Oper ist die erste Probe gewesen. Sie hat so sehr gefallen, dass sie auf den 5ten Januar verschoben wird, damit die Sänger sie besser lernen, und, wenn sie die Musik recht im Kopfe haben, sicherer agiren können, auf dass die Oper nicht verdorben werde. Die bestimmt gewesene Aufführung am morgenden Tage wäre übereilt gewesen. Da die Composition erstaunlich gefällt, so kömmt es[282] nur auf die Production im Theater an, die, wie ich hoffe, gut gehen soll, weil die Schauspieler uns nicht abgeneigt sind. Dass die Herren Hofleute mit Euch höflich sind, glaube ich gerne: das ist ihre Politik, und sie argwöhnen allerhand Sachen. Die Nannerl muss mir einen Creditbrief mitbringen, denn wenn man gleich ein Regal erhält, so wird es oft verschoben, dass man es nicht ab warten kann, ja manchmal erst nachgeschickt; und ich will mich auf Nichts verlassen, denn hier ist Alles langsam und oft verwirrt. – – –


Nachschrift von Wolfg. A.M. (dessen Briefe No. 51.)


Meine liebste Schwester! Ich bitte Dich, vergiss nicht vor Deiner Abreise, Dein Versprechen zu halten, d.i. den bewussten Besuch abzustatten – denn ich habe meine Ursachen. Ich bitte Dich, dort meine Empfehlung auszurichten – aber auf das Nachdrücklichste – und Zärtlichste – und oh – ich darf mich ja nicht so bekümmern, ich kenne ja meine Schwester, die Zärtlichkeit ist ihr ja eigen. Ich weiss gewiss, dass sie ihr Mögliches thun wird, um mir ein Vergnügen zu erweisen, und aus Interesse – ein wenig boshaft! – Wir wollen uns in München darüber zanken. Lebe wohl!


(Leopold M. Brief No. 160.)


München, den 30. Decbr. 1774.


Am Donnerstage wird die Oper aufgeführt. Nun musst Du wissen, dass der Maestro Tozi, der heuer die Opera seria schreibt, vor'm Jahre um eben diese Zeit eine Opera buffa geschrieben, und sich so bemüht hat, solche gut zu schreiben, um die Opera[283] seria, die vor'm Jahre der Maestro Sales schrieb, niederzuschlagen, dass des Sales Opera wirklich nicht mehr recht gefallen wollen. Nun ereignet sich der Zufall, dass Wolfgangs Oper eben vor der Oper des Tozi gemacht wird; und da sie die erste Probe hörten, sagten Alle: nun wäre Tozi mit gleicher Münze bezahlt, indem Wolfgangs Oper die seinige niederschlage. Dergleichen Sachen sind mir nicht lieb, und suche dergleichen Reden zu stillen, protestire ohne Ende; allein das ganze Orchester und Alle, die die Probe gehört haben, sagen, dass sie noch keine schönere Musik gehört haben, wo alle Arien schön sind. Basta. Gott wird Alles gut machen.


N.S. von Wolfg. A. Mozart (dessen Briefe No. 52).


Ich bitte meine Empfehlung an die Roxelane, und sie wird heute Abend mit dem Sultan den Thee nehmen. An die Jungfrau Mizerl bitte alles Erdenkliche, sie soll an meiner Liebe nicht verzweifeln: sie ist mir beständig in ihrem reizenden Negligee vor Augen. Ich habe viele hübsche Madel hier gesehen, aber eine solche Schönheit habe ich nicht gefunden. Meine Schwester soll nicht vergessen, die Variationen über den Menuett von Eckart, und meine Variationen über den Menuett von Fischer mitzunehmen. Gestern war ich in der Comödie: sie haben es recht gut gemacht. Meine Empfehlung an alle gute Freunde und Freundinnen. Ich hoffe, Du wirst – Lebe wohl! – Ich hoffe Dich bald in München zu sehen. Der Mama küsse ich die Hände, und damit hat es heute ein Ende. Halte Dich recht warm auf der Reise, ich bitte Dich, sonst kannst Du Deine[284] vierzehn Tage zu Hause sitzen und hinter dem Ofen schwitzen. Wer wird Dich dann beschützen? Ich will mich nicht erhitzen. Jetzt fängt es an zu blitzen. Ich bin wie allezeit etc.


(Leopold M. Brief No. 161.)


München, den 5. Januar 1775.


Gestern kam die Nannerl. – Sperre gut die Zimmer, damit Nichts gestohlen wird. Wenn man ausgeht, kann leicht Etwas geschehen. Die Oper wird erst am 13ten gegeben. – – –


(Leopold M. Brief No. 162.)


München, den 11. Januar 1775.


