Zehnte Reise.

Diese begreift diejenige vom 8ten Novbr. 1780, wo unser Mozart nach Wien reis't und sich dort habilitirt. Bis nach München wurde er von seinem Vater und seiner Schwester begleitet.


Von dem Aufenthalte Mozart's in München bis Mitte März 1781 ist wenig Interessantes bekannt, mehr dagegen von seiner Domicilirung in Wien.

Mozart meldet seine glückliche Ankunft in Wien seinem Vater durch folgenden Brief vom 17. März 1781:


Gestern, als den 16ten, bin ich, Gott Lob und Dank, glücklich und gesund hier Morgens 9 Uhr[437] angekommen. Ich schreibe dieses im Mesmer'schen Garten auf der Landstrasse. – Nun sogleich vom Erzbischof. Ich habe ein scharmantes Zimmer im nämlichen Hause, wo der Erzbischof wohnt. Brunetti und Ceccarelli logiren in einem andern Hause. Che distinzione! – Mein Nachbar ist Hr. v. Kleinmayern, welcher mich mit allen Höflichkeiten überhäufte; er ist auch in der That ein scharmanter Mann. Um halb zwölf Uhr Mittags wird schon zu Tische gegangen, leider für mich ein bischen zu früh. Da speisen die zwey Leib-Kammerdiener, der Controlleur, Hr. Zetti, der Zuckerbäcker, zwey Köche, Ceccarelli, Brunetti und meine Wenigkeit. Die zwey Leib-Kammerdiener sitzen oben an, und ich habe wenigstens die Ehre, vor den Köchen zu sitzen. Nun, ich denke, ich bin in Salzburg. – Bey Tische werden einfältige grobe Spässe gemacht; mit mir macht Keiner Spaass, weil ich kein Wort rede, und wenn ich was reden muss, so ist es allezeit mit der grössten Seriosität, und so wie ich abgespeiset habe, gehe ich meines Weges. Abends haben wir keine Tafel, sondern Jeder bekömmt drey Ducaten – da kann Einer weit springen. Der Hr. Erzbischof hat die Güte und gloriirt mit seinen Leuten, raubt ihnen ihre Verdienste und bezahlt sie nicht dafür. –

Gestern um 4 Uhr haben wir schon Musik gehabt, da waren ganz gewiss zwanzig Personen von der grössten Noblesse da. – Ceccarelli hat schon beym Palfy singen müssen. Heute müssen wir zum Fürsten Gallizin, der gestern auch da war. – Jetzt will ich nur abwarten, ob ich nichts bekomme; wenn nicht, so gehe ich zum Erzbischof und sage es ihm[438] ganz gerade: wenn er nicht will, dass ich was verdienen soll, so soll er mich bezahlen, dass ich nicht von meinem Gelde leben muss.


Wien, den 24. März 1781.


Was Sie mir vom Erzbischof schreiben, hat, was seinen Ehrgeiz in Betreff meiner Person kitzelt, in so weit seine Richtigkeit; – allein, was nützt mir Alles diess? – Von diesem lebt man nicht. – Und was giebt er mir denn für Distinction? – Hr. von Kleinmayrn, Boenecke haben mit dem erlauchten Grafen Arco eine besondere Tafel; – das wäre Distinction, wenn ich bey dieser Tafel wäre, – aber nicht bey den Kammerdienern, die ausser dem ersten Platze am Tische die Lüster anzünden, die Thüre aufmachen und im Vorzimmer bleiben müssen; und dann, wenn wir wo zu einem Concerte gerufen werden, so muss ein Herr Leib-Kammerdiener herauspassen, bis die Herren Salzburger kommen, und sie dann durch einen Lakay weisen lassen, damit sie hinein dürfen, wie das mir Brunetti so im Discours erzählte. Da dachte ich mir: wartet nur, bis ich einmal komme.

Als wir also letzthin zum Fürsten Gallizin mussten, ging ich mit Fleiss allein hin; – als ich hinauf ging, stand schon der Hr. Angerbauer da, dem Bedienten zu sagen, dass er mich hinein führen sollte. – Ich gab aber weder auf den Hrn. Leib-Kammerdiener, noch auf den Bedienten Acht, sondern ging gerade die Zimmer durch in das Musikzimmer, denn die Thüren waren alle offen, – und schnurgerade zum Prinzen hin, und machte ihm mein Compliment,[439] wo ich dann stehen blieb und immer mit ihm sprach. – Ich hatte ganz auf Brunetti und Ceccarelli vergessen, denn man sah sie nicht, die steckten ganz hinterm Orchester an die Mauer gelehnt, und getraueten sich keinen Schritt hervor. Ich gehe Heute Abends mit Herrn von Kleinmayrn zu einem seiner Freunde, zum Hofrath Braun, wo mir Alle sagen, dass er der grösste Liebhaber vom Clavier sey. Bey der Gräfin Thun habe ich schon zwey Mal gespeis't, und komme fast alle Tage hin: das ist die charmanteste, liebste Dame, die ich in meinem Leben gesehen, und ich gelte auch sehr viel bey ihr. – Beym Grafen Cobenzl habe ich auch gespeis't. – Nun ist meine Hauptabsicht hier, dass ich mit guter Manier zum Kaiser komme, denn ich willabsolument, dass er mich kennen lernen soll. – Ich möchte ihm mit Lust meine Opera durchspielen und dann brav Fugen spielen; denn das ist seine Sache. – O hätte ich gewusst, dass ich die Fasten nach Wien kommen würde, hätte ich ein kleines Oratorium geschrieben, und zu meinem Vortheile im Theater gegeben, wie es hier Alles macht. Ich hätte leicht vorher zu schreiben gehabt, weil ich die Stimmen alle kenne. – Wie gern gäbe ich nicht ein öffentliches Concert, wie es hier gewöhnlich ist; aber es wird mir nicht erlaubt, das weiss ich gewiss: denn stellen Sie sich nur vor – Sie wissen, dass hier eine Societät ist, welche zum Vortheile der Wittwen von den Musicis Akademieen giebt, und Alles, was nur Musik heisst, spielt da umsonst. Das Orchester ist 180 Personen stark; kein Virtuos, der nur ein wenig Nächstenliebe hat, schlägt es ab, darin zu spielen, wenn von der[440] Societät aus darum ersucht wird; denn man macht sich darum sowohl beym Kaiser als beym Publicum beliebt. – Starzer hatte den Auftrag, mich darum zu bitten, und ich sagte es ihm sogleich zu, doch musste ich vorher meines Fürsten Gutachten darüber vernehmen, und ich hatte gar keinen Zweifel, weil es eine geistliche Art und unentgeldlich, nur um ein gutes Werk zu thun, ist. – Er erlaubte es mir nicht, welches ihm die ganze hiesige Noblesse übel genommen hat. – Mir ist es nur desswegen leid: ich hätte kein Concert, sondern, weil der Kaiser in der Proscen-Loge ist, ganz allein präludirt, eine Fuge und dann die Variationen (Je suis Lindor) gespielt. – Wo ich das so öffentlich gemacht habe, hatte ich allezeit den grössten Beyfall erhalten, weil es so gut absticht und weil Jeder Etwas hat. Die Gräfin Thun hätte mir ihr schönes Pianoforte von Stein dazu gegeben.


Den 28. März.


Ich bin mit dem Briefe nicht fertig geworden, weil mich Herr von Kleinmayrn zum Concert beym Baron Braun in der Kutsche abgeholt hat; mithin schreibe ich jetzt, dass der Erzbischof mir erlaubt hat, in dem Wittwen-Concerte zu spielen; denn Starzer ist zur Akademie beym Gallizin gegangen, und er und die ganze Noblesse haben ihn so gequält, bis er es erlaubt hat. – Bin ich so froh. –

Der alte Fürst Colloredo, bey dem wir Musik hatten, hat Jedem von uns fünf Ducaten gegeben. – Die Gräfin Rombeck habe ich zur Schülerin.


Wien, den 4. April 1781.


Ich habe Ihnen letzthin schon geschrieben, dass[441] mir der Erzbischof ein grosses Hinderniss ist; denn er macht mir wenigstens 100 Ducaten Schaden, die ich ganz gewiss durch eine Akademie im Theater machen könnte, denn die Damen haben sich mir schon selbst angetragen, Billets auszutheilen. Gestern, kann ich wohl sagen, dass ich mit dem Wiener Publicum recht zufrieden war. Ich spielte in der Akademie der Wittwen in Kärnthnerthor-Theater, und musste wieder neuerdings anfangen, weil des Applaudirens kein Ende war. Das, was mich am meisten gefreut und verwundert hat, war das erstaunliche Silentium und mitten im Spielen das Bravo-Schreyen. Für Wien, wo so viele, und so viele gute Clavierspieler sind, ist das gewiss Ehre genug. – Was glauben Sie, wenn ich nun, da mich das Publicum einmal kennt, eine Akademie für mich gäbe, was ich nicht da machen würde? – Allein unser Erzbischof erlaubt es nicht – er will nicht, dass seine Leute Nutzen haben sollen, sondern Schaden. Doch diess kann er bey mir nicht zuwege bringen; denn wenn ich hier zwey Scholaren habe, so stehe ich besser als in Salzburg.

Heute hatten wir Akademie, wo drey Stücke von mir gemacht wurden, versteht sich, neue, – als: ein Rondo zu einem Concert für Brunetti – eine Sonate mit Accompagnement einer Violine für mich, welche ich gestern Nachts von 11 bis 12 Uhr componirt habe; aber, damit ich fertig geworden bin, nur die Accompagnement-Stimme für Brunetti geschrieben habe, ich aber meine Parthie im Kopfe behalten habe, – und dann ein Rondo für Ceccarelli, welches er hat repetiren müssen, und für diese[442] meine Arbeit bekomme ich nichts. Was mich aber halb desperat macht, ist, dass ich an dem nämlichen Abend, als wir die Musik hatten, zur Gräfin Thun invitirt war, und also nicht hinkommen konnte, und wer war dort? – Der Kaiser; – Adamberger und Weigl waren auch dort, und hat Jeder 50 Ducaten bekommen. – Und welche Gelegenheit! –


Wien, den 12. May 1781.


Sie wissen aus meinem letzten Briefe, dass ich den Fürsten den 9ten May um meine Entlassung gebeten habe, weil er mir es selbst geheissen hat; denn schon in den ersten zwey Audienzen sagte er mir: scher' Er sich weiter, wenn Er mir nicht recht dienen will! – Was Wunder also, wenn ich endlich durch Bube, Schurke, Bursche, liederlicher Kerl und dergleichen Ausdrücke mehr ausser mir, das: scher' Er sich weiter! endlich für bekannt angenommen habe.

Ich gab den folgenden Tag dem Grafen Arco eine Bittschrift, um selbe Sr. Hochfürstl. Gnaden zu überreichen, und auch wieder das Reisegeld, welches in 15 fl. 40 Xr. für die Diligence, und 2 Ducaten Verzehrungsgeld besteht. Er nahm mir Beydes nicht an, sondern versicherte mich, dass ich gar nicht quittiren könnte, ohne Ihre Einwilligung, mein Vater, zu haben. Das ist Ihre Schuldigkeit, sagte er mir. – Ich versicherte ihn gleichfalls, dass ich so gut als er meine Schuldigkeit gegen meinen Vater kenne, und es wäre mir sehr leid, wenn ich sie von ihm erst lernen müsste. – Gut also, sagte er, ist er damit zufrieden, so können Sie Ihre Entlassung[443] begehren, wo nicht, so – können Sie sie – auch begehren. – Eine schöne Distinction! – Alles, was mir der Erzbischof in den drey Audienzen Erbauliches sagte, besonders in der letzten, – und was mir jetzt wieder dieser herrliche Mann Gottes Neues erzählte, machte eine so treffliche Wirkung auf meinen Körper, dass ich Abends in der Opera mitten im ersten Acte nach Hause gehen musste, um mich zu legen; denn ich war ganz erhitzt – zitterte am ganzen Leibe – und taumelte wie ein Besoffener auf der Gasse, blieb auch den folgenden Tag, als gestern, zu Hause, und den ganzen Vormittag im Bette. – Dass Sie glauben, dass ich mich bey der Noblesse und dem Kaiser selbst in üblen Credit setzen werde, ist grundfalsch, denn der Erzbischof ist hier gehasst, und vom Kaiser am meisten; das ist eben sein Zorn, dass ihn der Kaiser nicht nach Laxenburg eingeladen hat. – –

Ich will also nur noch den Hauptvorwurf über meine Bedienung hersetzen. Ich wusste nicht, dass ich Kammerdiener wäre, und das brach mir den Hals. Ich hätte sollen alle Morgen so ein paar Stunden in derAnticamera verschleudern; man hat mir freylich öfters gesagt, ich sollte mich sehen lassen, – ich konnte mich aber niemals erinnern, dass diess mein Dienst sey, und kam nur allezeit richtig, wenn mich der Erzbischof rufen liess. – Nun habe ich mit Ihnen gesprochen, als wenn wir in Gegenwart des Erzbischofs wären. – Jetzt spreche ich aber ganz allein mit Ihnen, mein liebster Vater. Von allem Unrecht, welches mir der Erzbischof vom Anbeginn seiner Regierung bis jetzt angethan, von[444] dem unaufhörlichen Schimpfen, von allen Impertinenzen und Sottisen, die er mir in das Gesicht sagte, von dem unwidersprechlichen Recht, das ich habe, von ihm wegzugehen, wollen wir ganz schweigen, denn da lässt sich nichts dawider sagen. Nur will ich von dem sprechen, was mich – auch ohne alle Ursache einer Kränkung – von ihm wegzugehen verleitet haben würde.

Ich habe hier die schönsten und nützlichsten Connoissances von der Welt, bin in den grössten Häusern angesehen und beliebt, man erzeigt mir alle mögliche Ehre, und bin dazu noch dafür bezahlt, – und ich soll um 400 fl. in Salzburg schmachten, ohne Aufmunterung? – Was würde das Ende davon seyn? – immer das nämliche: ich müsste mich todt kränken lassen, oder wieder weggehen. – Ich brauche Ihnen nichts mehr zu sagen, Sie wissen es selbst. Nur noch dieses: – Die ganze Stadt Wien weiss schon meine Geschichte. Die ganze Noblesse redet mir zu, ich soll mich ja nicht mehr einführen lassen u.s.w.


