Neunte Reise.

[293] Wolfg. A. Mozart reis't mit seiner Mutter nach Paris. Die sogenannte grosse oder die Pariser Reise, vom 23. Septbr. 1777 bis zum 11. Januar 1779.


Diese Periode begreift Wolfg. A. Mozart's Briefe an seinen Vater und die der Mutter bis zu ihrem Tode an ihren Mann, und des Vaters Antworten an Beyde. Hier fängt gewissermaassen eine Autobiographie, eine Autocharakteristik an.


Indessen schien doch der grosse Marktplatz aller ausgezeichneten Talente in den schönen Künsten, das damalige Paris, der schicklichste Ort für ihn zu seyn, da er schon dort bekannt war und ein von ihm begeistertes Publicum vorfand. Mozart reis'te daher in Begleitung seiner Mutter den 23sten September 1777 nach dieser sonstigen Hauptstadt des europäischen Luxus. Dass der Vater nicht mit nach Paris ging,[293] rührte theils von seiner Furcht, dass dort nicht genug für vier Personen verdient werden würde, theils von Betrachtungen der Klugheit her, nicht seine Anstellung in Salzburg – weil es doch eine war – zu riskiren.

Schon vom zweyten Tage dieser Reise, den 25. September, erhielt der Vater vom Sohne einen Brief aus Wasserburg (der Hälfte des Weges nach München), welchen der äusserst besorgte Vater mit gerührtem und freudigem Herzen gelesen und an demselben Tage schon an Frau und Sohn nach München schrieb.

Die ganze Correspondenz dieser Reise ist nun folgende:


Des Vaters Brief an Beyde nach München.


Salzburg, den 25. Septbr. 1777.


Ich erhielt des lieben Wolfgangs Schreiben heute Vormittags mit grösstem Vergnügen; und nun eben las es auch Herr Bullinger, der sich empfiehlt, und lacht vom Herzen. Bin höchst vergnügt, wenn Ihr wohlauf seyd: ich befinde mich, Gott Lob, um viel besser. Nachdem Ihr abgereiset, ging ich sehr matt über die Stiege und warf mich auf einen Sessel nieder. Ich habe mir alle mögliche Mühe gegeben, mich bey unserer Beurlaubung zurückzuhalten, um unsern Abschied nicht schmerzlicher zu machen, und in diesem Taumel vergass ich, meinem Sohne den väterlichen Segen zu geben. Ich lief zum Fenster und gab solchen Euch Beyden nach, sah aber Euch nicht beym Thore hinaus fahren, und wir mussten glauben, Ihr wäret schon vorbey, weil ich vorher[294] lange da saass, ohne auf Etwas zu denken. Die Nannerl weinte ganz erstaunlich und ich musste mir alle Mühe geben, sie zu trösten. – – –

So verging dieser traurige Tag, den ich in meinem Leben nicht zu erleben glaubte.

Heute früh liess ich Hrn. Glatz von Augsburg zu mir kommen, und wir kamen überein, dass Ihr in Augsburg beym Lamb in der heil. Kreuzgasse absteigen sollt, wo Ihr Mittags die Person 30 Xr. bezahlt, und schöne Zimmerle sind, auch die ansehnlichsten Leute, Engländer, Franzosen etc. da einkehren. Von da habt Ihr auch ganz nahe die Kirche zum heil. Kreuz, und mein Bruder Franz Aloys ist auch in der Nähe, nämlich in der Jesuitergasse. Ihr dürft also zum Hrn. Albert nichts sagen: denn bey den drey Mohren ist es zu theuer; er fordert erstaunlich für die Zimmer, und jede Mahlzeit kömmt die Person auf 45 und auch 48 Xr. Solltet Ihr nun nach Augsburg kommen, so müsste der Wolfgang sich gleich zum Hrn. Orgelmacher Stein führen lassen. Hr. Stein, der ihn seit seinem siebenten Jahre nicht mehr gesehen, würde ihn schwerlich mehr kennen. Er könnte ihm sagen, er wäre aus Innspruck und hätte Commission, Instrumente anzusehen. Mir sagt Hr. Glatz, dass Hr. Stein, Hr. Bioley und Hr. Fingerl im Stande sind, ein recht schönes Concert zu veranstalten. Den Hrn. Christoph von Zabuesnig, der die schöne teutsche Poesie in Salzburg über Dich gemacht, musst Du auch besuchen; er ist ein Kaufmann und ein Gelehrter. In Augsburg kann was Schönes und Nachdrückliches durch diesen Herrn in die Zeitung kommen. Hr. KaufmannGasser ist[295] derjenige, der mir, ohne Kosten, meine Bücher nach Frankfurt packt, und das gelöste Geld mir zurückbringt. Du musst ihn also besuchen und Dich statt meiner bedanken; es ist eine Gefälligkeit, die er mir immer erweisen kann. Mein Bruder oder seine Tochter werden Dich wohl zu Ihro Gnaden dem Hrn. Stadtpfleger von Langenmantel führen, wo Du meine unterthänigste Empfehlung ablegen kannst. Die Mama weiss schon, wie gut wir mit einander bekannt sind. Wir sind mit einander nach Salzburg gereiset, wo des Hrn. von Hefners Vater auch dabey war. An den Höfen musst Du Dein Kreuz nicht tragen; aber in Augsburg musst Du es alle Tage nehmen; da macht es Dir Ansehen und Respect, und so an allen Orten, wo kein regierender Herr ist. Wenn Du willst die Klöster zum heil. Kreuz und St. Ulrich besuchen, das kannst Du alles thun und ihre Orgeln probiren. Hr. Stein wird Dich wohl auf seine Orgel zu den Baarfüssern führen. Zu St. Ulrich ist des Herrn Hilbers Sohn im Kloster. In Augsburg hält sich ein gewisser Organist und Componist auf, aus dem sie Vieles machen; ich habe den Namen vergessen.

Die Hölzer wirst Du wohl allezeit, wenn Du wo bleibst, durch den Hausknecht in die Stiefel stossen lassen? – –

Der Musikpack kann allezeit voran im Magazine bleiben, nur solltet Ihr noch eine grosse Wachsleinwand kaufen, und ihn sammt der alten noch ein Mal damit recht einschlagen, um ihn recht gut zu versichern.

Ich glaube, dass ich auch erinnern muss, dass[296] dieSalzburger Halbbatzen1 weiterhin und auch schon in München nichts mehr nutz seyn werden. Ihr werdet keine haben, sonst könnte es Euch der Salzburger Conducteur auswechseln. Ob die Batzen gut sind, weiss ich nicht, man muss sich wegen der kleinen Münze bey Hrn. Albert erkundigen. – –

Wenn Ihr von München abgehen solltet, ohne es mir benachrichten zu können, so müsst Ihr einen Zettel auf der Post in München lassen, wo darauf stehet: »Wenn Briefe mit folgender Adresse anlangen sollten: à Mr. Wolfgang Amadé Mozart, Maître de Musique, so ersuche solche nach Augsburg zum Lambwirth in der heil. Kreuzgasse laufen zu lassen.«

Nun ist die Hosen zum hechtengrauen Kleide zurück geblieben. Sollte ich keine andere Gelegenheit finden, so geb' ich sie nebst der Andretterinn Musik, einigen Contra Tänzen, und dem Adagio und Rondeaux, die dem Brunetti gemacht worden, und wenn mir sonst noch was in die Hände kommt, dem Boten, der, wenn er Euch nicht mehr antreffen sollte, denn er kommt erst glaublich am Montag Mittag an, solches an meinen Bruder nach Augsburg kann gehen lassen.

Das Amt hat bis drey Viertel auf 11 Uhr gedauert, und ist abermals ein Agnus Dei von Haydn gemacht worden, weil Rust nicht fertig wurde. Die Sonate war von dem Wolfgang. Vergesse nicht, Briefe in München zu suchen; NB. vom Fürsten von Chiemsee auch.[297]

Graf Seinsheim könnte Dir nach Würzburg geben, der Bischof ist seines Vaters Bruder. – – –


München, den 26. Septbr. 1777.


Mon très cher Père!


Wir sind den 24sten Abends um halb fünf Uhr glücklich in München angelangt. Was mir gleich das Neueste war, dass wir zur Mauth fahren mussten, begleitet von einem Grenadier mit aufgepflanztem Bajonette. Die erste bekannte Person, die uns im Fahren begegnete, war Sign. Consoli, welcher mich gleich kannte, und eine unbeschreibliche Freude hatte, mich zu sehen. Er war den andern Tag gleich bey mir. Die Freude von Herrn Albert kann ich nicht genug ausdrücken; er ist in der That ein grundehrlicher Mann und unser sehr guter Freund. Nach meiner Ankunft war ich bis zur Essenzeit immer beym Claviere. Als Hr. Albert kam, gingen wir mitsammmen herab zum Tische, wo ich den Mr. Sfeer und einen gewissen Secretair, seinen recht guten Freund, antraf. Beyde lassen sich empfehlen. Wir kamen spät ins Bett und waren müde von der Reise.

Den 25sten ging ich gegen 11 Uhr zum Grafen Seau. Allein, als ich hin kam, hiess es, er sey schon auf die Jagd gefahren. Geduld! ich wollte unterdessen zum Chorherrn Bernard gehen; er ist aber mit dem Baron Schmid auf die Güter gereis't. Hrn. Bellval traf ich voll in Geschäften an. Er gab mir tausend Complimente auf. Unter dem Mittagsessen kam Rossi, um zwey Uhr Consoli, und um drey Uhr Becche und Hr. von Bellval. – –[298]

Es giebt hier einen gewissen Herrn Professor Huber; vielleicht erinnern Sie sich besser als ich. Er sagt, er hat mich das letzte Mal zu Wien beym jungen Hrn. von Mesmer gesehen und gehört. Er ist nicht zu gross, nicht zu klein, bleich, hat weissgraue Haare, und sieht in der Physiognomie dem Hrn. Unterbereiter nicht ungleich. Dieser ist auch ein Vice-Intendant du théâtre. Seine Arbeit ist, die Comödieen, die man aufführen will, durchzulesen, zu verbessern, zu verderben, hinzu zu thun, hinweg zu nehmen. Er kömmt alle Abende zum Albert. Er spricht sehr oft mit mir.

Heute, den 26sten d. M; Freytags, war ich um halb neun Uhr beym Grafen Seau. Es war so: als ich ins Haus hinein ging und die Madame N., die Comödiantin, just heraus ging, fragte mich diese: »Sie wollen gewiss zum Grafen?« Ja. »Er ist noch in seinem Garten; Gott weiss, wenn er kömmt.« Ich fragte sie, wo sein Garten sey. »Ja,« sagte sie, »ich habe auch mit ihm zu sprechen; wir wollen mitsammen gehen.« Kaum kamen wir vor's Thor hinaus, so kam uns der Graf entgegen, und war etwa zwölf Schritte von mir, so erkannte er mich und nannte mich beym Namen. Er war sehr höflich und wusste schon, was mit mir vorgegangen ist. Wir gingen ganz allein und langsam die Treppen hinauf; ich entdeckte mich ihm ganz kurz. Er sagte, ich sollte nur schnurgerade bey Sr. Churfürstl. Durchlaucht Audienz begehren. Sollte ich aber im Falle nicht zukommen können, so sollte ich meine Sache nur schriftlich vorbringen. Ich bat ihn sehr, dieses Alles still zu halten; er versprach es mir. Als ich[299] ihm sagte, es ginge hier wirklich ein rechter Compositeur ab, so sagte er: »Das weiss ich wohl!« Nach diesem ging ich zum Bischof von Chiemsee, und war eine halbe Stunde bey ihm. Ich erzählte ihm Alles. Er versprach mir, sein Möglichstes in dieser Sache zu thun. Er fuhr um 1 Uhr nach Nymphenburg, und versprach mir, mit Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht der Churfürstin gewiss zu sprechen.

Sonntag Abends kommt der Hof herein. –

Hr. Johannes Krönner ist zum Vice-Concertmeister declarirt worden, und das durch eine grobe Rede. Er hat zwey Symphonieen (Dio mene liberi) von seiner Composition producirt. Der Churfürst fragte ihn: »Hast Du das wirklich componirt?« – Ja, Ew. Durchlaucht. – »Von wem hast Du's gelernt?« – Von einem Schulmeister in der Schweiz. – »Man macht soviel aus der Composition« – – Dieser Schulmeister hat mir doch mehr gesagt, als alle unsere Compositeurs hier mir sagen könnten.

Heute ist der Graf Schönborn und seine Gemahlin, die Schwester des Erzbischofs, angelangt. Ich war gerade in der Comödie. Hr. Albert sagte im Discours, dass ich hier sey, und erzählte ihm, dass ich aus den Diensten bin. Er und sie haben sich verwundert. Sie haben ihm absolument nicht glauben wollen, dass ich 12 fl. 30 Xr. seligen Angedenkens gehabt habe. Sie wechselten nur die Post, und hätten mich gerne gesprochen. Ich traf sie aber nicht mehr an.

Jetzt aber bitte ich, dass ich nach Ihren Umständen und Ihrer Gesundheit mich erkundigen darf. Ich hoffe, wie auch meine Mama, dass sich Beyde[300] recht wohl befinden. Ich bin immer in meinem schönsten Humor. Mir ist so federleicht, seitdem ich von dieser Chicane weg bin! – –


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 28. Septbr. 1777.


– – – – – Nun auf die Sache von München zu kommen, so würde es vielleicht gehen, wenn Du nur Gelegenheit bekommen kannst, dass der Churfürst Alles hört, was Du kannst, und sonderheitlich Fugen-, Canons- und Contrapuncts-Compositionen zu machen im Stande bist. Dem Grafen Seau musst Du erschrecklich das Maul machen, was Du ihm für sein Theater in Arien und Ballets, ohne eine Bezahlung zu verlangen, Alles machen willst. Mit den Cavalieren musst Du erstaunlich höflich seyn, denn ein Jeder hat sein Maul darin. Consoli könnte die neue Scene für die Mad. Duschek singen. Von der Madame Duschek kannst Du mit dem Grafen Seau im Vorbeygehen sprechen. Vielleicht könntet Ihr beym Grafen Seau im Garten eine Musik machen. Wenn die Sache einiges Ansehen der Hoffnung gewinnt, so wird Euer Aufenthalt in München länger nothwendig seyn. Mache Dir den Hrn. Moschitka recht zum Freunde; er hat immer Gelegenheit, mit dem Churfürsten zu sprechen, und hat allen Credit. Solltest Du für den Churfürsten auf die Gamba Etwas machen müssen, so kann Dir derselbe sagen, wie es seyn muss, und die Stücke zeigen, die der Churfürst am meisten liebt, um dessen Geschmack einzusehen. Solltest Du mit dem Churfürsten nicht gesprochen haben, oder nicht sprechen können, und[301] gezwungen seyn, ihn schriftlich anzugehen, so wird Hr. von Bellval Dir rathen, wer die Schrift verfassen soll. Du kannst Dich sowohl schriftlich als mündlich beym Churfürsten und Grafen Seau herauslassen, dass Se. Durchlaucht sich in Betreff Deiner Contrapuncts-Wissenschaft nur an den P. Maestro Martini in Bologna, auch an den Hrn. Hasse nach Venedig wenden möchten, um dieser Herren Urtheil von Dir zu hören, und findest Du es nothwendig, so will ich Dir die zwey Diplomata schicken, wo Du schon im vierzehnten Jahre Deines Alters als Maestro di Capella der Akademieen zu Bologna und Verona erklärt bist. – – –


Nachschrift. Ich schicke Dir hier die zweyDiplomata und die Attestation des P. Martini; mache, dass es der Churfürst zu lesen bekommt, auch Graf Seau muss es lesen und den Churfürsten lesen lassen. Das macht grosses Aufsehen, dass Du schon vor sieben Jahren Maestro di Capella von den Akademieen geworden.


Der Sohn an den Vater.


München, den 29. Septbr. 1777.


– – – – Ich war heute beym Fürsten Zeil, und der hat mir Folgendes mit aller Höflichkeit gesagt: »Ich glaube, hier werden wir nicht viel ausrichten. Ich habe bey der Tafel zu Nymphenburg heimlich mit dem Churfürsten gesprochen. Er sagte mir: jetzt ist es noch zu früh, er soll gehen, nach Italien reisen, sich berühmt machen. Ich versage ihm Nichts, aber jetzt ist es noch zu früh.« Da[302] haben wir's! Die meisten grossen Herren haben einen so entsetzlichen Welschlands-Paroxismus. –

Der Bischof von Chiemsee sprach auch ganz allein mit der Churfürstin. Diese schupfte die Achseln und sagte: sie wird ihr Möglichstes thun, allein sie zweifelt sehr. Graf Seau fragte den Fürsten Zeil, welcher ihm Alles erzählt hatte: »Wissen Sie nicht, hat denn der Mozart nicht so viel vom Hause, dass er mit ein wenig Beyhülfe hier bleiben könnte? Ich hätte Lust ihn zu behalten.« Der Bischof gab ihm zur Antwort: »Ich weiss es nicht; aber ich zweifle sehr. Doch dürfen Sie ihn ja nur darüber sprechen.« Diess war also die Ursache, warum er folgenden Tag so gedankenvoll war. Hier bin ich gern, und ich bin der Meynung, wie Viele meiner guten Freunde, dass, wenn ich nur ein Jahr oder zwey hier bliebe, ich mir durch meine Arbeit Verdienst und Meriten machen könnte, und folglich ehender vom Hofe gesucht würde, als suchen sollte. –

Heute, als den 30sten, ging ich nach Abrede mit Wotschika um neun Uhr nach Hofe. Da war Alles in Jagd-Uniform. – – – – Als der Churfürst an mich kam, so sagte ich: »Ew. Churfürstl. Durchlaucht erlauben, dass ich mich unterthänigst zu Füssen legen und meine Dienste antragen darf.« –

Der Churfürst antwortete mehrmals: »Ja, mein liebes Kind, es ist keine Vacatur vorhanden!« –

Hr. Wotschika rieth mir, ich sollte mich öfters beym Churfürsten sehen lassen.


Der Vater an den Sohn.


Ich habe mir von München keine günstige Vorstellung[303] gemacht; der Churfürst ist gebunden, ohne Vacatur Niemanden aufzunehmen, und zu allem dem hat man immer heimliche Feinde, die es aus Angst verhindern. –

Kann diese Sache jetzt nicht in Gang gebracht werden, so kann Hr. Albert und andere unserer guten Freunde dieses Werk in Gang zu bringen trachten; Ihr könnt aber Eure Reise fortsetzen und von Hrn. Albert Briefe erwarten. Der Paroxismus für die Italiener geht eben nicht mehr gar weit, und schliesst sich fast mit München. Das ist der übertriebene Paroxismus! Denn in Manheim ist schon Alles deutsch, nur ein paar Castraten ausgenommen. In Trier bey Sr. Königl. Hoheit dem Churfürsten Prinz Clemens von Sachsen ist nur der Mro. Sales, das Uebrige ist deutsch; in Maynz ist Alles deutsch; in Würzburg nur der Sgr. Fracassini, ein Violinist, und jetzt, glaub' ich, Concertmeister oder gar Kapellmeister, und das wegen seiner deutschen Frau, einer Sängerin und Würzburgerin. Bey allen kleineren protestantischen Fürsten sind gar keine Welsche. Ich schreibe dieses in Eile, Herr Lotter will es mitnehmen. Ich schliesse hier die Choraltöne bey, die Dir vielleicht da oder dort nützlich und vielleicht gar nothwendig seyn können; man muss Alles wissen.

Jetzt war ich beym Obersthofmeister, der wird dieser Tage eigens zu mir kommen, dass ich ihm Alles von Grund aus erzähle und lese, da bey ihm keine Ruhe und immer Jemand sich melden lässt, oder seine Gräfin hinein lauft. Er liebt Dich von Herzen, und ehe er die Historie erfahren, hatte er[304] vier Pferde gekauft, und sich auf Dein Vergnügen gefreuet, welches Du haben wirst, wenn er mit vier Reitpferden kommt. Da er nun die Sache erfahren, war sein Verdruss unaussprechlich. Da er dem Erzbischof seine Aufwartung machte, sagte solcher zu ihm: »Nun haben wir eine Person weniger bey der Musik.« Er antwortete ihm:Ew. Hochfürstl. Gnaden haben einen grossen Virtuosen verloren. – »Warum?« – Er ist der grösste Clavierspieler, den ich in meinem Leben gehört. Bey der Violine hat er Ew. Hochfürstl. Gnaden gute Dienste gethan, und war ein recht guter Componist. Der Erzbischof schwieg still und konnte kein Wort darauf sagen. – – –


Der Sohn an den Vater.


München, den 2. Octbr. 1777.


– – – – Beym Grafen Salern spielte ich die drey Tage hindurch viele Sachen von Kopf, dann die zwey Cassationen für die Gräfin, und die Final-Musik mit dem Rondo auf die letzt auswendig. Sie können sich nicht einbilden, was der Graf Salern für eine Freude hatte: er versteht doch die Musik, denn er sagte allezeit Bravo, wo andere Cavaliers eine Prise Tabak nehmen – sich schneuzen, räuspern – – oder einen Discours anfangen. – – – Ich sagte ihm, ich wünschte nur, dass der Churfürst da wäre, so könne er doch was hören – er weiss nichts von mir, er weiss nicht, was ich kann. Ich lasse es auf eine Probe ankommen; er soll alle Componisten von München herkommen lassen, er kann auch einige von Italien und Frankreich, Deutschland,[305] England und Spanien verschreiben. Ich traue mir mit einem Jeden zu schreiben. Ich erzählte ihm, was in Italien mit mir vorgegangen ist; ich bat ihn, wenn ein Discours von mir wäre, diese Sachen anzubringen. Er sagte: »Ich bin der Wenigste, aber was bey mir steht, von ganzem Herzen« Er ist halt auch der Meinung, dass, wenn ich unterdessen so hier bleiben könnte, die Sache hernach von sich selbst ginge. Für mich allein wäre es nicht unmöglich, mich durchzubringen; denn vom Grafen Seau wollte ich wenigstens 300 fl. bekommen., und für das Essen dürfte ich nicht sorgen; denn ich wäre immer eingeladen, und wenn nicht, so machte sich Albert eine Freude, mich bey sich zu Tische zu haben. Ich esse wenig, trinke Wasser und zuletzt zum Obst ein Gläschen Wein. Ich würde mit Graf Seau den Contract so machen (Alles auf Einrathen meiner guten Freunde), alle Jahre 4 teutsche Opern, theils buffe, theils serie zu liefern. Ich hätte dann von einer jeden eine Sera oder Einnahme für mich, welches schon so gebräuchlich ist, und dieses würde mir allein wenigstens 500 fl. tragen, welches mit meinem Gehalte schon 800 fl. wäre, wo nicht mehr; denn der Reiner, Schauspieler und Sänger, nahm in seiner Sera 200 fl. ein, und ich bin hier sehr beliebt; und wie würde ich erst beliebt werden, wenn ich, der deutschen Nationalbühne in der Musik emporhelfen würde? – Und das würde durch mich gewiss geschehen; denn ich war schon voll Begierde, zu schreiben, als ich das deutsche Singspiel hörte. Die erste Sängerin, von hier gebürtig, mit Namen Keiserin, ist eine Kochstochter von einem hiesigen Grafen,[306] ein sehr angenehmes Mädel auf dem Theater: in der Nähe sah ich sie noch niemals. Wie ich sie hörte, war es erst das dritte Mal, dass sie agirte. Sie hat eine schöne Stimme, nicht stark, doch auch nicht schwach, sehr rein und gute Intonation. Ihr Lehrmeister ist Valesi, und aus ihrem Singen erkennt man, dass ihr Meister sowohl das Singen, als das Singenlehren versteht. Wenn sie ein paar Tacte aushält, so habe ich mich sehr verwundert, wie schön sie dasCrescendo und Decrescendo macht. Den Triller schlägt sie noch langsam, und das freut mich recht, denn er wird nur desto reiner und klarer, wenn sie ihn einmal geschwinder machen will. Geschwind ist er ohnehin leichter. Die Leute haben hier eine rechte Freude mit ihr – – und ich mit ihnen. Meine Mama war im Parterre; sie ging schon um halb 5 Uhr hinein, um Platz zu bekommen; ich ging aber erst um halb 7 Uhr, denn ich kann überall in die Logen gehen, weil ich bekannt genug bin. Ich war in der Loge vom Hause Branca. Ich betrachtete die Keiserin mit meinem Fernglase, und sie lockte mir öfters eine Zähre ab; ich sagte oft Brava, bravissima; denn ich dachte mir, dass sie erst das dritte Mal auf dem Theater ist. Das Stück hiess das Fischermädchen, eine nach der Musik des Piccini sehr gute Uebersetzung. Originalstücke haben sie noch nicht. Eine deutsche Opera seria möchten sie auch bald geben – – und man wünschte, dass ich sie componirte. Der schon genannte Professor Huber ist auch von den wünschenden Personen. –

Baron Rumling machte mir neulich das Compliment: »Spectakel sind meine Freude: gute Acteurs[307] und Actrices, gute Sänger und Sängerinnen, und dann einen so braven Componisten dazu, wie Sie.« – – – Das ist freylich nur geredet – – und reden lässt sich viel – –; doch hat er niemals mit mir so geredet. –

Heute früh um acht Uhr war ich beym Grafen Seau; ich machte es ganz kurz und sagte nur: »Ich bin nur da, Ew. Excellenz mich und meine Sache recht zu erklären. Es ist mir der Vorwurf gemacht worden, ich sollte nach Italien reisen. Ich war 16 Monate in Italien, habe drey Opern geschrieben, das ist genug bekannt. Was weiter vorgegangen, werden Ew. Excellenz aus diesen Papieren sehen.« Ich zeigte ihm die Diplomata mit den Worten: »Ich zeige und sage Ew. Excellenz dieses Alles nur, damit, wenn eine Rede von mir ist, und mir etwa Unrecht gethan würde, sich Ew. Excellenz mit Grund meiner annehmen können.« Er fragte mich, ob ich jetzt nach Frankreich ginge? Ich sagte, ich würde noch in Deutschland bleiben. Er verstand aber in München, und sagte, vor Freude lachend: »So! hier bleiben Sie noch?« Ich sagte: »Nein, ich wäre gern geblieben; und die Wahrheit zu gestehen, hätte ich nur desswegen gern vom Churfürsten Etwas gehabt, damit ich Ew. Excellenz hernach hätte nur mit meiner Composition bedienen können, und zwar ohne alles Interesse. Ich hätte mir ein Vergnügen daraus gemacht.« Bey diesen Worten rückte er gar seine Schlafhaube. – – –


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 6. October 1777.


– Dass Du allein in München leben könntest,[308] hat seine Richtigkeit: allein was würde Dir dieses für eine Ehre machen? wie würde der Erzbischof darüber spotten? Das kannst Du aller Orten, nicht nur in München. Man muss sich nicht so klein machen, und nicht so hinwerfen. Dazu ist gewiss noch keine Noth.


Der Sohn an den Vater.

Augsburg, den 14. October 1777.


Wir sind den 11ten d.M. Mittags 12 Uhr von München abgereis't, und Abends um 9 Uhr glücklich hier angelangt, und wir werden, glaube ich, künftigen Freytag, als übermorgen, wieder wegreisen. Denn hören Sie nur, wie schön generös die Herren Augsburger sind! Ich bin noch in keinem Orte mit so vielen Ehrenbezeugungen überhäuft worden, wie hier. Mein erster Gang war zum Hrn. Stadtpfleger ...; mein Hr. Vetter, der ein rechter braver, lieber Mann und ein ehrlicher Bürger ist, hat mich hin begleitet, und hatte die Ehre, oben im Vorhause wie ein Laquais zu warten, bis ich von dem Erzstadtpfleger heraus kommen würde. Ich ermangelte nicht, gleich anfangs die unterthänigste Empfehlung vom Papa auszurichten. Er erinnerte sich allergnädigst auf Alles, und fragte mich: »Wie ist's dem Herrn immer gegangen?« Ich sagte gleich darauf: »Gott Lob und Dank, recht gut, und Ihnen, hoffe ich, wird es auch ganz gut gegangen seyn?« – Er wurde hernach höflicher und sagte »Sie,« und ich sagte Euer Gnaden, wie ich es gleich vom Anfange gethan hatte. Er gab nicht nach, ich musste mit ihm hinauf zu seinem Schwiegersohn (im zweyten[309] Stock), und mein Hr. Vetter hatte die Ehre, unterdessen über eine Stiege im Vorhause zu warten. Ich musste mich zurückhalten mit aller Gewalt, sonst hätte ich mit der grössten Höflichkeit Etwas gesagt. Ich hatte oben die Ehre, in Gegenwart des gestarzten Hrn. Sohnes, und der langhalsigten gnädigen jungen Frau, und der einfältigen alten Frau so beyläufig drey Viertelstunden auf einem guten Clavicord von Stein zu spielen. Ich spielte Phantasieen und endlich Alles, was er hatte, prima vista, unter andern sehr hübsche Stücke von einem gewissen Edelmann. Da war Alles in der grössten Höflichkeit, und ich war auch sehr höflich; denn meine Gewohnheit ist, mit den Leuten so zu seyn, wie sie sind, so kömmt man am Besten hinaus. Ich sagte, dass ich nach dem Essen zum Stein gehen würde. Der junge Herr trug sich also gleich selbst an, mich hinzuführen. Ich dankte ihm für seine Güte, und versprach Nachmittags zwey Uhr zu kommen. Ich kam, und wir gingen mit einander in Gesellschaft seines Hrn. Schwagers, der einem völligen Studenten gleich sieht. Obwohl ich gebeten hatte, still zu halten, wer ich sey, so war Hr. von Langenmantel doch so unvorsichtig, und sagte zum Hrn. Stein:»Hier habe ich die Ehre einen Virtuosen auf dem Claviere aufzuführen,« und schmutzte dazu. Ich protestirte gleich und sagte, ich wäre nur ein unwürdiger Schüler von Hrn. Sigl aus München, von dem ich viele tausend Complimente ausgerichtet habe. Er sagte Nein mit dem Kopfe – und endlich – »sollte ich wohl die Ehre haben, den Hrn. Mozart vor mir zu haben?« – O nein, sprach ich, ich[310] nenne mich Trazom, ich habe auch hier einen Brief an Sie. Er nahm den Brief und wollte ihn gleich erbrechen. Ich liess ihn aber nicht Zeit, und sagte: Was wollen Sie denn jetzt da den Brief lesen? machen Sie dafür auf, dass wir in den Saal hinein können, ich bin so begierig, Ihre Pianofortes zu sehen. – – »Nun, meinetwegen, es sey, wie es wolle; ich glaube aber, ich betrüge mich nicht.« Er machte auf. Ich lief gleich zu einem von den drey Clavieren, die im Zimmer standen. Ich spielte; er konnte kaum den Brief aufmachen, vor Begierde überwiesen zu seyn; er las nur die Unterschrift. O, schrie er und umarmte mich und war sehr erfreut. Wegen seinen Clavieren werde ich nachgehends sprechen. –


Der Sohn an den Vater.


Augsburg, den 17. Octbr. 1777.