Bis dato scheint es, dass der Wolfg. alle Hoffnung hat, die grosse Oper auf's Jahr hier zu schreiben.


N.S. von Wolfg. A. Mozart (dessen Briefe No. 53).


Wir befinden uns Alle, Gott Lob, recht wohl. Ich kann unmöglich viel schreiben, denn ich muss den Augenblick in die Probe. Morgen ist die Hauptprobe; den 13ten geht meine Oper in Scena. Die Mama darf sich nicht sorgen, es wird Alles gut gehen. Dass die Mama einen Verdacht auf den Graf Seau geworfen, thut mir sehr wehe, denn er ist gewiss ein lieber, höflicher Herr, und hat mehr Lebensart, als Viele seines Gleichen in Salzburg. Hr. von Mölk (aus Salzburg) hat sich hier so verwundert und verkreuzigt über dieOpera seria, wie er sie hörte, dass wir uns schämten, indem Jedermann klar daraus sah, dass er sein Lebtag nichts als Salzburg und Innsbruck gesehen hat.Addio. Ich küsse der Mama die Hände.


[285] (Wolfg. Amad. Mozart's Brief No. 54.)


München, den 14. Januar 1775.


Gott Lob! Meine Oper ist gestern in Scena gegangen, und so gut ausgefallen, dass ich der Mama den Lärmen unmöglich beschreiben kann. Erstens war das ganze Theater so gestrotzt voll, dass viele Leute wieder zurück haben gehen müssen. Nach einer jeden Arie war allezeit ein erschreckliches Getös mit Klatschen, und Viva Maestro-Schreyen. Ihro Durchl. die Churfürstin und die Verwittwete (welche mir vis à vis waren) sagten mir auch Bravo. Wie die Oper aus war, so ist unter der Zeit, wo man still ist bis das Ballet anfängt, nichts als geklatscht und Bravo geschrieen worden, bald aufgehört, wieder angefangen, und so fort. Nachdem bin ich mit meinem Papa in ein gewisses Zimmer gegangen, wo der Churfürst und ganze Hof durch muss, und habe Ihren Durchlauchten, dem Churfürsten, der Churfürstin und den Hoheiten die Hände geküsst, welche Alle sehr gnädig waren. Heute in aller Frühe schickten Se. Fürstl. Gnaden der Bischof von Chiemsee her, und liess mir gratuliren, dass die Oper bey Allen so unvergleichlich ausgefallen wäre. Wegen unserer Rückreise wird es so bald nicht werden, und die Mama soll es auch nicht wünschen, denn die Mama weiss, wie wohl das Schnaufen thut. – – – Wir werden noch früh genug zum(hier war ausgestrichen) kommen. Eine rechte und nothwendige Ursache ist, weil am Freytage die Oper abermals gegeben wird, und ich sehr nothwendig bey der Production bin – – sonst würde man sie nicht mehr kennen – – denn es ist gar kurios hier. (Grüsse) An Bimberl 1000 Busserln.


[286] (Leopold M. Brief No. 163.)


München, den 18. Januar 1775.


Dass die Oper einen allgemeinen Beyfall hatte, wirst Du schon aus vielen Berichten wissen. Stelle Dir vor, wie verlegen Se. Hochfürstl. Gnaden unser Erzbischof und Herr seyn musste, von aller Churfürstl. Herrschaft und dem ganzen Adel die Lobeserhebungen der Oper anzuhören, und die feyerlichsten Glückwünsche, die sie ihm Alle machten, anzunehmen. Er war so verlegen, dass er mit Nichts als mit einem Kopfneigen und Achsel in die Höhe ziehen antworten konnte. Noch haben wir nicht mit ihm gesprochen, denn er ist noch mit Complimenten der Noblesse umgeben. Die Opera buffa Wolfgangs wird er nicht hören können, weil er in wenigen Tagen abreis't, und sie in einer Woche nicht gegeben wird. Lebe wohl, habe Geduld, und sperre die Zimmer gut zu.


Nachschrift von Wolfg. A.M. (dessen Brief No. 55.)


Meine liebe Schwester, was kann ich denn dafür, dass es jetzt just 71/4 Uhr geschlagen hat? – – Mein Papa hat auch keine Schuld – – das Mehre wird die Mama von meiner Schwester erfahren. Jetzt ist es aber nicht gut fahren, weil sich der Erzbischof nicht lange hier aufhält – – man will gar sagen, er bleibe so lange, bis er wieder wegreis't – – mir ist nur leid, dass er die erste Redoute nicht sieht. Der Mama lasse ich die Hände küssen. Lebe wohl; ich werde Dich gleich abholen. Dein getreuer


Franz Nasenblut.

Mailand, d. 5. May 1756.


[287] (Leopold M. Brief No. 164.)