Von dieser Zeit an verliess Mozart die Erzbischöflichen Dienste, indem er nun seine Entlassung eingab, die man aber nicht annehmen wollte, indem sich der Graf A. alle mögliche Mühe gab, Mozart's Entschluss zu ändern, um ihn wieder nach Salzburg zu bringen. Er stellte ihm vor, dass für ihn Wien nicht der Ort sey, wo er sein Glück machen werde, das Publicum sey zu wandelbar, und wende nach kurzer Zeit schnell einem Neuern seine Gunst zu, und komme in einer so grossen Stadt ganz in Vergessenheit.[445] Hierauf antwortete Mozart: »Die Wiener sind wohl Leute, die gern abschiessen – aber nur am Theater, und mein Fach ist zu beliebt hier, als dass ich mich nicht souteniren sollte. Hier ist doch gewiss das Clavierland! – und dann, lasse ich es zu, so wäre der Fall erst in etlichen Jahren, eher gewiss nicht.« – Mozart bestimmte nun Wien zu seinem Wohnplatze, weil ihm die Stadt, ihre Sitten, und die Schönheit ihrer freundlichen Bewohner gefielen. Sein Wunsch war, sich Ehre, Ruhm und Geld zu machen. Und er hoffte auch, dass er seinem Vater mehr nützlich seyn könne, als in Salzburg, welche Hoffnung auch in Erfüllung ging, indem er von Zeit zu Zeit ihm 10 bis 30 Ducaten schickte. Der Weg nach Prag war ihm jetzt weniger verschlossen, als wenn er in Salzburg geblieben wäre.

Er beschäftigte sich nun mit Clavier-Unterricht, mit der Composition, indem er sechs Sonaten auf Subscription herausgab, und mit dem Studiren der Händel'schen Fugen. Dazu kamen noch die häufigen Bestellungen von den höchsten Personen, um dort zu spielen. Wie fleissig und anstrengend er dort arbeitete, darüber geben uns seine Briefe an seinen Vater die trieftigsten Belege, wovon hier billig einige Auszüge mitgetheilt werden.


Wien, den 3. November 1781.


Mon très cher Père!


Ich bitte um Verzeihung, dass ich vergangenen Posttag nicht geschrieben habe, – es war aber eben mein Namenstag, wo in der Frühe ich also meine[446] Andacht verrichtete, und – da ich eben schreiben wollte, so kamen mir eine Menge Gratulanten auf den Hals. Um 12 Uhr fuhr ich in die Leopold-Stadt zur Baronesse Waldstädter, wo ich meinen Namenstag zugebracht habe. Auf die Nacht bekam ich eine Nachtmusik von zwey Clarinetten, zwey Hörnern und zwey Fagotten, und zwar von meiner eigenen Composition. Diese Musik hatte ich auf den Theresien-Tag für eine Namensfeyer gemacht, allwo sie auch wirklich das erste Mal producirt wurde. Diese sechs Herren, die solche executiren, sind arme Schlucker, die aber ganz hübsch zusammen blasen, besonders der erste Clarinettist und die zwey Waldhornisten. Die Hauptursache, warum ich sie gemacht, war, um dem Herrn von Strak1, welcher täglich in dieses Haus kömmt, Etwas von mir hören zu lassen; und desswegen habe ich sie auch ein wenig vernünftig gemacht. – Sie hat auch allen Beyfall erhalten. Man hat sie in der Theresien-Nacht an dreyerley Orten gemacht; denn, wenn sie wo damit fertig waren, so hat man sie wo anders hingeführt und bezahlt.

Gestern Nachmittags liess mich um 3 Uhr der Erzherzog Maximilian2 zu sich rufen. Als ich hinein[447] kam, stand er gleich im ersten Zimmer beym Ofen und passte auf mich, ging mir gleich entgegen und fragte mich: ob ich heute nichts zu thun hätte? – »Ew. Königl. Hoheit, gar nichts, und wenn auch, so würde es mir allezeit eine Gnade seyn, Ew. Königl. Hoheit aufzuwarten.« Nein, ich will keinen Menschen geniren. – Dann sagte er mir, dass er gesinnt sey, Abends dem Würtembergischen Hofe eine Musik zu geben. – Ich möchte also Etwas spielen und die Arien accompagniren, und um 6 Uhr sollte ich wieder zu ihm kommen. Mithin habe ich gestern allda gespielt.


Wien, den 26. December 1781.


Alle Tage früh um 6 Uhr kommt mein Friseur, und dann schreibe ich bis 10 Uhr. Um 10 Uhr habe ich die Stunde bey der Frau von Trattner, um 11 Uhr bey der Gräfin Rombeck, und Jede giebt mir für zwölf Lectionen sechs Ducaten. – Wenn Sie einem so elenden Buben glauben können, dass es wahr sey, dass ich bey Hofe und bey der ganzen Noblesse verhasst sey, so schreiben Sie nur an Hrn. von Strack – Gräfin Thun – Gräfin Rombeck – Baronin Waldstädter – Hrn. von Sonnenfels – Frau von Trattner, – enfin, an wen Sie wollen. Unterdessen will ich Ihnen nur sagen, dass der Kaiser letzthin bey der Tafel das grössteEloge von mir gemacht hat, mit den Worten begleitet: »C'est un talent decidé!« – und vorgestern, als den 24sten, habe ich bey Hofe gespielt. Es ist noch ein Clavierspieler hier angekommen, ein Italiener, er heisst Clementi. Dieser war auch hinein berufen. Gestern sind mir für mein Spiel 50 Ducaten geschickt worden.[448]

Nun vom Clementi. – Dieser ist ein braver Cembalist, damit ist aber auch Alles gesagt. – Er hat sehr viele Fertigkeit in der rechten Hand, – seine Hauptpassagen sind die Terzen, – übrigens hat er um keinen Kreuzer weder Geschmack noch Empfindung – ein blosser Mechanicus!

Der Kaiser that bey dem Concert (nachdem wir uns genug Complimente machten) den Ausspruch, dassEr zu spielen anfangen sollte. La santa Chiesa catholica, sagte der Kaiser, weil Clementi ein Römer ist. – Er präludirte und spielte eine Sonate. – Dann sagte der Kaiser zu mir: Allons, d'rauf los! – Ich präludirte auch und spielte Variationen. – Dann gab die Grossfürstin Sonaten von Paeséllo (miserabel von seiner Hand geschrieben) her, daraus musste ich die Allegro, und er die Andante und Rondo spielen. – Dann nahmen wir ein Thema daraus, und führten es auf zwey Pianoforten aus. – Merkwürdig ist dabey, dass ich für mich das Pianoforte der Gräfin Thun geliehen, ich aber nur, als ich allein gespielt, darauf gespielt habe, weil es der Kaiser so gewollt. – Das andere Pianoforte war verstimmt und drey Tasten blieben stecken. – »Es thut nichts,« sagte der Kaiser. – Ich nehme es so, und zwar von der besten Seite, dass nämlich der Kaiser meine Kunst und Wissenschaft in der Musik schon kennt, und mir den Fremden recht hat verkosten wollen. Uebrigens weiss ich von sehr guter Hand, dass er recht zufrieden war, denn der Kaiser war sehr gnädig gegen mich, und hat Vieles heimlich mit mir gesprochen, – auch sogar von meiner Heirath.


[449] Wien, den 8. May 1782.


Nun wird diesen Sommer durch im Augarten alle Sonntage Musik seyn. Ein gewisser Martin hat nun durch ein Decret vom Kaiser die Erlaubniss erhalten, und zwar mit Versicherung seines höchsten Wohlgefallens, zwölf Concerte im Augarten zu geben, und vier grosse Nachtmusiken auf den schönsten Plätzen in der Stadt. Das Abonnement für den ganzen Sommer ist zwey Ducaten. Nun können Sie sich leicht denken, dass wir genug Subscribenten bekommen werden, um so mehr, da ich mich darum annehme, und damit associiret bin. Ich setze den Fall, dass wir nur hundert Abonnenten haben, so hat doch, wenn auch die Unkosten höchstens 200 fl. wären, welches aber unmöglich seyn kann, Jeder 300 fl. Profit. Baron van Swieten und die Gräfin Thun nehmen sich sehr darum an. Das Orchester ist von lauter Dilettanten, die Fagottisten, Trompeten und Pauken ausgenommen.


In einem Briefe vom 10ten April 1782 schrieb Mozart seinem Vater Folgendes:


Schicken Sie mir auch die sechs Fugen von Händel. Ich gehe alle Sonntage um 12 Uhr zu Baron van Swieten3, und da wird nichts als von Händel und Bach gespielt. Ich mache mir eben eine Collection von den Bach'schen Fugen, sowohl von Sebastian, als Emanuel und Friedemann Bach; – dann auch von den Händel'schen, und da gehen mir diese sechs[450] Fugen ab. Sie werden wohl schon wissen, dass der Engländer Bach gestorben ist? – Schade für die musikalische Welt!


Weiter schreibt er in einem Briefe vom 20sten April 1782 an seine Schwester:


Hier schicke ich Dir ein Preludio und eine dreystimmige Fuge. Das Preludio gehört vorher, dann folgt die Fuge darauf. Die Ursache aber war, weil ich die Fuge schon gemacht hatte, und sie, während ich das Preludio ausdachte, abgeschrieben. Die Ursache, dass diese Fuge auf die Welt gekommen, ist wirklich meine Constanze. – Baron van Swieten, zu dem ich alle Sonntage gehe, hat mir alle Werke Händel's und Sebastian Bach's, nachdem ich selbe ihm durchgespielt, nach Hause gegeben. Als die Constanze die Fuge hörte, ward sie ganz verliebt darein, – sie will nichts als Fugen hören, besonders aber in diesem Fache nichts als Händel und Bach. Weil sie mich nun öfters aus dem Kopfe Fugen spielen gehört hatte, so fragte sie mich, ob ich noch keine aufgeschrieben hätte? – Und als ich ihr Nein sagte, so zankte sie mich recht aus, dass ich eben das Künstlichste und Schönste in der Musik nicht schreiben wollte, und gab mit Bitten nicht nach, bis ich ihr eine Fuge aufsetzte, und so ist diese dreystimmige Fuge entstanden. Ich habe mit Fleiss Andante maestoso hierauf geschrieben, damit man sie nur nicht geschwind spiele; denn wenn eine Fuge nicht langsam gespielt wird, so kann sich das eintretende Subject nicht deutlich und klar ausnehmen, und ist folglich von keiner Wirkung. –[451] Ich werde mit der Zeit und guter Gelegenheit noch fünf machen, und sie dann dem Baron van Swieten überreichen, der in der That an Werken einen sehr grossen, an der Zahl aber freylich einen sehr kleinen Schatz von guter Musik hat. Daher bitte ich Dich, sie keinen Menschen sehen zu lassen. Lerne sie auswendig und spiele sie, denn eine Fuge spielt man nicht so leicht nach.


Von Wien aus verbreiteten sich Mozart's erstaunenswürdige Compositionen zunächst nach Böhmen, und dann erst in das übrige Deutschland, und gaben dem Geschmacke in der Musik einen bedeutenden Schwung, eine neue Richtung, die aber seine zeitherigen Nachahmer verzerrten und verderbten.

Sein Spiel auf dem Pianoforte fand zuerst Bewunderer und Liebhaber; denn obschon Wien mehre grosse Meister dieses Instrumentes, des Lieblinges des Publicums zählte, so kam doch Keiner unserm Mozart gleich. Eine bewunderungswürdige Geschwindigkeit, die man besonders in Rücksicht der linken Hand oder des Basses einzig nennen konnte, Feinheit und Delicatesse, der schönste, redendste Ausdruck und ein Gefühl, welches unwiderstehlich zum Herzen drang, sind die Vorzüge seines Spieles gewesen, die, gepaart mit seiner Gedankenfülle, mit der Weihe der Composition, natürlich jeden Hörer hinrissen, und Mozarten zu dem grössten Clavierspieler seiner Zeit erheben mussten.

Seine Clavier-Compositionen aller Art, Sonaten, Variationen und Concerte wurden bald allgemein bekannt und beliebt. Man ward bey jedem neu erschienenen[452] Werke durch die Neuheit des Styles und der Gedanken überrascht – man staunte über die Höhe, zu der sich die Musik durch seine Werke so schnell empor schwang.

In Wien fand Mozart einen Tonkünstler, dessen Genie dem seinigen am ähnlichsten war, den berühmten Schöpfer der Alceste und Iphigenie, Ritter von Gluck, einen Böhmen von Geburt. Der Umgang mit ihm und das unablässige Studium seiner erhabenen Werke gab Mozarten viel Nahrung, und hatte Einfluss auf seine Opern-Compositionen. Dieses Studium der Gluck'schen Werke verräth sich dem Kenner vorzüglich in Mozart's Clemenza di Tito. – Man vergleiche die Chöre der Iphigenie auf Tauris mit dem Final-Chore: O Nacht voll etc., und im Idomeneo das Schluss-Chor des zweyten Finale D moll 6/4 Tact:Corriam fuggiamo etc. In Arien, worin Mozart einen ganz neuen Weg einschlug, war Gluck sein Muster nicht, und konnte es nicht seyn. Aber die Chöre athmen ganz den Geist dieses grossen Mannes.

Hier wurde Mozart auch bald der innigste Verehrer des grossen, unvergleichlichen Joseph Haydn, der schon damals der Stolz der Tonkunst war, und nun, nach Mozart's Uebergang, der einzige Liebling – der Componist der deutschen Nation ist. Mozart nannte ihn oft seinen Lehrer, und gab ihm viele seiner Werke vor der Publication zur Durchsicht, und von dieser Zeit an nahm er auch Haydn zu seinem Vorbilde und dedicirte ihm sechs Violin-Quartetten, die zu dem Höchsten und Herrlichsten dieser Gattung gehören.[453]

Bald nachdem Mozart seinen Aufenthalt in Wien aufgeschlagen hatte, fasste der unvergessliche Kaiser Joseph II. den seiner so würdigen Gedanken, den Geschmack an italienischen Opern durch die Unterstützung deutscher Singspiele und Sänger zu verdrängen, und für das Vaterländische mehr zu stimmen. Er versammelte daher die besten Sänger und Sängerinnen, und liess von Mozart eine deutsche Oper setzen. Für diese Virtuosen schrieb Mozart die liebevolle Musik zu Bretzner's Entführung aus dem Serail, 1782. Die Sänger und Sängerinnen, für die Mozart zu schreiben hatte, waren Mselle. Cavalieri, Mselle. Tayber, Mr. Fischer, Mr. Adamberger, Mr. Dauer und Mr. Walter. Das Buch erhielt Mozart den 31sten September 1781, worüber er eine so grosse Freude hatte, dass er schon in den ersten zwey Tagen zwey Arien und ein Terzett, welches den ersten Act beschliesst, fertigte. Die Oper selbst hätte nach früherm Antrage schon um die Mitte des Septembers aufgeführt werden sollen, allein verschiedener Hindernisse und Hof-Festivitäten wegen kam sie erst im folgenden Jahre den 13ten July 1782 zur Aufführung.