Nun muss ich gleich bey den Steinischen Pianoforte anfangen. Ehe ich noch von Stein seiner Arbeit etwas gesehen habe, waren mir die Spättischen Claviere die liebsten, nun aber muss ich den Steinischen den Vorzug lassen; denn sie dämpfen noch viel besser, als die Regensburger. Wenn ich stark anschlage, ich mag den Finger liegen lassen oder aufheben, so ist halt der Ton im Augenblicke vorbey, da ich ihn hören liess. Ich mag auf die Claves kommen, wie ich will, so wird der Ton immer gleich seyn, er wird nicht scheppern, er wird nicht schwächer, nicht stärker gehen, oder gar ausbleiben; mit einem Worte, es ist Alles gleich. Es ist wahr, er giebt so ein Pianoforte nicht unter 300 fl;[311] aber seine Mühe und Fleiss, die er anwendet, ist nicht zu bezahlen. Seine Instrumente haben besonders das vor andern eigen, dass sie mit Auflösung gemacht sind, womit sich der Hundertste nicht abgiebt; aber ohne Auflösung ist es halt nicht möglich, dass ein Pianoforte nicht schäppere oder nachklinge. Seine Hämmer, wenn man die Claves anspielt, fallen in dem Augenblicke, da sie an die Saiten hinaufspringen, wieder herab, man mag den Clavis liegen lassen, oder auslassen. Wenn er ein solch Clavier fertig hat, (wie er mir selbst sagt) so setzt er sich erst hin, und probirt allerley Passagen, Läufe und Sprünge, und schabt und arbeitet so lange, bis das Clavier Alles thut; denn er arbeitet nur zum Nutzen der Musik, und nicht seines Nutzens wegen allein, sonst würde er gleich fertig seyn. Er sagt oft: »Wenn ich nicht selbst ein so passionirter Liebhaber der Musik wäre, und nicht etwas Weniges auf dem Claviere könnte, so hätte ich gewiss längst schon die Geduld bey meiner Arbeit verloren: allein ich bin halt ein Liebhaber von Instrumenten, die den Spieler nicht ansetzen, und dauerhaft sind.« Seine Claviere sind auch wirklich von Dauer. Er steht gut dafür, dass der Resonanzboden nicht springt und nicht bricht. Wenn er einen Resonanzboden zu einem Claviere fertig hat, so stellt er ihn in die Luft, Regen, Schnee, Sonnenhitze und allen Teufel, damit er zerspringt, und dann legt er Späne ein und leimt sie hinein, damit er stark und recht fest wird. Er ist völlig froh, wenn er springt; man ist halt hernach versichert, dass ihm nichts mehr geschieht. Er schneidet gar oft selbst hinein, und leimt ihn[312] wieder zu, und befestigt ihn recht. Er hat drey solche Pianoforte fertig und ich habe erst heute wieder darauf gespielt. – – – Die Maschine, wo man mit dem Knie drückt, ist auch bey ihm besser gemacht, als bey den Andern. Ich darf es kaum anrühren, so geht es schon; und sobald man das Knie nur ein wenig wegthut, so hört man nicht den mindesten Nachklang. Nun, morgen komme ich vielleicht auf seine Orgel – d.h. ich komme darüber zu schreiben. Als ich Hrn. Stein sagte, ich möchte gern auf seiner Orgel spielen, denn die Orgel sey meine Passion; so verwunderte er sich gross, und sagte: »Was, ein solcher Mann wie Sie, ein solcher Clavierist, will auf einem Instrumente spielen, wo keine Douceur, keine Expression, kein Piano noch Forte statt findet, sondern immer gleich fortgehet?« – Das hat Alles nichts zu bedeuten. Die Orgel ist doch in meinen Augen und Ohren der König aller Instrumente. Nun, meinetwegen. Wir gingen nun mit einander. Ich merkte schon aus seinem Discours, dass er glaubte, ich würde nicht viel auf seiner Orgel machen; ich würde blos völlig Claviermässig spielen. Er erzählte mir, er hätte auch Chobert auf sein Verlangen auf die Orgel geführt, und es war mir schon bange (sagte er), denn Chobert sagte es allen Leuten, und die Kirche war ziemlich voll; denn ich glaubte halt, der Mensch wird voll Geist, Feuer und Geschwindigkeit seyn, und das nimmt sich nicht aus auf der Orgel, aber wie er anfing, war ich gleich anderer Meynung. Ich sagte nichts als: Was glauben Sie, Hr. Stein, werde ich herumlaufen auf der Orgel? – – Ach[313] Sie! das ist ganz was Anderes. Wir kamen auf den Chor, ich fing zu präludiren an, da lachte er schon; dann eine Fuge. »Das glaube ich, sagte er, dass Sie gern Orgel spielen, wenn man so spielt.« – –

Anfangs war mir das Pedal etwas fremd, weil es nicht gebrochen war. Es fing C an, dann D, E u.s.f. in einer Reihe. Bey uns aber ist D und E oben, wie hierEs und Fis. Ich kam aber gleich drein. Ich war auch zu St. Ulrich auf der alten Orgel. Die Stiege ist was Abscheuliches. Ich bat, es möchte mir auch wer darauf spielen, denn ich möchte hinabgehen und zuhören; denn oben macht die Orgel gar keinen Effect. Ich nahm aber nichts aus, denn der junge Regens Chori, ein Geistlicher, machte Läufe auf der Orgel herum, dass man nichts verstand, und wenn er Harmonieen machen wollte, waren es lauter Disharmonieen, denn es stimmte nicht recht. – – –


Der Vater an seine Frau.


Salzburg, den 23. Octbr. 1777.


– Diesen Augenblick schickt mir Herr Hagenauer das Intelligenzblatt, und in eben der Minute die Frau von Ehrlichs die Zeitung, weil in Beyden das Concert angekündigt ist. Es ist gut, dass zwey Einlagsplätze sind. Die Ankündigung ist sehr gut gemacht. Ihr werdet also das Concert à 3. Clavecins spielen? – – –


Der Vater an den Sohn.


Vom nämlichen Datum.


Ich soll Dir zu Deinem Namenstage Glück wünschen! Aber was kann ich Dir jetzt wünschen, was[314] ich Dir nicht immer wünsche? – – Ich wünsche Dir die Gnade Gottes, die Dich aller Orten begleite, die Dich niemals verlassen wolle, und niemals verlassen wird, wenn Du die Schuldigkeit eines wahren katholischen Christen auszuüben beflissen bist. Du kennst mich. – Ich bin kein Pedant, kein Betbruder, noch weniger ein Scheinheiliger; allein Deinem Vater wirst Du wohl eine Bitte nicht abschlagen. Diese ist, dass Du für Deine Seele so besorgt seyn wollest, dass Du Deinem Vater keine Beängstigung in seiner Todesstunde verursachst, damit er in jenem schweren Augenblicke sich keinen Vorwurf machen darf, als hätte er an der Sorge für Dein Seelenheil etwas vernachlässigt. Lebe wohl! Lebe glücklich! Lebe vernünftig! Ehre und schätze Deine Mutter, die in ihrem Alter nun viele Mühe hat. Liebe mich, wie ich Dich liebe als Dein wahrhaft sorgfältiger Vater


Leopold Mozart.


Der Sohn an den Vater.


Augsburg, den 24. Octbr. 1777.


Gestern, Mittwoch den 23sten ist meine Akademie in Scena gegangen. Graf Wolfegg war fleissig dabey und brachte etliche Stiftsdamen mit. Ich war schon gleich die ersten Tage in seinem Logement, um ihm aufzuwarten; er war aber nicht hier. Vor etlichen Tagen ist er angelangt, und da er erfahren, dass ich hier bin, so erwartete er nicht, dass ich zu ihm kam, sondern, da ich gerade Hut und Degen nahm, um ihn meine Visite zu machen, trat er eben zur Thüre herein. Nun muss ich eine Beschreibung[315] von den vergangenen Tagen machen, ehe ich zum Concert komme. Vergangenen Samstag war ich zu St. Ulrich; etliche Tage zuvor im Kloster heil. Kreuz einige Male, wo ich auch vergangenen Sonntag, den 19ten d.M. speiste, und unter Tafel wurde Musik gemacht. So schlecht als sie geigen, ist mir die Musik in dem Kloster doch lieber als das Orchester von Augsburg. Ich machte eine Symphonie, und spielte auf der Violine das Concert B dur von Wanhall mit allgemeinem Applaus. Der Hr. Dechant ist ein braver lustiger Mann; er ist ein Vetter von Eberlin, heisst Zeschinger, und kennt den Papa ganz gut. Auf die Nacht beym Souper spielte ich das Strasburger Violin-Concert. Es ging wie Oehl. Alles lobte den schönen reinen Ton. Hernach brachte man ein kleines Clavicord. Ich präludirte und spielte eine Sonate und Variationen von Fischer. Dann flüsterten die übrigen dem Hrn. Dechant ins Ohr, er sollte mich erst orgelmässig spielen hören. Ich sagte, er möchte mir ein Thema geben, und da er nicht wollte, gab mir einer aus den Geistlichen Eines an. Ich führte es spaziren und mitten darin (die Fuge gieng ex G minor) fing ich major an, und ganz etwas Scherzhaftes, aber im nämlichen Tempo, dann endlich wieder das Thema, aber umgekehrt; endlich fiel mir ein, ob ich das scherzhafte Wesen nicht auch zum Thema der Fuge brauchen könnte? – – Ich fragte nicht lange, sondern machte es gleich, und es ging so accurat, als wenn es ihm der Daser angemessen hätte. Der Hr. Dechant war ganz ausser sich vor Freude. »Das ist vorbey, da nützt nichts (sagte er), das habe ich nicht geglaubt, was[316] ich da gehört habe, Sie sind ein ganzer Mann. Mir hat freylich mein Prälat gesagt, dass er sein Lebetag Niemand so bündig und ernsthaft die Orgel habe spielen hören.« Denn der Hr. Prälat hat mich einige Tage vorher gehört, der Dechant aber war nicht hier. Endlich brachte Einer eine Sonate her, die fugirt war, und ich sollte sie spielen. Ich sagte aber: Meine Herren, das ist zu viel; das muss ich gestehen, die Sonate werde ich nicht gleich so spielen können. »Ja, das glaube ich auch (sprach der Dechant mit vielem Eifer, denn er war ganz für mich),das ist zu viel, da giebt's keinen, dem das möglich wäre.« Uebrigens aber, sagte ich, will ich es doch probiren. Da hörte ich aber immer hinter mir den Dechant ausrufen: O Du Erzschufti! O Du Spitzbube! – – – Ich spielte bis 11 Uhr. Ich wurde mit lauter Fugenthema's bombardirt, so auch neulich beym Stein mit einer Sonate von Becché. – –

A propos, wegen Herrn Steins seinem Mädel. Wer sie spielen sieht und hört, und nicht lachen muss, der muss von Stein wie ihr Vater seyn. Es wird völlig gegen den Discant hinauf gesessen, und nicht in der Mitte, damit man mehr Gelegenheit hat, sich zu bewegen und Grimassen zu machen. Die Augen werden verdreht, es wird geschmutzt; wenn eine Sache zwey Mal kömmt, so wird sie das zweyte Mal langsamer gespielt; kommt selbe drey Mal, wieder langsamer. Der Arm muss in aller Höhe, wenn man eine Passage macht, und wie die Passage markirt wird, so muss es der Arm, nicht die Finger, und das recht mit allem Fleisse schwer und ungeschickt[317] thun. Das Schönste aber ist, dass, wenn in einer Passage, welche fortfliessen soll wie Oel, nothwendiger Weise die Finger gewechselt werden müssen, so braucht's nicht viel Achtung zu geben, sondern wenn es Zeit ist, so lässt man aus, hebt die Hand auf und fängt ganz commode wieder an, wodurch man auch eher Hoffnung hat, einen falschen Ton zu erwischen, und das macht oft einen curiosen Effect. Ich schreibe dieses nur, um dem Papa einen Begriff vom Clavierspielen und Instruiren zu geben, damit der Papa seiner Zeit einen Nutzen daraus ziehen kann.

Herr Stein ist völlig in seine Tochter vernarrt. Sie ist 81/2 Jahre alt; sie lernt nur noch Alles auswendig. Sie kann werden, sie hat Genie; aber auf diese Art wird sie nichts, sie wird niemals viel Geschwindigkeit bekommen, weil sie sich völlig befleisst, die Hand schwer zu machen. Sie wird das Nothwendigste und Härteste und die Hauptsache in der Musik niemals bekommen, nämlich das Tempo, weil sie sich von Jugend auf völlig beflissen hat, nicht auf den Tact zu spielen. Herr Stein und ich haben gewiss zwey Stunden mit einander über diesen Punct gesprochen. Ich habe ihn aber schon ziemlich bekehrt. Er fragt mich jetzt in Allem um Rath. Er war in den Becché völlig vernarrt. Nun sieht und hört er, dass ich mehr spiele als Becché, dass ich keine Grimassen mache und doch so expressive spiele, dass noch Keiner, nach seinem Bekenntnisse, seine Pianoforte so gut zu tractiren gewusst hat, dass ich immer accurat im Tacte bleibe. Ueber das verwundern sich Alle. Das tempo rubato in einem Adagio,[318] dass die linke Hand nichts darum weiss, können sie gar nicht begreifen; denn bey ihnen giebt die linke Hand nach. Graf Wolfegg und mehrere, die ganz passionirt für Becché sind, sagten neulich öffentlich im Concerte, dass ich den Becché in Sack schiebe. Graf Wolfegg lief immer im Saal herum und sagte: »so habe ich mein Lebetag nichts gehört.« Er sagte zu mir: »Ich muss Ihnen sagen, dass ich Sie niemals so spielen gehört, wie heute; ich werde es auch Ihrem Vater sagen, so bald ich nach Salzburg komme.«

Was meynt der Papa, was das erste war nach der Symphonie? – Das Concert auf drey Clavieren. Hr. Demler spielte das erste, ich das zweyte, und Herr Stein das dritte. Dann spielte ich allein die letzte Sonate ex D für die Dürnitz, dann mein Concert ex B, dann wieder allein ganz regelmässig eine Fuge C minor, und auf einmal eine prächtige Sonate ex C major so aus dem Kopfe mit einem Rondo am Ende. Es war ein rechtes Getöse und Lärmen. Hr. Stein machte nichts als Gesichter und Grimassen für Bewunderung; Hr. Demler musste beständig lachen. Dieser ist ein so curioser Mensch, dass, wenn ihm Etwas sehr gefällt, so muss er ganz entsetzlich lachen. Bey mir fing er gar zu fluchen an. – – – –

Das Concert hat 90 fl. getragen, ohne Abzug der Unkosten. Wir haben also nun mit den 2 Ducaten auf der Stube 100 fl. eingenommen. Die Unkosten vom Concerte haben nicht mehr als 16 fl. 30 Xr. gemacht. Den Saal hatte ich frey, und von der Musik, glaube ich, werden halt Viele umsonst gegangen seyn. –[319]

Ich küsse dem Papa die Hand und danke gehorsamst für den Glückwunsch zu meinem Namenstage. Lebe der Papa unbesorgt; ich habe Gott immer vor Augen, ich erkenne seine Allmacht, ich fürchte seinen Zorn; ich erkenne aber auch seine Liebe, sein Mitleiden und seine Barmherzigkeit gegen seine Geschöpfe; er wird seine Diener niemals verlassen. Wenn es nach seinem Willen geht, so geht es auch nach meinem; mithin kann es nicht fehlen – ich muss glücklich und zufrieden seyn. Ich werde auch ganz gewiss mich befleissigen, Ihrem Befehle und Rathe, den Sie mir zu geben die Güte hatten, auf das Genaueste nachzuleben.

Den 26sten, als Uebermorgen, reisen wir schnurgerade nach Wallerstein.


Sohn und Mutter reis'ten also den 26sten Octbr. 1777 von Augsburg weg über Donauwörth, Nördlingen bis Hochenaltheim, wo sich der Fürst von Wallerstein aufhielt. Dort verweilten sie ein paar Tage, und reis'ten dann weiter bis Manheim, wo sie den 30sten October anlangten.

Den Tag darauf schrieb der Sohn dem Vater und meldete ihm ihre glückliche Ankunft, wo er unter andern Folgendes schreibt:

»Heute bin ich mit Hrn. Danner bey M. Cannabich gewesen. Er war ungemein höflich. Ich spielte ihm Etwas auf seinem Pianoforte, welches sehr gut ist, und wir gingen nachher mit einander in die Probe. Ich habe geglaubt, mich des Lachens nicht enthalten zu können, als man mich den Leuten vorgestellt hat. Einige, die mich par Renommée[320] gekannt haben, waren sehr höflich und voll Achtung; Einige aber, die weiter nichts von mir wissen, haben mich gross angesehen, aber auch so gewiss lächerlich. Sie denken sich halt, weil ich klein und jung bin, so kann nichts Grosses und Altes hinter mir stecken; sie werden es aber bald erfahren.« –


Der Sohn hielt sich mit seiner Mutter vom 30sten October 1777 bis 14ten März 1778 in Manheim auf. Ueber diesen Aufenthalt geben uns des Vaters und Sohnes Briefe folgende Nachrichten:


Manheim, den 4. Novbr. 1777.


Diess ist der zweyte Brief, den ich von Manheim aus schreibe. Ich bin alle Tage bey Cannabich; heute ist auch meine Mama mit mir hingegangen. Er ist ganz ein anderer Mann, als er vorher war, welches auch das ganze Orchester sagt. Er ist sehr für mich eingenommen. Er hat eine Tochter, die ganz artig Clavier spielt, und damit ich ihn mir recht zum Freunde mache, so arbeite ich jetzt an einer Sonate für seine Mselle. Tochter. Ich habe, wie ich das erste Allegro und Andante geendigt hatte, selbe hingebracht und gespielt. Der Papa kann sich nicht vorstellen, was die Sonata für einen Beyfall hat. Es waren Einige von der Musik gerade dort, als der junge Danner, ein Waldhornist Lang und der Hautboist Ramm, welcher recht gut bläst und einen hübschen feinen Ton hat. Ich habe ihm ein Präsent mit dem Oboe-Concert gemacht, welches im Zimmer bey Cannabich abgeschrieben wird. Der Mensch ist närrisch vor Freude. Ich habe ihm[321] das Concert heute auf dem Pianoforte bey Cannabich vorgespielt; und obwohl man wusste, dass es von mir ist, so gefiel es doch sehr. Kein Mensch sagte, dass es nicht gut gesetzt sey; weil es die Leute hier nicht verstehen2 – – Sie sollen nur den Erzbischof fragen, der wird sie gleich auf den rechten Weg bringen.

Heute habe ich alle meine sechs Sonaten beym Cannabich gespielt. Hr. Kapellmeister Holzbauer hat mich heute selbst zum Hrn. Intendanten Graf Savioli geführt. Cannabich war just dort. Hr. Holzbauer sagte auf welsch zum Grafen, dass ich möchte die Gnade haben, mich bey Sr. Churfürstl. Durchlaucht hören zu lassen, indem ich schon vor funfzehn Jahren hier gewesen bin, als ich sieben Jahre alt war; aber nun bin ich älter und grösser geworden, und so auch in der Musik. Ja so, sagte der Graf, das ist der – –. Was weiss ich, für wen er mich hielt. Da nahm aber gleich der Cannabich das Wort. Ich stellte mich, als wenn ich nichts hörte, und liess mich mit Andern in Discours ein, merkte aber, dass er mit einer ernsthaften Miene von mir sprach. Der Graf sagte dann zu mir:Ich höre, dass Sie so ganz passabel Clavier spielen. Ich machte eine Verbeugung. Nun muss ich von der hiesigen Musik reden. Ich war Samstag am Allerheiligen-Tage in der Kapelle im Hochamte. Das Orchester ist sehr gut und stark, auf jeder Seite zehn bis eilf Violinen, vier Bratschen, zwey Oboen, zwey Flauti, und zwey Clarinetti, zwey Corni, vier Violoncelles,[322] vier Fagotti, vier Contrabassi und Trompeten und Pauken. Es lässt sich eine schöne Musik machen, aber ich getrauete mir keine Messe von mir hier zu produciren. Warum? – Wegen der Kürze? – Nein, hier muss auch Alles kurz seyn. – Wegen des Kirchenstyls? – Nichts weniger, sondern weil man hier jetzt bey den dermaligen Umständen hauptsächlich für die Instrumente schreiben muss, weil man sich nichts Schlechteres denken kann, als die hiesigen Vocalstimmen. Sechs Soprani, sechs Alti, sechs Tenori und sechs Bassi zu zwanzig Violini und zwölf Bassi verhält sich just wie 0 zu 1. – – Diess kommt daher, die Italiener sind hier jetzt miserabel angeschrieben. Sie haben nur zwey Castraten hier, und diese sind schon alt. Man lässt sie halt absterben. Der Sopranist möchte schon auch lieber den Alt singen, er kann nicht mehr hinauf. Die etliche Buben, die sie haben, sind elendig, und die Tenori und Bassi wie bey uns die Todtensänger3. Der Hr. Vice-Kapellmeister Vogler, der neulich das Amt machte, ist ein musikalischer Spaassmacher4, ein Mensch, der sich recht viel einbildet und nicht viel kann. Das ganze Orchester mag ihn nicht. Heute aber, als Sonntag, habe ich eine Messe von Holzbauer gehört, die schon 26 Jahre alt, aber recht gut ist. Er schreibt sehr gut, einen guten Kirchenstyl, einen guten Satz der Vocalstimmen und der Instrumente, und gute Fugen. Zwey Organisten haben sie hier, wo es der Mühe werth wäre, eigends[323] nach Manheim zu reisen. Ich habe Gelegenheit gehabt, sie recht zu hören; denn hier ist es nicht üblich, dass man ein Benedictus macht, sondern der Organist muss dort allezeit spielen. Das erste Mal habe ich den Zweyten gehört, und das andere Mal den Ersten. Ich schätze aber nach meiner Meynung den Zweyten noch mehr als den Ersten; denn wie ich jenen gehört habe, so fragte ich, wer ist der, welcher die Orgel schlägt?Unser zweyter Organist. Er schlägt miserabel. Wie ich den Andern hörte, wer ist der? – Unser Erster. Der schlägt noch miserabler. Ich glaube, wenn man sie zusammenstösse, so würde noch was Schlechteres heraus kommen. Es ist zum Todtlachen, diese Herren zu sehen. Der Zweyte ist bey der Orgel wie das Kind beym Drecke; man sieht ihm seine Kunst schon im Gesichte an. Der Erste hat doch Brillen auf. Ich bin zur Orgel hingestanden, und habe ihm zugesehen, in der Absicht, ihm Etwas abzulernen. Er hebt die Hände bey jeder Note in aller Höhe auf. Was aber seine Force ist, ist, dass er sechsstimmig spielt, meistens aber quintenstimmig und octavstimmig; er lässt auch oft für Spaass die rechte Hand aus und spielt mit der linken ganz allein. Mit einem Worte, er kann machen, was er will, er ist völlig Herr über seine Orgel.


Mutter und Sohn an den Vater.


Manheim, den 8. Novbr. 1777.


– – Jetzt sind die Gallatage vorbey. Den ersten Tag, als den 4ten, war um 11 Uhr das Hochamt. Der Wolfgang hat nach dem Amte zu der[324] Churfürstin gehen müssen, allwo ihn der Intendant Graf Savioli aufgeführt hat. Sie hat sich noch seiner erinnert, als er vor vierzehn Jahren hier gewesen, hätte ihn aber nicht mehr gekannt. – – –

Den dritten Tag, als den 6ten, war grosse Akademie, wobey der Wolfgang ein Concert, und vor der Schluss-Symphonie aus dem Kopfe und eine Sonate gespielt hat. Er hat von dem Churfürsten und der Churfürstin, wie auch von Allen, so ihn gehört haben, einen ungemeinen Beyfall erhalten.

Wir haben Beyde an dem Tage, wo die Akademie war, bey Hrn. Cannabich gespeis't, und heute hat mein Sohn allein bey ihm gespeis't, weil er gleich nach Tische mit ihm zu den Churfürsten seinen Kindern gehet, wo er auch gestern war. Der Churfürst ist allezeit dabey gegenwärtig gewesen. Es sind vier Kinder, und zwey davon spielen Clavier. Der Churfürst liebt seine Kinder über Alles, und hat es dem Intendanten befohlen, dass man den Wolfgang solle hinführen. Der Wolfgang wird noch ein Mal bey der Churfürstin ganz allein spielen, denn sie hat es ihm versprochen. Jetzt müssen wir erwarten, bis sie es befiehlt. –

Ich habe heute bey Hrn. Cannabich das Rondo zur Sonate für seine Mselle. Tochter geschrieben, folglich haben sie mich nicht mehr weggelassen. Der Churfürst, die Churfürstin und der ganze Hof ist mit mir sehr zufrieden. In der Akademie, alle zwey Mal wie ich spielte, ging der Churfürst und die Churfürstin völlig neben meiner zum Clavier. Nach der Akademie machte Cannabich, dass ich den Hof sprechen konnte. Ich küsste dem Churfürsten die[325] Hand. Er sagte: Es ist jetzt, glaube ich, funfzehn Jahre, dass Er nicht hier war? Ja, Ew. Durchlaucht, funfzehn Jahre, dass ich nicht die Gnade gehabt habe – – Er spielt unvergleichlich. Die Prinzessin, als ich ihr die Hand küsste, sagte zu mir: Monsieur, je vous assure, on ne peut pas jouer mieux. –

Gestern war ich in dem Orte mit Cannabich, wo die Mama schon geschrieben hat. Da sprach ich den Churfürsten, wie meinen guten Freund. Er ist ein recht gnädiger und guter Herr. Er sagte zu mir: Ich habe gehört, Er hat zu München eine Opera geschrieben? Ja, Ew. Durchlaucht! Ich empfehle mich Ew. Durchlaucht zur höchsten Gnade, mein grösster Wunsch wäre, hier eine Opera zu schreiben. Ich bitte auch mich nicht ganz zu vergessen. Ich kann, Gott Lob und Dank, auch deutsch, und schmutzte. »Das kann leicht geschehen.« Er hat einen Sohn und drey Töchter, die älteste und der junge Graf spielen Clavier. Der Churfürst fragte mich ganz vertraut um Alles wegen seiner Kinder. Ich redete ganz aufrichtig, doch ohne den Meister zu verachten. Cannabich war auch meiner Meynung. Der Churfürst, als er ging, bedankte sich sehr höflich bey mir.

Heute nach Tische gleich um zwey Uhr ging ich mit Cannabich zum Flötisten Wendling, da war Alles in der grössten Höflichkeit. Die Tochter spielt recht hübsch Clavier. Hernach habe ich gespielt. Ich war heute in einer so vortrefflichen Laune, dass ich es nicht beschreiben kann, denn ich habe nichts als aus dem Kopfe gespielt, und drey Duetti mit[326] Violine, die ich mein Lebetage niemals gesehen, und dessen Autor ich niemals nennen gehört habe. Sie waren allerseits so zufrieden, dass ich – die Frauenzimmer küssen musste. Bey der Tochter kam es mir gar nicht hart an; denn sie ist gar kein Hund. Hernach gingen wir wiederum zu den Kindern des Churfürsten, da spielte ich recht von ganzem Herzen. Ich spielte drey Mal; der Churfürst ersuchte mich allezeit selbst darum, setzte sich allezeit neben mir und blieb unbeweglich. Ich liess mir auch von einem gewissen Professor ein Thema zu einer Fuge geben und führte sie aus.


Der Sohn an den Vater.


Manheim, den 13. Novbr. 1777.


– – – – – Gestern habe ich mit Cannabich zum Hrn. Intendanten Grafen Savioli gehen müssen, um mein Präsent abzuholen. Es war so, wie ich es mir eingebildet: nichts in Gelde, sondern eine schöne goldene Uhr. Mir wären aber 10 Carolin lieber gewesen als die Uhr, welche man mit Ketten und Devisen auf 20 Carolin schätzt; denn auf der Reise braucht man Geld. Nun habe ich mit Dero Erlaubniss 5 Uhren, und ich habe auch kräftig im Sinne, mir an jeder Hosen noch ein Uhrtaschel machen zu lassen, um, wenn ich zu einem grossen Herrn komme, zwey Uhren zu tragen (wie es ohnehin jetzt Mode ist), damit nur keinem mehr einfällt, mir eine Uhr zu verehren. Ich sehe aus des Papa Schreiben, dass Sie des Voglers Buch nicht gelesen. Ich habe es von Cannabich entliehen und jetzt gelesen. Nun, seine Historie ist ganz kurz. Er kam miserabel her,[327] producirte sich auf dem Clavier und machte ein Ballet. Man hatte Mitleiden, und der Churfürst schickte ihn nach Italien. Als der Churfürst nach Bologna kam, fragte er den Pater Valotti wegen dem Vogler: »O alterra, questo è un grand uomo!« etc. Er fragte auch den P. Martini: »Alterra, è buono, ma à poco à poco, quando sarà un poco più vecchio, più sodo, si farà, si farà. Ma bisogna che si lengi molto.« Als Vogler zurück kam, wurde er geistlich und gleich Hofkaplan. Er producirte ein Miserere, welches, wie mir Jedermann sagt, nicht zu hören ist, denn es geht Alles falsch. Er hörte, dass man es nicht viel lobte, und ging also zum Churfürsten und beklagte sich, dass das Orchester ihm zum Fleiss und Trotz schlecht spielte; mit einem Worte, er wusste es so gut herum zu drehen (spielte auch so kleine ihm nutzbare Schlechtigkeiten mit Weibern), dass er Vice-Kapellmeister geworden ist. Er ist ein Narr, der sich einbildet, dass nichts Besseres und Vollkommneres sey als er. Das ganze Orchester von oben bis unten mag ihn nicht. Er hat dem Holzbauer viel Verdruss gemacht. Sein Buch dient mehr zum Rechnen als zum Componiren lernen. Er sagt, er macht in drey Wochen einen Compositeur, und in sechs Monaten einen Sänger. Man hat es aber noch nicht gesehen. Er verachtet die grössten Meister; mir selbst hat er den Bach verachtet. Bach hat hier zwey Opern geschrieben, wovon die erste besser gefallen, als die zweyte, welche warLucio Silla. Weil ich nun die nämliche zu Mailand geschrieben habe, so wollte ich selbe sehen. Ich wusste von Holzbauer, dass sie Vogler hat, und begehrte[328] sie von ihm. Von Herzen gern, antwortete er mir;Morgen werde ich sie Ihnen schicken. Sie werden aber nicht viel Gescheutes sehen. Etliche Tage darauf, als er mich sah, sagte er zu mir ganz spöttisch:Nun, haben Sie was Schönes gesehen? Haben Sie was daraus gelernt? – Eine Aria ist gar schön – wie heisst der Text? (fragte er einen, der neben ihm stand) – Was für eine Aria? – Nun, die abscheuliche Aria von Bach, die Sauerey – ja, Pupille amate, die hat er gewiss im Punschrausche geschrieben. Ich habe geglaubt, ich müsste ihn beym Schopf nehmen; ich that aber, als wenn ich es nicht gehört hätte, sagte nichts und ging weg. Er hat beym Churfürsten auch schon ausgedient.