München, den 21. Januar 1775.


Dass die Herren Salzburger so viel Gewäsche machen, und glauben, dass der Wolfg. in Churfürstl. Dienste getreten, kömmt von unsern Feinden, und von denen, denen ihr Gewissen sagt, dass er es zu thun Ursache hätte. Du weisst wohl, wir sind an diese Kinderpossen gewöhnt; mich machen dergleichen Plaudereyen weder kalt noch warm, und das kannst Du Jedermann sagen. – Schreibe Alles, was Du hörst; so haben wir Etwas zu lachen, denn wir kennen die Narren.


(Leopold M. Brief No. 165.)


München, den 15. Febr. 1775.


Am Sonntage ist eine kleine Messe von Wolfg. in der Hofkapelle gemacht worden, und ich habe tactirt. Am Sonntage wird wieder eine gemacht. – Heute gehen wir nicht in die Redoute; wir müssen ausruhen: es ist die erste, die wir auslassen. Du musst doch auch auf eine Redoute nicht versäumen. – – –


(Leopold M. Brief No. 169.)


München, Ascher-Mittwoch 1775.


Gott Lob! der Carneval ist vorbey; aber unser Beutel hat ein grosses Loch bekommen. Die Historie von Tozi, der die Oper Orfeo componirt hat, in welcher seine Frau jetzt die Eurydice macht, und der Gräfin Seefeld, gebornen Gräfin Sedlizky darfst Du Jedermann erzählen. – Am 7ten treffen wir bey Dir ein.
[288]

In der Oper La finta Giardiniera scheint Mozart's musikalische Knospe aufzusprossen, die sich später im Idomeneo als frische Blume entfaltet. Der Styl ist von einer besondern Weichheit und ungemeiner Zärtlichkeit.

Im Jahre 1789 ist diese Oper zwar noch unter dem Titel: die verstellte Gärtnerin zu Frankfurt aufgeführt worden, sie missfiel aber durchaus. Das Stück ist gewissermaassen abgeschmackt und langweilig, und Mozart's Satz ist fast immer schwer und künstlich, indem er sich über die Fassungskraft gewöhnlicher Dilettanten hinweg zu schwingen scheint, so majestätisch und launig er auch in einzelnen Stellen und so voll starker Harmonie auch das Ganze ist. Diese Musik ist mehr für den Kenner, der ihre Feinheiten zu entwickeln versteht, und weniger für den Dilettanten, der sich bloss von seinen natürlichen Gefühlen leiten lässt und bloss nach dem ersten unmittelbaren Eindruck entscheidet.

Am 7ten März 1775 reis'ten Vater und Sohn wieder von München nach Salzburg zurück. In diesem Jahre hielt sich der Erzherzog Maximilian in Salzburg auf, bey welcher Gelegenheit Mozart eine Serenada, Il Re Pastore, componirte, welche ihm ausserordentlichen Beyfall erwarb, und die ihren Werth auch unter seinen späteren Werken erhielt, weil er in ihr schon jenen Geist ahnen liess, der seine späteren Kunstwerke belebte. Sie scheint den Uebergang aus seiner Schüler-Periode in die seiner Vollendung, welche mit seinem 20sten Jahre beginnt, zu bilden. Bis zu seinem 19ten Jahre blieb Mozart das musikalische Wunder von Europa, theils in[289] Hinsicht des erstaunlichen Umfanges seiner Talente, und theils wegen seiner Jugend.


Unser Wolfgang schrieb an den Pater Martini selbst Folgendes:


Salzburg, den 7. Septbr. 1776.