Sehr interessant sind die Urtheile und Bemerkungen Mozart's in den Briefen an seinen Vater, über die Bearbeitung seiner Oper, der Entführung aus dem Serail, die er ihm desshalb mittheilte, um darüber sein Urtheil und seinen weisen Rath zu erfahren.


Wien, den 26. Septbr. 1781.


Die Oper hatte mit einem Monolog angefangen, und da bat ich Hrn. Stephani, eine kleine Ariette[454] daraus zu machen, – und dass, anstatt nach dem Liedchen des Osmin die Zwey zusammen schwatzen, ein Duo daraus würde. – Da wir die Rolle des Osmin Hrn. Fischer zugedacht haben, welcher gewiss eine vortreffliche Bassstimme hat, obwohl der Erzbischof zu mir gesagt, er singe zu tief für einen Bassisten, und ich ihm aber betheuert, er würde nächstens höher singen, so muss man so einen benutzen, besonders da er das hiesige Publicum ganz für sich hat. – Dieser Osmin hat aber im Original-Büchel das einzige Liedchen zu singen, und sonst nichts, ausser in dem Terzett und Finale. Dieser hat also im ersten Acte eine Arie bekommen, und wird auch im zweyten Acte noch eine haben. Die Aria habe ich dem Hrn. Stephani ganz angegeben – und die Hauptsache der Musik davon war schon ganz fertig, ehe Stephani ein Wort davon wusste. – Sie haben nur den Anfang davon, und das Ende, welches von guter Wirkung seyn muss – Der Zorn des Osmin wird dadurch in das Komische gebracht, weil die türkische Musik dabey angebracht ist. – In der Ausführung der Aria habe ich seine schönen tiefen Töne schimmern lassen. – Das:D'rum beym Barte des Propheten etc. – ist zwar im nämlichen Tempo, aber mit geschwinden Noten – und da sein Zorn immer wächst, so muss, da man glaubt, die Aria sey schon zu Ende – das Allegro assai – ganz in einem andern Zeitmaasse und andern Tone eben den besten Effect machen; denn ein Mensch, der sich in einem so heftigen Zorne befindet, überschreitet ja alle Ordnung, Maass und Ziel, er kennt sich nicht – und so muss sich auch die Musik nicht mehr[455] kennen. – Weil aber die Leidenschaften, heftig oder nicht, niemals bis zum Ekel ausgedrückt seyn müssen, und die Musik, auch in der schaudervollsten Lage, das Ohr niemals beleidigen, sondern doch dabey vergnügen, folglich allezeit Musik bleiben muss, so habe ich keinen fremden Ton zum F (zum Tone der Aria), sondern einen befreundeten, aber nicht den nächsten, D minore, sondern den weitern, A minore, dazu gewählt. – Nun die Aria von Belmonte in A dur: O wie ängstlich, o wie feurig etc. wissen Sie, wie es ausgedrückt ist – auch ist das klopfende Herz schon angezeigt – die Violinen in Octaven. – Diess ist die Favorit-Arie von Allen, die sie gehört haben – auch von mir – und ist ganz für die Stimme des Adamberger geschrieben. Man sieht das Zittern, Wanken, man sieht, wie sich die schwellende Brust hebt, welches durch ein Crescendo exprimirt ist; man hört das Lispeln und Seufzen, welches durch die ersten Violinen mit Sordinen und einer Flauto mit im Unisono ausgedrückt ist. – Der Janitscharen-Chor ist als solcher Alles, was man verlangen kann, kurz und lustig und ganz für die Wiener geschrieben. – Die Aria von der Constanze habe ich ein wenig der geläufigen Gurgel der Mselle. Cavalieri aufgeopfert. – Trennung war mein banges Loos, und nun schwimmt mein Aug' in Thränen – habe ich, soviel es eine wälsche Bravour-Arie zulässt, auszudrücken gesucht. – Das Hui habe ich in schnell verändert, also: Doch wie schnell schwand meine Freude etc. Ich weiss nicht, wass sich unsere deutschen Dichter denken; wenn sie schon das Theater[456] nicht verstehen, was die Opern anbelangt, so sollen sie doch wenigstens die Leute nicht reden lassen, als wenn Schweine vor ihnen stünden.

Nun das Terzett, nämlich der Schluss vom ersten Acte. Pedrillo hat seinen Herrn für einen Baumeister ausgegeben, damit er Gelegenheit habe, mit seiner Constanze im Garten zusammen zu kommen. Der Bassa hat ihn in seine Dienste genommen; Osmin, als Aufseher, und der davon nichts weiss, ist, als ein grober Flegel und Erzfeind von allen Fremden, impertinent, und will sie nicht in den Garten lassen. Das Erste, was ich angezeigt, ist sehr kurz, und weil der Text dazu Anlass gegeben, so habe ich es so ziemlich gut dreystimmig geschrieben; dann fängt aber gleich das Major pianissimo an, welches sehr geschwind gehen muss, und der Schluss wird recht viel Lärmen machen, und das ist ja Alles, was zu einem Schlusse von einem Acte gehört: je mehr Lärmen, je besser, – je kürzer, je besser, – damit die Leute zum Klatschen nicht kalt werden. – Die Ouvertüre ist ganz kurz, wechselt immer mit Forte und Piano ab, wo beymForte allezeit die türkische Musik einfällt, – modulirt so durch die Töne fort, und ich glaube, man wird dabey nicht schlafen können, und sollte man eine ganze Nacht hindurch nicht geschlafen haben. –

Nun sitze ich wie der Haase im Pfeffer. – Ueber drey Wochen ist schon der erste Act fertig, und eine Arie im zweyten Acte, und das Sauf-Duett, welches in Nichts als in meinem türkischen Zapfenstreiche besteht; mehr kann ich aber nicht davon machen, weil jetzt die ganze Geschichte umgestürzt[457] wird, und zwar auf mein Verlangen. Im Anfange des dritten Actes ist ein charmantes Quintett oder vielmehr Finale, dieses möchte ich aber lieber zum Schlusse des zweyten Actes haben. Um diess bewerkstelligen zu können, muss eine grosse Veränderung, ja eine ganz neue Intrigue vorgenommen werden, und Stephani hat über Hals und Kopf Arbeit.

Nun wegen des Textes von der Opera. – Was des Stephani seine Arbeit anbelangt, so haben Sie freylich Recht, doch ist die Poesie dem Charakter des dummen, groben und boshaften Osmin ganz angemessen. – Ich weiss wohl, dass die Versart darin nicht die beste ist; doch ist sie so passend mit meinen musikalischen Gedanken, die schon vorher in meinem Kopfe herum spazirten, übereingekommen, dass sie mir nothwendig gefallen musste; und ich wollte wetten, dass man bey dessen Aufführung nichts vermissen wird. Was die in dem Stücke selbst sich befindende Poesie betrifft, so könnte ich sie wirklich nicht verachten. – Die Aria von Belmonte: O wie ängstlich etc. könnte fast für die Musik nicht besser geschrieben seyn. – Das Huj und Kummer ruht in meinem Schooss' (denn der Kummer kann nicht ruhen) ausgenommen, ist die Aria auch nicht schlecht, besonders der erste Theil; – und ich weiss, bey einer Opera muss schlechterdings die Poesie der Musik gehorsame Tochter seyn. – Warum gefallen denn die wälschen komischen Opern überall, sammt alle dem Elend, was das Buch hat? – sogar in Paris, wovon ich selbst ein Zeuge war? – Weil da ganz die Musik herrscht und man darüber Alles vergisst;[458] um so mehr muss ja eine Opera gefallen, wo der Plan des Stückes gut ausgearbeitet, die Wörter aber nur bloss für die Musik geschrieben sind, und nicht hier und dort, einem elenden Reime zu gefallen (die doch, bey Gott, zum Werthe einer theatralischen Vorstellung, es mag seyn, was es wolle, gar nichts beytragen, wohl aber eher Schaden bringen), Worte stehen, oder ganze Strophen, die des Componisten ganze Idee verderben. – Verse sind wohl für die Musik das Unentbehrlichste – aber Reime – des Reimens wegen das Schädlichste; die Herren, die so pedantisch zu Werke gehen, werden immerhin sammt der Musik zu Grunde gehen. Da ist es am besten, wenn ein guter Componist, der das Theater versteht und selbst Etwas anzugeben im Stande ist, und ein gescheidter Poet, als ein wahrer Phönix, zusammen kommen – dann darf Einem vor dem Beyfalle des Unwissenden auch nicht bange seyn. – Die Poeten kommen mir fast vor, wie die Trompeter mit ihren Handwerkspossen; wenn wir Componisten immer so getreu unsern Regeln (die damals, als man noch nichts Besseres wusste, ganz gut waren) folgen wollten, so würden wir eben so untaugliche Musik, als sie untaugliche Bücher, verfertigen. – Nun habe ich Ihnen, dünkt mich, genug albernes Zeug daher geschwatzt.


Die Oper selbst wurde auf Befehl des Kaisers nach vielen gemachten Proben den 12ten Julius zum ersten Male mit dem rauschendsten Beyfalle und mit Wiederholung der meisten Stücke, ungeachtet der gespielten Kabalen, aufgeführt. Dieses allgemeine[459] grosse Aufsehen, welches sie das erste Mal einerntete, blieb bey den schnell auf einander folgenden Aufführungen bey gedrängt vollem Hause in dem nämlichen Grade, wie uns Mozart's Briefe an seinen Vater selbst sagen:


Den 20. Julius 1782.


Gestern ist meine Oper zum zweyten Male gegeben worden. Könnten Sie wohl noch vermuthen, dass gestern noch eine stärkere Kabale war, als am ersten Abend? Der ganze erste Act ging verloren, aber das laute Bravo-Rufen unter den Arien konnten sie doch nicht verhindern. Meine Hoffnung war also das Schluss-Terzett, da machte aber das Unglück den Fischer (Osmin) fehlen, dadurch fehlte auch der Dauer (Pedrillo), – und Adamberger allein konnte auch nicht Alles ersetzen; mithin ging der ganze Effect davon verloren, und wurde für diess Mal nicht repetirt. Ich war so in Wuth, dass ich mich nicht kannte, so wie auch Adamberger, und sagte gleich, dass ich die Oper nicht geben lasse, ohne vorher eine kleine Probe für die Sänger zu machen. Im zweyten Acte wurden die beyden Duetts wie das erste Mal, und dazu das Rondo von Belmonte: Wenn der Freude Thränen fliessen etc. wiederholt. Das Theater war noch fast voller als das erste Mal; den Tag vorher konnte man schon keine gesperrten Sitze mehr haben, weder auf demnoble parterre, noch im dritten Stocke, und auch keine Loge mehr. Die Oper hat in den zwey Tagen 1200 fl. getragen.

Hier überschicke ich Ihnen das Original davon und zwey Büchel. Sie werden viel Ausgestrichenes[460] darin finden, das ist, weil ich gewusst habe, dass hier gleich die Partitur copirt wird, mithin liess ich meinen Gedanken freyen Lauf, und bevor ich es zum schreiben gab, machte ich erst hie und da meine Veränderungen und Abkürzungen. Und so, wie Sie nun die Oper bekommen, so ist sie gegeben worden. Es fehlen hie und da die Trompeten und Pauken, Flauten, Clarinetten und türkische Musik, weil ich kein Papier von so viel Linien bekommen konnte, die sind auf ein besonderes Papier geschrieben, der Copist wird sie vermuthlich verloren haben, denn er konnte sie nicht finden.

Nun habe ich keine geringe Arbeit, bis Sonntag über acht Tage muss meine Opera auf die Harmonie gesetzt seyn, sonst kömmt mir ein Anderer zuvor und hat anstatt meiner den Profit davon, und ich soll nun auch eine neue Symphonie machen! Wie wird das möglich seyn! Sie glauben nicht, wie schwer es ist, so was auf die Harmonie zu setzen, dass es den Blas-Instrumenten eigen ist und doch dabey nichts von der Wirkung verloren geht. Je nun, ich muss die Nacht dazu nehmen, anders kann es nicht gehen, und Ihnen, mein liebster Vater, sey es aufgeopfert. Sie sollen alle Posttage sicher Etwas bekommen, und ich werde, so viel möglich, geschwind arbeiten, und so viel es die Eile zulässt, gut schreiben.

Den Augenblick schickt der Graf Zitchi zu mir und lässt mir sagen, ich möchte mit ihm nach Laxenburg fahren, damit er mich beym Fürsten Kaunitz einführen kann. Ich muss also schliessen, um mich anzukleiden; denn wenn ich nicht gesonnen bin,[461] auszugehen, so bleibe ich allezeit in meinem Negligée. So eben schickt mir der Copist auch die übrigen Stimmen. Adieu! Ich küsse Ihnen die Hände 2000 Mal, und meine liebe Schwester umarme ich von Herzen und bin ewig etc.


Wien, den 27. Julius 1782.


Meine Opera ist gestern allen Nannerln zu Ehren mit allem Applauso das dritte Mal gegeben worden, und das Theater war wiederum, ungeachtet der erschrecklichen Hitze, gestrotzt voll. Künftigen Freytag soll sie wieder seyn, ich habe aber dagegen protestirt, denn ich will sie nicht so auspeitschen lassen. Die Leute, kann ich sagen, sind recht närrisch auf diese Oper. Es thut Einem doch wohl, wenn man solchen Beyfall erhält. Ich hoffe, Sie werden das Original richtig erhalten haben. Liebster, bester Vater! Ich muss Sie bitten, um Alles in der Welt bitten, geben Sie mir Ihre Einwilligung, dass ich meine liebe Constanze heirathen kann. – Glauben Sie nicht, dass es um des Heirathens wegen allein ist, wegen diesem wollte ich gern warten. Allein ich sehe, dass es meiner Gesundheit und meinem Gemüthszustande unumgänglich nothwendig ist. Mein Herz ist unruhig, mein Kopf verwirrt – wie kann man da was Gescheidtes denken und arbeiten?


Wien, den 31. Julius 1782.


Gestern war meine Oper zum vierten Male, und Freytag wird sie wieder gegeben, und das Theater wimmelt allezeit von Menschen. – Sie schreiben mir, dass die ganze Welt behauptet, dass ich durch[462] mein Grosssprechen und Kritisiren die Professori von der Musik und auch andere Leute zu Feinden habe. Was für eine Welt? Vermuthlich die Salzburger Welt? Denn, wer hier ist, der wird genug davon das Gegentheil sehen und hören, und das soll meine Antwort darauf seyn. Sie werden unterdessen meinen letzten Brief erhalten haben, und ich zweifle auch gar nicht, dass ich mit künftigem Briefe Ihre Einwilligung zu meiner Heirath erhalten werde. Sie können nichts dagegen einzuwenden haben, und haben es auch wirklich nicht, das zeigen mir Ihre Briefe, denn Constanze ist ein ehrliches, braves Mädchen, von guten Eltern, und ich bin im Stande, ihr Brod zu verschaffen, wir lieben uns und wollen uns, da ist also nichts aufzuschieben.