Nun ist die Sonata für die Madelle. Cannabich auch schon fertig. Vergangenen Sonntag spielte ich aus Spaass die Orgel in der Kapelle. Ich kam unter dem Kyrie, spielte das Ende davon, und nachdem der Priester das Gloria angestimmt, machte ich eine Cadenz. Weil sie aber gar so verschieden von den hier so gewöhnlichen war, so sah sich Alles um, und besonders gleich der Holzbauer. Er sagte zu mir: »Wenn ich das gewusst hätte, so hätte ich eine andere Messe aufgelegt.« Ja, sagte ich, damit Sie mich angesetzt hätten! – Der alte Toeski und Wendling standen immer neben mir. Die Leute hatten genug zu lachen, denn es stand dann und wann pizzicato, da gab ich allezeit den Tasten Bazzeln. Ich war in meinem besten Humor. Anstatt des Benedictus muss man hier allezeit spielen; ich nahm also den Gedanken vomSanctus und führte ihn fugirt aus. Da standen sie Alle da und machten[329] Gesichter. Zuletzt nach dem Ite missa est spielte ich eine Fuge. Das Pedal ist anders als bey uns, welches mich anfangs ein wenig irrig machte, aber ich kam gleich d'rein. –


Der Sohn an den Vater.


Manheim, den 20. Novbr. 1777.


Gestern, als Mittwoch den 19ten d.M. fing wieder die Galla an. Ich war im Amte, welches ganz funkelnagelneu von Vogler componirt war, und wovon schon vorgestern Nachmittags die Probe war, ich aber gleich nach geendigtem Kyrie davon ging. So etwas habe ich mein Lebetag nicht gehört, denn es stimmt oft gar nicht; er geht in die Töne, dass man glaubt, er wolle einen bey den Haaren hinein reissen, aber nicht, dass es der Mühe werth wäre, etwa auf eine besondere Art, nein, sondern ganz plump. Von der Ausführung der Ideen will ich gar Nichts sagen. Ich sage nur das, dass es unmöglich ist, dass ein Vogler'sches Amt einem Compositeur (der diesen Namen verdient) gefallen kann; denn kurz, jetzt höre ich einen Gedanken, der nicht übel ist – ja, er bleibt gewiss nicht langenicht übel – sondern er wird bald – schön? – – Gott behüte! – übel und sehr übel, und das auf zwey- oder dreyerley Manieren, nämlich, dass kaum dieser Gedanke angefangen, kömmt gleich etwas Anderes und verdirbt ihn, oder er schliesst den Gedanken nicht so natürlich, dass er gut bleiben könnte, oder er steht nicht am rechten Orte, oder er ist endlich durch den Satz der Instrumente verdorben. So ist die Musik des Vogler. – – –


[330] Manheim, den 22. Novbr. 1777.


– – – – Gestern Vormittags haben wir Ihren Brief vom 17ten erhalten, ich war aber eben nicht zu Hause, sondern bey Cannabich, wo der Flötist Mr. Wendling ein Concert probirt hat, zu welchem ich ihm die Instrumente gesetzt habe. Heute um 6 Uhr Abends war die Galla-Akademie. Ich hatte das Vergnügen, den Hrn. Fränzl auf der Violine ein Concert spielen zu hören. Er gefällt mir sehr. Sie wissen, dass ich kein grosser Liebhaber von Schwierigkeiten bin. Er spielt schwer, aber man erkennt nicht, dass es schwer ist; man glaubt, man kann es gleich nachmachen, und diess ist das Wahre. Er hat auch einen sehr schönen runden Ton, es fehlt keine Note, man hört Alles, es ist Alles markirt, er hat ein schönes Staccato in einem Bogen, sowohl hinauf als herab, und den doppelten Triller habe ich noch nie so gehört, wie von ihm. Mit einem Worte, er ist meinetwegen kein Hexenmeister, aber ein sehr solider Geiger. – – –


Der Sohn an den Vater.


Manheim, den 26. Novbr. 1777.


– Die Ursache, warum wir noch hier sind, ist, weil ich im Sinne habe, den Winter hier zu verbleiben, indem ich nur auf Antwort vom Churfürsten warte. Der Intendant Graf Savioli ist ein recht braver Cavalier, und diesem habe ich gesagt, er möchte dem Churfürsten sagen, dass, weil ohnedem jetzt eine schlechte Witterung zum Reisen ist, so wollte ich hier bleiben und den jungen Grafen instruiren. Er versprach mir auch, sein Möglichstes[331] zu thun, nur sollte ich Geduld haben, bis die Gallatage vorbey wären. Dieses geschah Alles mit Wissen und auf Anstiftung des Cannabich, indem ich ihm erzählte, dass ich beym Savioli war, und was ich ihm sagte; so sagte er mir, dass er gewisser glauben würde, es geschehe, als nicht. Nun hat Cannabich, noch ehe der Graf mit dem Churfürsten geredet hat, über dieses gesprochen. Nun muss ich es abwarten. –

Ich hätte freylich nicht geglaubt, dass ich hier eine Uhr würde zu verehren bekommen, aber jetzt ist es nun einmal so. Ich wäre schon längst weg, aber Alles sagt mir: Wo wollen Sie denn den Winter hin? – – Bey dieser Jahreszeit ist es ja gar übel zu reisen. Bleiben Sie hier. Der Cannabich wünscht es auch gar sehr; mithin habe ich es also probirt, und weil man so eine Sache nicht übereilen kann, so muss ich es mit Geduld erwarten, und ich hoffe, Ihnen bald eine gute Nachricht geben zu können. Zwey Scholaren habe ich im voraus schon, ohne die Erz-Scholaren, die mir gewisser als nicht, ein jeder einen Louisd'or den Monat geben. – – –


Manheim, den 29. Novbr. 1777.


Den vergangenen Dienstag vor acht Tagen, den 18ten d.M., nämlich den Tag vor Elisabeth, ging ich Vormittags zum Grafen Savioli, und fragte ihn, ob es nicht möglich wäre, dass mich der Churfürst diesen Winter hier behielte? Ich wollte die junge Herrschaft instruiren. Er sagte: Ja, ich will es dem Churfürsten proponiren, und wenn es bey mir steht,[332] so geschieht es gewiss. Nachmittag war ich bey Cannabich, und weil ich auf sein Anrathen zum Grafen gegangen bin, so fragte er mich gleich, ob ich dort war? – Ich erzählte ihm Alles. Er sagte mir: Mir ist es sehr lieb, wenn Sie den Winter bey uns bleiben; aber noch lieber wäre es mir, wenn Sie immer und recht in Diensten wären. Ich sagte, ich wollte nichts mehr wünschen, als dass ich immer um Sie seyn könnte, aber auf beständig wüsste ich wirklich nicht, wie das möglich wäre. Sie haben schon zwey Kapellmeister, ich wüsste also nicht, was ich seyn könnte, denn dem Vogler möchte ich nicht nachstehen! Das sollen Sie auch nicht, entgegnete er mir, denn hier steht kein Mensch von der Musik unter dem Kapellmeister, nicht einmal unter dem Intendanten. Der Churfürst könnte Sie ja zum Kammer-Compositeur machen. Warten Sie, ich werde mit dem Grafen darüber sprechen. Donnerstag darauf war grosse Akademie; als mich der Graf gesehen hatte, bat er mich um Verzeihung, dass er noch nichts geredet habe, indem jetzt die Gallatage sind, so bald aber die Galla vorbey seyn wird, nämlich Montag, so wird er gewiss reden. Ich liess drey Tage vorbey gehen, und als ich gar nichts hörte, so ging ich zu ihm, um mich zu erkundigen. Er sagte: Mein lieber Mozart (das war Freytag, nämlich gestern), heute war Jagd, mithin habe ich den Churfürsten unmöglich fragen können; aber morgen um diese Zeit werde ich Ihnen gewiss eine Antwort sagen können. Ich bat ihn, er möchte es doch nicht vergessen. Die Wahrheit zu gestehen, so war ich, als ich weg ging, ein wenig aufgebracht, und[333] entschloss mich also, meine leichtesten sechs Variations über den Fischer-Menuett, die ich schon eigends wegen diess hier aufgeschrieben habe, dem jungen Grafen zu bringen, um Gelegenheit zu haben, mit dem Churfürsten selbst zu reden. Als ich hin kam, so können Sie sich die Freude nicht vorstellen von der Gouvernante. Ich ward sehr höflich empfangen, und als ich die Variationen herauszog und sagte, dass sie für den Grafen gehören, sagte sie: O, das ist brav, aber Sie haben ja doch für die Comtesse auch was? – Jetzt noch nicht, sagte ich, wenn ich aber noch so lange hier bleibe, dass ich etwas zu schreiben Zeit habe, so werde ich – A propos, sagte sie, das freut mich, Sie bleiben den ganzen Winter hier. Ich? – da weiss ich nichts! – – Das wundert mich, das ist curios. Mir sagte es neulich der Churfürst selbst. A propos, sagte er, der Mozart bleibt den Winter hier. Nun, wenn er es gesagt hat, so hat es derjenige gesagt, der es sagen kann; denn ohne den Churfürsten kann ich natürlicher Weise nicht hier bleiben. Ich erzählte ihr nun die ganze Geschichte. Wir wurden einig, dass ich morgen, als heute nach vier Uhr hinkommen und für die Comtesse etwas mitbringen würde. Sie werde, ehe ich komme, mit dem Churfürsten reden, und ich werde ihn noch antreffen. Ich bin heute hingegangen, aber er ist nicht gekommen. Morgen werde ich aber hingehen. Ich habe für die Comtesse ein Rondo gemacht. Habe ich nun nicht Ursache genug, hier zu bleiben und das Ende abzuwarten? – Sollte ich etwa jetzt, wo der grösste Schritt gethan ist, abreisen? – Jetzt habe ich Gelegenheit,[334] mit dem Churfürsten selbst zu reden. Diesen Winter, glaube ich, werde ich wohl vermuthlich hier bleiben; denn der Churfürst hat mich lieb, hält viel auf mich, und weiss, was ich kann. Ich hoffe, Ihnen im künftigen Briefe eine gute Nachricht geben zu können. Ich bitte Sie noch ein Mal, sich nicht zu früh zu freuen, oder zu sorgen, und die Geschichte keinem Menschen als Hrn. Bullinger und meiner Schwester zu vertrauen. Hier schicke ich meiner Schwester das Allegro und Andante von der Sonata für die Madelle. Cannabich;5 das Rondo folgt nächstens. Es wäre zu dick gewesen, Alles zusammen zu schicken. Sie müssen schon mit dem Originale vorlieb nehmen. Sie können sich es leichter um 6 Xr. den Bogen abschreiben lassen, als ich um 24 Xr. Finden Sie das nicht theuer?


Manheim, den 3. Decbr. 1777.


Noch kann ich gar nichts Gewisses schreiben wegen meinen Umständen hier. Vergangenen Montag hatte ich das Glück, nachdem ich drey Tage nach einander Vor- und Nachmittags zu den Kindern hingegangen, den Churfürsten endlich anzutreffen. Wir haben zwar Alle geglaubt, es wird die Mühe wieder umsonst seyn, weil es schon spät war. Doch endlich sahen wir ihn kommen. Die Gouvernante liess gleich die Comtesse zum Claviere sitzen,[335] und ich setzte mich neben ihr und gab ihr Lection, und so sah uns der Churfürst, als er herein kam. Wir standen auf; aber er sagte, wir sollten fortmachen. Als sie ausgespielt hatte, nahm die Gouvernante das Wort und sagte, dass ich ein schönes Rondo geschrieben hätte. Ich spielte es und es gefiel ihm sehr. Endlich fragte er: Wird sie es aber wohl lernen können? – O ja, ich wollte nur wünschen, dass ich das Glück hatte, ihr es selbst zu lehren. Er schmutzte und sagte: Mir wäre es auch lieb; aber würde sie sich nicht verderben, wenn sie zweyerley Meister hätte? – Ach nein, Ew. Durchlaucht, es kömmt nur darauf an, ob sie einen guten, oder einen schlechten bekömmt. Ich hoffe, Ew. Durchlaucht würden nicht zweifeln – werden Vertauen auf mich haben – – O das gewiss, sagte er. Hierauf sagte die Gouvernante: Hier hat Mr. Mozart Variations über den Menuett von Fischer für den jungen Grafen geschrieben. Ich spielte sie auch, und sie gefielen ihm sehr. Nun scherzte er mit der Comtesse, da bedankte ich mich für das Präsent. Er sagte: Nun, ich werde darüber denken; wie lange will Er denn hier bleiben? – So lange Ew. Durchlaucht befehlen, ich habe gar kein Engagement, ich kann bleiben, so lange Ew. Durchlaucht befehlen. Nun war Alles vorbey. Ich war heute Morgens wieder dort, da sagte man mir, dass der Churfürst gestern abermals gesagt hatte, der Mozart bleibt diesen Winter hier. Nun sind wir so weit gekommen, dass ich doch warten muss. Heute habe ich bey Wendling gespeis't. Vor dem Essen kam Graf Savioli mit dem Kapellmeister Schweitzer, der[336] gestern Abends angekommen, hin. Savioli sagte zu mir: Ich habe gestern abermals mit dem Churfürsten gesprochen, er hat sich aber noch nicht resolvirt. Ich sagte zu ihm, ich muss mit Ihnen ein paar Worte sprechen. Wir gingen ans Fenster. Ich sagte ihm die Zweifel des Churfürsten, beklagte mich, dass es gar so lange hergeht, dass ich schon so viel hier ausgegeben, bat ihn, er möchte doch machen, dass mich der Churfürst auf beständig nehme, indem ich fürchte, dass er mir den Winter so wenig geben wird, dass ich etwa gar nicht hier bleiben kann. Er soll mir Arbeit geben, ich arbeite gern. Er sagte mir, er würde es ihm gewiss so proponiren. Heute Abends könnte es zwar nicht seyn, indem er heute nicht nach Hofe kömmt; aber morgen verspricht er mir gewisse Antwort. Nun mag geschehen, was will. Behält er mich nicht, so dringe ich auf ein Reisegeld; denn das Rondo und die Variations schenke ich ihm nicht. Ich versichere Sie, dass ich so ruhig bey der Sache bin, weil ich gewiss weiss, dass es nicht anders als gut gehen kann, es mag geschehen was will. – – –


Manheim, den 10. Decbr. 1777.


Hier ist dermalen Nichts mit dem Churfürsten. Ich war vorgestern in der Akademie bey Hofe, um eine Antwort zu bekommen. Der Graf Savioli wich mir ordentlich aus, ich ging aber auf ihn zu, und als er mich sah, schupfte er die Achseln. Was, sagte ich, noch keine Antwort? – Bitte um Vergebung, sagte er, aber leider Nichts. – Eh bien, antwortete ich, das hätte mir der Churfürst eher sagen[337] können. Ja, sagte er, er hätte sich noch nicht resolvirt, wenn ich ihn nicht dazu getrieben und ihm vorgestellt hätte, dass Sie schon so lange hier sitzen und im Wirthshause Ihr Geld verzehren. Das verdriesst mich auch am meisten, versetzte ich, das ist gar nicht schön. Uebrigens bin ich Ihnen, Herr Graf, sehr verbunden, und bitte im Namen meiner beym Churfürsten zu bedanken für die zwar späte, doch gnädige Nachricht, und ich versicherte ihn, dass es ihn gewiss niemals gereuet hätte, wenn er mich genommen hätte. O, sagte er, von diesem bin ich mehr versichert, als Sie es glauben. Ich erzählte hernach diese Resolution Herrn Wendling, welcher völlig roth wurde und ganz hitzig sagte: Da müssen wir Mittel finden, Sie müssen hier bleiben, wenigstens die zwey Monate, bis wir hernach mit einander nach Paris gehen. –

Den andern Tag kam ich wie sonst zum Wendling zum Speisen, da sagte er mir: Unser Indianer (das ist ein Holländer, der von seinen eigenen Mitteln lebt, Liebhaber von allen Wissenschaften und ein grosser Freund und Verehrer von mir) ist halt doch ein rarer Mann. Er giebt Ihnen 200 fl., wenn Sie ihm drey kleine, leichte und kurze Concerte und ein paar Quattro auf die Flöte machen. Durch den Cannabich bekommen Sie wenigstens zwey Scholaren, die gut bezahlen. Sie machen hier Duetti auf das Clavier und eine Violine auf Subscription, und lassen selbe stechen. Tafel haben Sie sowohl Mittags als Abends bey uns. Quartier haben Sie für sich bey Herrn Hof-Kammerrath Serarius; das kostet Ihnen Alles Nichts. – – – –[338]

Ich werde die zwey Monate hindurch genug zu schreiben haben, 3 Concerte, 2 Quartetten, 4 oder 6 Duetti auf Clavier, und dann habe ich auch im Sinne, eine neue grosse Messe zu machen und dem Churfürsten zu präsentiren. –


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 18. Decbr. 1777.


– Nun muss ich Dir gründlich schreiben. Du weisst, wie viele Jahre man unsere Geduld in Salzburg auf die Probe gesetzt; Du weisst, wie oft Du und ich davon zu gehen Lust hatten. Es wird Dir noch er innerlich seyn, was ich für Einwendungen machte, die uns verhinderten, Salzburg Alle zu verlassen. Du hast nun die Probe davon – grosse Unkosten auf den Reisen, und nicht viel oder wenigstens nicht hinlängliche Einnahme, solche mit einer ganzen Familie zu bestreiten. Dich allein reisen zu lassen, war damals nicht möglich; Du weisst, dass Du auf Alles allein Acht zu haben – Dir selbst ein und Anderes, ohne fremde Hilfe, zu thun nicht gewohnt – mit den Geldsorten wenig, mit auswärtigen aber gar nicht bekannt warst, vom Einpacken und derley vielen auf Reisen vorkommenden Nothwendigkeiten nicht den mindesten Begriff hattest. Ich stellte Dir oft vor, dass Du (wenn Du auch bis ein paar Jahre über das Zwanzigste hinaus in Salzburg bleibst) nichts verlierst, da Du unterdessen Gelegenheit hast, Dich in andern nützlichen Wissenschaften in Etwas umzusehen, und durch Lesung guter Bücher in verschiedenen Sprachen die Vernunft mehr auszubilden, und Dich in Sprachen zu[339] üben. Ich stellte Dir ferner vor, dass ein junger Mensch, wenn er auch vom Himmel gefallen, über alle Meister hinweg sähe, dennoch die Achtung niemals erwerben wird, die er verdient: dazu will es gewisse Jahre haben, und so lange man unter zwanzig Jahren ist, wissen die Neider, Feinde und Verfolger den Stoff ihres Tadels und ihrer zu machenden Ausstellungen aus der Jugend, den wenigen Jahren, zu wenigem Ansehen und Erfahrenheit heraus zu ziehen. Und zweifelst Du etwa, dass dergleichen dem Churfürsten wegen Unterweisung der Kinder beygebracht worden? – Ferner bin ich so wenig vom Kriechen ein Liebhaber als Du, und Du wirst Dich erinnern, dass ich Dir wegen München geschrieben, Du solltest Dich nicht hinwerfen; und alle diese Bemühung, durch eine Versammlung von zehn Personen es dahin zu bringen, um allda bleiben zu können, war mir zu kriechend. Allein Du warst durch das Zureden gutherziger und wohlmeinender Freunde dazu bewogen; das sind Strohfeuer, die geschwind aufbrennen – und sich mit einem Rauch enden. Dass ich Dir jetzt einen Platz gewünscht hätte, hat seine Richtigkeit, aber nur einen solchen Platz, wie München oder Manheim, oder auch einen andern, NB. wo Du zu Zeiten eine Reise zu machen nicht gehindert wärest; auch meinethalben keinen Platz per Decretum auf lebenslang. Hättest Du einen solchen Platz auch nur auf ein paar Jahre, so würden Dir die Reisen nach Frankreich und Italien nicht ausbleiben. Man kömmt durch die Jahre und durch den Titel, den man als ein Compositeur eines Churfürsten etc. hat, in mehr Ansehen[340] und Respect etc., das weisst Du selbst. Das ist nun auch mein Gedanke wegen München: so bald man nur auf eine Zeit einen Platz sucht, so ist es gewiss nicht kriechend, weil man nur dadurch Gelegenheit sucht, das, was man kann und versteht, zeigen zu können, da bey allen Höfen Leute sind, die es zu verhindern suchen, da, um sich recht zu zeigen, Zeit und Gelegenheit erfordert wird. – Dem Wolfgang hat Niemand mehr entgegen gearbeitet, als der Herr Vogler. Das sagte ich immer voraus zu Hrn. Bullinger und Nannerl. –


Der Sohn an den Vater.


Manheim, den 18. Decbr. 1777.


Heute ist ein vornehmer Lutheraner zu uns gekommen und hat mich mit aller Höflichkeit eingeladen, ihre neue Orgel in der lutherischen Kirche zu probiren; es waren alle hiesigen Kapellmeister dazu eingeladen. Die Orgel, die heute Nachmittags um 3 Uhr probirt wurde, ist sehr gut, sowohl im ganzen Pieno, als in einzelnen Registern. Vogler hat sie gespielt. Er ist, so zu sagen, nichts als ein Hexenmeister; denn so bald er etwas majestätisch spielen will, so verfällt er ins Trockene, und man ist ordentlich froh, dass ihm die Zeit gleich lang wird und mithin nicht lange dauert, allein was folgt hernach? – Ein unverständliches Gewäsch. Ich habe ihm von ferne zugehört. Hernach fing er eine Fuge an, wo 6 Noten auf einen Ton waren und Presto. Da ging ich hinauf zu ihm, denn ich will ihm in der That lieber zusehen, als zuhören. Es waren[341] sehr viele Leute da, auch von der Musik, als Holzbauer, Cannabich, Toeschi etc. – – –


Manheim, den 27. Decbr. 1777.


– – – Neulich bin ich mit dem holländischen Officier, Mr. de la Pottrie, in die reformirte Kirche gegangen und habe 11/2 Stunde auf der Orgel gespielt. Es ist mir auch recht vom Herzen gegangen. Nächstens werden wir, nämlich die Cannabich'schen, Wendling'schen, Serarius'schen und Mozart'schen, in die lutherische Kirche gehen, und da werde ich mich auf der Orgel köstlich divertiren. Das Pieno habe ich schon bey derselben Probe, wovon ich geschrieben habe, probirt; habe aber nicht viel gespielt, nur ein Präludium, und dann eine Fuge.–


Manheim, den 17. Januar 1778.


Künftigen Mittwoch werde ich auf etliche Tage nach Kirchheim-Poland zu der Prinzessin von Oranien gehen; man hat mir hier so viel Gutes von ihr gesprochen, dass ich mich endlich entschlossen habe. Ein holländischer Officier, der mein guter Freund ist, ist von ihr entsetzlich ausgescholten worden, dass er mich, als er hinüber kam, ihr das Neujahr anzuwünschen, nicht mitgebracht habe. Auf das Wenigste bekomme ich doch acht Louisd'or; denn weil sie eine ausserordentliche Liebhaberin vom Singen ist, so habe ich ihr vier Arien abschreiben lassen, und eine Symphonie werde ich ihr auch geben, denn sie hat ein ganz niedliches Orchester und giebt alle Tage Akademie. Die Copiatur von den Arien wird mich auch nicht viel kosten, denn die hat mir ein gewisser Herr Weber, welcher mit mir hinüber[342] gehen wird, abgeschrieben. Dieser hat eine Tochter, die vortrefflich singt und eine schöne reine Stimme hat, und erst 15 Jahre alt ist. Es geht ihr nichts als die Action ab, dann kann sie auf jedem Theater die Prima donna machen. Ihr Vater ist ein grundehrlicher deutscher Mann, der seine Kinder gut erzieht, und diess ist eben die Ursache, warum das Mädel hier verfolgt wird. Er hat 6 Kinder, 5 Mädel und einen Sohn. Er hat sich mit Frau und Kindern 14 Jahre mit 200 fl. begnügen müssen, und weil er seinem Dienste allezeit gut vorgestanden und dem Churfürsten eine sehr geschickte Sängerin gestellt hat, so hat er nun – ganze 400 fl. Meine Arie von der De Amicis mit den entsetzlichen Passagen singt sie vortrefflich; sie wird diese auch zu Kirchheim-Poland singen. –

Nun etwas Anderes. Vergangenen Mittwoch war in unserm Hause ein grosses Tractament, und da war ich auch dazu eingeladen. Es waren 15 Gäste, und die Madselle vom Hause sollte auf den Abend das Concert, welches ich sie gelehrt, spielen. Um 11 Uhr Vormittags kam der Hr. Kammerrath mit dem Herrn Vogler zu mir herein. Der Hr. Vogler hat absolument mit mir recht bekannt werden wollen, indem er mich schon so oft geplagt hatte, zu ihm zu kommen, so hat er endlich doch seinen Hochmuth besiegt, und hat mir die erste Visite gemacht. Ueberhaupt sagen mir die Leute, dass er jetzt ganz anders sey, weil er dermalen nicht mehr so bewundert wird; denn die Leute haben ihn anfangs zu einem Abgott gemacht. Ich ging also mit ihm gleich hinauf, da kamen so nach und nach die[343] Gäste, und wurde nichts als geschwatzt. Nach Tische aber liess er zwey Claviere von ihm holen, welche zusammen stimmen, und auch seine gestochenen langweiligen Sonaten. Ich musste sie spielen und er accompagnirte mir auf dem andern Claviere dazu. Ich musste auf sein so dringendes Bitten auch meine Sonaten holen lassen. NB. Vor dem Tische hat er mein Concert (welches die Mademoiselle vom Hause spielt und das von der Litzau ist) prima vista – herabgehudelt. Das erste Stück ging prestissimo, das Andanteallegro und das Rondo wahrlich prestissimo. Den Bass spielte er meistens anders als es stand, und bisweilen machte er eine ganz andere Harmonie und auch Melodie. Es ist auch nicht anders möglich in der Geschwindigkeit; die Augen können es nicht sehen und die Hände nicht greifen. Ja, was ist denn das? – so ein Prima vista spielen, und – ist bey mir einerley. Die Zuhörer (ich meyne diejenigen, die würdig sind, so genannt zu werden) können nichts sagen, als dass sie Musik und Clavierspielen – gesehen haben. Sie hören, denken und – empfinden so wenig dabey – alser. Sie können sich leicht vorstellen, dass es nicht zum Ausstehen war, weil ich es nicht gerathen konnte, ihm zu sagen: Viel zu geschwind. Uebrigens ist es auch viel leichter, eine Sache geschwind, als langsam zu spielen; man kann in Passagen etliche Noten im Stiche lassen, ohne dass es Jemand merkt; ist es aber schön? – Man kann in der Geschwindigkeit mit der rechten und linken Hand verändern, ohne dass es Jemand sieht und hört; ist es aber schön? – Und in was besteht die Kunst, prima vista zu lesen? In diesem:[344] das Stück im rechten Tempo, wie es seyn soll, zu spielen, alle Noten, Vorschläge etc. mit der gehörigen Expression und Gusto, wie es steht, auszudrücken, so dass man glaubt, derjenige hätte es selbst componirt, der es spielt. Seine Applicatur ist auch miserabel: der linke Daumen ist wie beym seligen Adlgasser, und alle Läufe herab mit der rechten Hand macht er mit dem ersten Finger und Daumen. –


Unterdessen hatte der Vater vor Empfang dieses vorhergehenden Briefes, also einige Wochen früher schon folgenden Brief an Pater Martini in Bologna geschrieben:


Salzburg, den 22. Dec. 1777.


Tandem aliquando! Es ist ein Jahr, dass mein Sohn Ihnen auf Ihr geneigtes Schreiben vom 18ten Dec. v.J. die Antwort schuldig ist, in welchem Sie die Güte hatten, der Motette zu vier realen Stimmen Ihren Beyfall zu schenken; indem Sie zugleich den Wunsch äusserten, mein und meines Sohnes Portrait zu erhalten. Ich zögerte bis jetzt, aus Mangel eines geschickten Malers, Ihnen damit aufzuwarten. Es fehlt nämlich ein solcher in unserer Stadt, und ich hoffte immer, es möchte ein geschickter Künstler hierher kommen, wie das manchmal geschieht. Somit zauderte ich von Zeit zu Zeit. Endlich aber war ich gezwungen, mich zu entschliessen, das Portrait von einem hiesigen Maler verfertigen zu lassen. – Hören Sie nun unsere Geschichte! Es sind bereits fünf Jahre, dass mein Sohn unserm Fürsten für ein Spottgeld von 12 fl. 30 Xr. (R.W.)[345] in der Hoffnung dient, dass nach und nach seine Bemühungen und wenige Geschicklichkeit, vereint mit dem grössten Fleisse und ununterbrochenen Studien, würden beherzigt werden: allein wir fanden uns betrogen. Ich unterlasse es, eine lange Beschreibung der Denkungs- und Handlungsweise unseres Fürsten zu machen; genug, er schämte sich nicht, zu sagen, das mein Sohn nichts wisse, dass er nach Neapel in ein Musik-Conservatorium gehen solle, um Musik zu lernen – – und alles dieses, warum? Um zu verstehen zu geben, ein solcher junger Mensch solle nicht so albern seyn, sich selbst zu überzeugen, er verdiene etwas mehr Besoldung, nachdem diese bestimmten Worte aus dem Munde eines Fürsten hervorgegangen. Das Uebrige wird man nach und nach in Italien erfahren; ja, ich zweifle, ob es nicht schon bekannt ist. Diess hat mich denn bewogen, meinem Sohne zu erlauben, seinen Dienst zu verlassen; er ist also am 23sten Septbr. von Salzburg abgereis't, und nachdem er sich einige Zeit an dem Churfürstlichen Hofe zu München aufgehalten, ist er nach Manheim gegangen, wo er sich sehr wohl befindet, und sich Ihnen ergebenst empfiehlt. Sein Aufenthalt in Manheim wird bis Anfang Märzes, nämlich bis Ende des Faschings dauern, und in der folgenden Fasten, wenn Gott will, wieder zu Paris seyn. Diess ist denn auch die Ursache meines Entschlusses, vor seiner Abreise noch sein verlangtes Portrait verfertigen zu lassen, und unserm lieben Herrn Pater damit zu dienen. Wenn es Ihrer Güte gefällig wäre, Sr. Durchlaucht dem Churfürsten eine gute Idee und vortheihafte Schilderung von meinem[346] Sohne beyzubringen, so würden Sie etwas wahrhaft Gutes thun; zwey Worte von Ihnen haben mehr Gewicht, als die Empfehlung manches Fürsten. Ich schmeichle mir, dass dieses vielleicht bey Anlass des neuen Jahres möglich wäre. Aber im Fall dieses Gemälde noch nicht in Ihren Händen ist, werden Sie fragen: Wo ist es denn? Ich habe es dem Hause Siegmund Haffner, dem Grosshändler zu Salzburg, eingehändigt, der es mit sich auf die Messe St. Andrea nach Botzen genommen hat, von wo aus er es Ihnen zu übermachen suchen wird. Vielleicht ist es an Hrn. Prinsechi in Bologna adressirt. Die Malerey hat wenig Werth, aber was die Aehnlichkeit betrifft, so versichere ich Sie, dass es ihm ganz und gar ähnlich sieht. Hinter dem Gemälde habe ich seinen Namen und sein Alter verzeichnet, und hege noch eine andere Idee, nämlich Ihnen die ersten seiner Compositionen zu senden; ich meyne seine Claviersonaten für die Mad. Victoire, im Alter von sieben Jahren componirt, und in Paris gestochen; jene für die Königin von England, geschrieben im Alter von acht Jahren, und gestochen zu London; jene für die Herzogin von Nassau-Weilburg, componirt im Alter von neun Jahren, und gestochen zu Haag in Holland, und dergleichen mehr. Diesen werde ich dann eine kleine Uebersicht seiner merkwürdigsten Reisen beyfügen. In Rücksicht meines Portraits glaube ich nicht, dass mein Gesicht verdient, zu Männern von Talent gesellt zu werden; doch wenn Sie es verlangen, so werde ich trachten, Ihnen Genüge zu leisten, aber ohne dass ich mir ein anderes Verdienst beymässe, als dass ich meine Pflicht erfüllet,[347] das Talent zu bilden, das der gütige Gott meinem Sohne gegeben hat. Erhalten Sie uns Ihre Gewogenheit und Ihren Schutz, und sorgen Sie für die Erhaltung Ihrer Gesundheit etc.