Die Hochachtung und Ehrerbietung, die ich gegen einen so würdigen Mann hege, veranlasst mich, Ihnen ungelegen zu seyn und Ihnen ein schwaches Stück meiner Composition zu Ihrer Prüfung zu übersenden. Ich schrieb voriges Jahr zum Carneval eine komische Oper, La finta Giardiniera, zu München. Wenige Tage vor meiner Abreise verlangte der Churfürst, eine contrapunctisch ausgearbeitete Musik meiner Composition zu hören. Ich war daher gezwungen, diese Motette in Eile zu schreiben, und noch eine Abschrift von der Partitur für Se. Durchlaucht zu verfertigen und die Stimmen ausschreiben zu lassen, damit das Stück am nächsten Sonntage während der grossen Messe als Offertorium aufgeführt werden könnte. Liebster, theuerster Herr Pater! ich bitte Sie inniglich, mir frey und ohne Rückhalt Ihre Meinung darüber zu sagen. Wir leben ja in dieser Welt, um immer weiter zu kommen, und besonders auch dadurch, dass Einer den Andern durch seine Ansichten aufklärt, wie überhaupt, so in den Wissenschaften und schönen Künsten immer mehr zu lernen. Wie oft wünsche ich, Ihnen näher zu seyn, um mit Ihnen zu reden und Ihnen meine Ansichten mitzutheilen! Ich lebe in einem Lande, wo die Musik jetzt sehr wenig Glück macht. Aber ungeachtet derer, die uns verlassen haben, besitzen[290] wir doch noch brave Künstler, und besonders gründliche, wissenschaftliche und geschmackvolle Componisten. Was das Theater betrifft, so ist es in Rücksicht der Sänger schlecht bestellt. Wir haben keine Castraten und werden sie auch so leicht nicht haben, da sie gut bezahlt seyn wollen, und die Freygebigkeit unser Fehler nicht ist. Ich beschäftige mich indessen, für die Kammer und Kirche zu schreiben. Hier sind noch andere zwey Ccntrapunctisten, nämlich die Herren Michael Haydn und Cajetan Adlgasser. Mein Vater ist Kapellmeister an der Metropolitan-Kirche. So ist mir Gelegenheit verschafft, für diese zu schreiben, so viel ich will. Da übrigens mein Vater diesem Hofe bereits 36 Jahre dient, und weiss, dass der Erzbischof nicht gern alte Leute sehen kann, noch mag, so bekümmert er sich wenig um Musik-Aufführungen, und hat sich auf die Literatur dieser Kunst, als sein Lieblings-Studium, verlegt. Unsere Kirchenmusik ist von der in Italien sehr verschieden, um so mehr, da eine Messe mitKyrie, Gloria, Credo, der Epistel-Sonate, dem Offertorium oder Motetto, Sanctus und Agnus Dei, auch an den grössten Festen, wenn der Fürst selbst die Messe lies't, nicht länger als höchstens drey Viertelstunden dauern darf. Da braucht man für diese Art Composition ein besonderes Studium, und doch muss es eine Messe mit allen Instrumenten seyn, auch mit Kriegstrompeten! So? Ja, theuerster Herr Pater. O wie wohl würde es mir thun, Ihnen recht viel zu erzählen! Ich empfehle mich ergebenst allen philharmonischen Mitgliedern, bitte Sie immer herzlicher um Ihre Gewogenheit, und höre nicht auf, mich zu[291] betrüben, so weit von jenem Manne entfernt zu seyn, den ich in der Welt am meisten liebe, hochschätze und verehre, und gegen den ich unveränderlich bin etc.


Antwort des Paters Martini auf Wolfg. A. Mozart's Brief.

Bologna, den 18. Decbr. 1776.


Mit Ihrem angenehmen Schreiben habe ich zugleich die Motette erhalten. Mit Vergnügen bin ich sie vom Anfange bis zu Ende durchgegangen, und ich sage Ihnen mit aller Aufrichtigkeit, dass sie mir gar sehr gefällt, indem ich darin Alles finde, was die moderne Musik erheischt: gute Harmonie, reife Modulation, angemessene Bewegung der Violinen, natürlichen Fluss der Stimme und gute Durchführung. Ich freue mich besonders, dass, seit ich das Vergnügen hatte, Sie zu Bologna auf dem Claviere zu hören, Sie so grosse Fortschritte in der Composition gemacht haben. Fahren Sie unablässig fort, sich zu üben; denn die Natur der Musik fordert Uebung und grosses Studium, so lange man lebt etc.


Je ausserordentlicher das angeborne Talent und die schnelle Entwickelung dieses grossen Künstlers war, desto mehr werden die Leser die gewissenhafte Genauigkeit rechtfertigen, mit welcher hier die stufenweise Ausbildung desselben erzählt ist.

Wie schon angegeben, so ist Mozart's zwanzigstes Lebensjahr die Epoche seiner Vollendung als Meister; denn von dieser Zeit an zeigt er sich im glänzendsten Lichte und mit einer entschiedenen[292] Ueberlegenheit des Geschmacks und Genie's; alle seine Werke, die er seitdem geliefert hat, sind classisch und erwerben ihm die Krone der Unsterblichkeit. Den Gipfel seiner Kunst hat er mit diesem Alter erreicht, und nun war sein Ruhm durch alle Länder Europa's verbreitet. Welche der grössten Städte er auch jetzt wählen wollte, um darin seine seltenen Talente der Unterhaltung des Publicums zu widmen, so war er einer allgemeinen Bewunderung gewiss. Zu einer solchen Erwartung berechtigte ihn sicher im hohen Maasse die grosse Wirkung, die sein gleich grosses Talent des Clavierspielers und des Componisten jedes Mal und überall auf das Publicum machte.

Quelle:
Nissen, Georg Nikolaus von: Biographie W.A. Mozart's. Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1828 [Nachdruck Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms, 1991], S. 280-293.
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