Die Oper: Die Entführung aus dem Serail, schrieb Mozart also im Bräutigamsstande, daher ist sie voll süsser Gefühle, voll schmachtender Liebe, wenn gleich noch in dem damaligen Zuschnitte deutscher Singspiele. Die Symphonie hat noch ihre drey Sätze (was Mozart sonst bey keiner Oper gethan hat), ein Allegro, Andante, Allegro, welches freylich durch seine schleppende Verzögerung der Ueberraschung schadet; keine Finale. Der erste Act schliesst mit einem Terzett, der zweyte mit einem Quartett, und der dritte, nach damals von Adam Hiller und Standfuss hergebrachter Weise, mit einem Rundgesange, wo jede Person zu guter Letzt ihr Verschen singt. Im Ganzen, und die Fehler seines Zeitalters abgerechnet, ist der Plan dieses Singspiels vortrefflich, und seine Fabel gewiss das vernünftigste aller[463] Opern-Süjets. Die Charaktere sind vortrefflich gezeichnet, und von Mozart noch vortrefflicher colorirt. Dem Angegebenen zu Folge ist die Behauptung ganz falsch, dass Idomeneo in die Periode des Liebesumganges Mozart's mit Constanzen falle, denn dieses Liebesverhältniss hatte erst in Wien begonnen.

Der Beyfall, den die Entführung aus dem Serail einerntete, begründete Mozart's Ruf. Ich kann, sagt Professor Niemtscheck, den Beyfall und die Sensation, die sie in Wien erregte, nicht aus eigener Erfahrung beschreiben, aber ich bin Zeuge des Enthusiasmus gewesen, den sie bey ihrer Aufführung in Prag bey Kennern und Nichtkennern verursachte! Es war, als wenn das, was man hier gehört und gekannt hatte, keine Musik gewesen wäre! Alles war hingerissen, Alles staunte über die neuen Harmonieen, über die originellen, bisher ungehörten Sätze der Blas-Instrumente. Von jetzt fingen besonders die Böhmen an, Mozart's Compositionen zu suchen, und in eben diesem Jahre hörte man in allen besseren musikalischen Akademieen Mozart's Clavierstücke und Symphonieen, und gerade in dieser Periode schrieb auch Mozart seine schönsten Sachen, die nun in Jedermanns Händen sind. So wie sich nun Böhmens Vorliebe für Mozart's Werke entschieden zeigte, waren auch die grössten Kenner und Künstler Wiens die grössten Bewunderer, die feurigsten Verkündiger von Mozart's Ruhme.4[464]

Mit dem Aufsehen, welches die Entführung aus dem Serail machte, fühlten die Italiener bald, dass ein solcher Kopf für ihr wälsches Geklingel bald gefährlich werden dürfte, daher erwachte der Neid nun mit der ganzen Schärfe des italienischen Giftes, der ihn bis an das Ende seines Lebens verfolgte.

Der Kaiser Joseph, der im Grunde von der neuen und tief eindringenden Musik entzückt war, sagte wegen der Musik zu dieser Oper zu Mozart: »Gewaltig viel Noten, lieber Mozart!« – »Gerade so viel, Ew. Majestät, als nöthig ist,« versetzte dieser mit jenem edlen Stolze und der Freymüthigkeit, die grossen Geistern so gut steht. Mozart hatte wohl bemerkt, dass der Kaiser ein fremdes Urtheil ausgesprochen hatte, sagt der österreichische Plutarch.

Sonderbar genug! Als Bonaparte die vortreffliche Composition Cherubini's auf den Tod des General Hoche gehört hatte, sagte er: »Wahrhaftig, eine herrliche Musik, liebster Cherubini! aber viel Noten d'rin.« Dieser antwortete darauf gerade wie Mozart dem Kaiser. Von einem Pariser Correspondenten wurde in der Allg. Leipz. musikal. Zeitung versichert, dass Cherubini die Anekdote von Mozart erst später erfahren habe.

Die Entführung aus dem Serail wurde von Mozart's Freunden auch die Entführung aus dem Auge Gottes deshalb genannt, weil das Haus so hiess, woraus Mozart seine Braut, deren Mutter ihre Einwilligung versagte, so zu sagen entführte, denn er führte sie heimlich daraus zu der Baronin Waldstetten, wo die Hochzeit den 4ten August 1782 erfolgte, wovon er selber schreibt:


[465] Vienne, ce 7 d'Août 1782.


Mon très cher Père!


Meine liebe Constanze, nunmehro (Gott sey Dank) meine wirklich Frau, wusste meine Umstände und Alles, was ich von Ihnen zu erwarten habe, schon lange von mir. – Ihre Freundschaft aber und Liebe zu mir war so gross, dass sie gern mit grösster Freude ihr ganzes künftiges Leben meinem Schicksale aufopferte. – Ich küsse Ihnen die Hände, und danke Ihnen mit aller Zärtlichkeit, die immer ein Sohn für seinen Vater fühlte, für die mir gütigst zugetheilte Einwilligung und väterlichen Segen. – Mein liebes Weib wird nächsten Posttag ihren liebsten, besten Schwiegerpapa um seinen väterlichen Segen, und ihre geliebte Schwägerin um die fernere Fortdauer ihrer werthesten Freundschaft bitten. – Bey der Copulation war kein Mensch, als die Mutter und jüngste Schwester; Hr. von Thorwart als Vormund und Beystand von Beyden, Hr. Landrath von Zetto, Beystand der Braut, und Hr. von Gilowsky als mein Beystand. Als wir zusammen verbunden wurden, fing sowohl meine Frau als ich zu weinen an; davon wurden Alle, sogar der Priester gerührt, und Alle weinten, da sie Zeugen unserer gerührten Herzen waren. Unser ganzes Hochzeitsfest bestand aus einem Souper, welches uns die Frau Baronin von Waldstetten gab, – das in der That mehr fürstlich als baronisch war. Während des Souper wurde ich mit einer sechzehnstimmigen Harmonie von meiner Composition überrascht. – Nun freuet sich meine liebe Constanze noch mehr, nach Salzburg zu reisen, und ich wette, Sie werden sich[466] meines Glückes erfreuen, wenn Sie sie werden kennen gelernt haben, wenn anders in Ihren Augen, so wie in den meinigen, ein gutdenkendes, rechtschaffenes, tugendhaftes und gefälliges Weib ein Glück für ihren Mann ist.

Meine Oper ist gestern wieder, und zwar auf Begehren des Ritters Gluck gegeben worden; Gluck hat mir viele Complimente darüber gemacht. Morgen speise ich bey ihm.


Einige nennen die Entführung aus dem Serail das Piedestal, auf welches Mozart seinen Ruhm gründete. Es hat unverkennbar das Gepräge eines liebeglühenden Herzens. Wie schön drückt Mozart und Belmonte zugleich in der ersten Arie die Worte aus: Klopft mein liebekrankes Herz! Und wem könnte es einfallen, diess eine schlechte Malerey zu nennen, wie eben den einen schlechten Maler, der das Herz nicht roth malte, wenn Belmonte sich nicht von uns an den Busen fühlen lässt, sondern es lieber selbst thut! Was Mozart thut, sehen wir aber, und er singt sich eben mit seiner Darstellungsweise so in unser Inneres hinein, dass wir unwillkürlich nach unserer Brust greifen und glauben, wenn wir dieser schönen Täuschung und freywilligen und dennoch bewusstlosen Mischung des Subjects mit dem Objecte fähig, dass wir nicht aus Gyps geformt sind. Man besinne sich auf den fast ironischen, aber ganz humoristischen Zug von höchster Feinheit in Figaro's Arie, wo er mit dem Maasse den Stubenboden und die Stellung seines Hochzeitbettes ausmisst, und der Bass ihn messend accompagnirt, und ordentlich umschlägt,[467] wie die Elle, wenn er singt:fünf, zehn, zwanzig, dreyssig u.s.f. Ist das Gemalte, und ist es nicht mit höchster Ueberlegenheit des Genie's über den prosaischen Stand der Ebbe und Trockenheit, eines bloss verständigen Menschen oder Zuhörers? – Bey Mozart ist das Ideal mit dem untergeordneten Humor in Eintracht.

Wenn Leporello singt: »so macht er's mit dem Kopfe,« wer sieht nicht da in der Musik den Gouverneur mit seiner drohenden Antwort nicken? Denn ganz analog hebt sich die Melodie nur bis zur Quarte langsam, und sinkt mit einem Schritte wieder zurück, so wie das Haupt. Warum ist es gut? Weil er dazu singt, und es selbst mit Geberdenspiel begleitet: es wird also durch die Mittel anschaulich: durch Poesie, Gesang und Mimik.

Rochlitz sagt: Gegen diejenigen seiner Werke, die er selbst schätzte, war Mozart strenger, als er vielleicht wünschte, dass Andere gegen sie seyn möchten. So hatte er seine mit Recht noch immer beliebte Entführung in den Jünglings-Jahren geschrieben: späterhin nahm er eine strenge Recension vor, in welcher er Vieles abänderte, besonders abkürzte. Ich hörte ihn eine Hauptarie der Constanze nach beyden Recensionen spielen, und bedauerte einige gestrichene Stellen: Beym Clavier, mag es wohl so angehen, sagte er, aber nicht auf dem Theater; als ich diess schrieb, hörte ich mich noch selbst zu gern, und konnte das Ende immer nicht finden.

Bey einer Aufführung dieser Oper sagt ein Correspondent in der Allgem. Leipziger musikal. Zeitung: Mozart's Genius feyerte auch heute einen[468] schönen Triumph, der in dem Maasse erhöht werden muss, als einige unserer modernen Compositeurs sich immer mehr von dem durch ihn vorgezeichneten, allein als richtig anerkannten Wege der Wahrheit und Klarheit entfernen, und dadurch bisweilen kalte Bewunderung erringen, aber der Musik ihr schönstes Vorrecht, Sprache der Seele zu seyn, entziehen.

Uebrigens schätzte man in Wien, während Mozart lebte, die Werke dieses Genie's nicht so hoch, als es diese unsterblichen Arbeiten verdienten. Vielen seiner Opern ward die Kabale entgegen gesetzt, und nicht selten siegte sie. So gefiel weder die Hochzeit des Figaro noch Don Juan in einem vorzüglichen Grade. Nur bey der Zauberflöte war der Beyfall allgemein, weil diese Oper in den damaligen Geschmack des Publicums eingriff, sehr prächtig gegeben wurde, und weil der Componist bald nach den ersten Vorstellungen starb. Seine Instrumentalwerke fand man zu schwer auszuführen, und zu verworren, weil sie nicht Jeder gleich begreifen konnte; und erst einige Zeit nach Mozart's Tode zeigte es sich auffallend, und man fühlte allseitig, was die Kunst an ihm verloren hatte.

Der preussische Gesandte Baron von Riedesel hatte im Auftrage zu Mozart geschickt, dass er seine Oper: die Entführung aus dem Serail, copirt nach Berlin schicke; die Belohnung dafür werde schon erfolgen. Hierüber schrieb Mozart seinem Vater aus Wien vom 5ten October 1782:


Ich habe gleich versprochen, sie copiren zu lassen. Nun, da ich die Oper nicht habe, so müsste[469] ich sie vom Copisten entlehnen, welches sehr ungelegen wäre, und da ich sie nicht drey ganze Tage sicher behalten könnte, indem öfters der Kaiser darum schickt, welches erst gestern geschehen ist, und sie überdiess auch öfters gegeben wird, indem sie nun wirklich schon zehn Mal seit dem 16ten August ist gegeben worden. Mithin wäre mein Gedanke, sie in Salzburg copiren zu lassen, allwo es heimlicher und wohlfeiler geschehen könnte! Ich bitte Sie also, sie sogleich in die Partitur rein schreiben zu lassen, aber auch mit vieler Eile. Ich war selbst bey Baron von Riedesel, welcher ein charmanter Mann ist, und versprach ihm, die Oper zu Ende dieses Monats oder Anfange Novembers zu liefern. Um Ihnen aber alle Sorge und Bedenklichkeit zu nehmen, die ich mit dem dankbarsten Herzen als einen Beweiss Ihrer väterlichen Liebe verehre, so kann ich Ihnen nichts Ueberzeugenderes sagen, als dass ich dem Hrn. Baron recht sehr verbunden bin, dass er die Opera von mir und nicht vom Copisten begehrt hat, von welchem er sie alle Stunden um baares Geld hätte haben können. – Und überdiess wäre es mir sehr leid, wenn mein Talent mit einem Male bezahlt werden könnte, besonders mit hundert Ducaten! Ich werde unterdessen (weil es nicht nöthig ist) Niemanden was sagen; wird sie, wie ganz zuverlässig, und was mir auch das Liebste dabey ist, aufgeführt, so wird man es ganz sicher erfahren; mich aber werden desswegen meine Feinde nicht auslachen, und nicht als einen schlechten Kerl behandeln können, sondern mir nur gar zu gern eine Opera zu schreiben geben, wenn ich nur will! Denn[470] ich werde eine Opera schreiben, aber nicht um mit 100 Ducaten zu sehen, wie das Theater in vierzehn Tagen vier Mal so viel gewinnt; sondern ich werde meine Opera auf meine Unkosten aufführen, und in drey Vorstellungen wenigstens 1200 fl. machen, und dann kann sie die Direction um 50 Ducaten haben; wo nicht, so bin ich bezahlt und kann sie überall anbringen. Uebrigens hoffe ich, werden Sie noch niemals einige Spur von Neigung zu einer schlechten Handlung bey mir bemerkt haben. Man muss keinen schlechten Kerl machen, aber auch keinen dummen, der andere Leute von seiner Arbeit, die ihm Studium und Mühe genug gekostet hat, den Nutzen ziehen lässt, und allen fernern Anspruch darauf aufgiebt.

Heute, den 12ten October, ist dem Russischen Hofe, der den 4ten d.M. angekommen ist, meine Opera gegeben, wo ich für gut fand, wieder an das Clavier zu gehen und zu dirigiren, theils um das ein wenig in Schlummer gesunkene Orchester wieder aufzuwecken, theils um mich, weil ich eben hier bin, den anwesenden Herrschaften als Vater von meinem Kinde zu zeigen.


Wien, den 21. Decbr. 1782.


Ich bin bey Prinz Gallizin auf alle seine Concerte engagirt, werde allezeit mit seiner Equipage abgeholt und nach Hause geführt, und dort auf die nobelste Art von der Welt tractirt. – Den 10ten d.M. ist meine Opera wieder mit allem Beyfall, und zwar zum vierzehnten Male aufgeführt worden, und zwar bey so vollem Hause, wie das erste Mal,[471] oder vielmehr, wie allezeit. Der Intendant, Graf Rosenberg, hat mich bey Gallizin selbst angeredet, ich möchte doch eine wälsche Oper schreiben. Ich habe auch schon desswegen nach Italien geschrieben, habe aber noch nichts von den neuesten Opere buffe-Bücheln erhalten.