Zum neuen Jahre wünsche ich Ihnen gute Gesundheit: anderes Glück haben Sie nicht nöthig; und bitte Gott, dass er sage: Amen!


Leopold Mozart m.p.


Der Vater an Beyde.


Salzburg, den 26. Januar 1778.


Euern Brief vom 17ten d.M. habe ich erhalten. Gott Lob, Ihr seyd gesund, – wir auch. P. Maestro Martini hat mir geantwortet, er hat aber das Portrait noch nicht in Händen, denn es ist mit Waaren gepackt, folglich geht es mit Fuhrleuten sehr langsam. Er lässt dem Wolfgang tausend Complimente melden. Er wird, wie er schreibt, dem Sign. Raff schreiben, dass er aus seiner Commission und in seinem Namen dem Churfürsten alles Erdenkliche von Dir sagen und nach Verdienste von Dir anrühmen soll. – – –


Von Manheim machte der junge Mozart einen kleinen Ausflug nach Kirchheim-Polland zu der Prinzessin von Weilburg, welche eine ungemeine Liebhaberin der Musik war, selbst sehr brav Clavier spielte und gut sang. Während seines achttägigen Aufenthalts spielte er zwölf Mal bey der Fürstin bey Hofe, und ein Mal auf Verlangen in der lutherischen Kirche auf der Orgel. Er überreichte der Fürstin vier Symphonien von seiner Composition,[348] und erhielt bey seiner Abreise ein Präsent von sieben Louisd'or. In einem Briefe aus Manheim vom 7ten Februar 1778 über seine baldige Abreise nach Paris, und was er dort zu thun haben werde, äusserte er seine Abneigung, sich mit Scholaren alldort abzugeben, mit den Worten: Ich bin ein Componist, und bin zu einem Kapellmeister geboren, und kann mein Talent im Componiren, welches mir der gütige Gott so reichlich gegeben hat (ich darf ohne Hochmuth so sagen, denn ich fühle es nun mehr als jemals), nicht so vergraben, und das würde durch die vielen Scholaren. – Das Opernschreiben steckt mir stark im Kopfe, französisch lieber als deutsch, und italienisch lieber als französisch und deutsch. Beym Wendling sind sie Alle der Meynung, dass meine Composition ausserordentlich in Paris gefallen würde, denn ich kann so ziemlich, wie Sie wissen, alle Arten und Styl von Compositions annehmen und nachahmen. Ich habe der Mselle. Gustl (der Tochter) gleich nach meiner Ankunft ein französisches Lied, wozu sie mir den Text gegeben hat, gemacht, welches sie unvergleichlich singt. Hier habe ich die Ehre, damit aufzuwarten. Bey Wendling wird's alle Tage gesungen, sie sind völlig Narren darauf.

Auf obigen Brief antwortete der Vater Folgendes:


Salzburg, den 16. Februar 1778.


Euer Schreiben vom 7. Febr. sammt der beygefügten französischen Arie habe ich richtig erhalten. Die beygeschlossene Arie machte mich wieder etwas leichter schnauben, da ich wieder etwas von meinem lieben[349] Wolfgang sah, und so was Vortreffliches. – – Jedermann hat Recht, dass Deine Composition in Paris sehr gefallen wird; und Du selbst (wie ich) bist überzeugt, dass Du alle Compositions-Arten nachzuahmen im Stande bist. Wegen des Lection geben in Paris hast Du Dich nichts zu bekümmern. Erstlich wird Niemand sogleich seinen Meister abdanken und Dich rufen; zweytens würde es Niemand wagen, und Du Niemand nehmen, als etwa eine Dame, die schongut spielt, um von Dir einen Gusto zu lernen, und würde das so eine Arbeit für gute Bezahlung seyn. Da dann solche Damen sich oben darein alle Mühe geben, für Deine Composition Subscribenten zu sammeln. Die Damen machen Alles in Paris, – und sind grosse Liebhaberinnen für's Clavier, und es giebt viele, die trefflich spielen. – Diese sind Deine Leute, und die Composition; da Du mit Herausgeben vonClaviersachen, Violin-Quartetten, Symphonieen, und dann auch einer Sammlung guter französischer Arien mit dem Claviere, wie Du mir geschickt, und endlich mit Opern Geld und Ruhm machen kannst. – Was findest Du für einen Anstand? – – Bey Dir soll Alles den Augenblick schon geschehen seyn, bevor man Dich einmal gesehen, oder Etwas von Dir gehört hat. Lies das grosse Verzeichniss unserer damaligen Bekanntschaften in Paris, – es sind Alle – oder doch die Meisten, die grössten Leute dieser Stadt. Alle werden Dich jetzt mit Begierde wieder sehen; und sind nur sechs Personen darunter (ja, eine einzige der Grossen ist genug), die sich Deiner annehmen, so machst Du, was Du willst. Hier schliesse ich zwey offene Präsentations-Schreiben[350] ein, die Ihr wohl verwahren, und dann in Paris dem Hrn. Joseph Felix Arbaur, dem grossen Galanteriehändler präsentiren müsset. Mr. Mayer ist des Erstern Commissionär, wo Graf Wolfegg seine Wohnung hatte. Heute geht der rechte Brief schon nach Paris, wo Alles umständlich wegen der Wohnung etc. darin ist. Diese Briefe sind nur, damit man weiss, dass Ihr diejenigen seyd, für die man die Anstalten gemacht hat. – Da allem Vermuthen nach dieser der letzte Brief seyn kann, den Du gewiss noch von mir in Manheim erhalten wirst, so ist er an Dich allein gerichtet. Wie schwer es mir fällt, dass ich nun weiss, dass Du Dich noch weiter von mir entfernest, kannst Du zwar Dir zum Theil vorstellen, aber mit derjenigen Empfindlichkeit nicht fühlen, mit der es mir auf dem Herzen liegt. Wenn Du Dir die Mühe nehmen willst, bedächtlich nachzudenken, was ich mit Euch zwey Kindern in Eurer zarten Jugend unternommen habe, so wirst Du mich keiner Zaghaftigkeit beschuldigen, sondern mir mit allen Andern das Recht wiederfahren lassen, dass ich ein Mann bin und allezeit war, der das Herz hatte, Alles zu wagen. Nur that ich Alles mit der menschenmöglichsten Vorsichtigkeit und Nachdenken: – wider die Zufälle kann man dann nicht; denn nur Gott sieht die Zukunft voraus. Wir waren freylich bis anhero weder glücklich, noch unglücklich, es war so, Gott sey es gedankt, so mitten durch. Wir haben alles versucht, um Dich, und auch uns durch Dich glücklicher zu machen, und wenigstens Deine Bestimmung auf einen festern Fuss zu setzen; allein das Schicksal wollte,[351] dass wir nicht zum Zwecke kamen. Ich bin aber durch unsern letzten Schritt tief hinein gesunken. Du siehst also sonnenklar ein, dass Deiner alten Eltern, und gewiss guten, Dich von ganzem Herzen liebenden Schwester zukünftiges Schicksal lediglich in Deinen Händen ist. Ich habe seit Eurer Geburt, und auch schon früher, seitdem ich verheirathet bin, mir es gewiss sauer genug werden lassen, um nach und nach einer Frau und sieben Kindern, zwey Ehehalten, und der Mama Mutter mit 25 fl. monatlich gewissem Einkommen Unterhalt zu verschaffen, Kindbetten, Todesfalle und Krankheiten auszuhalten, welche Unkosten, wenn Du sie überlegst, Dich überzeugen werden, dass ich nicht nur allein nicht einen Kreuzer auch nur zu meinem mindesten Vergnügen angewendet, sondern ohne sonderbare Gnade Gottes, bey aller meiner Speculation und saurer Mühe es niemals hätte dahin bringen können, ohne Schulden zu leben: und dennoch war ich niemals in Schulden als jetzt. Ich habe dann alle meine Stunden Euch Zweyen aufgeopfert, in der Hoffnung, es sicher dahin zu bringen, nicht nur, dass Ihr Beyde seiner Zeit auf Eure Versorgung Rechnung machen könntet, sondern auch mir ein ruhiges Alter zu verschaffen, Gott für die Erziehung meiner Kinder Rechenschaft geben zu können, ohne fernere Sorge nur für mein Seelenheil sorgen, und mit Ruhe meinem Tode entgegen sehen zu können. Allein die Fügung und der Wille Gottes hat es so geordnet, dass ich mich nun erst von Neuem der gewiss sauern Arbeit, Lection zu geben, unterziehen muss, und zwar an einem Orte, wo diese schwere Bemühung so schlecht bezahlt[352] wird, dass man doch alle Monate seinen und der Seinigen Unterhalt nicht heraus bringt; und dennoch muss man noch froh seyn, und sich eine Brustkrankheit an den Hals reden, um wenigstens doch Etwas einzunehmen. Ich habe nun in Dich, mein lieber Wolfgang, nicht nur allein kein, auch nur das geringste Misstrauen, sondern ich setze an Deine kindliche Liebe alles Vertrauen und alle Hoffnung. Es kommt nur auf Deine gesunde Vernunft, die Du gewiss hast, wenn Du sie hören willst, und auf glückliche Umstände an; das Letzte lässt sich nicht zwingen, Deine Vernunft aber wirst Du immer zu Rathe ziehen, das hoffe ich, und das bitte ich Dich. Du kommst nun in eine andere Welt: und Du musst nicht glauben, dass ich aus Vorurtheil Paris für einen so gefährlichen Ort halte, au contraire, ich habe aus meiner eigenen Erfahrung gar keine Ursache, Paris für gar so gefährlich anzusehen. Allein meine damaligen und Deine dermaligen Umstände sind himmelweit unterschieden. Wir waren in dem Hause eines Gesandten, und das zweyte Mal in einer geschlossenen Wohnung; ich war ein gestandener Mann, und Ihr waret Kinder; ich vermied alle Bekanntschaft, und NB. sonderheitlich mit Leuten von unserer Profession flohe ich alle Familiarität; denke nach, ob ich nicht das Nämliche in Italien that. Ich machte nur Bekanntschaft und suchte nur die Freundschaft mit Personen von höherem Stande, – und auch unter diesen nur mit gestandenen Leuten und nicht mit jungen Burschen, und wären sie auch vom ersten Range. Ich lud Niemand ein, mich in meiner Wohnung öfters zu besuchen,[353] um in meiner Freyheit zu bleiben, und hielt es immer für vernünftiger, Andere, wenn's mir gelegen, zu besuchen. Denn, gefällt mir der Mann nicht, oder ich habe Arbeit oder Verrichtungen, so kann ich wegbleiben; – im Gegentheile, kommen die Leute zu mir, und sind von schlechter Aufführung, so weiss ich nicht, wie ich sie los werde; und oft eine mir sonst nicht unangenehme Person hindert mich an meiner nothwendigen Arbeit. Du bist ein junger Mensch von 22 Jahren; hier ist also keine Ernsthaftigkeit des Alters, die einen jungen Burschen, wessen Standes er auch immer seyn mag, – einen Aventurier, einen Schwänkemacher, einen Betrüger, – er mag alt oder jung seyn, abhalten könnte, Deine Freundschaft und Bekanntschaft zu suchen, um Dich in seine Gesellschaft und dann nach und nach in seine Absichten zu ziehen. Man kommt so ganz unvermerkt hinein, und weiss alsdann nicht mehr zurück. Von Frauenzimmern will ich gar nicht einmal sprechen, denn da braucht es die grösste Zurückhaltung und alle Vernunft, da die Natur selbst unser Feind ist, und wer da zur nöthigen Zurückhaltung nicht alle seine Vernunft aufbietet, wird sie alsdann umsonst anstrengen, sich aus dem Labyrinth heraus zu helfen: ein Unglück, das sich meistens erst mit dem Tode endet. Wie blind man aber oft durch anfangs ganz unbedeutende Scherze, Schmeicheleyen, Spässe etc. anlaufen kann, darüber sich die nach der Hand erwachende Vernunft schämt, magst Du vielleicht selbst schon ein wenig erfahren haben; ich will Dir keinen Vorwurf machen. Ich weiss, dass Du mich nicht allein als[354] Deinen Vater, sondern auch als Deinen gewissesten und sichersten Freund liebst; dass Du weisst und einsiehst, dass unser Glück und Unglück, ja mein längeres Leben oder auch mein baldiger Tod, nächst Gott, so zu sagen, in Deinen Händen ist. Wenn ich Dich kenne, so habe ich nichts als Vergnügen zu hoffen, welches mich in Deiner Abwesenheit, da ich der väterlichen Freude, Dich zu hören, Dich zu sehen und zu umarmen, beraubt bin, allein noch trösten muss. Lebe als ein guter katholischer Christ, liebe und fürchte Gott, bete mit Andacht und Vertrauen zu ihm mit voller Inbrunst, und führe einen so christlichen Lebenswandel, dass, wenn ich Dich nicht mehr sehen sollte, meine Todesstunde nicht angstvoll seyn möge. Ich gebe Dir von Herzen den väterlichen Segen, und bin bis in den Tod Dein getreuer Vater und sicherster Freund

Leopold Mozart.


Der Sohn an den Vater.


Manheim, den 28. Februar 1778.


Gestern war ich beym Raff und brachte ihm eine Aria, die ich diese Tage für ihn geschrieben habe. Die Worte sind: Se al labro mio non credi, bella nemica mia etc. Ich glaube nicht, dass der Text von Metastasio ist. Die Aria hat ihm überaus gefallen. Mit so einem Manne muss man besonders umgehen. Ich habe mit Fleiss diesen Text gewählt, weil ich gewusst habe, dass er schon eine Aria auf diese Worte hat, mithin wird er sie leichter und lieber singen. Ich habe ihm gesagt, er soll mir's aufrichtig sagen, wenn sie ihm nicht taugt oder nicht[355] gefällt, ich will ihm die Aria ändern, wie er will, oder auch eine andere machen. Behüte Gott! sagte er, die Aria muss bleiben, denn sie ist sehr schön, nur ein wenig, bitte ich, kürzen Sie mir's ab, denn ich bin jetzt nimmer so im Stande zu souteniren. Ich erwiederte: Von Herzen gern, so viel Sie wollen. Ich habe sie mit Fleiss etwas länger gemacht, denn wegschneiden kann man allezeit, aber dazusetzen nicht so leicht. Nachdem er den andern Theil gesungen hatte, so that er seine Brille herab, sah mich gross an und sagte: Schön, schön! das ist eine schöne seconda Parte, und sang es drey Mal. Als ich weg ging, so bedankte er sich höflich bey mir, und ich versicherte ihn im Gegentheil, dass ich ihm die Aria so arrangiren werde, dass er sie gewiss gern singen wird. Denn ich liebe, dass die Aria einem Sänger so accurat angemessen sey, wie ein gut gemachtes Kleid. Ich habe auch zu einer Uebung die Aria (Non sò d'onde viene etc.), die so schön von Bach componirt ist, gemacht, aus der Ursache, weil ich die von Bach so gut kenne, weil sie mir so gefällt und immer in Ohren ist; denn ich habe versuchen wollen, ob ich nicht ungeachtet diesem Allen im Stande bin, eine Aria zu machen, die derselben von Bach gar nicht gleicht? – Sie sieht ihr auch gar nicht gleich. Diese Arie habe ich anfangs dem Raff zugedacht, aber der Anfang gleich schien mir für den Raff zu hoch, und um ihn zu ändern, gefiel er mir zu sehr, und wegen Setzung der Instrumente schien er mir auch für einen Sopran besser. Mithin schrieb ich sie und nahm mir vor, sie accurat für die Weber zu machen. Es ist ein [356] Andante sostenuto (vorher ein kleines Recitativ), in der Mitte der andere Theil, nel seno à destarmi, dann wieder das Sostenuto. Ich freue mich auf nichts, als auf das Concert spirituel zu Paris, denn da werde ich vermuthlich Etwas componiren müssen. Das Orchester sey so gut und stark, und meine Hauptfavorit-Composition kann man dort gut aufführen, nämlichChöre; und da bin ich recht froh, dass die Franzosen viel darauf halten. Das ist auch das Einzige, was man in Piccini seiner neuen Oper Rolland ausgestellt hat, dass nämlich die Chöre zu nackt und schwach seyen, und überhaupt die Musik ein wenig zu einförmig; sonst hat sie aber allen Beyfall gefunden. Zu Paris war man jetzt die Chöre von Gluck gewohnt. Verlassen Sie sich nur auf mich, ich werde mich nach allen Kräften bemühen, dem Namen Mozart Ehre zu machen; ich habe auch gar nicht Sorge darauf.


Den 23sten März kamen Mutter und Sohn gesund und glücklich nach Paris, welches der Sohn durch folgenden Brief bekannt macht.


Paris, den 24. März 1778.


Gestern, Montags den 23sten, Nachmittags um 4 Uhr sind wir, Gott Lob und Dank, glücklich hier angekommen. Heute werden wir einen Fiacre nehmen und Grimm und Wendling aufsuchen. Morgen früh werde ich aber zum Churpfälzischen Minister, Hrn. v. Sükingen, welcher ein grosser Kenner und passionirter Liebhaber von der Musik ist, und an den ich zwey Briefe von Hrn. von Gemmingen und[357] Mr. Cannabich habe, gehen. Ich habe vor meiner Abreise zu Manheim dem Hrn. von Gemmingen das Quartett, welches ich zu Lodi Abends im Wirthshause gemacht habe, und dann das Quintett und die Variationen von Fischer abschreiben lassen. Er schrieb mir dann ein besonders höfliches Billet und bezeugte sein Vergnügen über das Andenken, so ich ihm hinterlasse, und schickte mir einen Brief an seinen sehr guten Freund, Hrn. v. Sückingen, mit den Worten: Ich bin versichert, dass Sie mehr Empfehlung für den Brief seyn werden, als er es für Sie seyn kann. Und um mir die Schreibkosten zu ersetzen, schickte er mir 3 Louisd'or. Er versicherte mich seiner Freundschaft und bat mich um die meinige. Ich muss sagen, dass alle Cavaliere, die mich kannten, Hofräthe, Kammerräthe, andere ehrliche Leute und die ganze Hofmusik, sehr unwillig und betrübt über meine Abreise waren. Samstag, den 14ten d.M., reis'ten wir ab.


Der Vater an Beyde.


Salzburg, den 6. April 1778.


Wir hatten heute das sehnlichst gewünschte Vergnügen, Euern schon den 24sten März geschriebenen Brief zu erhalten. Ihr seyd, Gott Lob, glücklich angelangt. Jetzt empfehle ich Dir nachdrücklichst, Dirdurch ein vollkommenes kindliches Vertrauen recht die Gnade, Liebe und Freundschaft des Hrn. Baron v. Grimm zu verdienen, oder vielmehr solche zu erhalten, ihn in allen Stücken zu Rathe zu ziehen, und nichts aus eigenem Kopf oder vorgefasster Einbildung zu thun, und durchaus auf Dein und dadurch[358] aufunser gemeinschaftliches Interesse bedacht zu seyn. Die Lebensart in Paris ist von der deutschen sehr unterschieden, und die Art, im Französischen sich höflich auszudrücken, sich anzuempfehlen, Protection zu suchen, sich anzumelden u.s.w., hat ganz etwas Eigenes, so dass Herr Baron von Grimm mir eben auch damals Anweisung gab, und mich fragte, was ich sagen und wie ich mich ausdrücken sollte. Sage ihm nur, nebst meiner gehorsamsten Empfehlung, dass ich Dir dieses erinnert habe, und er wird mir Recht geben. Was diesen Punct nun betrifft, bin ich zum voraus überzeugt, dass Du Dich immer an diesen unsern gewissesten Freund halten wirst.

Ihr dürft dem Hrn. Baron von Grimm alle unsere Umstände sagen; ich selbst habe ihm diess und auch alle unsere Schulden in zwey langen Briefen geschrieben, und mich in vielen Stücken, die Verfolgung und die Verachtung, die wir vom Erzbischof ausgestanden, betreffend, auf Deine mündliche Erzahlung berufen. Ich habe ihm erzählt, dass er nur dann höflich geschmeichelt, wenn er Etwas nöthig hatte, und er Dir für alle Compositionen nicht einen Kreuzer bezahlt hat. – Könntest Du, wie Hannauer, wie der seligeSchobert etc. von einem Prinzen in Paris einen monatlichen Gehalt bekommen, – dann nebenbey für'sTheater, für's Concert spirituel und für's Concert des amateurs zu Zeiten Etwas arbeiten, und dann einige Male par Subscription Etwas graviren lassen, – ich aber und Deine Schwester Lection geben, und Deine Schwester in Concerten und Akademieen spielen, so würden wir gewiss recht gut zu leben haben. –


[359] Die Mutter und der Sohn an den Vater.


Paris, den 5. April 1778.


Wir sind Beyde, Gott Lob und Dank, gesund, und hoffen, dass Du und die Nannerl Euch in guter Gesundheit befindet, so wird mit der Hülfe Gottes Alles gut werden. Der Wolfgang hat sehr viel zu thun, denn er muss bis auf die Charwoche für das Concert spirituel ein Miserere machen, wo drey Chöre und eine Fuge und Duett und Alles darin seyn muss, mit sehr vielen Instrumenten. Künftigen Mittwoch soll es schon fertig seyn, damit es kann probirt werden. Er schreibt es bey dem Mr. le Gros, der Director von dem Concert ist, wo er die meiste Zeit speiset. Bey dem Noverre kann er auch täglich speisen, wie auch bey der Madame d'Epinay. Hernach hat er für einen Duc zwey Concerts zu machen, eines für die Flöte und eines für die Harfe. Für das französische Theater muss er einen Act zu einer Opera machen. Eine Scholarin hat er auch, welche ihm für zwölf Lectionen 3 Louisd'or bezahlt. – – Der Wolfgang ist hier wieder so berühmt und beliebt, dass es nicht zu beschreiben ist. Der Herr Wendling hat ihn in grossen Credit vor seiner Ankunft gesetzt, und jetzt hat er ihn bey seinen Freunden aufgeführt. Er ist doch ein wahrer Menschenfreund, und Mons. von Grimm hat dem Wendling auch zugesprochen, weil er als ein Musicus mehr Credit hat als er, sein Möglichstes zu thun, damit er bald bekannt wird. – – –


(Nun schreibt der Sohn:)


Nun muss ich schon deutlicher erklären, was meine Mama zu dunkel geschrieben hat. Der Herr[360] Kapellmeister Holzbauer hat ein Miserere hieher geschickt; weil aber zu Manheim die Chöre schwach und schlecht besetzt sind, hier aber stark und gut, so hätten seine Chöre keinen Effect gemacht: daher hat Mr. le Gros (Directeur vom Concert spirituel) mich ersucht, andere Chöre zu machen. Der Anfangs-Chor bleibt von Holzbauer. Quoniam iniquitatem meam ego etc. ist der erste Chor von mir, Allegro. Der zweyte, Adagio: Ecce enim iniquitatibus; dann Allegro: Ecce enim veritatem dilexisti, bis zum: Ossa humiliata. Dann ein Andante für Soprano, Tenore und Basso soli: Cor mundum crea; Redde mihi laetitiam aber Allegro bis ad te convertentur. Dann habe ich ein Recitativ für einen Bassisten gemacht: Libera me de sanguinibus, weil eine Bassarie darauf folgt: Domine labia mea. Weil nun Sacrificium Deo spiritus eine Aria Andante für Raff (Tenore) mit Oboe und Fagott Solo ist, so habe ich ein kleines Recitativ:Quoniam si voluisses, auch mit concertirender Oboe und Fagott dazu gemacht; denn man liebt jetzt die Recitative hier. Benigne fac bis muri Jerusalem Andante moderato, Chor. Dann Tunc acceptabis bis Super altare tuum vitulos, Allegro, Tenor Solo (le Gros) und Chor zugleich. Finis.

Ich kann sagen, dass ich recht froh bin, dass ich mit dieser Schreiberey fertig bin; denn wenn man nicht zu Hause schreiben kann, und doch dazu pressirt wird, so ist es verflucht. Nun bin ich, Gott Lob und Dank, fertig, und hoffe, es wird seinen Effect machen. Mr. Gossec, den Sie kennen müssen, hat, nachdem er meinen ersten Chor gesehen[361] hat, zu Mr. le Gros (ich war nicht dabey) gesagt, dass er charmant sey und gewiss einen guten Effect machen würde, dass die Wörter sehr gut arrangirt seyen und überhaupt vortrefflich gesetzt sey. Er ist mein sehr guter Freund und ein sehr trockener Mann. Ich werde nicht einen Act zu einer Oper machen, sondern eine Opera, ganz von mir, en deux acts. Mit dem ersten Act ist der Poet schon fertig. Mr. Noverre, bey dem ich speise, so oft ich will, hat es über sich genommen, und die Idee dazu gegeben; ich glaube, es wird Alexandre und Roxane werden. Nun werde ich eine Sinfonie concertante machen für Flauto (Wendling), Oboe (Ramm), Waldhorn (Punto) und Fagott (Ritter). Punto bläs't magnifique. Ich komme den Augenblick vom Concert spirituel her. Baron Grimm und ich lassen oft unsern musikalischen Zorn über die hiesige Musik aus, NB. unter uns; denn im Publico heisst es: Bravo, Bravissimo, und da klatscht man, dass einem die Finger brennen. – Was mich am meisten bey der Sache ärgert, ist, dass die Herren Franzosen ihren Goût nur in so weit verbessert haben, dass sie nun das Gute auch hören können. Dass sie aber einsähen, dass ihre Musik schlecht sey – ey bey Leibe! – Und das Singen! –oimè! – Wenn nur keine Französin italienische Arien sänge, ich würde ihr ihre französische Plärrerey noch verzeihen; aber gute Musik zu verderben, das ist nicht auszustehen.


Der Vater an Beyde.


Salzburg, den 12. April 1778.


Mein lieber Wolfgang, ich erfreue mich von[362] Herzen, dass Du schon Arbeit hast; nur ist es mir leid, dass Du mit der Composition der Chöre so sehr hast eilen müssen: eine Arbeit, die doch, um sich Ehre zu machen, seine Zeit erfordert; ich wünsche und hoffe, dass sie Beyfall finden. Mit der Opera wirst Du Dich wohl nach dem Geschmacke der Franzosen richten. Wenn man nur Beyfall findet und gut bezahlt wird, das Uebrige hole der Plunder! Wenn Du mit derOpera gefällst, so wird bald Etwas in Zeitungen seyn, das möchte ich mit der Zeit wünschen, dem Erzbischof zum Trotze. Die Sinfonie concertante möchte ich mit diesen braven Leuten hören. Wenn Du könntest ein gutes Clavichord, wie das unserige, in Paris für Dich auftreiben, das würde Dir wohl lieber und anständiger seyn, als ein Flügel. Dass die Franzosen ihren Gusto noch nicht ganz geändert haben, höre ich nicht gern: allein, glaube mir, es wird doch nach und nach geschehen, denn es ist keine kleine Sache, eine ganze Nation umzuschmelzen. Es ist schon genug, dass sie das Gute auch hören können, sie werden nach und nach auch den Unterschied merken. Ich bitte Dich, höre nur, bevor Du für's Theater schreibst, ihre Opern, und was ihnen sonderheitlich gefällt. Nun wirst Du ein ganzer Franzose werden, und hoffentlich bedacht seyn, den wahren Accent der Sprache Dir anzugewöhnen. Ich und die Nannerl sind Gott Lob gesund, und ich bin nun jetzt ausser aller Sorge und recht vergnügt, da ich weiss, dass unser bester Freund, Baron von Grimm, sich Deiner annimmt, und Du an dem Platze bist, der Dich durch Deinen Fleiss, der Dir angeboren ist, von[363] dort aus in der ganzen Welt in grossen Ruhm bringen kann. Wenn ich mich nicht so viel für Euch zu sorgen habe, dann bin ich gesund: und Du kennst mich, ich halte Alles auf Ehre und Ruhm. Du hast Dir solchen in der Kindheit erworben – das muss nun so fort gehen. – Das war allezeit und ist immer meine Absicht; diess sind nun Deine Jahre, die Du für Dich und für uns Alle benutzen musst. Gott erhalte Euch Beyde nur gesund. Mache von mir und der Nannerl unsere Empfehlungen an Hrn. Baron von Grimm, an Mr. und Mad. Noverre, an Mad. Genomai, Mselle. d'Epinay, Mr. Wendling, Mr. Raff, Mr. Gossec etc. – – –


Der Sohn an den Vater.


Paris, den 1. May 1778.


Wir haben Ihren Brief vom 12ten April richtig erhalten. Ich habe immer geglaubt, ich will das Schreiben so lange verzögern, bis ich Ihnen etwas Neues und mehr von unsern Umständen schreiben kann; allein nun bin ich doch gezwungen, Ihnen von wenigen und noch zweifelhaften Sachen Nachricht zu geben. Mr. Grimm gab mir einen Brief an Mad. la Duchesse de Chabot, und da fuhr ich hin. Der Inhalt dieses Briefes war hauptsächlich, mich bey der Duchesse de Bourbon (die damals im Kloster war) zu recommandiren, und mich neuerdings bey ihr wieder bekannt zu machen und sich meiner erinnern zu machen. Da gingen acht Tage vorbey, ohne die mindeste Nachricht. Sie hatten mich dort schon auf über acht Tage bestellt, und also hielt ich mein Wort und kam. Da musste ich eine halbe Stunde[364] in einem eiskalten, ungeheizten und ohne Kamin versehenen grossen Zimmer warten. Endlich kam die D. Chabot mit grösster Höflichkeit, und bat mich mit dem Claviere vorlieb zu nehmen, indem keines von den ihrigen zugerichtet sey, ich möchte es versuchen. Ich sagte, ich wollte von Herzen gern Etwas spielen, aber jetzt sey es unmöglich, indem ich meine Finger nicht empfinde vor Kälte, und bat sie, sie möchte mich doch wenigstens in ein Zimmer, wo ein Kamin mit Feuer ist, führen lassen. O oui, Monsieur, vous avéz raison. Das war die ganze Antwort. Dann setzte sie sich nieder und fing an, eine ganze Stunde zu zeichnen en Compagnie anderer Herren, die Alle in einem Zirkel um einen grossen Tisch herum saassen. Da hatte ich die Ehre, eine ganze Stunde zu warten. Fenster und Thür waren offen; ich war nicht allein in Händen, sondern im ganzen Leibe und Füssen eiskalt, und der Kopf fing mir auch gleich an wehe zu thun. Da war also altum silentium, und ich wusste nicht, was ich so lange vor Kälte, Kopfwehe und langer Weile anfangen sollte. Oft dachte ich mir, wenn's mir nicht um Mr. Grimm wäre, so ging ich den Augenblick wieder weg. Endlich, um kurz zu seyn, spielte ich auf dem miserabeln elenden Pianoforte. Was aber das Aergste war, dass die Madame und alle die Herren ihr Zeichnen keinen Augenblick unterliessen, sondern immer fort machten, und ich also für die Sesseln und Tisch und Mauern spielen musste. Bey diesen so übel bewandten Umständen verging mir die Geduld – ich fing also die Fischer'schen Variationen an, spielte die Hälfte und stand auf. Da[365] waren eine Menge Eloges. Ich aber sagte, was zu sagen ist, nämlich dass ich mir mit diesem Claviere keine Ehre machen könnte, und mir sehr lieb sey, einen andern Tag zu wählen, wo ein besseres Clavier da wäre. Sie gab aber nicht nach, ich musste noch eine halbe Stunde warten, bis ihr Herr kam. Der aber setzte sich zu mir, und hörte mit aller Aufmerksamkeit zu, und ich – ich vergass darüber alle Kälte, Kopfwehe, und spielte ungeachtet dem elenden Claviere so – wie ich spiele, wenn ich guter Laune bin. Geben Sie mir das beste Clavier von Europa, und aber Leute von Zuhörern, die nichts verstehen, oder die nichts verstehen wollen, und die mit mir nicht empfinden, was ich spiele, so werde ich alle Freude verlieren. Ich habe dem Mr. Grimm nach der Hand Alles erzählt. Sie schreiben mir, dass ich brav Visiten machen werde, um Bekanntschaften zu machen und die alten wieder zu erneuern. Das ist aber nicht möglich. Zu Fuss ist es überall zu weit und zu kothig, denn in Paris ist ein unbeschreiblicher Koth; und in Wagen zu fahren – hat man die Ehre, gleich des Tages vier bis fünf Livres zu verfahren, und umsonst, denn die Leute machen nur Complimente und dann ist es aus. Sie bestellen mich auf den und den Tag, da spiele ich, dann heisst es: O c'est un Prodige, c'est inconcevable, c'est étonnant – und hiermit à Dieu. Ich habe hier so anfangs Geld genug verfahren – und oft umsonst, dass ich die Leute nicht angetroffen habe. Wer nicht hier ist, der glaubt nicht, wie fatal es ist. Ueberhaupt hat sich Paris viel verändert; die Franzosen haben lange nicht mehr so viel[366] Politesse, als vor funfzehn Jahren, sie gränzen jetzt stark an die Grobheit, und hoffärtig sind sie abscheulich.

Nun muss ich Ihnen eine Beschreibung vom Concert spirituel machen. Das muss ich Ihnen gleich im Vorbeygehen sagen, dass meine Chöre-Arbeit, so zu sagen, umsonst war; denn das Miserere von Holzbauer ist ohnediess lang und hat nicht gefallen, mithin hat man anstatt vier, nur zwey Chöre von mir gemacht, und folglich das Beste ausgelassen. Das hat aber nicht viel zu sagen gehabt, denn Viele haben nicht gewusst, dass Etwas von mir dabey ist, und Viele haben mich auch gar nicht gekannt. Uebrigens war aber bey der Probe ein grosser Beyfall, und ich selbst (denn auf das Pariser Lob rechne ich nicht) bin sehr mit meinen Chören zufrieden. Nun aber mit der Sinfonie concertante hat es wieder ein Hickl-Hackl. Da aber, glaube ich, ist wieder was Anderes dazwischen, denn ich habe auch hier meine Feinde, und, wo habe ich sie aber nicht gehabt? – Das ist aber ein gutes Zeichen. Ich habe die Symphonie machen müssen in grösster Eile, habe mich sehr beflissen, und die vier Concertanten waren und sind noch ganz darin verliebt. Le Gros hat sie vier Tage zum Abschreiben, ich finde sie aber noch immer am nämlichen Platze liegen. Endlich am vorletzten Tage finde ich sie nicht, – suche aber recht unter den Musikalien, und finde sie versteckt. Thue nichts dergleichen und frage den Le Gros: à propos, haben Sie die Sinfonie concertante schon zum Schreiben gegeben? – Nein, – ich habe es vergessen. Weil ich ihm natürlicher Weise nicht[367] befehlen kann, dass er sie abschreiben und machen lassen soll, so sagte ich nichts. Ging die zwey Tage, wo sie executirt werden sollten, ins Concert, da kam Ram und Punto im grössten Feuer zu mir und fragten mich, warum denn meine Sinfonie concertante nicht gemacht wird? – Das weiss ich nicht, das ist das Erste, was ich höre, ich weiss von Nichts. Der Ram ist fuchswild geworden, und hat in dem Musikzimmer französisch über den Le Gros geschmält, dass diess von ihm nicht schön sey u.s.w. Was mich bey der ganzen Sache am meisten verdriesst, ist, dass der Le Gros mir gar kein Wort gesagt hat, nur ich habe davon nichts wissen dürfen. Wenn er doch eine Excuse gemacht hätte, dass ihm die Zeit zu kurz wäre, oder dergleichen; aber gar nichts. – Ich glaube aber, da ist der Cambini, ein welscher Maestro hier, Ursache; denn diesem habe ich unschuldiger Weise die Augen in der ersten Zusammenkunft beym Le Gros ausgelöscht. Er hat Quartetti gemacht, wovon ich eines zu Manheim gehört habe, die recht hübsch sind, und die lobte ich ihm dann, und spielte ihm den Anfang; da waren aber der Ritter, Ram und Punto, und liessen mir keinen Frieden, ich möchte fortfahren, und was ich nicht weiss, selbst dazu machen. Da machte ich es denn also so, und Cambini war ganz ausser sich, und konnte sich nicht enthalten zu sagen: Questa é una gran Testa! Nun, das wird ihm also nicht geschmeckt haben.

Wenn hier ein Ort wäre, wo die Leute Ohren hätten, Herz, zu empfinden, und nur ein wenig Etwas von der Musik verständen und Gusto hätten,[368] so würde ich von Herzen zu allen diesen Sachen lachen, aber so bin ich unter lauter Vieher und Bestien (was die Musik anbelangt). Wie kann es aber anders seyn? Sie sind ja in allen ihren Handlungen, Leidenschaften und Passionen auch nicht anders – es giebt ja keinen Ort in der Welt, wie Paris. Sie dürfen nicht glauben, dass ich ausschweife, wenn ich von der hiesigen Musik so rede. Wenden Sie sich, an wen Sie wollen – nur an keinen gebornen Franzosen – so wird man Ihnen (wenn es Jemand ist, an den man sich wenden kann) das Nämliche sagen. Nun bin ich hier. Ich muss aushalten, und das Ihnen zu Liebe. Ich danke Gott dem Allmächtigen, wenn ich mit gesundem Gusto davon komme. Ich bitte alle Tage Gott, dass er mir die Gnade giebt, dass ich hier standhaft aushalten kann, dass ich mir und der ganzen deutschen Nation Ehre mache, und dass er zulässt, dass ich mein Glück mache, brav Geld mache, damit ich im Stande bin, Ihnen dadurch aus Ihren dermaligen betrübten Umständen zu helfen, und dass wir bald zusammen kom men und glücklich und vergnügt mit einander leben können.


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 29. April 1778.


Montag, den 11ten May. Diesen Augenblick erhalte ich Euer Schreiben vom 1sten May. Mein lieber Wolfgang, nun will ich auf Alles antworten. Dass man in Paris hundert Gänge umsonst macht, weiss ich aus der Erfahrung, und habe Dir auch solches schon voraus einmal geschrieben. Dass die Franzosen mit Complimenten auszahlen, ist mir auch[369] bekannt; und dass Du aller Orten Deine Feinde haben wirst, ist eine unvermeidliche Sache, das haben alle Leute von grossem Talente. Alle, die dermalen in Paris in Credit stehen und im Neste sitzen, wollen sich nicht aus dem Neste treiben lassen; sie müssen sich fürchten, ihr Ansehen werde herabgesetzt, an welchem ihr Interesse hängt. Nicht nur Gambini, sondern Stamitz, Piccini und Andere müssen eifersüchtig werden. Ist denn Piccini noch in Paris? Und wird Gretry nicht eifern? – Wendling sagte Dir, die Musik hätte sich geändert. Ich glaubte nicht viel davon. – – Die Instrumental-Musik, ja, die war damals schon besser, aber dieSingmusik wird noch so bald nicht besser werden. Uebrigens musst Du Dich durch Deine Neider nicht niederschlagen und aus der Fassung bringen lassen; das geht aller Orten so. Denke nur auf Italien, auf Deine erste Opera, auf die dritte Opera, auf d'Ettore, auf die Intrigue der de Amicis zurück u.s.w.; man muss sich durchschlagen. Wenn Du und die Mama nur jetzt zu leben habt, denn die Umstände in Deutschland muss man abwarten. – Sey aufgereimt, finde Dich in die Umstände, und da Du mir schreibst, Du solltest eine Opera schreiben, so folge meinem Rathe, und gedenke, dass an dem ersten Stücke Dein ganzer Credit hängt. Höre, bevor Du schreibst, und überlege den Geschmack der Nation, höre oder betrachte ihre Opern. Ich kenne Dich, Du kannst Alles nachahmen. Schreibe nicht in Eile, – kein Vernünftiger thut das. Ueberlege die Worte vorher mit Br. v. Grimm und mit Noverre, mache Schizzi und lass solche sie hören. Alle machen es so:[370] Voltaire lies't seinen Freunden seine Gedichte vor, hört ihr Urtheil und ändert. Es ist um Ehre und Geldeinnahme zu thun, und dann wollen wir nach Italien wieder gehen, wenn wir Geld haben. Schreibst Du Etwas zum Graviren, so schreib es leicht für Liebhaber und populär: schreib nicht eilig. Streich weg, was Dir nicht gefällt, mache Nichts umsonst, lass Dich für Alles bezahlen. – – –


Der Sohn an den Vater.


Paris, den 14. May 1778.


Nun habe ich schon so viel zu thun, wie wird es erst auf den Winter aussehen. Was unsere Umstände betrifft, können wir bey dieser Jahreszeit zufrieden seyn. Ich habe dermalen drey Scholaren, und könnte mehrere haben; ich kann sie aber nicht nehmen, weil Alles so weit entlegen ist und ich keine Zeit habe. Unter diesen Scholaren habe ich auch Eine, welche die Tochter des Duc de Guines ist, der mich über Alles liebt. Diese ist meine Scholarin, der ich täglich zwey Stunden Unterricht in der Composition geben muss, und wofür ich brav bezahlt werde. Er spielt unvergleichlich die Flöte, und sie magnifique die Harfe. Sie hat sehr viel Talent und Genie, besonders ein unvergleichliches Gedächtniss, indem sie alle ihre Stücke, deren sie wirklich 200 kann, auswendig spielt. Sie zweifelt aber stark, ob sie auch Genie zur Composition hat – besonders wegen Gedanken – Ideen; – ihr Vater aber (der, unter unter uns gesagt, ein Bischen zu sehr in sie verliebt ist) sagt, sie habe ganz gewiss Ideen, es sey nur Blödigkeit – sie habe nur zu wenig Vertrauen[371] auf sich selbst. Nun müssen wir sehen. Wenn sie keine Ideen oder Gedanken bekömmt (denn jetzt hat sie wirklich gar – keine), so ist es umsonst, denn – ich kann ihr, weiss Gott, keine geben. Die Intention vom Vater ist, keine grosse Componistin aus ihr zu machen. Sie soll, sagte er, keine Opern, keine Arien, keine Concerte, keine Symphonieen, sondern nur grosse Sonaten für ihr Instrument, wie ich für das meinige, schreiben. Heute habe ich ihr die vierte Lection gegeben, und war die Regeln der Composition und das Setzen anbelangt, so bin ich so ziemlich mit ihr zufrieden, – sie hat mir zu dem ersten Menuett, den ich ihr aufgesetzt, ganz gut den Bass dazu gemacht. Nun fängt sie schon an, dreystimmig zu schreiben. Es geht, aber sie ennuyirt sich; doch ich kann ihr nicht helfen, denn ich kann unmöglich weiter schreiten, es ist zu früh, wenn auch wirklich das Genie da wäre, so aber ist leider keines da – man wird Alles mit Kunst thun müssen. Sie hat gar keine Gedanken, es kömmt Nichts. Ich habe es auf alle mögliche Art mit ihr probirt; unter andern kam mir auch in Sinn, einen ganz simplen Menuett aufzuschreiben, und zu versuchen, ob sie nicht eine Variation darüber machen könnte? – Ja, das war umsonst. – Nun, dachte ich, sie weiss nicht, wie und was sie anfangen soll – ich fing also nur den ersten Tact an zu variiren, und sagte ihr, sie solle so fortfahren und bey der Idee bleiben – das ging endlich so ziemlich. Wie das fertig war, so sprach ich ihr zu, sie möchte doch selbst Etwas anfangen, – nur die erste Stimme, eine Melodie – ja, sie besann sich[372] eine ganze Viertelstunde – und es kam nichts. Da schrieb ich also vier Tacte von einem Menuett und sagte zu ihr: »Sehen Sie, was ich für ein Esel bin; jetzt fange ich den Menuett an, und kann nicht einmal den ersten Theil zu Ende bringen. Haben Sie doch die Güte und machen Sie ihn aus.« Das glaubte sie unmöglich. Endlich mit vieler Mühe – kam Etwas an den Tag. Ich war doch froh, dass einmal Etwas kam. Dann musste sie den Menuett ganz ausmachen, das heisst, nur die erste Stimme. Ueber Haus habe ich ihr nichts anders anbefohlen, als meine vier Tacte zu verändern, und von ihr Etwas zu machen – einen andern Anfang zu erfinden – wenn es schon die nämliche Harmonie ist, wenn nur die Melodie anders ist. Nun werde ich morgen sehen, was es ist. –

Ich werde nun bald, glaube ich, die Poesie zu meiner Opera en deux acts bekommen; dann muss ich sie erst dem Director Mr. de Huime präsentiren, ob er sie annimmt. Da ist gar kein Zweifel nicht, denn Noverre hat sie angegeben, und dem Noverre hat de Huime seine Stelle zu danken. Noverre wird auch bald ein neues Ballet machen, und da werde ich die Musik dazu setzen. Rudolph, der Waldhornist, ist hier in königlichen Diensten, und mein sehr guter Freund; er versteht die Composition aus dem Grunde und schreibt schön. Dieser hat mir die Organisten-Stelle zu Versailles angetragen, wenn ich sie annehmen will. Sie trägt das Jahr 2000 Livres, da muss ich aber sechs Monate zu Versailles leben, die übrigen sechs Monate zu Paris, oder wo ich will; ich glaube aber nicht, dass ich es annehmen werde.[373] Ich muss guter Freunde Rath darüber hören; denn 2000 Livres ist doch kein so grosses Geld. In deutscher Münze freylich, aber hier nicht; es macht zwar das Jahr 83 Louisd'or und 8 Livres, das ist unsriges Geld 915 fl. 45 Xr., das wäre freylich viel, aber hier nur 333 Thlr. und 2 Livres – das ist nicht viel. Es ist erschrecklich, wie geschwind ein Thaler weg ist! Ich kann mich gar nicht verwundern, wenn man aus dem Louisd'or nicht viel hier macht; denn es ist sehr wenig; 4 solche Thaler oder ein Louisd'or, welches das Nämliche ist, sind gleich weg. –


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 28. May 1778.


Mein lieber Sohn! Ich bitte Dich, suche die Freundschaft des Duc de Guines zu erhalten und sich bey ihm in Credit zu setzen; ich habe ihn oft in Zeitungen gelesen, er gilt Alles am Königl. Hofe; da jetzt die Königin schwanger ist, so werden dann bey der Geburt grosse Festivitäten seyn, da könntest Du Etwas zu thun bekommen, so Dein Glück machen könnte, da in solchen Fällen Alles geschehen wird, was die Königin nur verlangt. Du schreibst, heute habe ich der Madselle des Herzogs die vierte Lection gegeben, und Du willst, dass sie schon selbst Gedanken aufschreiben soll, – meinst Du, alle Leute haben Dein Genie? – – Es wird schon kommen! Sie hat ein gut Gedächtniss. Eh bien! Lass sie stehlen – oder höflich, appliciren, – von Anfang thut es nichts, bis dass Courage kommt. Mit Variationen hast Du einen guten Weg genommen, nur fortgefahren! – – Wenn Mr. le Duc nur etwas[374] Kleines von seiner Madselle Tochter hört, wird er ausser sich seyn; das ist wirklich eine glückliche Bekanntschaft! – Wegen der Opera, die Du schreiben sollst, habe ich Dir letztlich schon meine Erinnerungen gemacht. Ich wiederhole, Dir zu sagen,die Materie wohl zu überlegen, die Poesie mit Baron Grimm durchzulesen, und wegen Expression der Affecten mit Noverre Dich zu verstehen, dem Geschmacke der Nation im Gesange zu folgen, welches Deine Modulation und Deine Stimmensetzung alsdann erheben und von andern unterscheiden wird. –Rudolph hat Dir die Organisten-Stelle in Versailles angetragen? – – steht es bey ihm? – – er will Dir dazu verhelfen? Das musst Du nicht sogleich wegwerfen. Du musst überlegen, dass die 33 Louisd'or in sechs Monaten verdient sind, – dass Dir ein halbes Jahr zu andern Verdiensten übrig bleibt, – dass es vermuthlich ein ewiger Dienst ist, Du magst krank oder gesund seyn, – dass Du ihn allezeit wieder verlassen kannst, – dass Du am Hofe bist, folglich täglich in den Augen des Königs und der Königin, und dadurch Deinem Glücke näher, – dass Du bey Abgang eine der zwey Kapellmeister-Stellen erhalten kannst, – dass Du seiner Zeit, wenn Succession da seyn sollte, Claviermeister der königl. jungen Herrschaften seyn würdest, das sehr einträglich wäre, – dass Dich Niemand hinderte, für's Theater oder Concert spirituel etc. Etwas zu schreiben, Musik graviren zu lassen und den gemachten grossen Bekanntschaften zu dediciren, da in Versailles Viele der Minister sich aufhalten, wenigstens im Sommer; – dass Versailles[375] selbst eine kleine Stadt ist, oder wenigstens viele ansehnliche Bewohner hat, wo allenfalls sich ein oder der andere Scholar oder Scholarin finden würde; – und endlich ist das der sicherste Weg, sich der Protection der Königin zu versichern, und sich beliebt zu machen. Lese dieses dem Herrn Baron Grimm vor, und höre seine Meinung. Uebrigens würde ich hundert Sachen, die ich Euch schreiben will, vergessen, wenn ich nicht einen Bogen Papier hergerichtet hätte, wo ich, so oft Etwas geschieht oder mir einfällt, das ich Euch schreiben will, solches alsogleich mit ein paar Worten aufnotirte. Schreibe ich Euch nun, so nehme ich den Bogen her und schreibe die Neuigkeiten, und dann lese ich Euern letzten Brief und antworte. Das könntet Ihr wohl auch machen. Was ich Euch schreibe, streiche ich auf dem Bogen aus, damit ich das Uebrige ein anderes Mal schreiben kann, was noch da steht. Und Du, mein liebes Weib, musst fein die Zeilen recht enge an einander schreiben. Du siehst ja, wie ich es mache. Unser lieber Wolfgang soll nach und nach, wenn er gute Claviersachen findet, Etwas sammeln und uns mit dem Postwagen schicken. Wir brauchen es für die Scholaren. Mit guter Gelegenheit! –


Der Sohn an den Vater.


Paris, den 12. Juny 1778.


Ich habe nun schon gewiss sechs Mal bey Graf Siekingen, Pfälzischem Gesandten gespeis't – da bleibt man allezeit von 1 bis 10 Uhr. Die Zeit geht aber bey ihm so geschwind herum, dass man es gar[376] nicht merkt. Er hat mich sehr lieb. Ich bin aber auch sehr gern bey ihm – das ist ein so freundlicher und vernünftiger Herr, und der eine so gesunde Vernunft – und eine wahre Einsicht in die Musik hat. Heute war ich abermals mit Raff dort, und ich brachte ihm, weil er mich schon längst darum gebeten hatte, etliche Sachen von mir hin. Heute nahm ich die neue Symphonie mit, die ich gerade fertig hatte, und durch welche am Frohnleichnamstage das Concert spirituel wird eröffnet werden. Diese hat allen Beyden überaus Wohlgefallen. Ich bin auch sehr wohl damit zufrieden. Ob sie aber gefällt, das weiss ich nicht, – und die Wahrheit zu sagen, liegt mir sehr wenig daran; denn, wem wird sie nicht gefallen? – den wenigen gescheidten Franzosen, die da sind, stehe ich gut dafür, dass sie gefällt; den Dummen, – da sehe ich kein grosses Unglück, wenn sie ihnen nicht gefällt. – Ich habe aber doch Hoffnung, dass die Esel auch Etwas daran finden, das ihnen gefallen kann; und dann habe ich ja den premier coup d'archet nicht verfehlt! – und das ist ja genug. Da machen die Ochsen hier ein Wesen daraus! – Was Teufel! – ich merke keinen Unterschied – sie fangen auch zugleich an – wie in andern Orten. Das ist zum Lachen. – – – –


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 29. Juny 1778.


Am heil. Dreyfaltigkeits-Sonntage Nachmittags, nach der Litaney im Priesterhause sagte mir Graf Starnberg, ob ich nicht morgen zu ihm kommen könnte, er hätte Etwas mit mir zu sprechen. Ich[377] kam – Niemand war da, als sein Bruder, der kaiserl. königl. Major, der bey ihm wohnt, und sich hier von der Furcht kuriren lassen will, die er vor dem Preussi schen Pulver und Bley hat. Er sagte mir, es wäre ihm ein Organist recommandirt worden, er wollte sich aber der Sache nicht annehmen, ohne zu wissen, ob er gut wäre, – er wollte sich demnach bey mir erkundigen, ob ich ihn nicht kennte; er sagte mir, er heisstMandl, oder wie, er wüsste es selbst nicht recht. – O du ungeschickter Teufel! dachte ich; man wird den Auftrag oder ein Ansuchen aus Wien erhalten, um Jemand zu recommandiren und den Namen etc. des Clienten nicht schreiben. Ich hätte es nicht merken sollen, dass dieses der Eingang wäre, um mich zu bewegen, von meinem Sohne zu reden: aber ich? – – nicht eine Sylbe! Ich sagte, dass ich die Ehre nicht hätte, diesen Menschen zu kennen, und dass ich niemals es wagen würde, dem Fürsten Jemand anzuempfehlen, indem es immer schwer wäre, Jemand zu finden, der ihm nach der Hand recht anständig wäre. Ja! sagte er, – ich werde ihm auch Niemand recommandiren, es ist viel zu hart! – – Ihr Herr Sohn sollte jetzt hier seyn! (bravo! aufgesessen) dachte ich: Schade, dass dieser Mann nicht ein grosser Staats-Minister und Abgesandter ist! – Dann sagte ich ihm: wir wollen recht aufrichtig sprechen; und fragte ihn, ob man nicht alles Mögliche gethan, ihn mit Gewalt aus Salzburg zu vertreiben? Ich fing vom Anfange an, und vergass nichts herauszusagen, was Alles vorbey gegangen, so dass sein Bruder ganz erstaunte, und er selbst aber nichts anders sagen[378] konnte, als dass Alles die gründlichste Wahrheit wäre. Wir kamen auf Alles von der ganzen Musik – ich erklärte ihm Alles von der Brust heraus, – und er erkannte, dass Alles die vollkommene Wahrheit wäre, und sagte endlich seinem Bruder, dass alle Fremde, die an den Salzburgischen Hof gekommen, nichts anderes als den jungen Mozart bewundert hätten. Er wollte mich bereden, dass ich an meinen Sohn desswegen schreiben sollte: ich sagte ihm aber, dass ich diess nicht thun könnte, – dass es eine vergebliche Arbeit wäre, – dass mein Sohn über einen solchen Antrag lachen würde; es wäre denn die Sache, dass ich ihm zugleich den Gehalt, den er haben sollte, überschreiben könnte; denn auf den Gehalt eines Adlgassers würde nicht einmal eine Antwort zu hoffen seyn. Ja, wenn Se. Hochfürstl. Gnaden ihm auch monatlich 50 fl. zu geben sich entschliessen könnten, so stünde noch gar sehr zu zweifeln, ob er es annehmen würde. Wir gingen alle Drey mit einander aus seinem Hause, denn sie gingen auf die Reitschule, ich begleitete sie, und wir sprachen immer von dieser Sache, ich blieb dabey, was ich oben gesagt habe, – er blieb dabey, dass er für meinen Sohn allein eingenommen wäre.

Nun müsst Ihr wissen, dass der Fürst keinen guten Organisten bekommt, der auch ein guter Clavierspieler ist. – Dass er jetzt sagt (aber nur zu seinen Lieblingen), dass Becché ein Scharlatan und Schwänkemacher sey, dass der Mozart Alle weit übertreffe, also möchte er lieber denjenigen haben, den er kennt, was er ist, als einen Andern für das theuere Geld, den er noch nicht kennt. Er kann[379] Keinem (wenn er ihm weniger Gehalt geben wollte) eine Einnahme durch Scholaren versprechen, da deren wenige sind, und ich solche habe, und zwar mit dem Ruhme, dass kein Mensch besser Lection zu geben im Stande ist. – Hier liegt nun der Haase im Pfeffer! Ich schreibe aber alles dieses nicht in der Absicht, Dich, mein lieber Wolfgang, zu bereden dass Du nach Salzburg zurückkehren solltest – denn ich mache ganz und gar keine Rechnung auf die Worte des Erzbischofs, ich habe auch mit der Gräfin kein Wort gesprochen, sondern vermeide vielmehr die Gelegenheit, mit ihr zusammen zu kommen: da sie das mindeste Wort für Willfährigkeit und Ansuchen aufnehmen möchte. Sie müssen kommen – und um Etwas einzugehen, müssten wohl gar günstige und vorteilhafte Conditiones vorgeschlagen werden, und das ist nicht zu vermuthen. Wir wollen es erwarten – man muss nichts verreden, als das Nasenabbeissen.


Den 3ten Julius 1778 starb Mozart's Mutter nach einem vierzehntägigen Krankenlager. Der Sohn berichtet diesen Fall Hrn. Abbate Bullinger, um seinen Vater darauf vorzubereiten, durch folgenden Brief:


Paris, ce 3 Juillet 1778.


Allerbester Freund! (für Sie ganz allein.)


Trauern Sie mit mir, mein Freund! – Diess war der traurigste Tag in meinem Leben – das schreibe ich um zwey Uhr Nachts – ich muss es Ihnen doch sagen, meine Mutter, meine liebste Mutter[380] ist nicht mehr! – Gott hat sie zu sich berufen – er wollte sie haben, das sah ich klar – mithin habe ich mich in den Willen Gottes gegeben. – Er hat sie mir gegeben, er konnte sie mir auch nehmen. Stellen Sie sich nur alle meine Unruhe, Angst und Sorgen vor, die ich diese vierzehn Tage ausgestanden habe. – Sie starb, ohne dass sie Etwas von sich wusste – löschte aus wie ein Licht. Sie hat drey Tage vorher gebeichtet, wurde abgespeis't und empfing die heilige Oehlung. – Die letzten drey Tage aber phantasirte sie beständig, und heute um 5 Uhr 21 Minuten Abends griff sie in Zügen, verlor also gleich dabey alle Empfindung und Sinne – ich drückte ihr die Hand, redete sie an – sie sah mich aber nicht, hörte mich nicht, und empfand Nichts – so lag sie, bis sie verschied, nämlich in 5 Stunden, um 10 Uhr 21 Minuten Abends – es war Niemand dabey, als ich, ein guter Freund von uns, den mein Vater kennt, Hr. Haine und die Wärterin. – Die ganze Krankheit kann ich Ihnen heute unmöglich schreiben – ich bin der Meynung, dass sie hat sterben müssen – Gott hat es so haben wollen. Ich bitte Sie unterdessen um Nichts, als um das Freundschaftsstück, dass Sie meinen armen Vater ganz sachte zu dieser traurigen Nachricht zubereiten – ich habe ihm mit der nämlichen Post geschrieben – aber nur, dass sie schwer krank ist – warte dann nur auf eine Antwort, damit ich mich darnach richten kann. Gott gebe ihm Stärke und Muth! – Mein Freund! – Ich bin nicht jetzt, sondern sehr lange her getröstet! – ich habe aus besonderer Gnade Gottes Alles mit Standhaftigkeit[381] und Gelassenheit übertragen. Wie es so gefährlich wurde, so bat ich Gott nur um zwey Dinge, nämlich um eine glückliche Sterbestunde für meine Mutter, und dann für mich um Stärke und Muth – und der gütige Gott hat mich erhört und mir die zwey Gnaden im grössten Maasse verliehen. Ich bitte Sie also, bester Freund, erhalten Sie mir meinen Vater, sprechen Sie ihm Muth zu, dass er es sich nicht gar zu schwer und hart nimmt, wenn er das Aergste erst hören wird. Meine Schwester empfehle ich Ihnen auch von ganzem Herzen – gehen Sie doch gleich hinaus zu ihnen, ich bitte Sie – sagen Sie ihnen noch nicht, dass sie todt ist, sondern bereiten Sie sie nur so dazu vor – thun Sie, was Sie wollen, – wenden Sie Alles an – machen Sie nur, dass ich ruhig seyn kann – und dass ich nicht etwa ein anderes Unglück zu erwarten habe. – Erhalten Sie mir meinen lieben Vater, und meine liebe Schwester. Geben Sie mir gleich Antwort, ich bitte Sie – Adieu, ich bin

Dero

gehorsamster, dankbarster Diener

Wolfgang Amadé Mozart.

Aus Fürsorge:

Rue du gros chenet, vis-à-vis celle du croissant

à l'hôtel des quatre fils aimont.


Der Sohn an den Vater.


Paris, den 3. July 1778.