Ueberhaupt habe ich so viel zu thun, dass ich oft nicht weiss, wo mir der Kopf steht. Der ganze Vormittag bis zwey Uhr geht mit Lectionen herum, dann essen wir. Nach Tische muss ich doch eine kleine Stunde meinem armen Magen zur Digestion vergönnen; dann ist der einzige Abend, wo ich etwas schreiben kann, und dieser ist nicht einmal sicher, weil ich öfters zu Akademieen gebeten werde. Nun fehlen noch zwey Subscriptions-Concerte. – Die Concerte sind eben das Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht, sind sehr brillant, angenehm in die Ohren, natürlich, ohne in das Leere zu fallen – hier und da können auch Kenner allein Satisfaction erhalten, doch so, dass die Nichtkenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen, warum. Ich theile Billets aus, gegen sechs Ducaten. Nun vollende ich auch den Clavierauszug meiner Oper, welcher im Stich herauskommen wird, und zugleich arbeite ich an einer Sache, die sehr schwer ist, nämlich an einem Bardengesang von Denis über Gibraltar; das ist aber ein Geheimniss, denn eine ungarische Dame will dem Denis diese Ehre erweisen. – Die Ode ist erhaben, schön, Alles, was Sie wollen; allein zu übertrieben schwülstig für meine feinen Ohren. Aber was wollen Sie! das Mittelding, das Wahre in allen Sachen kennt und[472] schätzt man jetzt nimmer. Um Beyfall zu erhalten, muss man Sachen schreiben, die so verständlich sind, dass es ein Fiacre nachsingen könnte, oder so unverständlich, dass es ihnen, eben weil es kein vernünftiger Mensch verstehen kann, gerade eben desswegen gefällt.


In dieser Periode schrieb Mozart die schönsten Sachen für das Clavier: Sonaten mit und ohne Begleitung und auch Concerte. Zur Zeit, als seine Frau zum ersten Male in Kindesnöthen war, arbeitete er sogar an dem zweyten der sechs Quartetten, welche er 1785 Joseph Haydn widmete. Diese Umstände waren gewiss nicht zum Notendenken geeignet, da er nie am Claviere componirte, sondern die Noten zuvor schrieb und vollendete, und sie dann erst probirte; und dennoch belästigte ihn nichts, wenn er in dem Zimmer arbeitete, wo seine Frau lag. So oft sie Leiden äusserte, lief er auf sie zu, um sie zu trösten und aufzuheitern; und wenn sie etwas beruhigt war, ging er wieder zu seinem Papier. Nach ihrer eigenen Erzählung wurden der Menuett und das Trio gerade bey ihrer Entbindung componirt.

Bald nach der Entbindung seiner Frau hatte er zwey Arien für seine Schwägerin, Madame Lange, und für Adamberger ein Rondo in eine neue wälsche Opera: Il Curioso indiscreto, von Anfossi, zu machen, worin diese beyden Deutschen zum ersten Male auftraten. Die Compositionen dieser zwey Arien und eines Rondo waren seinen Feinden, an deren Spitze Salieri stand, ein Dorn im Auge, wesshalb[473] diese so boshaft waren und vor der Aufführung die Meinung verbreiteten, als wolle Mozart die Oper des Anfossi corrigiren. Doch hierüber höre man Mozart's Worte an seinen Vater in einem Briefe von Wien, den 2ten Julius 1783:


Sie ist vorgestern, Montags, zum ersten Male gegeben worden; es gefiel gar Nichts, als die zwey Arien von mir, und die zweyte, welche eine Bravour-Arie ist, musste wiederholt werden. – Nun müssen Sie wissen, dass meine Feinde so boshaft waren, schon vorhinein auszusprengen: Mozart will die Opera des Anfossi corrigiren. Ich hörte es. Ich liess also dem Grafen Rosenberg sagen, dass ich die Arien nicht hergäbe, ausgenommen, es würde Folgendes sowohl deutsch als wälsch dem Opernbüchel beygedruckt:


Verwarnung.

Die beyden Arien, Seite 36 und 102, sind von Herrn Maestro Mozart aus Gefälligkeit für Madame Lange, und nicht vom Herrn Meister Anfossi in Musik gesetzt worden. Dieses wird zur Ehre desselben hiermit bekannt gemacht, ohne nur im Mindesten dem Ansehen und dem Rufe des vielberühmten Neapolitaners zu nahe zu treten.


Es wurde beygedruckt, und ich gab die Arien her, welche sowohl mir als meiner Schwägerin unaussprechliche Ehre machten. – Und die Herren Feinde sind ganz betroffen! – Nun kömmt eine Tour des Hrn. Salieri, welche nicht so viel mir, als dem armen Adamberger Schaden thut. Ich glaube, dass ich Ihnen geschrieben, dass ich auch für den Adamberger ein Rondo gemacht habe. Bey einer kleinen Probe, wo das Rondo noch gar nicht abgeschrieben[474] war, ruft Salieri den Adamberger auf die Seite und sagt ihm, dass der Graf Rosenberg nicht gern sähe, dass er eine Aria einlegte, und er ihm folglich als ein guter Freund rathe, es nicht zu thun. Adamberger, aufgebracht über den Rosenberg und dermalen zur Unzeit stolz, wusste sich nicht anders zu rächen, beging die Dummheit und sagte: »Nun ja, um zu zeigen, dass Adamberger schon seinen Ruhm in Wien hat, und nicht nöthig hat, sich erst durch für ihn geschriebene Musik Ehre zu machen, so wird er singen, was darin steht, und sein Leben lang keine Arie einlegen.« Was war der Erfolg davon? Das, dass er gar nicht gefiel, wie es auch nicht anders möglich war! Nun reuet es ihn, aber zu spät; denn, wenn er mich heute ersuchte, ihm das Rondo zu geben, so würde ich es nicht mehr hergeben. Ich kann es sehr gut in eine der meinigen Opern brauchen. Das Aergste aber dabey ist, dass die Prophezeihung seiner Frau und von mir wahr geworden ist, nämlich, dass der Graf Rosenberg sammt der Direction gar kein Wort davon weiss, und dass es nur so ein Pfiff des Salieri war.


Zu Ende Julius des Jahres 1783 stattete Mozart mit seiner Frau dem Vater in Salzburg einen Besuch ab. Schlechte Umstände hatten ihn diese Reise mehre Monate verzögern lassen, und noch, wie er abreis'te, war er in traurigen, – so dass, wie er in den Wagen stieg, ein Gläubiger ihn nicht fort lassen wollte, ohne seine 30 fl. bekommen zu haben. Es ward Mozart schwer, sie zu entbehren.[475]

Und dieser Mann, wie gebrauchte er die kurze Zeit in Salzburg? – Er vollendete die Messe, die er für seine Frau gelobt hatte, wenn die Entbindung glücklich vorübergehen würde, und von welcher er im Januar schon die Hälfte fertig hatte. Diese Messe wurde den 23sten August im Kapellhause probirt und den 25sten in der St. Peterskirche producirt, wobey seine Frau die Solo's sang. Ausserdem schrieb er für Michael Haydn zwey herrliche Duetten für Violine und Viola, und zwey Acte einer italienischen Oper von Varesco, die hernach nicht weiter fertig wurde. Mit diesen Duetten verhielt es sich auf folgende Weise:

Michael Haydn sollte auf höhern Befehl Duetten für Violine und Viola schreiben. Er konnte selbige aber zur bestimmten Zeit nicht liefern, weil ihn eine heftige Krankheit befallen hatte, die ihn nachher länger, als man es vermuthete, zu aller Arbeit unfähig machte. Man drohte ihn über den Aufschub mit Einziehung seiner Besoldung, weil der Gebieter von Haydn's Umständen vermuthlich zu wenig unterrichtet, oder durch falsche Berichte hintergangen war. Mozart, der Haydn täglich besuchte, erfuhr dieses, setzte sich nieder und schrieb für den betrübten Freund mit so unausgesetzter Rastlosigkeit, dass die Duetten in wenigen Tagen vollendet waren und unter Michael Haydn's Namen eingereicht werden konnten.

»Noch oft ergötzten wir uns in der spätern Zeit mit diesem vortrefflich gerathenen Liebeswerke, das auch unser Meister als ein Heiligthum im Originale aufbewahrte und darin immer Mozart's unsterbliches[476] Andenken ehrte.« So erzählen die Verfasser und Schüler M. Haydn's in dessen biographischer Skizze (Schinn und Otter).

Diese Duetten wurden nach etlichen Jahren als Mozart's Arbeit bekannt und erschienen öffentlich bey André in Offenbach; er selbst hat sie aber nicht herausgegeben.

Das Duett (No. V.) hat ein Allegro G dur C, einAdagio C dur 3/4 und ein Rondo G dur 10. Reise.

Das (No. VI.) Adagio con Allegro B dur C 3/4,Andante cantabile Es dur 6/8, und Andante grazioso con 6 Variazioni B dur 10. Reise.

Nach einem Aufenthalte von beynahe drey Monaten reis'te Mozart mit seiner Frau den 27sten October von Salzburg wieder nach Wien zurück. Auf dieser Heimreise schrieb er von Linz aus seinem Vater:


Wir sind gestern, den 30sten October früh um 9 Uhr, glücklich hier angelangt. Den ersten Tag haben wir in Vöcklbruck übernachtet. Den folgenden Tag sind wir Vormittags in Lambach5 angekommen, und ich kam eben recht, um bey dem Amte das Agnus Dei mit der Orgel zu begleiten. Der Hr. Prälat hatte die grösste Freude, mich wieder zu sehen. Wir blieben den ganzen Tag dort, wo ich auf der Orgel und einem Clavichord spielte. – Ich hörte, dass den andern Tag zu Ebersperg bey Herrn Pfleger Steurer eine Opera aufgeführt, mithin ganz Linz alldort versammelt seyn werde, und entschloss mich also, auch dabey zu seyn, und wir[477] fuhren dahin. Da kam gleich der junge Graf Thun (Bruder zu dem Thun in Wien) zu mir, und sagte, dass sein Herr Vater schon vierzehn Tage auf mich wartete, und ich möchte nur gleich bey ihm anfahren, denn ich müsste bey ihm logiren. Als wir den andern Tag zu Linz beym Thore waren, stand schon ein Bedienter da, um uns zum alten Grafen Thun zu führen, allwo wir nun auch logiren. Ich kann Ihnen nicht genug sagen, wie sehr man uns in diesem Hause mit Höflichkeiten überschüttet. Dienstag, als den 4ten November, werde ich hier im Theater Akademie geben, und weil ich keine einzige Symphonie bey mir habe, so schreibe ich über Hals und Kopf an einer neuen, welche bis dahin fertig seyn muss. Meine Frau und ich küssen Ihnen die Hände, bitten Sie um Verzeihung, dass wir Ihnen so lange Ungelegenheit gemacht haben, und danken nochmals recht sehr für alles Empfangene.

Meine deutsche Oper: Die Entführung aus dem Serail, ist in Prag und in Leipzig sehr gut und mit allem Beyfalle gegeben worden, welches ich von Leuten weiss, die sie alldort gesehen haben. Ich bitte Sie, mir so bald möglich meinen Idomeneo, die zwey Violin-Duetten und Seb. Bach's Fugen zu schicken. – Idomeneo brauche ich, weil ich diese Fasten, nebst meiner Akademie im Theater, sechs Subscriptions-Akademieen geben werde, wo ich auch diese Oper darin produciren möchte.


Wie sehr seine Subscriptions-Akademieen unterstützt wurden, darüber schreibt Mozart selbst an seinen Vater:
[478]

Hier haben Sie die Liste von allen meinen 174 Subscribenten. Ich habe allein um dreyssig mehr, als Richter und Fischer zusammen, da ich die drey letzten Mittwochen in der Fasten, vom 17ten März angefangen, drey Concerte im Trattner'schen Saale auf Abonnement gebe; der Preis ist auf alle drey Concerte 6 fl. – Im Theater werde ich dieses Jahr zwey Akademieen geben; nun können Sie sich leicht vorstellen, dass ich nothwendig neue Sachen spielen muss, und da muss man also schreiben. Der ganze Vormittag ist den Scholaren gewidmet, und Abends habe ich fast alle Tage zu spielen. Hier lesen Sie von allen Akademieen, worin ich spielen muss:


Donnerstag den 26sten Febr. beym Gallizin.

Montag den 1sten März beym Joh. Esterhazy.

Donnerstag den 4ten März beym Gallizin.

Freytag den 5ten März beym Esterhazy.

Montag den 8ten März beym Esterhazy.

Donnerstag den 11ten März beym Gallizin.

Freytag den 12ten März beym Esterhazy.

Montag den 15ten März beym Esterhazy.

Mittwoch den 17ten März meine erste Akademie,Privat.

Donnerstag den 18ten März beym Gallizin.

Freytag den 19ten März beym Esterhazy.

Samstag den 20sten März beym Richter.

Sonntag den 21sten März meine erste Akademie im Theater.

Montag den 22sten März beym Esterhazy.

Mittwoch den 24sten März meine zweyte Privat- Akademie.

Donnerstag den 25sten März beym Gallizin.

[479] Freytag den 26sten März beym Esterhazy.

Samstag den 27sten März beym Richter.

Montag den 29sten März beym Esterhazy.

Mittwoch den 31sten März meine dritte Privat- Akademie.

Donnerstag den 1sten April meine zweyte Akademie im Theater.

Samstag den 3ten April beym Richter.


Habe ich nicht genug zu thun? Ich glaube nicht, dass ich auf diese Art aus der Uebung kommen kann.

Nun muss ich Ihnen geschwind noch sagen, wie es herging, dass ich so in einem Privatsaale Akademieen gebe. Der Claviermeister Richter giebt nämlich im benannten Saale die sechs Samstage Concert. Die Noblesse subscribirte nur mit dem Bemerken, dass sie keine Lust hätte, wenn ich nicht darin spielte. Hr. Richter bat mich darum: ich versprach ihm, drey Mal zu spielen, und machte auf drey Concerte für mich Subscription, wozu sich Alles abonnirte. Die erste Akademie am 17ten März ist glücklich abgelaufen; der Saal war angesteckt voll, und das neue Concert, so ich gespielt, hat ausserordentlich gefallen, und wo man hinkömmt, hört man diese Akademie loben. Morgen, den 21sten d.M., hätte meine erste Akademie im Theater seyn sollen. Fürst Louis Lichtenstein giebt aber bey sich Opera, entführt mir nicht allein den Kern der Noblesse, sondern entzieht mir auch die besten Leute aus dem Orchester. Ich habe sie also durch ein gedrucktes Avertissement auf den ersten April verschieben lassen.