Ich habe Ihnen eine sehr unangenehme und traurige Nachricht zu geben, die auch Ursache ist, dass ich auf Ihren letzten Brief, vom 11ten Juny datirt, nicht eher habe antworten können. Meine liebe[382] Mutter ist sehr krank – sie hat sich, wie sie es gewohnt war, Ader gelassen, und es war auch sehr nothwendig, und war ihr auch darauf ganz gut. Doch einige Tage darnach klagte sie über Frost und auch gleich Hitze, – bekam den Durchlauf, Kopfwehe, wir brauchten anfangs unsere Hausmittel, antispasmodisch Pulver; wir hätten auch gern das schwarze gebraucht, es mangelte uns aber, und wir konnten es hier nicht bekommen, es ist auch unter dem Namen pulvis epilepticus nicht bekannt. – Weil es aber immer ärger wurde, sie hart reden konnte, das Gehör verlor, so dass man schreyen musste, – so schickte der Baron Grimm seinen Doctor her. – Sie ist sehr schwach, hat noch Hitze und phantasirt, – man giebt mir Hoffnung; ich habe aber nicht viel – ich bin nun schon lange Tag und Nacht zwischen Furcht und Hoffnung – ich habe mich aber ganz in den Willen Gottes gegeben – und hoffe, Sie und meine liebe Schwester werden es auch thun. Was ist denn sonst für ein Mittel, um ruhig zu seyn? – ruhiger, sage ich, denn ganz kann man es nicht seyn. – Ich bin getröstet, es mag ausfallen, wie es will, – weil ich weiss, dass es Gott, der Alles (wenn es uns noch so quer vorkömmt) zu unserm Besten anordnet, so haben will; denn ich glaube, und dieses lasse ich mir nicht ausreden, dass kein Doctor, kein Mensch, kein Unglück, kein Zufall einem Menschen das Leben weder geben noch nehmen kann, sondern Gott allein – das sind nur die Instrumente, deren er sich meistenstheils bedient – und auch nicht allezeit. – Wir sehen ja, dass Leute umsinken, umfallen und todt sind.[383] Ich sage desswegen nicht, dass meine Mutter sterben wird und sterben muss, dass alle Hoffnung verloren sey – sie kann frisch und gesund werden, aber nur wenn Gott will. – Ich mache mir, nachdem ich aus allen meinen Kräften um die Gesundheit und das Leben meiner lieben Mutter zu meinem Gott gebetet habe, gern solche Gedanken und Tröstungen, weil ich mich hernach mehr beherzt, ruhiger und getroster finde, – denn Sie werden sich leicht vorstellen, dass ich diess brauche! – Nun etwas Anderes. Verlassen wir diese traurigen Gedanken, hoffen wir, aber nicht zu viel, haben wir unser Vertrauen auf Gott, und trösten wir uns mit diesem Gedanken, dass Alles gut geht, wenn es nach dem Willen des Allmächtigen geht, indem er am besten weiss, was uns Allen sowohl zu unserm zeitlichen als ewigen Glück und Heil erspriesslich und nutzbar ist. –

Ich habe eine Symphonie, um das Concert spirituel zu eröffnen, machen müssen, und sie wurde am Frohnleichnamstage mit allem Applaus aufgeführt. Es ist auch, so viel ich höre, im Courier de l'Europe eine Meldung davon geschehen. – Sie hat also ausnehmend gefallen. Bey der Probe war es mir sehr bange, denn ich habe meine Lebenszeit nichts Schlechteres gehört; Sie können sich nicht vorstellen, wie sie die Symphonie zwey Mal nach einander herunter gehudelt und herunter gekratzt haben. – Mir war wahrlich bange, ich hätte sie gern noch einmal probirt; aber weil man allezeit so viel Sachen probirt, so war keine Zeit mehr. Ich musste also mit bangem Herzen und mit unzufriedenem,[384] zornigem Gemüthe ins Bett gehen. Den andern Tag hatte ich mich entschlossen, gar nicht ins Concert zu gehen; da es aber Abends gut Wetter wurde, entschloss ich mich endlich, mit dem Vorsatze, dass, wenn es so schlecht, wie bey der Probe ging, ich gewiss auf das Orchester gehen werde, und dem Hrn. La House, erstem Violinspieler, die Violine aus der Hand nehmen und selbst dirigiren werde. Ich bat Gott um die Gnade, dass es gut gehen möchte, und Ecce! die Symphonie fing an, Raff stand neben mir, und gleich mitten im ersten Allegro war eine Passage, die ich wohl wusste, dass sie gefallen müsste: alle Zuhörer wurden davon hingerissen, und war ein grosses Applaudissement. – Weil ich aber wusste, wie ich sie schrieb, was das für einen Effect machen würde, so brachte ich sie zuletzt noch einmal an, – da ging es nun da capo. Das Andante gefiel auch, besonders aber das letzte Allegro. Weil ich hörte, dass hier alle letzte Allegro's, wie die ersten, mit allen Instrumenten zugleich, und meistensunisono anfangen, so fing ich es mit den zwey Violinen allein piano nur acht Tacte an, – darauf kam gleich ein Forte, mithin machten die Zuhörer (wie ich es erwartete) bey Piano sch –, dann kam gleich das Forte. – Sie das Forte hören und in die Hände klatschen war Eins. Ich ging also gleich vor Freude nach der Symphonie ins Palais Royale, nahm ein gutes Gefrornes, – betete den Rosenkranz, den ich versprochen hatte, und ging nach Haus.

Dass ich hier nicht gern bin, werden Sie schon längst gemerkt haben: ich habe so viele Ursachen,[385] die aber, weil ich jetzt schon einmal da bin, zu Nichts nützen. –

Mit der Opera ist es dermalen so. Man findet sehr schwer ein gutes Poëme; die alten, welche die besten sind, sind nicht auf den modernen Styl eingerichtet, und die neuen sind alle nichts werth; denn die Poesie, welches das Einzige war, worauf die Franzosen haben stolz seyn können, wird jezt alle Tage schlechter, und die Poesie ist eben das Einzige hier, was gut seyn muss, weil sie die Musik nicht verstehen. – Es sind nun zwey Opern, die ich schreiben könnte, eine en deux actes, die andere en trois actes. Die en deux actes ist Alexandre et Roxane – der Poet aber, der sie schreibt, ist noch in der Campagne. Die en trois actes ist Demofont (von Metastasio), übersetzt und mit Chören und Tänzen vermischt, und überhaupt für das französische Theater arrangirt, von dieser habe ich auch noch nichts sehen können. – – – Wegen Versailles war es nie mein Gedanke; ich habe auch den Rath des Baron Grimm und anderer guten Freunde darüber gehört, sie dachten Alle wie ich. Es ist wenig Geld, man muss sechs Monate in einem Orte verschmachten, wo nichts sonst zu verdienen ist, und sein Talent vergraben. Denn wer in königlichen Diensten ist, der ist zu Paris vergessen, und dann Organist! – Ein guter Dienst wäre mir sehr lieb, aber nicht anders als Kapellmeister und gut bezahlt.

Nun leben Sie recht wohl, haben Sie Sorge auf Ihre Gesundheit, verlassen Sie sich auf Gott, da müssen Sie ja Trost finden. Meine liebe Mutter ist in den Händen des Allmächtigen, will er sie uns[386] noch schenken, so werden wir ihm für diese Gnade danken; will er sie aber zu sich nehmen, so nützet all' unser Aengsten, Sorgen, Verzweifeln nichts, – geben wir uns lieber standhaft in seinen göttlichen Willen, mit gänzlicher Ueberzeugung, dass es zu unserm Nutzen seyn wird, weil er nichts ohne Ursache thut.


Des Vaters Antwort u.s.w.


Salzburg, den 13. July 1778.


Mein liebes Weib, und mein lieber Sohn!


Um Deinen Namenstag, mein liebes Weib, nicht zu verfehlen, schreibe ich unter heutigem Datum, wo der Brief noch sicher einige Tage vorher eintreffen muss. Ich wünsche Dir Millionen Glück, solchen abermals erlebt zu haben, und bitte den allmächtigen Gott, dass er Dich diesen Tag noch viele Jahre gesund und, so viel es auf diesem veränderlichen Welt-Theater möglich, auch vergnügt möge erleben lassen. Ich bin vollkommen überzeugt, dass Dir zu Deinem wahren Vergnügen Dein Mann und Deine Tochter mangelt. Gott wird nach seinem unerforschlichen Rathschlusse und heiligster Vorsehung Alles zu unserm Besten anwenden. Hättest Du wohl vor einem Jahre geglaubt, dass Du Deinen kommenden Namenstag in Paris hinbringen würdest? – – So unglaublich es damals Manchem geschienen hätte (obwohl uns eben nicht) – eben so möglich ist es, dass wir mit der Hülfe Gottes eher, als wir es vermuthen, wieder Alle beysammen sind: denn dieses allein ist, was mir am Herzen liegt, – von Euch getrennt zu seyn – von Euch entfernt, und[387] so weit entfernt zu leben; sonst sind wir, Gott sey gelobt, gesund! Wir Beyde küssen Dich und den Wolfgang Millionen Mal, und bitten Euch hauptsächlich für die Erhaltung Eurer Gesundheit besorgt zu seyn. –

Dieses Vorherstehende schrieb ich gestern, den 12ten d.M. Heute Vormittags den 13ten, das ist diesen Augenblick vor 10 Uhr, erhalte ich Dein betrübtes Schreiben vom 3ten July. Du kannst Dir leicht vorstellen, wie uns Beyden um das Herz ist. Wir weinten zusammen, dass wir kaum den Brief lesen konnten, – und Deine Schwester! – grosser, barmherziger Gott! Dein allerheiligster Wille geschehe! Mein lieber Sohn! bey aller meiner immer möglichen Ergebung in den göttlichen Willen wirst Du es doch ganz menschlich und natürlich finden, dass ich durch Thränen fast gehindert werde, zu schreiben. Was kann ich endlich für einen Schluss machen? – Keinen andern, als: jetzt, da ich dieses schreibe, wird sie vermuthlich todt – oder sonst muss sie besser seyn, denn Du schreibst den 3ten, und heute ist schon der 13te. Du schreibst, sie befand sich auf das Aderlassen gut; allein einige Tage hernach klagte sie über Frost und Hitze. Euer letzter Brief war vom 12ten Juny, und da schrieb sie – gestern habe ich mir Ader gelassen: das war also den 11ten Juny, und warum denn an einem Samstage – an einem Fasttage? – – – Sie wird wohl Fleisch gespeis't haben. Sie hat mit dem Aderlassen zu lange gewartet. Ich habe es ja erinnert, weil ich sie kenne, dass sie Alles von Heute auf Morgen verschiebt, absonderlich an einem fremden Orte, wo[388] sie sich erst um einen Chirurgen erkundigen muss. Nun ist einmal die Sache so – und nicht mehr zu ändern. – Da ich mein vollkommenes Vertrauen in Deine kindliche Liebe setze, dass Du alle menschenmögliche Sorgfalt für Deine gewiss gute Mutter getragen hast, und, wenn Gott sie uns noch schenket, immer tragen wirst; für Deine gute Mutter, deren Augapfel Du warst, und die Dich ganz ausserordentlich geliebt hat, – die völlig stolz auf Dich war, und die (ich weiss mehr als Du) gänzlich in Dir gelebt hat. Sollte nun aber alles unser Hoffen vergebens seyn! Sollten wir sie verloren haben! – Grosser Gott! So hast Du Freunde nöthig, redliche Freunde! sonst kommst Du um Deine Sachen, Begräbniss-Unkosten u.s.w. mein Gott! manche Dir ganz unbekannte Unkosten, wo man einen Fremden betrügt – übernimmt – hintergeht – in unnöthige Kosten bringt und aussaugt, wenn man nicht redliche Freunde hat: Du kannst es nicht verstehen. Sollte nun dieses Unglück vorgefallen seyn, so bitte Hrn. Baron von Grimm, dass Du Deiner Mutter Sachen alle zu ihm in Verwahrung bringen darfst, damit Du nicht auf gar so viel Sachen Achtung zu geben nothwendig hast: oder versperre Alles recht gut, denn wenn Du oft ganze Tage nicht zu Hause bist, kann man ins Zimmer brechen und Dich ausrauben. Gott gebe, dass alle diese meine Vorsorge unnöthig ist: an dieser aber erkennst Du Deinen Vater. Mein liebes Weib! mein lieber Sohn! Da sie einige Tage nach dem Aderlass unpässlich geworden, so muss sie sich seit dem 16ten oder 17ten Juny krank befinden. Ihr habt doch zu lange gewartet,[389] – sie hat geglaubt, es wird durch Ruhe im Bette, durch Diät, durch eigene Mittel besser werden; ich weiss, wie es geht, man hofft und schiebt von Heute auf Morgen: allein, mein lieber Wolfgang, das Laxiren bey Hitze erfordert augenblicklich einen Medicum, um zu wissen, ob man die Hitze benehmen oder noch lassen muss, da die abkühlenden Mittel noch mehr Laxiren machen, und stillt man den Durchlauf zur unrechten Zeit, so geht die Materia peccans in einen Brand. – Gott, Dir sey Alles überlassen!

Ich wünsche Dir Glück, dass Du mit Deiner Symphonie im Concert spirituel so glücklich durchgekommen. Ich stelle mir Deine Angst vor. – Dein Entschluss, wenn es nicht gut gegangen wäre, ins Orchester zu laufen, war wohl nur ein erhitzter Gedanke. Behüte Gott! diese und alle derley Einfälle musst Du Dir ausschlagen; sie sind unüberlegt, ein solcher Schritt würde Dir das Leben kosten, und das setzt doch kein vernünftiger Mensch auf eine Symphonie. Ein dergleichen Affront – und zwar öffentlicher Affront, würde und müsste nicht nur ein Franzose, sondern jeder Andere, der auf Ehre hält, mit dem Degen in der Faust rächen. – –

Ich schrieb ihr meinen Glückwunsch am Anfange des Briefes, – und die Nannerl wollte mit ihrem Glückwunsche denselben schliesen. Allein sie kann (wie Du Dir's leicht vorstellen kannst) keinen Buchstaben schreiben, die Sache kommt eben jetzt, da sie schreiben sollte, – jeder Buchstabe, den sie hinschreiben soll, treibt ihr einen Thränenguss in die Augen. Vertrete Du, ihr lieber Bruder, ihre[390] Stelle – wenn Du, wie wir hoffen und wünschen, noch vertreten kannst.

Doch nein! Du kannst es nicht mehr. – Sie ist dahin! Du bemühest Dich zu sehr, mich zu trösten, das thut man nicht gar so eifrig, wenn man nicht durch den Verlust aller menschlichen Hoffnung, oder durch den Fall selbst dazu ganz natürlich angetrieben wird. – – Dieses schreibe ich um halb 4 Uhr Nachmittags. Ich weiss nun, dass meine liebe Frau im Himmel ist. Ich schreibe es mit weinenden Augen, aber mit gänzlicher Ergebung in den göttlichen Willen!

Hr. Bullinger fand uns, wie alle die Uebrigen uns antrafen, in der betrübtesten Situation; ich gab ihm, ohne ein Wort zu sagen, Deinen Brief zu lesen, und er verstellte sich trefflich, und fragte mich, was ich davon hielte. Ich antwortete ihm, dass ich fest glaubte, mein liebes Weib sey schon todt. Er sagte, dass er in der That fast eben dieses vermuthe, und dann sprach er mir Trost ein, und sagte mir als ein wahrer Freund alles dasjenige, was ich mir bereits schon selbst gesagt hatte. Ich gab mir Mühe, mich aufzuräumen, mich bey der Ergebung in den allerheiligsten göttlichen Willen zu erhalten. Wir endigten unser Polzschiessen, Alles ging betrübt weg, Hr. Bullinger blieb bey mir, und fragte mich dann unbemerkt, was ich davon hielte, ob bey diesen beschriebenen Krankheitsumständen noch Hoffnung wäre. Ich antwortete ihm, dass ich glaubte, sie wäre nicht nur jetzt todt, sondern den Tag, da Dein Brief geschrieben worden, schon gestorben, dass ich mich in den Willen Gottes ergeben und[391] denken müsse, dass ich zwey Kinder habe, die mich hoffentlich so lieben werden, als wie ich einzig für sie lebe: dass ich es so gewiss glaube, dass ich sogar Erinnerungen und Besorgnisse wegen der Folge etc. an Dich geschrieben habe. Auf dieses sagte er mir: ja, sie ist todt! und in diesem Augenblicke fiel mir der Schleyer vom Gesicht, den mir dieser schnelle Zufall vor die Augen hielt, der meine Voraussehung verhinderte, da ich sonst geschwind auf die Vermuthung verfallen wäre, Du würdest dem Hrn. Bullinger unter der Hand das Wahre geschrieben haben, so bald ich Deinen Brief las. Dein Brief hatte mich aber wirklich dumm gemacht – ich war im ersten Augenblicke zu sehr niedergeschlagen, um etwas nachdenken zu können. Jetzt weiss ich nichts zu schreiben! Wegen meiner kannst Du ruhig seyn, ich werde als ein Mann handeln. Denke nach, was Du für eine zärtlich liebende Mutter hattest – jetzt wirst Du ihre Sorgen erst einsehen – so wie Du bey reifen Jahren nach meinem Tode mich immer mehr lieben wirst. – Liebst Du mich – wie ich gar nicht zweifle – so trage Sorge für Deine Gesundheit, – an Deinem Leben hängt mein Leben – und der künftige Unterhalt Deiner ehrlich Dich von Herzen liebenden Schwester. Dass es unbegreiflich empfindlich ist, wenn der Tod eine gute glückselige Ehe zerreisst, das muss man erfahren, um es zu wissen. – Schreib' mir Alles umständlich, vielleicht hat man ihr zu wenig Blut gelassen? – Das Gewisseste ist, dass sie sich zu viel auf sich selbst getrauet, und den Doctor zu spät gerufen, unterdessen hat der Brand in intestinis überhand genommen. [392] Sorge für Deine Gesundheit! mache uns nicht Alle unglücklich! Die Nannerl weiss noch nichts von Bullingers Briefe, ich habe sie aber schon so vorbereitet, dass sie glaubt, dass ihre beste Mutter todt ist. Schreibe mir bald – und Alles – wann sie begraben worden – wohin? – Grosser Gott! das Grab meines lieben Weibes muss ich in Paris suchen!


Paris, ce 9 Juillet 1778.


Monsieur mon très cher Père!


Ich hoffe, Sie werden bereitet seyn, eine der traurigsten und schmerzhaftesten Nachrichten mit Standhaftigkeit anzuhören. – Sie werden durch mein letztes Schreiben vom 3ten in die Lage gesetzt worden seyn, nichts Gutes hören zu dürfen. – Den nämlichen Tag, den 3ten, ist meine Mutter Abends um 10 Uhr 21 Minuten in Gott selig entschlafen; – als ich Ihnen aber schrieb, war sie schon im Genusse der himmlischen Freuden – Alles war schon vorbey – ich schrieb Ihnen in der Nacht – ich hoffe, Sie und meine liebe Schwester werden mir diesen kleinen und sehr nothwendigen Betrug verzeihen – denn nachdem ich nach meinem Schmerze und Traurigkeit auf die Ihrige schloss, so konnte ich es unmöglich über's Herz bringen, Sie sogleich mit dieser schrecklichen Nachricht zu überraschen. – Nun hoffe ich aber, werden Sie sich Beyde gefasst gemacht haben, das Schlimmste zu hören, und, nach allen natürlichen und gar wohl zu billigen den Schmerzen und Weinen, endlich sich in den Willen Gottes zu geben, und seine unerforschliche, unergründliche[393] und allerweiseste Vorsehung anzubeten. – Sie werden sich leicht vorstellen können, was ich ausgestanden – was ich für Muth und Standhaftigkeit nothwendig hatte, um Alles so nach und nach immer ärger, immer schlimmer, mit Gelassenheit zu übertragen – und doch, der gütige Gott hat mir diese Gnade verliehen – ich habe Schmerzen genug empfunden, habe genug geweint – was nützte es aber? – Ich musste mich also trösten. Machen Sie es auch so, mein lieber Vater und liebe Schwester! – Weinen Sie, weinen Sie sich recht aus – trösten Sie sich aber endlich – bedenken Sie, dass es der allmächtige Gott also hat haben wollen – und was wollen wir wider ihn machen? – Wir wollen lieber beten, und ihm danken, dass es so gut abgelaufen ist – denn sie ist sehr glücklich gestorben; – in jenen betrübten Umständen habe ich mich mit drey Sachen getröstet, nämlich durch meine gänzliche, vertrauungsvolle Ergebung in den Willen Gottes – dann durch die Gegenwart ihres so leichten und schönen Todes, indem ich mir vorstellte, wie sie nun in einem Augenblicke so glücklich wird – wie viel glücklicher sie nun ist, als wir – so, dass ich mir gewünscht hätte, in diesem Augenblicke mit ihr zu reisen – aus diesem Wunsche und aus dieser Begierde entwickelte sich endlich mein dritter Trost, nämlich, dass sie nicht auf ewig für uns verloren ist – dass wir sie wiedersehen werden – vergnügter und glücklicher beysammen seyn werden, als auf dieser Welt. Nur die Zeit ist uns unbekannt – das macht mir aber gar nicht bang – wann Gott will, dann will ich auch. – Nun, der göttliche, allerheiligste[394] Wille ist vollbracht – beten wir also ein andächtiges Vater unser für ihre Seele – und schreiten wir zu andern Sachen: es hat Alles seine Zeit. – Ich schreibe dieses im Hause der Madame d'Epinay und des Mons. Bar. de Grimm, wo ich nun logire, ein hübsches Zimmerl mit einer sehr angenehmen Aussicht habe, – und, wie es nur immer mein Zustand zulässt, vergnügt bin. – Eine grosse Hülfe zu meiner möglichen Zufriedenheit wird seyn, wenn ich hören werde, dass mein lieber Vater und meine liebe Schwester sich mit Gelassenheit und Standhaftigkeit gänzlich in den Willen des Herrn geben, – sich ihm von ganzem Herzen vertrauen, in der festen Ueberzeugung, dass er Alles zu unserm Besten anordnet. – Allerliebster Vater! – schonen Sie sich! – Liebste Schwester! – schone Dich, – Du hast noch nichts von dem guten Herzen Deines Bruders genossen – weil er es noch nicht im Stande war. – Meine liebsten Beyde! – habt Sorge auf Eure Gesundheit – denket, dass Ihr einen Sohn habt – einen Bruder – der alle seine Kräfte anwendet, um Euch glücklich zu machen – wohl wissend, dass Ihr ihm auch einstens seinen Wunsch und sein Vergnügen – welches ihm gewiss Ehre macht, nicht versagen, und auch Alles anwenden werdet, um ihn glücklich zu sehen. – O dann wollen wir so ruhig, so ehrlich, so vergnügt (wie es nur immer auf dieser Welt möglich ist) leben – und endlich, wenn Gott will, dort wieder zusammen kommen, wofür wir bestimmt und erschaffen sind. –

Wegen des Ballets des Noverre habe ich ja niemals etwas anders geschrieben, als dass er vielleicht[395] ein neues Ballet machen wird – er hat gerade ein halbes Ballet gebraucht, und dazu machte ich die Musik, – das ist, sechs Stücke werden von Andern darin seyn, die bestehen aus lauter miserabeln französischen Arien; die Symphonie und Contretänze, überhaupt zwölf Stücke werde ich dazu gemacht haben. – Dieses Ballet ist schon vier Mal mit grösstem Beyfalle gegeben worden. – Ich will aber jetzt absolument nichts machen, wenn ich nicht voraus weiss, was ich dafür bekomme, denn diess war nur ein Freundschaftsstück für Noverre. – Mit Piccini habe ich im Concert spirituel gesprochen. Er ist ganz höflich mit mir, und ich mit ihm, wenn wir so ungefähr zusammen kommen; übrigens mache ich keine Bekanntschaft weder mit ihm, noch andern Componisten – ich verstehe meine Sache – und sie auch – und das ist genug. – Wenn ich eine Opera zu machen bekomme, so werde ich genug Verdruss bekommen – das würde ich aber nicht viel achten, denn ich bin es schon gewohnt, wenn nur die verfluchte französische Sprache nicht so hundsföttisch zur Musik wäre! – Das ist was Elendes – die deutsche ist noch göttlich dagegen, – und dann erst die Sänger und Sängerinnen – man sollte sie gar nicht so nennen – denn sie singen nicht, sondern sie schreyen – heulen – und zwar aus vollem Halse, aus der Nase und Gurgel. –

Ich werde auf die künftige Fasten ein französisches Oratorium für's Concert spirituel machen müssen. Der Mr. Le Gros (Directeur) ist erstaunlich für mich portirt. Meine Symphonie für das Concert spirituel fand allen Beyfall, und Le Gros ist so damit[396] zufrieden, dass er sagt, das sey seine beste Symphonie. Das Andante hat aber nicht das Glück gehabt, ihn zufrieden zu stellen; er sagt, es sey zu viel Modulation darin, und zu lang – das kam aber daher, weil die Zuhörer vergessen hatten, einen so starken und anhaltenden Lärmen mit Händeklatschen zu machen, wie bey dem ersten und letzten Stücke; denn das Andante hatvon mir, von allen Kennern und Liebhabern und den meisten Zuhörern den grössten Beyfall – es ist just das Contraire, was Le Gros sagt, – es ist ganz natürlich – und kurz. – Um ihn aber (und wie er, behaupten Mehrere) zu befriedigen, habe ich ein anderes Andante gemacht. – Jedes in seiner Art ist recht, denn es hat jedes einen andern Charakter – das Letzte gefällt mir aber noch besser. Ich werde Ihnen die Symphonie mit der Violinschule, Claviersachen und Voglers Buch der Tonwissenschaft und Tonsetzkunst mit einer guten Gelegenheit schicken, und dann will ich auch Ihr Urtheil darüber hören. – Den 15ten August, Mariae Himmelfahrt, wird die Symphonie mit dem neuen Andante das zweyte Mal aufgeführt werden. Die Symphonie ist ex Re und das Andante ex Sol (hier darf man nicht sagen D oder G). Nun ist halt der Le Gros ganz für mich. – Nun ist es Zeit, dass ich zum Schlusse trachte. Wenn Sie mir schreiben, so glaube ich, wird es besser seyn, wenn Sie setzen: Chez Mr. le Baron de Grimm, chaussée d'Antin près le Boulevard. – Mr. Grimm wird Ihnen nächstens selbst schreiben. Er und die Madame d'Epinay lassen sich Ihnen Beyden empfehlen und von Herzen condoliren – hoffen aber, Sie werden[397] sich in einer Sache, die nicht zu ändern ist, zu fassen wissen. Trösten Sie sich und beten Sie brav, diess ist das einzige Mittel, was uns übrig bleibt. – Ich wollte Sie wohl gebeten haben, eine heil. Messe in Maria Plain und zu Loretto lesen zu lassen – ich habe es hier auch gethan. –


Paris, den 20. July 1778.


Ich bitte um Verzeihung, dass ich so spät mit meinem Glückwunsche komme, allein, ich habe meiner Schwester doch mit einem kleinen Präambulum aufwarten wollen – die Spielart lasse ich ihrer eigenen Empfindung übrig – diess ist kein Präludium, um von einem Tone in den andern zu gehen, sondern nur so ein Capriccio, um das Clavier zu probiren. – Meine Sonaten werden bald gestochen werden. Bis dato hat mir noch Keiner das geben wollen, was ich dafür verlangte – ich werde doch endlich nachgeben müssen und sie um 15 Louisd'or hergeben: – auf diese Art werde ich doch am leichtesten bekannt hier. – So bald sie gestochen sind, werde ich sie Ihnen durch wohl ausstudirte Gelegenheit, und, so viel möglich, öconomisch, nebst einigen meiner Sonaten auf Clavier allein, Sinfonie für's Concert spirituel, Sinfonie concertante, zwey Quartetti auf die Flöte und ein Concert für Harfe und Flöte schicken. – – – – –


Leopold Mozart an Padre Martini in Bologna.


Salzburg, den 21. August 1778.


Ich bat Ew. Hochwürden, meinen Sohn mit Ihrer viel vermögenden Empfehlung am Hofe zu Manheim[398] zu begünstigen, und Sie hatten die Güte, mir zu antworten: Ich werde nicht ermangeln, dem Hrn. Raff zu schreiben, damit er ihn von meiner Seite an Seine Durchlaucht empfehle. Darauf in dem Bestätigungs- Schreiben über den Empfang des Portraits: Die Veränderungen in Bayern und die Abreise des Churfürsten von der Pfalz von Manheim werden vielleicht verhindern, dass Sie einen guten Erfolg bey Sr. Durchlaucht haben; indessen, wenn Sie sich auch verspäten, so werden Sie doch nicht fehlen. Allein Hr. Raff hat Ihren Brief nicht erhalten. Mein Sohn kam am 23sten März in Gesellschaft seiner Mutter zu Paris an. Darauf langte auch der Herr Raff an, wo sie eine solche Bekanntschaft mit einander machten, dass Hr. Raff beynahe täglich meinen Sohn besuchte und bey ihm 2-3 Stunden verweilte. Er nannte meine Frau seine liebe Mutter, und wünschte nichts mehr, als meinen Sohn am pfälzischen Hofe angestellt zu sehen. Aber wie traurig! Das Schicksal wollte, dass meine liebe Frau erkrankte und bald starb. Gott! welcher Schlag! Denken Ew. Hochwürden sich meinen und meiner Tochter Zustand, und die Lage meines Sohnes, allein und trostlos, zu – Paris. Hr. Raff war abgereis't, denn der Churfürst befindet sich zu Manheim. Herr Raff versicherte bey seiner Abreise meinem Sohne aufrichtige freundschaftliche Verwendung, indem er nichts anders wünschte, als einen vorzeigbaren Brief von unserm lieben Hrn. Pater. Bey dem Umstande, dass der Churfürst nur deutsche Opern will, ist ein deutscher Kapellmeister nöthig. Der Graf Seau, Intendant der Musik zu München, ist in seiner Anstellung[399] bestätigt worden und befindet sich jetzt zu Manheim, wo er die Vertheilung des Personals in zwey Musikchöre für München und Manheim macht. Sodann kehrt der ganze Hof nach München zurück, wo in Zukunft die Residenz seyn wird.

Liebster, geehrtester Herr Pater! Sie sehen einen Menschen im 22sten Jahre ganz allein, sich selbst überlassen, in einem Paris, einer so gefahrvollen Stadt. Sie befinden sich in der Lage, durch Ihre gütige Verwendung seine Seele zu retten und das Glück dieses jungen Menschen von Talent zu machen. Mit einem Briefe an Seine Durchlaucht, oder wenigstens einem vorzeigbaren an Hrn. Raff und einem andern an den Grafen Seau, worin Sie die Talente meines Sohnes bezeugen, können Sie ein verdienstliches Werk verrichten und die Seele eines gut erzogenen, aber tausend Gefahren ausgesetzten jungen Menschen retten, können bewirken, dass seine ausgezeichneten Talente bekannt werden. Er sucht nur eine Gelegenheit, sich zu vervollkommnen, und thut Nichts, als studiren und componiren. Sie können auch das geängstete Herz eines Vaters beruhigen und dessen Leben retten. Verzeihen Sie, wenn ich zu übertrieben scheine: aber der Tod einer vortrefflichen Frau und Mutter und die Lage eines Sohnes verdrehen und betäuben fast meine Sinne. Ich erwarte Alles von Ihrem theilnehmenden Herzen und etc.


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 27. August 1778.