[480] Wien, den 10. April 1784.


Durch meine drey Subscriptions-Akademieen habe ich mir sehr viel Ehre gemacht. Auch meine Akademie im Theater ist sehr gut ausgefallen. Ich habe zwey grosse Concerte geschrieben, und dann ein Quintett für Oboe, Clarinetto, Corno, Fagotto und Pianoforte, welches ausserordentlichen Beyfall erhalten; ich selbst halte es für das Beste, was ich noch in meinem Leben geschrieben habe. Ich wollte wünschen, Sie hätten es hören können, und wie schön es aufgeführt wurde! Uebrigens bin ich, die Wahrheit zu gestehen, gegen das Ende hin müde geworden von lauter Spielen, und es macht mir keine geringe Ehre, dass es meine Zuhörer nie wurden.


Den 24. April.


Hier haben wir nun die berühmte Mantuanerin Strinasacchi, eine sehr gute Violinspielerin; sie hat sehr viel Geschmack und Empfindung in ihrem Spiele. – Ich schreibe eben an einer Sonate, welche wir Donnerstag im Theater bey ihrer Akademie zusammen spielen werden. Dann sind dermalen Quartetten heraus von einem gewissen Pleyel; dieser ist ein Scholar von Joseph Haydn. Wenn Sie selbige noch nicht kennen, so suchen Sie sie zu bekommen; es ist der Mühe werth. Sie sind sehr gut geschrieben, und sehr angenehm; Sie werden auch gleich seinen Meister herauskennen. Gut – und glücklich für die Musik, wenn Pleyel seiner Zeit im Stande ist, uns Haydn zu remplaciren.


Bey dieser Gelegenheit, als Mozart für die Strinasacchi eine Sonate componirte und bey ihrer Akademie[481] spielte, gab er den stärksten Beweiss von seinem ausserordentlichen Gedächtnisse.

Diese ausgezeichnete Violinspielerin, die als Madame Schlick in Gotha in herzoglichen Diensten gestorben ist, kam nach Wien, spielte mit allem Beyfalle bey Hofe, und kündigte nun ein öffentliches Concert an, wozu ihr Kaiser Joseph sein italienisches Hoftheater bewilligt hatte.

Sie wollte gern auch mit einem noch unbekannten vorzüglichen Solostücke, und, wo möglich, mit einem von Mozart, und neben ihm auftreten, und ging darum den Meister um Composition und Spiel an. Mozart, gefällig und schnell zur Hand, wie immer, versprach Beydes. Aber, weil ihm dergleichen kleine Arbeiten zuwider waren, so schob er die Arbeit bis am Abend vor dem Concert-Tage auf, wo sie endlich ihre Stimme von ihm erpresste, um sie am folgenden Vormittage einstudiren zu können. Diess Einstudiren geschah jedoch ohne Beyhülfe Mozart's. Er sah die Frau erst im Concerte wieder. Mozart hatte zwar ihre Partie geschrieben, fand aber bey seinem vielem Lectiongeben nicht Zeit für die seinige. Bey der Production spielte er die Sonate mit ihr, zum höchsten Entzücken des Publicums über Composition und Vortrag. Kaiser Joseph, der von seiner Loge herab auf's Theater lorgnirte, glaubte zu sehen, dass er keine Noten vor sich hätte, liess ihn kommen, um die Partitur zu sehen, und war erstaunt, auf seinem Papiere nichts als Tactstriche zu finden. »Haben Sie es wieder einmal darauf ankommen lassen?« sagte der Kaiser.[482]

Ew. Majestät – ja, antwortete Mozart, es ist aber doch keine Note ausgeblieben.

Hätte Mozart das Stück, wenn auch nicht eingelernt, doch mehrmals gespielt gehabt, so hätte er nicht mehr gewagt, als was jedes gute Gedächtniss wagen kann. Es musste aber sein Gedächtniss als ein bewunderungswürdiges hier erscheinen, weil er diese Sonate mit der Virtuosin nicht ein einziges Mal probirt und es sogar mit der Violine noch nicht gehört hatte.

Den 24sten May 1784 schrieb er unter andern seinem Vater:


Ich bin nicht im Stande, unter den beyden Concerten ex B und D (gemacht den 15ten und 22sten März 1784) eine Wahl zu treffen. – Ich halte sie beyde für Concerte, die schwitzen machen; doch hat in der Schwierigkeit das ex B den Vorzug vor dem ex D. Uebrigens bin ich sehr begierig, welches unter den drey Concerten, B, D und G dur (letztes gemacht den 12ten April) Ihnen und meiner Schwester am besten gefällt; denn das ex Eb (gemacht den 9ten Februar 1784) gehört gar nicht dazu, welches ein Concert von ganz besonderer Art ist, und mehr für ein kleines als grosses Orchester geschrieben. Also ist die Rede nur von den drey Concerten, und ich bin begierig, ob Ihr Urtheil mit dem hiesigen allgemeinen und auch meinem Urtheile überein kömmt. Freylich ist es nöthig, dass man sie alle Drey mit allen Stimmen und gut producirt hört. Ich will gern Geduld haben, bis ich sie wieder zurück erhalte, nur dass sie kein Mensch in die Hände bekömmt; denn ich hätte erst heute für Eines[483] 24 Ducaten haben können; ich finde aber, dass es mir mehr Nutzen schafft, wenn ich sie noch ein paar Jährchen bey mir behalte und dann erst durch den Stich bekannt mache.


Wien, den 9. Junius 1784.


Morgen wird beym Hrn. Agenten Ployer zu Döbling auf dem Lande Akademie seyn, wo die Fräulein Babette ihr neues Concert ex G, ich das Quintett, und wir Beyde dann die grosse Sonate auf zwey Clavieren spielen werden. Ich werde den Paesiello, der auf seiner Rückreise aus Petersburg sich seit dem May hier befindet, mit dem Wagen abholen, um ihn meine Composition und meine Schülerin hören zu lassen. – Wenn Maestro Sarti nicht heute nach Russland hätte wegreisen müssen, so wäre er auch mit mir hinaus. – Sarti ist ein rechtschaffener, braver Mann! Ich habe ihm sehr viel gespielt, endlich auch Variationen auf eine Arie von ihm gemacht, woran er sehr viele Freude gehabt hat.


Bisher lebte Mozart, ungeachtet seines grossen Ruhmes, ohne Anstellung, also ohne bestimmte Einkünfte. Clavier-Unterricht und abonnirte Concerte für einen geschlossenen Zirkel des vornehmen Adels waren noch die ergiebigsten Quellen seiner Einkünfte, wobey sich in einer Stadt, wie Wien, sicher Nichts ersparen liess. So hatte er vom 11ten Februar 1785 an Subscriptions-Concerte auf sechs Freytage. Jede Person bezahlte für alle zusammen 3 Ducaten. Sie waren auf der Mehlgrube. Das erste von diesen Concerten war, nach dem Urtheile des Vaters, der[484] ihn damals besuchte, unvergleichlich. »Wolfgang gab (schrieb jener an seine Tochter) ein neues vortreffliches Clavier-Concert, woran der Copist noch gestern, als wir ankamen (am 10ten Februar), abschrieb, und Dein Bruder nicht einmal das Rondo durchzuspielen Zeit hatte, weil er die Copiatur nachsehen musste. Das Concert geht aus D moll. Am 12ten war J. Haydn bey uns. Es wurden drey der neuen Quartetten gemacht, nämlich aus B, A und C dur (componirt den 9ten November 1784, und den 10ten und 14ten Januar 1785). Sie sind zwar ein bischen leichter, als die drey andern, aber immer vortrefflich componirt. Hr. Haydn sagte zu mir: Ich sage Ihnen vor Gott und als ein ehrlicher Mann, dass ich Ihren Sohn für den grössten Componisten anerkenne, von dem ich nur immer gehört habe, er hat Geschmack und besitzt die gründlichsten Kenntnisse in der Composition.«

Weiter schreibt der Vater seiner Tochter:

»Am 12ten Februar 1785 spielte Dein Bruder im Theater bey der Akademie der Sängerin Laschi ein herrliches Concert, das er für die Paradies nach Paris gemacht hatte. Ich war in einer so guten Loge, dass ich das Vergnügen hatte, alle Abwechselung der Instrumente so vortrefflich zu hören, dass mir die Thränen in die Augen kamen. Als Dein Bruder wegging, machte ihm der Kaiser mit dem Hute in der Hand ein Compliment, und rief: Bravo, Mozart! Beym Herauskommen zum Spielen war ihm ohnehin zugeklatscht worden.«

»Am 14ten spielte Dein Bruder abermals ein Concert im Theater; es ist alle Tage Akademie.[485] So auch am 15ten, wo Dein Bruder das neue grosse Concert ex D magnifique spielte.«

»Den 21sten Februar: Ich bin in Deines Bruders zweyter Akademie gewesen, die abermals herrlich war. Heute spielte er beym Grafen Zichy.«

»Den 12ten März: Dein Bruder, der auch einen Abend im Theater hatte, machte 559 fl., welche wir nicht vermutheten, da er eine aus über 150 Personen bestehende Subscriptions-Gesellschaft hat, und sich so oft im Theater bey Anderer Akademieen aus Gefälligkeit hat hören hassen.«

»Deines Bruders F.P. Flügel ist, seit ich hier bin, wenigstens zwölf Mal ins Theater oder zum Fürsten Kauniz, Grafen Zichy etc. getragen worden.«

»Er hat ein grosses F.P. Pedal machen lassen, das unter dem Flügel steht, um drey Spannen länger und erstaunlich schwer ist.«

»Torricella sticht einen von Deinem Bruder gemachten Clavierauszug der Entführung, aber Dein Bruder hat ihn noch nicht ganz fertig gemacht. Drey Sonaten sind bey T. heraus, davon nur eine mit Violine.«

»Nun ist geschehen,« schrieb der Vater an seine Tochter, vom 16ten December 1785, »was ich meinem Sohne vorher gesagt habe. Die Entführung aus dem Serail ist in Augsburg im Clavierauszuge bereits erschienen, auch in Mainz gestochen. Seit dem März, wo er anfing, hat mein Sohn nicht fertig werden können. Er hat die Zeit, und Torricella die aufgewandten Kosten verloren.«

In dieser Zeit (Frühling 1785) schienen Mozart's Umstände die besten jemals gewesen zu seyn, oder[486] wo er wenigstens die meiste Einnahme gehabt hatte. Der Vater schrieb am 19ten März seiner Tochter:


»Ich glaube, dass mein Sohn, wenn er keine Schulden zu bezahlen hat, jetzt 2000 fl. in die Bank legen kann: das Geld ist sicher da, und die Hauswirthschaft ist, was Essen und Trinken betrifft, im höchsten Grade öconomisch.«

Den 28sten Decbr. 1785 schrieb Mozart seinem Vater, dass er in Eile 3 Subscriptions-Akademieen von 120 Subscribenten gegeben und dazu ein Clavier- Concert aus C moll gemacht hatte, wo er das Andante hatte repetiren müssen.

Es ist schon erwähnt, dass Mozart in dieser Periode die schönsten Sachen für das Clavier, Sonaten mit und ohne Begleitung, Concerte etc. schrieb. Im Jahre 1785 gab er die seinem Freunde, dem Kapellmeister Joseph Haydn dedicirten sechs Quartetten im Stich heraus, wovon die Dedication wälsch und deutsch folgende ist:


Sei Quartetti per due Violini, Viola, e Violoncello.


Composti e dedicati al Signor

GIUSEPPE HAYDN,

Maestro di Capella di S.A. il Principe d'Esterhazy etc. etc.

Dal suo Amico

W.A. Mozart.


Opera X.


In Vienna presso Artaria et Comp. etc.


Prezzo fl. 6. 30 Xr.


Al mio caro amico Haydn.


Un padre, avendo risolto di mandare i suoi figli nel gran mondo, stimo doverli affidare alla protezzione,[487] e condotta d'un uomo molto celebre in allora, il quale per buona sorte era di più il suo megliore amico. – Eccoli del pari, uom celebre ed amico mio carissimo, i sei mei figli. – Essi sono, è vero, il frutto di una lunga, e laboriosa fatica, pur la speranza fatta mi da piu amici di vederla almeno in parte compensita m'incoraggisce, e mi lusinga, che questi parti siano per essermi un giorno di quelche consolazione. Tu stesso, amico carissimo, nell' ultimo tuo soggiorno in questa capitale, me ne dimostrasti la tua saddisfazione. – Questo tuo suffragio mi anima sopra tutto, perche io se li raccommandi e mi fa sperare, che non si sembreranno del tutto indegni del tuo favore. – Piacciati dunque accoglierli benignamente, ed esser loro Padre, Guida ed Amico. Da questo momento Jo ti cedo i miei diritti sopra di essiti, supplico però di guardare con indulgenza i difetti, che l'occhio parziale di Padre mi puo aver celati, e di continuar, loro malgrado, la generosa tua Amicizia a chi tanto l'apprezza. Mentre sono di tutto cuore

il suo sincerissimo amico

W.A. Mozart.

Vienna,

il pmo Settembre 1785.


Meinem theuren Freunde Haydn!


Ein Vater, der bestimmt hatte, seine Kinder in die grosse Welt zu schicken, glaubte sie vertrauen zu müssen dem Schutze und der Leitung eines damals sehr berühmten Mannes, der glücklicher Weise noch dazu sein bester Freund war. Sieh hier, berühmter Mann und theuerster Freund, meine sechs[488] Kinder. Sie sind, es ist wahr, die Frucht einer langen und mühsamen Arbeit; doch die Hoffnung, welche mehre Freunde mir geben, diese Arbeit zum Theil wenigstens vergolten zu sehen, giebt mir Muth und schmeichelt mir, dass diese Kinder einst mir zu einigem Troste gereichen. Du selbst, theuerster Freund, hast mir bey Deinem letzten Aufenthalt in dieser Hauptstadt, Deine Zufriedenheit bezeigt. Dieser Dein Beyfall ermuthigt mich vor Allem, sie Dir zu empfehlen, und lässt mich hoffen, dass sie Deiner Gunst nicht ganz unwürdig seyn werden. Es möge Dir daher gefallen, sie gütig aufzunehmen und ihr Vater, Führer und Freund zu seyn. Von diesem Augenblicke an trete ich Dir meine Rechte über sie ab, bitte Dich aber, mit Nachsicht die Fehler zu betrachten, welche das partheiische Auge des Vaters mir verborgen haben kann, und ungeachtet derselben Deine edle Freundschaft dem zu erhalten, der sie so sehr schätzt.

Indessen bin ich von ganzem Herzen etc.


Diese Dedication an J. Haydn ist somit die Huldigung eines Genie's gegen ein Genie! Ein schöner, seltner, vielleicht einziger Zug (wo giebt's Exempel? –) seines Hochachtungsgefühls für diesen grossen Mann. Mit keinem Werke hätte er Haydn besser ehren können, als mit diesem Schatze der schönsten Gedanken, diesem Muster einer vollendeten Quadro-Composition. In den Augen des Kenners ist sie so viel werth, als jede seiner Opern. Alles darin ist – wie freylich überhaupt in allen seinen neueren classischen Werken – durchdacht und vollendet.[489] Man sieht es den Quartetten an, dass sie um J. Haydn's Beyfall buhlten. Für diese sechs Quartetten erhielt er von Artaria 100 Ducaten.

Diese Quartetten hatten hie und da ein sonderbares Schicksal. Als Artaria sie nach Italien schickte, erhielt er sie zurück, »weil der Stich so fehlerhaft wäre.« Man hielt nämlich dort die vielen fremden Accorde und Dissonanzen für Stichfehler. Als der Fürst Grassalkowitsch in Ungarn dieselben Quartetten von einigen Spielern aus seiner Kapelle aufführen liess, rief er ein Mal über das andere: Sie spielen nicht recht! Und als man ihn vom Gegentheile überzeugte, zerriss er die Noten auf der Stelle. So warf der heilige Hieronymus Lycophrons Cassandra in die Flammen, mit gleichem Feuereifer und aus gleicher Ursache, – weil er sie nicht verstand, was er offenherzig bekannte. Bey Mozart's Gegnern war das nicht immer der Fall.

Stendhal in seinem Leben Rossini's sagt:


»Es war in Italien durchaus unmöglich, die Entführung aus dem Serail nur erträglich aufzuführen, weil das nicht eine Musik ist, die das vom zweymaligen Singen auffasst. Nicht weniger als sechs Monate brauchte es, setzt er hinzu, damit die besten Instrumentisten das erste Finale des Don Juan im Tacte spielen, und nicht weniger als zwey Monate, bis die Sänger es singen konnten.«

In eben diesem Jahre schuf Mozart auch seinen Davidde penitente. Die Vorsteher der Pensions-Societät für Künstler-Wittwen und Waisen zu Wien baten ihn um ein Oratorium. Die Zeit war kurz. Er nahm dasKyrie und Gloria jener Messe, welche[490] er 1783 aus Gelöbniss bey glücklich erfolgter erster Entbindung seiner Frau geschrieben, und welche Messe er vorzüglich gern hatte, schrieb eine Arie (den 11ten März 1785) für die Cavaglieri, und noch eine (den 6ten März) für Adamberger, und ein Terzett. Das Ganze mit italienischem Texte besteht aus 10 Nummern, als: 1) Ein Chor C moll, Andante moderato, C; 2) Coro Allegro vivace, C dur, C; 3) Aria F dur, Allegro aperto, C, für Soprano; 4) Coro, Adagio, C, A moll; 5) Duetto für 2 Soprani, 3/4 All. mod. D moll; 6) Tenor-Arie B dur, Andante, 3/4; 7) Coro, G moll, Largo, C, mit doppeltem Chore; 8) Aria für Soprano, C moll, Andante 3/8 und Allegro, C dur, 10. Reise; 9) Terzetto für 2 Soprani und Tenore, E moll, Allegro, 10. Reise; 10) Coro, C dur, Adagio, C, mit Schlussfuge, 10. Reise,Allegro.

Davidde penitente gehört in Bezug auf seine Originalität, seine tief gedachte, überaus kunstreiche Durchführung, dann in Rücksicht seines unermesslichen Reichthums und hohen Ideenschwunges, so wie auch in Erwägung der Wahrheit im Ausdrucke und des hinreissenden Stromes der tiefsten Empfindungen nicht nur unter die ausgezeichnetsten dieser Art, sondern es ist eine der schönsten Zierden in Mozart's Künstlerkranze. Die Chöre nennt Rochlitz: gewaltige; das Requiem: das Wunderwerk des Requiems.

Im darauf folgenden Jahre 1786 den 3ten Febr. hatte er auf Befehl des Kaisers Joseph für Schönbrunn den Schauspiel-Director geschrieben, eine Operette, bestehend aus Ouverture, zwey Arien,[491] einem Terzett und Vaudeville – für Madame Lang, Mademoiselle Cavaglieri und Mr. Adamberger.

Eben zu der Zeit machte das französische Lustspiel von Beaumarchais, Figaro, sein Glück, und kam auf alle Theater. Mozart ward vom Kaiser Joseph dazu bestimmt, diesem Lustspiele, nachdem es in ein Singspiel umgegossen worden, auch auf dem italienischen Operntheater durch seine Musik Celebrität zu verschaffen. Es wurde in Wien von der italienischen Operngesellschaft aufgeführt. Wenn es wahr ist, was man allgemein als wahr erzählt und was sich bey so vielen glaubwürdigen Zeugen freylich nicht in Zweifel ziehen lässt, dass die Sänger aus Hass, Neid und niedriger Kabale bey der ersten Vorstellung durch vorsätzliche Fehler sich alle Mühe gegeben haben, die Oper zu stürzen: so kann der Leser daraus schliessen, wie sehr diese Faction die Ueberlegenheit des Genie's in Mozart fürchtete, und wie wahr es sey, was ich kurz vorher bey Gelegenheit der Entführung aus dem Serail bemerkt habe. Dieser feige Bund verdientloser Menschen blieb bis an das frühe Ende des unsterblichen Künstlers in voller Thätigkeit, ihn zu hassen, zu verläumden und seine Kunst herabzusetzen. Welchen Kampf hatte Mozart's Geist zu bestehen, bis er vollkommen triumphirte! Man erzählt, dass die Sänger durch eine ernste Warnung des seligen Monarchen zu ihrer Pflicht gewiesen werden mussten, da Mozart voll Bestürzung zwischen dem zweyten Acte zu ihm in die Loge kam, und ihn darauf aufmerksam machte.[492]

Figaro's Hochzeit, ein Intriguenstück, als Oper zu bearbeiten, ist gewiss kein glücklicher Einfall; ja, man darf sagen, dass es der Natur derselben gänzlich widerspricht. Beaumarchais giebt in seinem Lustspiele etliche recht artige Bonmots, einige anziehende Situationen zum Besten, aber für die Musik hat er nichts gethan; im Gegentheile verschloss er ihr beynahe den Weg, indem er sein Stück zu einer einseitig verständigen und witzigen Beschlossenheit ausbildete, die der Musik keinesweges zusagt. Mozart nahm vielleicht das Stück nur, weil er eben kein anderes hatte, das die Celebrität schon im Namen trug, und er durfte es schon darauf wagen, weil einem Genie, wie das seinige, nicht leicht etwas unmöglich seyn mochte. Er hat das ganze Stück verwandelt. Aus der halb nothwendigen Beschränktheit ist eine angenehme Begränzung, aus Pretiosität ist Erhabenheit, aus der etwas seichten Flüchtigkeit ein tiefes lebendiges Leben geworden. Der einzige Charakter, der auch bey Beaumarchais selbst hier und da einen leisen Anflug von Poesie zeigt, ist der Page; aber es fehlt denn doch noch gar viel, um ihn rein ausgeführt, klar und vollständig nennen zu dürfen. Weichheit, ja sogar ein wenig Weichlichkeit durfte immer ein Hauptzug im Charakter dieses jungen Tutti-Liebhabers seyn. Nur hätte Beaumarchais ihn nicht noch überdrein mit Oberflächlichkeit versetzen, und überhaupt dem Principe des gewöhnlichen Gallicism wehren sollen. Was Mozart aus diesem Pagen gemacht, ist besser zu fühlen als auszusprechen. Sollte keiner dieser Accorde Göthe umschwebt haben, als er die Mignon schuf?

[493] Le nozze di Figaro ist ein Hauptwerk Mozart's, das er später selbst sein Lieblingskind nannte, dem jetzt endlich – nachdem er verweset – die ganze Welt Gerechtigkeit widerfahren lässt – dieser köstliche Blumengarten, worin Alles Geist und Gefühl, Anmuth und Schönheit, Alles, wie oft er neu eröffnet werde, jung und frisch, blühend und duftend ist; den in seiner Art nichts gleich Vortreffliches zu besitzen, sogar das auf Vergangenes stolze Italien, das auf Eigenes einbilderische Frankreich, das den Fremden abholde England eingesteht. Diese Oper ist eine wahre Perle, eine unerschöpfliche Fundgrube und Modell für alle Compositionen dieser Art. Nie werde ich's unternehmen, auch nur das erhabene Finale desselben zu zergliedern. Ein Buch würde nicht hinreichen, die Schönheiten, die es enthält, auszuzeichnen. In dem Eingangs-Duette, wo Figaro das Cabinet ausmisst, und in dem von der Gräfin Susanna dictirten Briefe spricht das Orchester, es singt, wird dramatisch, trägt die Melodie, den Hauptgesang, und supplirt die Leidenschaft des Sängers. (Castil Blaze.)

Die italienischen Opern Mozart's (sagt von Sonnleithner) konnten bey uns Wienern lange den Beyfall nicht erringen, den ihnen jeder Kenner immerfort geben wird, weil sie von dem Gange der gewöhnlichen italienischen Opern abwichen, an die wir gewöhnt waren.

Am 11ten November 1785 schreibt Mozart's Vater an seine Tochter:


»Endlich habe ich einen Brief von zwölf Zeilen von Deinem Bruder erhalten. Er bittet um Verzeihung,[494] weil er über Hals und Kopf le nozze di Figaro fertig machen muss. Um den Vormittag frey zu haben, hat er alle seine Scholaren auf den Nachmittag verlegt. – An der Musik zweifle ich nicht. Aber es wird ihm viel Laufen und Disputiren kosten, bis er das Buch, welches wirklich aus dem Lustspiele vieler Veränderung bedarf, so eingerichtet bekömmt, wie er es zu seiner Absicht wünscht. Er wird bisher nach seiner schönen Manier immer aufgeschoben und sich Zeit gelassen haben: nun muss er mit Ernst daran, weil er vom Oberkämmerer gedrängt wird.

Dieses witzigste aller witzigen französischen Lustspiele ist von Mozart behandelt worden, als wäre es das leidenschaftlich gemüthvollste aller spanischen dramatischen Poesie. An die Stelle der von den handelnden Personen jedes Mal nur in der Reflexion und Ironie aufgefassten Situation ist in der Musik die Aeusserung der Leidenschaft selbst getreten, welche diese Personen gezeigt haben würden, wenn sie statt witzige, gemüthsvolle Menschen gewesen wären. Bey der in ihrer Art einzigen Arie (Nur zu flüchtig bist du u.s.w.) scheinen alle Genien der Harmonie dem Mozart beygestanden zu haben.

Figaro's Hochzeit war in demselben Jahre in Wien geschrieben und aufgeführt, als Una cosa rara von Martin, der diese Oper in Wien componirte und selbst dirigirte. Una cosa rara machte grosses Glück. Mozart's Figaro gefiel zwar allerdings auch, doch (in den ersten Jahren) machte er nicht Furore. Kaiser Joseph hatte ihn sehr lieb und zog ihn allen[495] früheren Opern Mozart's bey weitem vor; dieser gleichfalls.

Um mit Clementi alternirend zu spielen, hatte Mozart sich exercirt, sonst that er es nie. Diess als vorläufige Anmerkung zum folgenden Dittersdorf's eigenen Berichte von einem Gespräche mit Kaiser Joseph im Jahre 1786.

Der Kaiser. Wie gefällt Ihnen Mozart's Spiel?

Ich. Wie es jedem Kenner gefallen muss.

K. Einige ziehen Clementi dem Mozart vor. Ihre Meinung?

I. In Clementi's Spiele herrscht viel Kunst und Tiefsinn, in Mozart's nebst Kunst und Tiefsinn ausserordentlich viel Geschmack.

K. Das sage ich auch. Was sagen Sie zu Mozart's Composition?

I. Er ist unstreitig ein grosses Original-Genie, und ich habe noch keinen Componisten gefunden, der einen so erstaunlichen Reichthum an neuen Gedanken besässe. Ich wünschte, er wäre nicht damit so verschwenderisch. Er lässt den Zuhörer nicht zu Athem kommen; denn kaum will man einem Gedanken nachsinnen, so steht schon wieder ein anderer da, der den erstern verdrängt, und das geht immer in einem fort, so dass man am Ende keine dieser wahren Schönheiten im Gedächtnisse aufbewahren kann.

K. Wahr. Nur in Theaterstücken dünkt mich, dass er öfters zu viele Noten anbringt, worüber die Sänger sich sehr beklagen.

I. Wenn man aber die Gabe besitzt, durch Harmonie und Geschicklichkeit im Begleitungsspiele[496] den Sänger doch nicht zu verdecken, so halte ich das für keinen Fehler.

K. Distinguo. Wenn man die Gabe besitzt, die Sie in Ihrem Hiob gezeigt haben. – Hören Sie. Ich habe zwischen Haydn und Mozart eine Parallele gezogen. Ziehen Sie auch eine, damit ich sehe, ob sie mit meiner übereinstimmt.

I. Wenn es seyn muss, bitte ich Ew. Majestät, mir eine Urfrage zu erlauben.

K. Auch das.

I. Was ziehen Ew. Majestät für eine Parallele zwischen Klopstocks und Gellerts Werken?

K. (Pause.) Hm! dass Beyde grosse Dichter sind – dass man Klopstocks Gedichte öfter als ein Mal lesen müsse, um alle Schönheiten zu entschleiern – dass Gellerts Schönheiten schon beym ersten Anblicke ganz enthüllt da liegen.