Ich habe Dir schon geschrieben, dass man Dich wieder hier zu sehen wünscht, und man ging[400] so lange um mich herum, ohne dass ich mich herausliess, bis endlich nach dem Tode des Lolli ich der Gräfin sagen musste, dass ich dem Erzbischof eine Bittschrift eingereicht, in welcher ich aber nichts anderes sagte, alsdass ich mich nach meinen so viele Jahre unklagbar geleisteten Diensten zu Gnaden empfehle. Nun fiel endlich die Rede auf Dich – und ich sagte Alles aus der Brust heraus, was nothwendieg war, und so, wie ich es dem Grafen Stahremberg gesagt hatte. Endlich fragte sie mich, ob Du denn nicht kommen würdest, wenn mir der Erzbischof den Lolli'schen Gehalt und Dir den Adlgasser'schen geben würde, welches, da ich es schon vorher berechnet hatte, zusammen jährlich 1000 fl. beträgt; so konnte ich nichts anders thun, als antworten, dass ich keinen Zweifel hätte, dass Du dieses, wenn es geschehen würde, mir zu Liebe annehmen würdest, indem sie noch beysetzte, dass nicht der geringste Zweifel wäre, dass Dich der Erzbischof alle zwey Jahre nach Italien reisen liesse, indem er selbst immer behauptet, dass man von Zeit zu Zeit wieder Etwas hören muss, und dass er Dich mit guten Re commandations-Briefen versehen würde. Würde dieses geschehen, so könnte ich sicher Rechnung machen, dass wir alle Monate 115 fl. wenigstens, und wie es jetzt ist, mehr als 120 fl. monatlich gewisse Einkünfte hätten. Ohne was ich durch den Verkauf meiner Violinschule einnehme, welches jährlich, gering gerechnet, 50 fl. beträgt, und ohne was Deine Schwester für sich verdient, die jetzt monatlich 10 fl. gewiss einnimmt, und sich damit kleidet, indem sie die zwey kleinen Fräulein von[401] der Gräfin unterweiset, und zwar täglich, ich aber die grössern Zwey. Hierzu ist nun nicht gerechnet, was Du etwa für Dich besonders verdienen könntest. Denn obwohl hier auf Nichts Rechnung zu machen ist, so weisst Du doch, dass Du von Zeit zu Zeit Etwas eingenommen, und auf diese Art ständen wir besser, als an jedem andern Orte, wo es um's Doppelte theurer ist, und wenn man auf's Geld nicht so genau schauen darf, so kann man sich schon Unterhaltungen verschaffen. Allein der Hauptpunct ist, dass ich mir auf die ganze Sache keine Rechnung mache, weil ich weiss, wie schwer dem Fürsten ein solcher Entschluss ankommen würde. Dass es der Gräfin ihr ganzer Ernst und Wunsch ist, darfst Du gar nicht zweifeln, und dass der alte Arco, der Graf Stahremberg und der Bischof von Königsgrätz dieses mit guter Art durchzubringen wünschen, hat seine Richtigkeit. – Es hat aber seine Ursachen, wie es bey allen Sachen geht, und wie ich Dir's tausend Mal sage, die Gräfin fürchtet, und auch der alte Arco, dass auch ich fortgehe. Sie haben Niemand zur Unterweisung auf dem Claviere; ich habe den Ruhm, dass ich gut unterweise, und die Proben sind da. Sie wissen nicht, welchen, und wann sie sodann Jemand bekommen: und sollte Einer von Wien kommen, wird er wohl um 4 fl. oder einen Ducaten zwölf Lectionen geben, da man andern Ortes zwey und drey Ducaten bezahlt? – – Diess setzt sie Alle in Verlegenheit. Allein, wie ich schon gesagt habe, ich mache keine Rechnung darauf, weil ich den Erzbischof kenne: obwohl es gewiss ist, dass er Dich im Herzen zu haben wünschte; so[402] kann er doch zu keinem Entschlusse kommen, besonders, wenn er geben soll. – Man muss sich in Ruf bringen. Wann ist Gluck – wann ist Piccini – wann sind alle die Leute hervor gekommen? – Gluck wird 60 Jahre auf dem Halse haben, und es sind erst 26 oder 27 Jahre, dass man angefangen hat, von ihm zu reden, und Du willst, dass jetzt das französische Publicum, oder auch nur die Directeurs der Spectakel von Deiner Compositions-Wissenschaft schon sollen überzeugt seyn, da sie in ihrem Leben noch Nichts gehört hatten, und Dich nur von Deiner Kindheit an als einen vortrefflichen Clavierspieler und besonderes Genie kennen. Du musst also unterdessen Dir Mühe geben, durchzudringen, um Dich als Componist in allen Gattungen zeigen zu können, – und da muss man die Gelegenheiten dazu aufsuchen und unermüdet Freunde suchen, solche anspornen, und ihnen keine Ruhe lassen, solche, wenn sie einschlafen, wieder aufmuntern, und nicht das, was sie sagen, schon für gethan glauben; ich würde längst an Mr. de Noverre selbst geschrieben haben, wenn ich seinen Titel und Adresse wüsste. Unterdessen werde ich und Deine Freunde wegen München sorgen.


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 31. August 1778.


– Du bist nicht gern in Paris, und ich finde, dass Du eben nicht gar Unrecht hast. Bis jetzt war mein Herz und Gemüth für Dich beängstigt, und ich musste trotz einem Minister eine sehr kitzliche Rolle spielen, da ich bey aller meiner Herzensangst[403] mich lustig anstellen musste, um Jedermann glauben zu machen, als wärst Du in den besten Umständen und hättest Geld im Ueberflusse, ob ich gleich das Gegentheil weiss. Ich verzweifelte fast, so, wie ich wollte, durchzudringen, weil, wie Du weisst, nach dem Schritte, den wir gethan, von dem Hochmuthe des Fürsten wenig zu hoffen, und ihm Deine schnelle Abdankung zu sehr auf's Herz gefallen war. Allein durch mein tapferes Aushalten habe ich nicht nur allein durchgedrungen, der Erzbischof hat nicht nur Alles accordirt, für mich und für Dich, Du hast 500 fl.; sondern er hat sich noch entschuldigt, dass er Dich jetzt unmöglich zum Kapellmeister machen könnte, Du solltest aber, wenn es mir zu mühsam wäre, oder wenn ich ausser Stande wäre, in meine Stelle einrücken; er hätte immer Dir eine bessere Besoldung zugedacht etc. mit einem Worte, zu meinem Erstaunen, die höflichste Entschuldigung. Noch mehr! Dem Paris6 hat er 5 fl. Addition gegeben, damit er die mehresten Dienste verrichten muss, und Du wirst als Concertmeister wie vorhero decretirt werden. Wir bekommen also vom Zahlamte, wie ich Dir schon geschrieben, jährlich auf 1000 fl. Nun kommt es darauf an, ob Du glaubst, dass ich noch einen Kopf habe, und ob Du glaubst, dass ich Dein Bestes besorge, – und ob Du mich todt oder beim Leben erhalten willst. Ich habe Alles ausgedacht. Der Erzbischof hat sich erklärt, dass er, wenn Du eine Oper schreiben willst, Dich, wo es immer ist, hinreisen lasse; er sagte zur Entschuldigung[404] der voriges Jahr uns versagten Reise, dass er es nicht leiden könne, wenn man so ins Betteln herum reise. Nun bist Du in Salzburg im Mittelpuncte zwischen München, Wien und Italien. Du kannst leichter in München eine Oper zu schreiben bekommen, als in Dienst kommen; denn deutsche Opern-Componisten, wo sind sie? Und wie viel? – Nach des Churfürsten Tode ist Alles dienstlos, und da entsteht ein neuer Krieg. Der Herzog von Zweybrücken ist kein grosser Liebhaber der Musik. Nun will ich aber nicht, dass Du eher von Paris abreisest, bis ich nicht das Decret unterschrieben in Händen habe, weil der Fürst heute früh nach Laufen ist. Die Mselle. Weber sticht dem Fürsten und Allen ganz erstaunlich in die Augen: sie werden sie absolut hören wollen, da sollen sie bey uns wohnen. Mir scheint, ihr Vater hat keinen Kopf; ich werde die Sache besser für sie einleiten, wenn sie mir folgen wollen. Du musst hier recht das Wort reden, denn zum Castraten will er auch eine andere Sängerin, um eine Opera aufzuführen. –


Man hat mir immer hier zu Ohren geredet, warum wir zwey einzigen Personen in einem so grossen Quartiere bleiben, wo wir so viel zahlen müssen. Allein ich habe immer gedacht, entweder ich gehe weg, oder Du kommst, und dann muss es besser gehen; wir haben einen Stall im Hause, da kann ich ein Pferd halten. Will ich eine kleine Chaise oder Würstl kaufen, so gäb' ich den grossen Wagen dafür weg. Mein nächster Brief wird Dir sagen, dass Du abreisen sollst. –


[405] Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 3. Septembr. 1778.


Da der Churfürstl. ganze Hof den 15ten September in München erwartet wird, so kannst Du bey Deiner Durchreise Deine Freunde, den Grafen Seau und vielleicht den Churfürsten selbst sprechen. – Du kannst sagen, dass Dich Dein Vater in Salzburg zurück zu sehen gewünscht, da Dir der Fürst einen Gehalt von (da lügt man 2–300 fl. dazu) 7–800 fl. als Concertmeister ausgeworfen; dass Du aus kindlichem Respect gegen Deinen Vater solches angenommen,obwohl er gewünscht hätte, Dich in Churfürstl. Diensten zu sehen, NB. aber mehr nicht! Dannkannst Du wünschen, eine Oper in München zu schreiben; – und dieses Letzte muss und kann man von hier aus immer betreiben, und das wird und muss gehen, weil zur deutschen Opern-Composition die Meister mangeln. Schweitzer und Holzbauer werden nicht alle Jahre schreiben, und sollte der Michl eine schreiben, so wird er bald ausgemichelt haben. Sollte es Leute geben, die durch Zweifel und solche Possen es zu hindern trachteten, so hast Du Professori zu Freunden, die für Dich stehen: und dieser Hof führt auch unterm Jahre zu Zeiten Etwas auf. – Kurz, Du bist hier in der Nähe: unsere Einkünfte sind so, wie ich Dir's geschrieben habe, – durch Deine hiesige Lebensart wirst Du an Deinem Studiren und Speculiren nicht gehindert; Du darfst nicht Violine spielen bey Hofe, sondern hast beym Clavier alle Gewalt der Direction, so wie mir die ganze Musik – alle des Fürsten[406] Musicalien, und die Inspection des Kapellhauses jetzt ist übergeben worden.

Noch eine Sache musst Du nicht ausser Acht lassen. Du musst die Namen und Adressen der besten Musikhändler, die Etwas kaufen, um graviren zu lassen, mit Dir nehmen, sonderheitlich desjenigen, der Dir Deine Clavier-Sonaten abgekauft hat, damit Du mit ihm correspondiren kannst. Auf diese Art wird es eben so viel seyn, als wenn Du in Paris wärest; man kann mit ihnen handeln, sodann die Composition einem Kaufmann oder Freunde einschicken, der es dem Musik-Verleger gegen baare Bezahlung ausliefert, und so kannst Du alle Jahre 15 oder 20 Louisd'or von Paris beziehen und Deinen Namen aller Orten theils mehr bekannt machen, theils in der gemachten Bekanntschaft erhalten. – Frage den Baron von Grimm, ob ich nicht Recht habe.


Mozart reis'te den 26sten September 1778 von Paris über Nancy nach Strasburg, wo er sich einige Tage aufhielt und zwey Mal Concert gab, wie folgender Brief meldet:


Strassburg, den 26. Octobr. 1778.


Ich bin noch hier, wie Sie sehen, und zwar auf Anrathen des Herrn Franks und anderer Strassburger Helden, – doch morgen reise ich ab. In dem letzten Briefe vom 15ten d.M., den Sie hoffentlich richtig werden erhalten haben, habe ich Ihnen geschrieben, dass ich den 17ten, Samstag, etlichen guten Freunden, Liebhabern und Kennern zu gefallen, [407] par Subscription so ungefähr ein kleines Modell von einem Concert geben werde, weil es hier mit Concertgeben noch schlechter ist, als in Salzburg. Ich habe ganz allein gespielt, gar keine Musik genommen, damit ich doch Nichts verliere. Kurz, ich habe drey Louisd'or eingenommen, – das Meiste bestand aber in den Bravo und Bravissimo, die mir von allen Seiten zugeflogen – und zwar der Prinz Max von Zweybrücken beehrte auch den Saal mit seiner Gegenwart. – Dass Alles zufrieden war, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Nach diesem wollte ich gleich abreisen, aber man hat mir gerathen, ich soll noch bleiben bis zum andern Samstag und ein grosses Concert im Theater geben; – da hatte ich die nämliche Einnahme zum Erstaunen und Verdruss und Schande aller Strassburger. Der Directeur Mr. Villeneuve schimpfte über die Einwohner dieser wirklich abscheulichen Stadt, dass es eine Art hatte; – ich habe freylich ein wenig mehr gemacht; allein, die Unkosten der Musik (die sehr schlecht ist, sich aber sehr gut bezahlen lässt), der Illumination, Wache, Buchdruckerey, die Menge Leute bey den Eingängen etc. machte eine grosse Summa aus. Doch muss ich Ihnen sagen, dass mir die Ohren von dem Applaudiren und Händeklatschen so wehe gethan, als wenn das ganze Theater voll gewesen wäre. – Alles, was darin war, hat öffentlich und laut über die eigenen Stadtbrüder geschmälet; – und ich habe Allen gesagt, dass, wenn ich mir mit gesunder Vernunft vorstellen können, dass so wenig Leute kommen würden, ich das Concert sehr gern gratis gegeben hätte, nur um das Vergnügen[408] zu haben, das Theater voll zu sehen – und in der That mir wäre es lieber gewesen; denn bey meiner Ehre es ist nichts Traurigeres, als eine grosse T Tafel von achtzig Couverts, und nur drey Personen zum Essen, – und dann war es so kalt! – Ich habe mich aber schon gewärmt, und um den Herren Strassburgern zu zeigen, dass mir gar nichts daran liegt, so habe ich für meine Unterhaltung recht viel gespielt, – habe um ein Concert mehr gespielt, als ich versprochen habe, – und zuletzt lange aus dem Kopfe. – Das ist nun vorbey, wenigstens habe ich mir Ehre und Ruhm gemacht. – Ich habe auf den zwey besten Orgeln von Silbermann öffentlich gespielt, in den lutherischen Kirchen – in der Neukirche und Thomaskirche. –


Der Sohn an den Vater.


Manheim, den 12. Novbr. 1778.


Ich bin hier den 6ten glücklich angelangt, und habe alle meine guten Freunde auf eine angenehme Art überrascht. – Ich kann hier vielleicht 40 Louisd'or gewinnen! – freylich muss ich sechs Wochen hier bleiben, oder längstens zwey Monate. Die Seiler'sche Truppe ist hier, die Ihnen schon par Renommée bekannt seyn wird, – Hr. von Dallberg ist Director davon, – dieser lässt mich nicht fort, bis ich ihm nicht ein Duodrama componirt habe; und in der That habe ich mich gar nicht lange besonnen, denn diese Art Drama zu schreiben habe ich mir immer gewünscht. Ich weiss nicht, habe ich Ihnen, wie ich das erste Mal hier war, Etwas von dieser Art Stücke geschrieben? – Ich habe damals ein solches[409] Stück zwey Mal mit dem grössten Vergnügen aufführen gesehen! – In der That – mich hat noch niemals Etwas so sürprenirt! – denn ich bildete mir immer ein, so was würde keinen Effect machen. – Sie wissen wohl, dass da nicht gesungen, sondern declamirt wird, – und die Musik wie ein obligates Recitativ ist – bisweilen wird auch unter der Musik gesprochen, welches alsdann die herrlichste Wirkung thut. – Was ich gesehen, war Medea, von Benda, – er hat noch eine gemacht, Ariadne auf Naxos, beyde wahrhaft vortrefflich. Sie wissen, dass Benda unter den lutherischen Kapellmeistern immer mein Liebling war; ich liebe diese zwey Werke so, dass ich sie bey mir führe. Nun stellen Sie sich meine Freude vor, dass ich das, was ich mir gewünscht, zu machen habe. – Wissen Sie, was meine Meinung wäre? – Man solle die meisten Recitative auf solche Art in der Opera tractiren – und nur bisweilen, wenn die Wörter gut in der Musik auszudrücken sind, das Recitativ singen. – Man errichtet hier auch eine Academie des amateurs, wie in Paris, wo Hr. Fränzl das Violin dirigirt, und da schreibe ich gerade an einem Concert für Clavier und Violine.


Manheim, den 3. Decbr. 1778.


Künftigen Mittwoch den 9ten d.M. reise ich ab. – – Ich schreibe nun dem Hrn. von Gemmingen und mir selbst zu Liebe den ersten Act der declamirten Opera (die ich hätte schreiben sollen) umsonst – nehme es mit mir und mache es dann zu Hause aus; – sehen Sie, so gross ist meine Begierde zu dieser Art Composition; – der Herr von Gemmingen[410] ist der Poet, und das Duodrama heisst Semiramis. Wissen Sie wohl, mit was für Gelegenheit ich künftigen Mittwoch abreise? – Mit dem Hrn. Reichsprälaten von Kaysersheim. Als ihm ein guter Freund von mir gesprochen, so kannte er mich gleich vom Namen aus, und zeigte viel Vergnügen, mich zum Reise-Compagnon zu haben; er ist ein recht liebenswürdiger Mann. Ich gehe also über Kaysersheim, und nicht über Stuttgard.


Kaysersheim, den 18. Decbr. 1778.


Sonntag den 13ten bin ich, Gott Lob und Dank, glücklich mit der schönsten Gelegenheit von der Welt hier angelangt, und habe gleich das unbeschreibliche Vergnügen gehabt, einen Brief von Ihnen zu finden. – Warum ich Ihnen nicht gleich geantwortet, ist die Ursache, weil ich Ihnen die sicherste und gewisseste Nachricht meiner Abreise von hier melden wollte, und ich aber es selbst noch nicht wusste, mich aber endlich entschlossen, weil der Herr Prälat den 26sten oder 27sten d.M. nach München reiset, ihm wieder Gesellschaft zu leisten. – – – Was die Monodrama und Duodrame betrifft, so ist eine Stimme zum Singen gar nicht nothwendig, indem keine Note darin gesungen wird, – es wird nur geredet, – mit einem Worte, es ist ein Recitativ mit Instrumenten, – nur dass der Acteur seine Worte spricht und nicht singt. Wenn Sie es nur einmal am Claviere hören werden, so wird es Ihnen schon gefallen, – hören Sie es aber einmal in der Execution, so werden Sie ganz hingerissen, da stehe ich Ihnen gut dafür. – Allein einen guten Acteur oder gute Actrice erfordert es. – – –


[411] München, den 29. Decbr. 1778.


Ich bin den 25sten, Gott Lob und Dank, glücklich hier angelangt. Den Tag vor meiner Abreise von Kaysersheim habe ich meine Sonaten richtig erhalten, und werde sie, so bald sie gebunden sind, sogleich der Churfürstin selbst überreichen.


München, den 8. Januar 1779.


Gestern war ich mit meinem lieben Freunde Cannabich bey der Churfürstin und habe meine Sonaten überreicht. Wir waren eine halbe Stunde bey ihr und sie war sehr gnädig. – Nun habe ich schon gemacht, dass man ihr beybringt, dass ich in etlichen Tagen abreisen werde, damit ich bald expedirt werde. – –


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 11. Januar 1779.


Aus meinem Briefe, den ich am 7ten an Mons. Becke abgelassen und nicht nur einen Einschluss an Herrn Gschwendner beygeschlossen, sondern auch Etwas an Dich beygeschrieben ist, wirst Du ersehen haben, dass ich will, dass Du mit Hrn. Gschwendner abzureisen Dich bemühen sollst, da ich ihn im Schreiben darum ersuche. Diese Gelegenheit will ich demnach, dass Du sie absolut ergreifst, und, da er früher als die Mme Robinnig abreiset, alle Deine Sachen darnach einrichtest, wenn Du mich nicht auf's Empfindlichste beleidigen willst. Ich hoffe also, Du wirst nach Anweisung meines Briefes vom 7ten Deine Anstalten so gemacht haben, dass Dich Nichts aufhält, dass Du Deine Bagage (was Dir unnöthig[412] ist) den 13ten dem Postwagen aufgeben und mit Hrn. Gschwendner abreisen kannst, denn er wird Dir diese Gefälligkeit gewiss nicht abschlagen. Nun hast Du mich verstanden. Das Präsent von der Churfürstin kann Dich nicht aufhalten; da die Sonaten den 7ten übergeben worden, so muss, wenn man es nur betreiben will, Alles in acht Tagen geschehen seyn. Hier ist keine Ausrede, die Oper hast Du auch gesehen. Folglich habe ich Alles gethan, was Du wolltest. Ich erwarte Dich also mit Herrn Gschwendner unausbleiblich, und da ich und Deine Schwester Dich Millionen Mal küssen, bin ich Dein Dich liebender Vater. – –


Mozart kam also in der Mitte Januar's 1779 bey seinem Vater in Salzburg an. Es würde sehr zu seinem Vortheile gewesen seyn, wenn er in Paris geblieben wäre; aber er fand wenig Geschmack an der französischen Musik und in dem dortigen Aufenthalte. Sein gerader Sinn war nicht für die Schlangenwindungen, die auf einem Tummelplatze menschlicher Thorheiten auch Künste und Wissenschaften umstricken. Die französische, oberflächliche Musik war nie nach dem Sinne des tiefen, feurigen, gehaltvollen Genie's, das an italienische Melodieen gewöhnt war, gewesen, das er so mächtig in sich fühlte. Dazu kam die Liebe zu der nachherigen Lange, der Schwester seiner Constanze, welche Liebe ihn die Rückkehr um so mehr wünschen liess, als ihm seine Mutter, die ihn dieses Mal allein aus der Familie begleitet hatte, in Paris starb, und welcher Todesfall auch seinem gefühlvollen Herzen den Aufenthalt[413] in Paris mag verleidet haben. Diese Reise gab der Welt die grosse Symphonie in D für's Concert spirituel, die desshalb und ihres raschen Feuers wegen die französische heisst; ferner die Sinfonie concertante, zwey Quartetti für die Flöte, ein Concert für Harfe und Flöte, sechs Sonaten für's Clavier, und mehrere andere Stücke, deren gefällige und zierliche Schönheiten selbst der damalige französische Geschmack annahm und bewunderte.

Als Mozart mit seiner Mutter nach Paris reis'te, kam er durch Manheim, wo er die Aloysia Weber,7 nachherige berühmte Sängerin Lange, bey ihren Aeltern kennen lernte. Da sie Beyde Talente hatten, so lernten sie sich bald schätzen und lieben. Ihr Vater, der urtheilte, dass sie vereinigt grosses Aufsehen machen würden, dachte mit Vergnügen sich ihre Verehelichung. Er musste bey der Regierungs-Veränderung nach München ziehen, wo Mozart, wegen der Trauer über seine Mutter, nach französischer Sitte, in einem rothen Rocke mit schwarzen Knöpfen auf seiner Rückreise von Paris erschien, aber bey der Aloysia veränderte Gesinnung für ihn fand. Sie schien den, um welchen sie ehedem geweint hatte, nicht mehr zu kennen, als er eintrat. Desshalb setzte sich Mozart flugs an's[414] Clavier und sang laut: »Ich lass das Mädel gern, das mich nicht will.« Von nun an suchte ihre Schwester Constanze, die vielleicht mehr für sein Talent, als für seine Person fühlte, und Mitleiden mit dem Betrogenen hatte, welches er von der Aloysia erdulden musste, ihn zu unterhalten. Er unterrichtete sie im Pianoforte, als eine lernbegierige Schülerin, mit Vergnügen. Später sahen sie sich in Wien wieder, und es fand sich, dass Constanze mehr Eindruck auf Mozart als einst Aloysia gemacht hatte.

Mozart wurde Organist in Salzburg, denn in den Salzburgischen Hofkalendern 1780 und 1781 ist er als Hof- und Dom-Organist angeführt. Der Bayerische Hof, der schon so oft Zeuge seines Künstler-Talentes war, und insbesondere der damalige ChurfürstCarl Theodor, der grosse Schätzer aller schönen Künste, liebte Mozart's Musik im hohen Grade. Er bekam daher den Auftrag, für den Carneval von 1781 in München eine Opera seria zu schreiben. Diese Mozart'sche Schöpfung ist die Oper Idomeneo, worin eine Gedankenfülle und eine Wärme der Empfindung herrscht, die sich nur von der Jugendkraft eines genialen Tonkünstlers, wie Mozart, erwarten liess.

Man kann wohl mit Recht behaupten, dass Mozart's eigentliche schöpferische Epoche mit Idomeneo (1780) anfängt. Mozart rechnete diesen Aufenthalt in München unter die angenehmsten Tage seines Lebens, und vergass dabey nie die gefällige Freundschaft, die er daselbst von so vielen Männern von Verdienst genoss.[415]

Den 6ten November 1780 reis'te Mozart nach München, von wo aus er seinem Vater schreibt:


München, den 9. Novbr. 1780.


Glücklich und vergnügt war meine Ankunft! – Nun von München: – Ich war noch den nämlichen Abend (wir kamen hier erst um 1 Uhr Nachmittags an) beym Grafen Seeau, allwo ich, weil er nicht zu Hause war, ein Billet hinterliess. Den andern Tag Morgens ging ich mit Becke wieder hin. Seeau ist von den Manheimern wie Wachs zusammen geschmolzen. Wegen des Buches, sagte der Graf, ist es nicht nöthig, dass der Abbate Varesco es nochmals schreibe und hieher schicke, weil es hier gedruckt wird. Ich meinte aber, er sollte es gleich zusammen schreiben, aber die kleinen Noten dabey nicht vergessen, und es so bald möglich sammt dem Argument hieher schicken. Die Namen der singenden Personen betreffend, ist es ganz unnöthig; das kann wohl am leichtesten hier geschehen, denn es werden so da und dort kleine Veränderungen vorgenommen werden, die Recitative etwas abgekürzt, doch wird Alles gedruckt seyn. Ich habe nun eine Bitte an den Herrn Abt: die Aria der Ilia im 2ten Acte der 2ten Scene möchte ich für das, was ich sie brauche, ein wenig verändert haben. – Se il Padre perdei, in te lo ritrovo: diese Strophe könnte nicht besser seyn. – Nun aber kömmt's, was mir immer, NB. in einer Aria, unnatürlich schien, – nämlich dasAparte-Reden. Im Dialoge sind diese Sachen ganz natürlich, man sagt geschwind ein paar Worte auf die Seite; aber in einer Aria, wo man die Wörter[416] wiederholen muss, macht es üble Wirkung; und wenn auch dieses nicht wäre, so wünschte ich mir da eine Arie (der Anfang kann bleiben, wenn er ihm taugt, denn der ist charmant), eine ganz Natur fortfliessende Aria, wo ich, nicht so sehr an die Worte gebunden, nur so ganz leicht auch fortschreiben kann; denn wir haben uns verabredet, hier eine Aria Andantino mit vier concertirenden Blas-Instrumenten anzubringen, für Flauto, Oboe, Corno und Fagotto, und bitte, dass ich sie so bald als möglich bekomme. –

Nun eine Hundsfötterey: – ich habe zwar nicht die Ehre, den Helden del Prato zu kennen, doch der Beschreibung nach ist noch fast Ceccarelli (Castrat) besser, denn mitten in einer Arie ist öfters schon sein Odem hin, und NB. er war noch nie auf einem Theater, und Raff ist eine Statue. Nun stellen Sie sich einmal die Scene im 1sten Acte vor. –

Nun aber etwas Gutes! Mad. Dorothea Wendling ist mit ihrer Scene Arci: contentissima, sie hat sie drey Mal nach einander hören wollen. –


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 11. November 1780.


Ich schreibe in der Eile um halb 10 Uhr Nachts, da ich den ganzen Tag nicht Zeit hatte, und Varesco mir das Buch spät überbrachte. Hier übermache ich das Buch und den Plan zurück, damit Se. Excellenz Graf Seau sehen, dass Alles nach der Vorschrift gemacht worden ist. Ueber acht Tage wird mit dem Postwagen das ganze abgeschriebene Buch folgen, so nämlich, wie Abbate Varesco wünscht, dass[417] es soll gedruckt werden. Es werden auch die nöthigen Anmerkungen dabey seyn. Hier ist auch die Arie; mir scheint, es wird recht seyn, wo nicht, – nur geschwind geschrieben. Was Du mir von dem singenden Personale schreibst, ist traurig: das Beste also wird die Musik-Composition thun müssen. Dass ich mich auf das vortreffliche Orchester wie ein Kind freue, kannst Du Dir leicht vorstellen. Ich wünsche, dass ich bald abkommen kann.


Der Sohn an den Vater.


München, den 13. November 1780.


In der grössten Eile schreibe ich, denn ich muss zum Grafen Seau mit Cannabich, Quaglio und Legrand, dem Balletmeister, um dort zu speisen, und um das Nöthige wegen der Opera zu verabreden. Gestern habe ich mit Cannabich bey der Gräfin Baumgarten gespeis't, einer gebornen Lerchenfeld. Mein Freund ist Alles in diesem Hause, und ich nun also auch; das ist das beste und nützlichste Haus hier für mich, denn durch dieses ist auch Alles wegen meiner gegangen, und wird, will's Gott, noch gehen.

Die Opera wird erst den 20sten Januar das erste Mal gegeben werden. Haben Sie die Güte, und schicken Sie mir die zwey Sparten von den Messen, die ich bey mir habe, und die Messe aus Bdur auch; denn Graf Seau wird nächstens dem Churfürsten Etwas davon sagen. Ich möchte, dass man mich in diesem Styl auch kennen lernte. Ich habe erst eine Messe von Grua gehört; von dieser Gattung kann man leicht täglich ein halbes Dutzend componiren.

Gestern hat mich Graf Seau bey Sr. Durchlaucht[418] dem Churfürsten vorgestellt; er war sehr gnädig mit mir. Das zweyte Duetto in der Oper bleibt ganz weg, und zwar mit mehr Nutzen als Schaden für die Oper; denn Sie sehen wohl, wenn Sie die Scene überlesen, dass selbe durch eine Arie oder Duetto matt und kalt wird, und für die andern Acteurs, die so hier stehen müssen, sehr génant ist – und überdiess würde der grossmüthige Kampf zwischen Ilia und Idamante zu lange, und folglich seinen ganzen Werth verlieren. –


Der Sohn an den Vater.


München, den 15. November 1780.


Ich habe Ihr Schreiben, oder vielmehr das ganze Paquet richtig erhalten. Nun ist die Aria ganz vortrefflich. – Jetzt giebt es noch eine Veränderung, an welcher Raff Schuld ist. Er hat aber Recht, und hätte er es nicht, so müsste man doch seinen grauen Haaren etwas zu Gefallen thun. Er war gestern bey mir, wo ich ihm seine erste Arie vorgeritten habe, und er war sehr zufrieden. Nun, der Mann ist alt: in einer Aria, wie die im 2ten Acte: fuor del mar ho un mare in seno etc. kann er sich dermalen nicht mehr zeigen; – also, weil er im 3ten Act ohnediess keine Arie hat, wünschte er sich (weil seine im 1sten Acte vermöge des Ausdruckes der Worte nicht cantabile genug seyn kann) nach seiner letzten Rede: o Creta fortunata! o me felice! anstatt des Quartetts eine hübsche Aria zu singen, und auf diese Art fällt auch hier ein unnöthiges Stück weg, und der 3te Act wird nun weit besser Effect machen. In der letzten Scene im 2ten Acte hatIdomeneo zwischen[419] den Chören eine Aria oder vielmehr eine Art von Cavatina; hier wird es besser seyn, ein blosses Recitativ zu machen, unter welchem die Instrumente gut arbeiten können. Denn in dieser Scene, die, wegen der Action und der Gruppen, wie wir sie kürzlich mit Legrand verabredet haben, die schönste der ganzen Oper seyn wird, wird ein solcher Lärm und Confusion auf dem Theater seyn, dass eine Aria eine schlechte Figur auf diesem Platze machen würde, und überdiess ist das Donnerwetter, und das wird wohl wegen der Aria des Hrn. Raff nicht aufhören? – und der Effect eines Recitativs zwischen den Chören ist ungleich besser. Die Lisette Wendling hat auch schon ihre zwey Arien öfters durchgesungen; sie ist sehr zufrieden. Ich habe es von einer dritten Hand, dass die beyden Wendlinge, Dorothea und Lisette, ihre Arien sehr gelobt haben. Raff ist ohnediess mein bester, liebster Freund. Meinen molto amato Castrato del Prato muss ich aber die ganze Oper lehren, denn er ist nicht im Stande, einen Eingang in eine Arie zu machen, der etwas heisst, und hat eine ungleiche Stimme. Er ist nur auf ein Jahr engagirt, und so bald das mit künftigem September aus ist, so nimmt Graf Seau einen Andern.

Nun hätte ich bald das Beste vergessen: Graf Seau hat mich letzten Sonntag nach dem Amte dem Churfürsten en passant vorgestellt, welcher sehr gnädig mit mir war, indem er sagte: »Es freut mich, Ihn wieder hier zu sehen;« und als ich sagte, dass ich mich beeifern werde, den Beyfall Sr. Churfürstl. Durchlaucht zu erhalten – so klopfte er mich[420] auf die Schulter und sagte: »O daran habe ich keinen Zweifel, dass Alles sehr gut seyn wird.«


München, den 24. November 1780.


Ich hoffe, Sie werden unterdessen auch die Aria für Hrn. Schickaneder erhalten haben. Die ersten acht Tage konnte ich selbe wegen meiner andern Geschäfte, wesswegen ich hier bin, nicht ganz zu Stande bringen.

Wegen meiner Oper seyen Sie ausser Sorgen, mein liebster Vater; ich hoffe, dass Alles ganz gut gehen wird. – Eine kleine Cabale wird es wohl absetzen, die aber vermuthlich sehr komisch ausfallen wird; denn ich habe unter der Noblesse die ansehnlichsten und vermöglichsten Häuser, und die Ersten bey der Musik sind alle für mich, besonders Cannabich. –


München, den 29. November 1780.


Die überschickte Arie für Raff gefällt mir und ihm gar nicht; von dem era will ich gar nichts sagen, denn das ist bey einer solchen Arie allezeit gefehlt. Metastasio hat es auch bisweilen, aber äusserst selten, und sind auch dieselben Arien nicht seine besten; und was für Nothwendigkeit ist da? – Ueberdiess ist sie auch gar nicht so, wie wir sie gewünscht haben, nämlich sie soll nichts als Ruhe und Zufriedenheit zeigen, und das zeigt sie hier nur erst im zweyten Theile: denn das Unglück, welches er Alles auszustehen gehabt hat, haben wir die ganze Oper durch genug gesehen, gehört und gefühlt, aber von seinem gegenwärtigen Zustande kann er wohl reden. Wir brauchen auch gar keinen zweyten[421] Theil – desto besser. – In der Oper:Achille in Sciro von Metastasio ist so eine Arie auf diese Art, und nach welcher Art sie Raff zu haben wünschte:


Or che mio figlio sei,

O fido il destin nemico

Sento degl' anni miei

Il Peso à leggierir.


Sagen Sie mir, finden Sie nicht, dass die Rede von der unterirdischen Stimme zu lang ist? Ueberlegen Sie es recht. – Stellen Sie sich das Theater vor, die Stimme muss schreckbar seyn – sie muss eindringen – man muss glauben, es sey wirklich so – wie kann sie das bewirken, wenn die Rede zu lang ist, durch welche Länge die Zuhörer immer mehr von dessen Nichtigkeit überzeugt werden? – Wäre im Hamlet die Rede des Geistes nicht so lang, sie würde noch von besserer Wirkung seyn. – Diese Rede hier ist auch ganz leicht abzukürzen, sie gewinnt mehr dadurch, als sie verliert.

Nun brauche ich wegen des Marsches im 2ten Acte, den man von der Ferne hört, solche Sordinen für die Trompeten und Hörner, die man hier nicht hat. Wollten Sie mir wohl mit nächstem Postwagen von jedem Eines schicken, um sie hier nachmachen lassen zu können?


Munic, 1 Decembre 1780.


Die Probe ist ausserordentlich gut ausgefallen. Es waren nur sechs Violons, aber die gehörigen Blas-Instrumente; von Zuhörern wurde Niemand zugelassen, als die Schwester von Seau und der junge Graf Seinsheim. – Heute acht Tage wollen wir eine zweyte Probe machen, wo wir dann zum 1sten[422] Acte, welcher unterdessen duplirt wird, zwölf Geiger haben, und dann wird der zweyte (wie das vorige Mal der erste Act) mit probirt werden. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie Alles voll Freude und Erstaunen ist. Ich vermuthete es aber nicht anders; denn ich versichere Sie, ich ging mit so ruhigem Herzen zu dieser Probe, als wenn ich wo auf eine Collation hin ginge. –

Graf Seinsheim sagte zu mir: »Ich versichere Sie, dass ich mir sehr viel von Ihnen erwartet habe, aber das habe ich wahrlich nicht erwartet.« Das Cannabich'sche Haus, und Alle, die es frequentiren, sind doch wahre Freunde von mir. Als ich nach der Probe mit Cannabich (denn wir hatten noch Vieles mit dem Grafen zu sprechen) zu ihm nach Hause kam, ging mir schon Mad. Cannabich entgegen und umarmte mich voll Vergnügen, dass die Probe so gut ausgefallen; denn Ramm und Lange kamen wie närrisch nach Hause. Ramm sagte mir (denn wenn Sie diesen kennen, werden Sie sagen, das ist ein wahrer Deutscher, der sagt Ihnen so Alles ins Gesicht, wie er sich es denkt): »Das kann ich Ihnen wohl gestehen, sagte er, dass mir noch keine Musik solche Impression gemacht hat, und ich versichere Sie, dass ich wohl funfzig Mal auf Ihren Hrn. Vater gedacht habe, was dieser Mann für Freude haben muss, wenn er diese Oper hört.« Nun genug davon! – Mein Katarrh ist bey dieser Probe etwas ärger geworden. Man erhitzt sich sehr leicht, wenn Ehre und Ruhm im Spiele sind, man mag Anfangs noch so kaltblütig seyn. Gestern war wieder Mr. Raff bey mir, um die Aria im 2ten Acte zu hören.[423] Der Mann ist so in seine Aria verliebt, als es nur immer ein junger feuriger Mann in seine Schöne seyn kann; denn Nachts vor dem Schlafengehen, und so bald er erwacht, singt er sie. Er hat zu Baron Vieregg, Oberst-Stallmeister, gesagt: »Ich war sonst immer gewohnt, mir in die Rollen zu helfen, sowohl in die Recitative als Arien; da ist aber Alles geblieben, wie es war, ich wüsste keine Note, die mir nicht anständig wäre u.s.w.« – – –


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 11. December 1780.


Ich hoffe, Du bist gesund. Ich empfehle Dir, bey Deiner Arbeit nicht einzig und allein für das musikalische, sondern auch für das unmusikalische Publicum zu denken: – Du weisst, es sind hundert unwissende gegen zehn wissende Kenner; – vergiss also das sogenannte Populäre nicht, das auch die langen Ohren kitzelt. Wie wird es mit der Spart gehen? Wird sie nicht copirt? Du musst darauf bedacht seyn. Um so eine Bezahlung, wie diese, kann man seine Spart nicht zurück lassen. Uebereile den 3ten Act nicht, Du wirst dennoch noch früh genug fertig. Ende gut! Alles gut!

Diese Tage zeigte mir Fiala einen Brief von Becke, welcher voll der Lobeserhebungen Deiner Musik des 1sten Actes war: er schrieb, dass ihm die Thränen in die Augen traten, als er die Musik hörte, vor Freude und Vergnügen, und dass Alle behaupteten, das wäre die schönste Musik, die sie gehört hätten, dass Alles neu und schön wäre etc.; dass sie nun im Begriff wären, den 2ten Act zu probiren,[424] – dass er mir dann selbst schreiben werde, u.s.w. Nun, Gott sey Dank gesagt, das geht gut. Ich kann nicht glauben, da ich Deine Arbeit kenne, dass es Complimente sind; denn ich bin überzeugt, dass Deine Composition, wenn sie gehörig ausgeführt wird, auch ihre Wirkung thun muss.


Der Sohn an den Vater.


Munic, 16. Decembre 1780.


Heute Nachmittag ist Probe vom 1sten und 2ten Acte wieder im Zimmer beym Grafen; dann werden wir nichts als den 3ten noch probiren, alsdann aber gleich auf's Theater gehen. Wegen der Sparte brauchte ich es gar nicht fein zu machen, sondern sagte es ganz gerade dem Grafen. Es war allezeit in Manheim üblich, wo der Kapellmeister gewiss gut bezahlt war, dass er das Original zurück bekommen. Wegen des sogenannten Populare sorgen Sie nicht, denn in meiner Oper ist Musik für alle Gattungen von Leuten, – ausgenommen für lange Ohren nicht.

Wie ist es denn mit dem Erzbischof? Künftigen Montag wird es sechs Wochen, dass ich von Salzburg weg bin. Sie wissen, mein liebster Vater, dass ich nur Ihnen zu Liebe in Salzburg bin; denn, bey Gott, wenn es auf mich ankäme, so würde ich, bevor ich abgereiset bin, das letzte Decret zerrissen und meine Entlassung begehrt haben; denn mir wird, bey meiner Ehre, nicht Salzburg, sondern der Fürst und die stolze Noblesse alle Tage unerträglicher. Ich würde also mit Vergnügen erwarten, dass er mir schreiben liesse, er brauche mich nicht mehr. Ich würde auch bey der grossen Protection, die ich hier[425] habe, für gegenwärtige und zukünftige Umstände gesichert seyn, Todesfälle ausgenommen, für welche Niemand stehen kann, und welche aber einem Menschen, der ledig ist, keinen Schaden bringen.

Kommen Sie bald zu mir nach München und hören Sie meine Opera, – und sagen Sie mir dann, ob ich Unrecht habe, traurig zu seyn, wenn ich nach Salzburg denke; denn Sie wissen, wie schwer es gehalten hat, diess Mal wegzukommen, ohne grosse Ursache ist gar kein Gedanke. Es ist zum Weinen, wenn man daran gedenkt. – Doch Ihnen zu Liebe Alles in der Welt, – und leichter würde es mir noch ankommen, wenn man doch nur bisweilen auf eine kurze Zeit weg könnte, um Odem zu schöpfen. – – Adieu! – Ich küsse Ihnen 2000 Mal die Hände und meine Schwester umarme ich von ganzem Herzen, und bin ewig Dero

gehorsamster Sohn

W.A.M.


München, den 19. Decbr. 1780.


Die letzte Probe ist, wie die erste, recht gut ausgefallen, und hat sich das Orchester, wie alle Zuhörer, mit Vergnügen betrogen gefunden, dass der zweyte Act in Ausdruck u. Neuheit unmöglich stärker als der erste seyn kann. Künftigen Samstag werden wieder die zwey Acte probirt, aber in einem grossen Zimmer bey Hofe, welches ich längst gewünscht, denn bey Graf Seeau ist es gar zu klein. Der Churfürst wird in einem Nebenzimmer incognito zuhören. Da soll aber auf Leib und Leben probirt werden, sagte der Cannabich zu mir. Bey der letzten Probe war er ganz durchnässt vom Schweisse.[426]

Man ist doch froh, wenn man von einer so grossen, mühsamen Arbeit endlich befreyet, und mit Ehre und Ruhm befreyet ist: denn fast bin ich es, – denn es fehlen nur noch drey Arien und der letzte Chor vom 3ten Acte, die Ouverture und das Ballet – et adieu partie!

A propos! Die Scene zwischen Vater und Sohn im 1sten Act, und die erste Scene im 2ten Acte, sind beyde zu lang; sie ennuyiren ganz gewiss. Besonders, weil in der ersten Beyde schlechte Acteurs sind, und in der zweyten es einer ist; und der ganze Inhalt nichts als eine Erzählung von dem, was die Zuschauer schon selbst mit Augen gesehen, ist. Die Scenen werden gedruckt, wie sie sind. Nur wünschte ich, dass der Herr Abbate mir anzeigen wolle, wie sie abzukürzen sind, und zwar auf das Kürzeste, denn sonst muss ich es selbst thun; denn so können die zwey Scenen nicht bleiben – versteht es sich, in der Musik. –


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 25. Decbr. 1780.


In der ganzen Stadt ist ein allgemeines Reden wegen der Güte Deiner Opera. Den ersten Lärm machte Baron Lerbach; die Hofkanzlerin sagte es mir, dass er ihr erzählt habe, die Opera werde durchgehends ausserordentlich gelobt. Den zweyten machte Herrn Becke's Brief an Fiala, den er aller Orten lesen liess. Ich wünsche, dass der dritte Act die nämliche Wirkung thut, und hoffe es um so gewisser, als hier die grössten Affecten vorkommen,[427] und die unterirdische Stimme sehr überraschen und schaudernd seyn muss. Basta, ich hoffe, dass es heissen soll: Finis coronat opus. Suche nur das ganze Orchester bey guter Laune zu erhalten, ihnen zu schmeicheln und sie durch die Bank mit Lobeserhebungen Dir geneigt zu erhalten; denn ich kenne Deine Schreibart, es gehört bey allen Instrumenten die unausgesetzte erstaunlichste Aufmerksamkeit dazu, und es ist eben kein Spaass, wenn das Orchester wenigstens drey Stunden mit solchem Fleiss und Aufmerksamkeit angespannt seyn muss. Jeder, auch der schlechteste Bratschist, ist auf's Empfindlichste gerührt, wenn man ihn tête à tête lobt, und wird dadurch eifriger und aufmerksamer, und so eine Höflichkeit kostet Dich nichts, als ein paar Worte. Doch – das weisst Du ja selbst, – ich sage es nur, weil man's oft da, bey der Probe, nicht gleich thun kann, und dann vergisst, und weil Du erst dann die Freundschaft und den Eifer des ganzen Orchesters nöthig hast, wenn die Opera in Scena ist. Die Lage des ganzen Orchesters ist dann ganz anders, und aller Mitspielenden Aufmerksamkeit muss noch mehr angespannt seyn. Du weisst, dass man nicht Alle zu Freunden haben kann. Es muss immer ein Zweifel und Aber mit unterlaufen. Man zweifelte, ob der zweyte Act so neu und gut als der erste Act ausfallen werde? – Da nun dieser Zweifel gehoben ist, so werden Wenige mehr für den dritten Act zweifeln. Aber ich wollte meinen Kopf wetten, dass Einige seyn werden, die zweifeln werden, ob diese Musik in Scena auf dem Theater auch die Wirkung wie im Zimmer machen werde?[428] – – und da braucht's auch wirklich den grössten Eifer und guten Willen des ganzen Orchesters.

Was anbelangt wegen der sechs Wochen, so bin ich entschlossen, mich gar nicht zu rühren, noch Etwas zu melden; sollte aber eine Rede an mich kommen, so bin ich entschlossen, zu antworten, dass wir es verstanden hätten, dass Du sechs Wochen nach componirter Opera wegen Probe und Production in München Dich aufhalten könntest, indem ich nicht vermuthen konnte, als glaubten Se. Hochfürstl. Gnaden, dass eine solche Opera in sechs Wochen componirt, abgeschrieben und aufgeführt werden könnte u.s.w.

Herr Esser hat mir und dem Ferrari von Augsburg geschrieben. Er rühmte die zwey Acte Deiner Opera, die er gehört, ganz besonders, und schrieb, dass von 5 bis 8 Uhr probirt wurde. Herr Becke, dem wir uns empfehlen, schrieb mir, dass der Chor im zweyten Acte beym Sturme so stark wäre, dass er Jedem, auch in der grössten Sommerhitze, eiskalt machen müsste. Er rühmt die concertirende Arie der Dorothea Wendling im zweyten Acte ausserordentlich u.s.w. Kurz, es wäre zu weitläufig, alle seine Lobsprüche über Alles herzusetzen.

Herr Ferrari macht Dir sein Compliment wegen des allgemeinen Beyfalls Deiner Oper. Er zeigte den Brief von Hrn. Esser, weil sich dieser darin wegen des Accompagnements bey seinem Concerte zu Salzburg bey dem ganzen Orchester bedankte, desswegen bey Hofe Allen, besonders dem Haydn, Brunetti, Hafeneder etc.; und da lasen sie auch, dass er die zwey Acte gehört, und: che abbia sentito[429] una musica ottima e particolare, universalmente applaudita.


Der Sohn an den Vater.


München, den 27. Decbr. 1780.


Die letzte Probe ist herrlich gewesen, sie war in einem grossen Saale bey Hofe, und der Churfürst war auch da. Dieses Mal ist mit dem ganzen Orchester (versteht sich, das im Opernhause Platz hat) probirt worden. – Nach dem ersten Acte sagte mir der Churfürst überlaut Bravo, und als ich hinging, ihm die Hand zu küssen, sagte er: Diese Oper wird charmant werden, Er wird gewiss Ehre davon haben. – Weil er nicht wusste, ob er so lange da bleiben konnte, so musste man ihm die concertirende Aria und das Donnerwetter zu Anfang des zweyten Actes machen. Nach diesem gab er mir wieder auf das Freundlichste seinen Beyfall, und sagte lachend: Man sollte nicht meynen, dass in einem so kleinen Kopfe so was Grosses stecke. Er hat auch den andern Tag früh beym Cercle meine Opera sehr gelobt. – Die nächste Probe wird vermuthlich im Theater seyn.

A propos! Becke sagte mir dieser Tage, dass er Ihnen nach der vorletzten Probe wieder geschrieben hätte, und unter andern auch, dass Raff's Arie im zweyten Acte wider den Text geschrieben sey, welches man ihm gesagt hätte. Ich habe ihm darauf geantwortet: Hätten Sie mich eher gefragt und hernach erst geschrieben. – Ich muss Ihnen sagen, dass derjenige zu wenig Welsch kann, der Ihnen so Etwas gesagt hat. Die Aria ist ganz gut auf die Wörter[430] geschrieben. Man hört das mare und das mare funesto, und die Passagen sind auf minacciar angebracht, welche denn das minacciar, das Drohen gänzlich ausdrücken; und überhaupt ist diess die prächtigste Aria in der Opera, und hat auch allgemeinen Beyfall gehabt.


Munic, ce 30 Decembre 1780.


Glückseliges neues Jahr! – Verzeihen Sie, wenn ich diess Mal sehr wenig schreibe, denn ich stecke nun über Hals und Kopf in Arbeit. – Ich bin noch nicht ganz fertig mit dem dritten Acte, und habe dann, weil kein besonderes Ballet, sondern nur ein zur Opera gehöriges Divertissement ist, auch die Ehre, die Musik dazu zu machen, welches mir aber sehr lieb ist, denn so ist doch die Musik von einem Meister. Der dritte Act wird wenigstens so gut ausfallen, als die beyden ersten, – ich glaube aber, unendlich besser, und dass man mit Recht sagen könne: Finis coronat opus. – Der Churfürst war letzthin bey der Probe so zufrieden, dass er, wie ich Ihnen letzthin schon geschrieben, Morgens beym Cercle meine Opera sehr gelobt, und dann Abends bey der Cour wieder; – und dann weiss ich es von einer sehr sichern Hand, dass er den nämlichen Abend nach der Probe Jedermann, der zu ihm gekommen ist, von meiner Musik geredet hat, mit dem Ausdrucke: »Ich war ganz surprenirt – noch hat mir keine Musik den Effect gemacht, – das ist eine magnifique Musik.«

Vorgestern haben wir eine Recitativ-Probe bey der Wendling gemacht – und das Quartett zusammen[431] probirt. Wir haben es sechs Mal repetirt – nun geht es endlich. Der Stein des Anstosses war der Del Prato; – der Bube kann doch gar nichts. Seine Stimme wäre nicht so übel, wenn er sie nicht in den Hals und in die Gurgel nehmen würde; übrigens hat er aber gar keine Intonation – keine Methode – keine Empfindung, sondern singt wie etwa der beste unter den Buben, die sich hören lassen, um in dem Kapellhause aufgenommen zu werden.


Munic, ce 3 Janvier 1781.


Mon très cher Père!


Kopf und Hände sind mir so von dem dritten Acte voll, dass es kein Wunder wäre, wenn ich selbst zu einem dritten Acte würde. – Der allein kostet mehr Mühe, als eine ganze Opera, denn es ist fast keine Scene darin, die nicht äusserst interessant wäre. – Das Accompagnement bey der unterirdischen Stimme besteht ganz allein aus fünf Stimmen, nämlich drey Posaunen und zwey Waldhörnern, welche an dem nämlichen Orte placirt sind, wo die Stimme herkömmt. Das ganze Orchester ist bey dieser Stelle still. – Die Hauptprobe ist ganz gewiss den 20sten, und die erste Production den 22sten.


München, den 11. Januar 1781.


So eben die Nachricht, dass die Opera wieder um acht Tage verschoben ist; die Hauptprobe ist erst den 27sten, NB. an meinem Geburtstage, und die erste Opera am 29sten d.M. – Ich bin zwar froh, so kann man noch öfter probiren und mit mehr Bedachtsamkeit.[432]

Ich habe nebst vielen andern kleinen Streitigkeiten einen starken Zank mit dem Grafen Seau wegen der Posaunen gehabt – ich heisse es einen starken Streit, weil ich mit ihm habe müssen grob seyn, sonst wäre ich mit ihm nicht ausgekommen.


Munic, ce 18 Janvier 1781.


Verzeihen Sie, wenn ich gegenwärtig sehr wenig schreibe, denn ich muss augenblicklich in die Probe, – es ist heute die erste Recitativ-Probe im Theater.

Die Probe mit dem dritten Acte ist vortrefflich ausgefallen, und man hat gefunden, dass er die zweyer sten Acte noch um Vieles übertrifft. – Nur ist die Poesie gar zu lang, und folglich auch die Musik (welches ich immer gesagt habe); desswegen bleibt die Aria von Idamante: Nò, la morte io non pavento, weg, welche ohnediess ungeschickt da ist, worüber aber die Leute, die sie in Musik gehört haben, seufzen, – und die letzte Aria von Raff auch, worüber man noch mehr seufzt. Allein, man muss aus der Noth eine Tugend machen. –


Den 25sten Januar 1781 reis'te der Vater mit seiner Tochter von Salzburg ab, und kam den 26sten Abends in München bey seinem Sohne an, um die Freude zu geniessen, Zeuge von dem unbeschreiblichen Beyfalle seyn zu können, den sein Sohn bey jedesmaliger Aufführung seines Idomeneo einerntete. Auch aus seiner Vaterstadt hatte seine Oper eine grosse Anzahl nach München gezogen, um der Aufführung dieser Oper beyzuwohnen und diese meisterhafte Musik ihres Landsmannes zu hören und zu bewundern.[433]

Zu derselben Zeit, wo Mozart den Idomeneo schrieb, componirte er in München das Offertorium:Misericordias Domini etc., um theils dem Intendanten Grafen Seeau sein Talent für den Kirchenstyl zu zeigen, und theils um in München angestellt zu werden, was er so sehr wünschte und hoffte.

Idomeneo besteht, nach ehemaliger Einrichtung, ausser den theils einfachen, theils obligaten Recitativen, fast bloss aus Arien und Chören, und zählt nur drey mehrstimmige Gesangstücke. Die Musik scheint den Liebhabern des neuesten italienischen Opernstyls veraltet. Abgerechnet, dass dieses nach der Zeit, in welcher sie geschrieben worden, schon unmöglich wäre, so rührt es daher, dass Idomeneo eine der frühesten Arbeiten Mozart's ist. Allein sie ist darum nicht nur nicht weniger gehaltvoll, als seine übrigen Werke, sondern sie nimmt vielmehr durch die Erhabenheit und das ächt tragische Pathos, welche in der Anlage des Ganzen walten, so wie durch die kunstreiche Ausführung und die ganz besonders geschmack- und wirkungsvolle Instrumentirung, einen vorzüglichen Platz unter seinen Arbeiten ein. Wahr ist: hier und da sind gewisse Formen der italienischen Schule, die damals als unverbrüchliches Gesetz aufgestellt waren, das selbst Mozart's hoch aufstrebender Genius nicht immer zu überschreiten für gut hielt, sey es, um dem Neuen durch die Vermählung mit dem Herkömmlichen Verzeihung zu verschaffen, oder um seinen, die damalige Fassungskraft ohnehin übersteigenden genialen Erzeugnissen durch einige Schonung des herrschenden Geschmacks einen gewissen Grad von Popularität[434] zu erhalten. Man findet diese Absicht (mit Ausnahme der Hochzeit des Figaro) mehr oder weniger in einzelnen Theilen aller, selbst seiner letzten Werke; und noch in der Zauberflöte sind die beyden Arien der Königin der Nacht Beweise davon, wenn anders sein bekannter Humor jene eben dazumal begonnene Entartung des Gesanges nicht etwa damit persifliren wollte. In Wien hat man alle Gesänge, deren Form ihrem sonstigen Werthe Eintrag thun konnte, hinweg gelassen. Aber dadurch mussten – um den gestörten Zusammenhang wieder herzustellen – Musikstücke, die man ungern vermisste, ausgeschlossen werden.

Idomeneo, sagt Rochlitz, schrieb Mozart unter äusserst günstigen Umständen. Sie war einzig für das damals ganz vortreffliche Münchner Theater bestimmt. Der Churfürst forderte ihn dazu auf, gab ihm Beweise seiner Achtung und bezahlte ihn. Er schrieb zugleich für eine der vorzüglichsten damaligen Kapellen der Welt, der er also viel zumuthen und mithin dem Fluge seiner Phantasie ohne äussere Beschränkung folgen konnte. Er war in der höchsten Blüthe seines Lebens, im fünf und zwanzigsten Jahre, bey ausgebreiteten Kenntnissen, glühender Liebe für seine Kunst, bey raschem, leichtem Körper, bey über Alles mächtiger Jünglings-Phantasie.

Dass Mozart nun ein Werk, unter solchen Auspizien geboren, auch wenn es nicht seinen hohen Werth hätte, vorzüglich lieb haben musste, ist leicht einzusehen. Er hat diese seine Vorliebe auch dadurch bewiesen, dass er mehre Hauptideen desselben zur Grundlage – beynahe zu noch mehr als das[435] bey einigen seiner besten späteren Arbeiten machte. Man vergleiche mit der Ouvertüre des Idomeneo die Ouvertüre der Clemenza di Tito; mit der unvergleichlichen Arie: Volgi intorno lo sguardo, o Sire etc. im Idomeneo das gleichfalls ganz vortreffliche Finale des ersten Actes im Titus; die rührende Aria des erstern: Se il padre perdei, mit der Arie: Diess Bildniss ist bezaubernd schön, und dem Andante der Arie: Zum Leiden bin ich auserkohren in der Zauberflöte; den Marsch des dritten Actes des Idomeneo mit dem zu Anfange des zweyten Actes der Zauberflöte etc.

Man hat Mozart dieses zum Vorwurfe gemacht; ich glaube, mit Unrecht. Mozart konnte diese seine frühere Arbeit benutzen, nicht nur, weil sie vortrefflich war, sondern auch, weil sie, so lange er lebte, wie ein vergrabener Schatz verborgen lag.

Was noch keine deutsche Bühne gewagt hatte, unternahm das Theater in Cassel im Jahre 1802, den Idomeneo aufzuführen.

Von München wurde Mozart durch einen Auftrag seines Erzbischofs nach Wien berufen, wohin er sogleich folgte und den 16ten März dort eintraf.

Von dieser Zeit an, das heisst, von seinem 25sten Jahre, lebte er in dieser Kaiserstadt, die eben so sehr durch den entschiedenen Hang des Publicums zur Musik, als auch durch die Menge vortrefflicher Tonkünstler für Mozart's Geist wichtig seyn musste.

Dreist kann man behaupten, dass Mozart's Manier sich hier in Wien am natürlichsten zu dem Grade der Gefälligkeit ausbildete, welcher sie später ihren Zugang zu Aller Herzen verdankte. Alle seine[436] früheren Werke haben eine gewisse Steifheit und einen Mangel an Politur und Vertreibung der Farben, die sie in Vergleich gegen die neueren ungeniessbar machen. Seine Schreibart hatte alle mögliche Anlage zum düstern und verworrenen Contrapunctisten; und hätten ihn Wiens tändelnde, gefällige Musen nicht zeitig mit ihren Rosengewinden umflochten, er wäre sicher ganz in die Manier Emanuel Bach's gerathen. Seine Messen, zumal die kleinen aus D und B dur, und besonders sein Requiem, zeigen dieses auffallend. Auch im Idomeneo zeigen sich davon hin und wieder deutliche Spuren.

Ein Glück für Mozart, sagt Gerber, dass er noch jung unter den gefälligen und tändelnden Wien'schen Musen seine Vollendung erhalten hatte; es hätte ihn sonst leicht das Schicksal des grossen Friedemann Bach treffen können, dessen Fluge nur wenige Augen der übrigen Sterblichen nachsehen konnten.

Fußnoten

1 Eine Scheidemünze, im Werthe 2 Xr. RW.


2 Mozart versteht unter dem Worte hier, Salzburg und dessen Hof.


3 Welche bey Begräbnissen die Leiche begleiten.


4 D.h. zur selbigen Zeit.


5 Von dieser Sonate schrieb der Vater in einem Briefe an den Sohn vom 11. Decbr. 1777 folgendes Urtheil:»Die Sonate ist sonderbar! Sie hat Etwas vom vermanierirten Manheimer Goût darinne, doch nur so wenig, dass Deine gute Art nicht dadurch verdorben wird.« –


6 Ein Organist von der Hofmusik zu Salzburg.


7 Geboren zu Manheim, besaass sie alle möglichen Vollkommenheiten einer grossen Sängerin, stand zuerst am Münchner Hoftheater (1779), und wurde dann 1791, nach mehreren Reisen, in Wien für die grosse Oper mit 400 Ducaten angestellt. 1796 war sie in Hamburg beym Schröder'schen Theater, und 1798 kam sie zur deutschen Oper in Amsterdam, mit 800 Ducaten Gehalt, freyer Wohnung und zwey Benefizen. Gegenwärtig privatisirt sie in Wien.

Quelle:
Nissen, Georg Nikolaus von: Biographie W.A. Mozart's. Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1828 [Nachdruck Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms, 1991].
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