I. Nun haben Ihro Majestät Ihre Frage selbst beantwortet.

K. Mozart wäre also Klopstock, Haydn Gellert?

I. So halte ich dafür.

K. Ich kann nichts einwenden.

I. Darf ich so kühn seyn, um die Parallele Ew. Majestät zu fragen?

K. Ich vergleiche Mozart's Composition mit einer goldenen Tabatiere, die in Paris gearbeitet, und Haydn's mit einer, die in London verfertigt ist. Beyde schön, die erste ihrer vielen geschmackvollen Verzierungen, die zweyte ihrer Simplicität und ausnehmend schönen Politur wegen. Auch hierin sind wir fast einerley Meinung.
[497]

Mozart gründete in Prag durch die Production seines Figaro, Don Juan, Così fan tutte und Clemenza di Tito seinen Ruhm, der von dort aus durch ganz Deutschland erscholl und sich in die übrigen Staaten Europa's verbreitete. Er selbst hat sich oft geäussert:»Die Böhmer sind es, die mich verstehen.«

Als vor 37 Jahren Abbate da Ponte aus Beaumarchais höchstwitzigem Lustspiele diese allerliebste Intriguen-Oper formte, und Mozart sie mit einer Tondichtung ausstattete, welche, was Melodie, Originalität, Charakteristik und den ächten Conversationsstyl anlangt, wohl selbst allen seinen geistreichsten Theater-Compositionen den Rang abläuft und schwerlich wohl jemals erreicht, nie aber übertroffen werden kann, damals ward das Meisterwerk noch nicht nach Verdienst gewürdigt. Die Zeiten haben sich geändert. Mozart, der Einzige, wird nun verstanden, und mehr bedurfte es ja nicht, dass seine Künstlerkrone in ewig unvergänglicher Schöne strahle. – Aber in der Ursprache muss man sie geben und hören. Er schrieb ja auf italienische Worte. Des Vortrags Frische und Lebendigkeit, der süssen Liebeslaute Wohlklang, eine scharf accentuirte Mimik, die momentane Pointe sind dabey berücksichtigt, welche selbst in der gelungensten Uebersetzung an Wirkung verlieren müssen. Man muss seine Werke geben, wie des Meisters Genius sie schuf: auf deutsch die Zauberflöte, die Entführung u.s.w.

Le Nozze di Figaro ist allerdings ein Meisterstück musikalischer Composition, die Frucht einer kolossalischen Genialität; doch erkennt man, dass[498] diese Oper dem ernsten Genius des grossen Tonmeisters nicht ganz zusagte; dass der italienische Dichter ihm nicht das leichtfertigste, von ewigen Incidenzen und Schlüpfrigkeiten durchwebte Product hätte darbieten, wenigstens in seiner Bearbeitung es hätte kürzer halten sollen. Selbst die Musik der Opera buffa muss überhaupt ihre Haltpunkte haben, ohne welche sie verfliegt oder langweilig wird.

Mozart's Vater schrieb an seine Tochter im April 1786:


»Am 28sten April (den 29sten April hatte er es nach Anzeige seines eigenhändigen Katalogs rein vollendet) geht le nozze di Figaro zum ersten Male in die Scena. Es wird viel seyn, wenn er reüssirt, denn ich weiss, dass er erstaunlich starke Kabalen wider sich hat. Salieri mit seinem ganzen Anhange wird wieder suchen, Himmel und Erde in Bewegung zu setzen. Duscheck sagte mir neulich, dass Dein Bruder so viele Kabalen wider sich habe, weil er wegen seines besondern Talents und Geschicklichkeit in so grossem Ansehen stehe.«

Und am 18ten May: »Bey der zweyten Aufführung der Nozze di Figaro in Wien sind fünf Stücke, und bey der dritten sieben Stücke repetirt worden, worunter ein kleines Duett drey Mal hat müssen gesungen werden.«

Sein Honorar für Le nozze di Figaro war in Wien nach dem Gebrauche der Ertrag der dritten Vorstellung, der gering gewesen seyn muss; denn die Oper gefiel damals nur Wenigen. Hierdurch gekränkt, sagt Rochlitz, blieb Mozart bis kurz vor[499] seinem Tode entschlossen, für Wien keine Oper mehr zu schreiben, sondern trat in Verbindung mit Guardasoni, dem sehr unterrichteten, aber nach italienischer Weise kärglich steuernden Unternehmer jener kleinen vortrefflichen italienischen Gesellschaft, die zu Prag, Warschau und Leipzig abwechselnd Opern gab. Dieser zahlte für jede 100 Ducaten, mit Vorbehalt der Partitur für sich. So entstanden Don Juan, Così fan tutte und Clemenza di Tito. Die Stände bezahlten diese. Von jenem Entschlusse machte ihn abwendig Schickaneder, Unternehmer, Director, Dichter und erster Komiker des Vorstadt-Theaters an der Widen zu Wien, ein kecker, possirlicher, lockerer Zeisig.

Prag hatte Mozart's Meisterstücke schon lange verehrt, und dort vielleicht genoss er des Ruhmes schon in seinem Leben, der dem Unersetzlichen nach seinem Tode überall zu Theil wurde. Das Prager italienische Theater hat indessen in dieser Rücksicht die italienischen Operisten in Wien beschämt.

So wie jedes Mozart'sche Werk in Böhmen nach seinem wahren Werthe erkannt und geschätzt wurde: so geschah es auch mit der Oper: Le nozze di Figaro. Sie wurde, erzählt Niemtschek, im Jahre 1786 von der Bondini'schen Gesellschaft in Prag auf das Theater gebracht und gleich bey der ersten Vorstellung mit einem Beyfall aufgenommen, der nur mit demjenigen, welchen die Zauberflöte nachher erhielt, verglichen werden kann. Es ist die strengste Wahrheit, wenn ich sage, dass diese Oper fast ohne[500] Unterbrechung diesen ganzen Winter gespielt ward, und dass sie den traurigen Umständen des Unternehmers vollkommen aufgeholfen hatte. Der Enthusiasmus, den sie bey dem Publicum erregte, war bisher ohne Beyspiel; man konnte sich nicht genug daran satt hören. Sie wurde bald von einem unserer besten Meister, Herrn Kucharz, in einen guten Clavierauszug gebracht, in blasende Parthieen, ins Quintett für Kammermusik, in deutsche Tänze verwandelt: kurz, Figaro's Gesänge wiederhallten auf den Gassen, in den Gärten, ja selbst der Harfenist auf der Bierbank musste sein Non più andrai tönen lassen, wenn er gehört werden wollte. Diese Erscheinung hat freylich grösstentheils in der Vortrefflichkeit des Werkes ihren Grund; aber nur ein Publicum, welches so viel Sinn für das wahre Schöne in der Tonkunst und so viel gründliche Kenner unter sich besitzt, konnte den Werth einer solchen Kunst auf der Stelle empfinden; dazu gehört auch das unvergleichliche Orchester der damaligen Oper, welches die Ideen Mozart's so genau und fleissig auszuführen verstand. Denn auf diese verdienten Männer, die zwar grösstentheils keine Concertisten, aber desto gründlichere Kenner und Orchester-Subjecte waren, machte die neue Harmonie, und der feurige Gang des Gesanges den ersten und tiefsten Eindruck. Der nunmehr verstorbene rühmlich bekannte Orchester-DirectorStrobach versicherte oft, dass er sammt seinem Personale bey der jedesmaligen Vorstellung so sehr ins Feuer gerathe, dass er trotz der mühsamen Arbeit mit Vergnügen von vorne wieder anfangen würde.[501]

Die Bewunderung für den Verfasser dieser Musik ging so weit, dass einer unserer edelsten Cavaliere und Kenner der Musik, Graf Johann Joseph Thun, der selbst eine vortreffliche Kapelle unterhielt, ihn nach Prag zu kommen einlud, und ihm Wohnung, Kost und alle Bequemlichkeiten in seinem Hause anbot. Mozart war zu sehr über die Wirkung erfreut, die seine Musik auf die Böhmen machte – zu begierig, eine Nation von einem solchen Musikgefühle kennen zu lernen, als dass er die Gelegenheit nicht mit Freuden ergriffen hätte. Er kam im Februar 1787 nach Prag: am Tage seiner Ankunft wurde Figaro gegeben, und Mozart erschien darin. Alsogleich verbreitete sich der Ruf von seiner Anwesenheit im Parterre, und so wie die Symphonie zu Ende ging, klatschte ihm das ganze Publicum Beyfall und Willkommen zu.

Mozarten wurde bey dieser Gelegenheit in Prag ein Sonett zu seinen Ehren übergeben, und er gewann daselbst durch Musik 1000 fl.

Le nozze di Figaro ward sogar mit untergelegtem wieder ins Französische übersetztem Texte zu seiner Musik 1793 in Paris aufgeführt. –

Ries hat in London eine grosse Phantasie über Ideen aus dem Figaro stechen lassen, so wie Andreas Romberg ein Potpourri für Violine nach Melodieen aus Don Juan herausgegeben hat.

Figaro machte erst wenig Glück. Besonders sagte man: Die Musik ist für eine komische Oper zu schwer und zu weit ausgesponnen. Eben so sey es mit Don Juan. Die Musik ist für eine romantische Oper zu[502] gelehrt, zu vollgestopft von künstlich gearbeiteter Harmonie.

Aber der Geist, aus dem sie beyde gequollen, der sie beyde erfüllt, mit dem beyde vollendet sind, ist vom ersten Augenblicke ihres Erscheinens selbst von des Meisters Feinden anerkannt worden.

Wenn der Geist da ist, und Dichter und Componist sogar zugleich das Pünktchen in Hinsicht auf herrschenden Zeitgeschmack und mitwirkende Zufälligkeiten treffen, dann macht das Werk sogleich Glück, und zwar um Beyder willen. Diess war der Fall später mit der Zauberflöte.

Mozart liess sich dann auf allgemeines Verlangen in einer grossen musikalischen Akademie im Operntheater hören. Nie sah man noch das Theater so voll Menschen, als bey dieser Gelegenheit; nie ein stärkeres einstimmiges Entzücken, als sein göttliches Spiel erweckte. Wir wussten in der That nicht, was wir mehr bewundern sollten, ob die ausserordentliche Composition, oder das ausserordentliche Spiel; Beydes zusammen bewirkte einen Total-Eindruck auf unsere Seelen, welcher einer süssen Bezauberung glich! Aber dieser Zustand lösete sich dann, als Mozart zu Ende der Akademie auf dem Pianoforte mehr als eine halbe Stunde phantasirte, und unser Entzücken auf den höchsten Grad gespannt hatte, in laute, überströmende Beyfalls-Aeusserung auf. Und in der That übertraf dieses Phantasiren Alles, was man sich vom Clavierspiele vorstellen konnte, da der höchste Grad der Composition mit der vollkommensten Fertigkeit im Spiele vereinigt ward. Gewiss, so wie diese Akademie für die Prager[503] die einzige ihrer Art war, so zählte Mozart diesen Tag zu den schönsten seines Lebens.


Wiener Allgem. musikal. Zeitung, Recension einer Fuge mit Vorspiel vom Abbé Stadler, im 3ten Hefte des Musée musical des Clavecinistes. Steiner und Comp. 1818.


Der Verfasser beginnt mit einem Vorspiele, das man eine Phantasie nennen könnte. Hier herrscht die heilige Ordnung der ersten Schöpfungstage: Alles ist so leicht fasslich, so wohl geordnet; ein ruhiges, melodiöses Thema, stets interessanter durch die natürlichste Harmoniefolge, durch den Wechsel der Begleitung, das, wie Arachne's Faden, ununterbrochen in einem fortgesponnen ist, nie eine Lücke gewahren lässt, sich bey jedem Einschnitte der Rhythmen gleichsam selbst neu gebiert und verjüngt; die zweckmässigste Anwendung und Benutzung aller contrapunktischen Künste, ohne den entferntesten Anstrich von Künsteley: so rieselt diese krystallische Quelle des Helikons sanft und anspruchlos fort. – Und so phantasirte auch oft der verewigte Mozart, wenn er, aufgefordert zum Spielen, im Kreise der ihn umringenden Menge nur ein paar seiner Auserwählten erschaute, die ihn zu verstehen fähig, seinem Geistesfluge zu folgen erkohren waren, denen er sich nun, unbekümmert und gedankenlos für alles Uebrige, ganz hingab, mit ihnen allein nur in den Hieroglyphen der Tonsprache redete, einzig für sie im unermesslichen Reiche der Klänge sein volles Herz ausströmte. Beethoven zeigt sich am Allervortheilhaftesten[504] in der freyen Phantasie. Es ist wirklich ganz ausserordentlich, mit welcher Leichtigkeit und zugleich Festigkeit in der Ideenfolge er auf der Stelle jedes ihm gegebene Thema nicht etwa nur in den Figuren variirt, sondern wirklich ausführt. Seit Mozart's Tode, der mir hier noch immer das non plus ultra bleibt, habe ich diese Art des Genusses nirgends in dem Maasse gefunden, als wie bey Beethoven.

Gerber sagt über Mozart's Spiel:

Der Geschmack und die Einsicht, womit er sein glänzendes Talent anwandte, indem die Ueberwindung der Schwierigkeiten immer den Regeln der Harmonie und Melodie, dem Ausdrucke, dem Reize der Neuheit und überhaupt der angenehmen und schönen Wirkung untergeordnet war, entfernen von ihm den Vorwurf, die musikalische Charlatanerie, oder Seiltänzerey befördert zu haben.

Die Symphonieen, die er für diese Gelegenheit setzte, sind wahre Meisterstücke des Instrumentalsatzes, voll überraschender Uebergänge, und haben einen raschen, feurigen Gang, so, dass sie alsogleich die Seele zur Erwartung irgend etwas Erhabenen stimmen. Diess gilt besonders von der grossen Symphonie in D dur und Es dur, die noch immer ein Lieblingsstück des Prager Publicums sind, obschon sie wohl hundert Mal gehört waren.

Eine Symphonie gehört der ganzen Kunstwelt an, eine Oper der Nation, in deren Sprache sie geschrieben worden. Don Juan ist kein deutsches Product, so wenig als Iphigenie in Aulis. Man nenne es nicht ein Meisterstück deutscher Kunst![505]

Der Opern-Unternehmer Bondini schloss zugleich mit Mozart den Accord zu einer neuen Oper für die Prager Bühne auf den nächsten Winter, welche dieser gern annahm, weil er erfahren hatte, wie gut die Böhmen seine Musik zu schätzen und auszuführen verstanden. Diess äusserte er oft gegen seine Prager Freunde. Er war überhaupt gern in Prag, wo ihn ein gefühlvolles Publicum und wahre Freunde, so zu sagen, auf den Händen trugen. Dem Opern-Orchester dankte er in einem Briefe an den damaligen Director Strobach sehr verbindlich, und schrieb seiner geschickten Ausführung den grössten Theil des Beyfalls zu, den seine Musik in Prag erhalten hatte. Dieser Zug seines Herzens, so unbedeutend er scheint, ist sehr schön; er giebt einen Beweis, dass Stolz, Eigendünkel oder Undankbarkeit seine Fehler nicht waren, wie man es so häufig an viel geringeren Virtuosen wahrnimmt.

Damals eilte die Tonkunst, von Mozart's Alles beseelendem Geiste empor gehoben, dem höchsten Ziele zu. Prag ward mit der Hoffnung gekrönt, in dieser Kunst dereinst Europa's Leitstern zu werden. Die damalige Höhe musikalischer Ausbildung dankte es fast allein ihm, der leider zu früh der Kunst entrissen wurde. Dieser Orpheus, der Alles, was den Künstler zur Vollendung führte, in sich vereinigte, weilte am liebsten im Kreise dortiger Kunstvertrauten und nannte das Prager Orchester oft das seinige. Seine Nähe fachte jeden Funken musikalischen Talentes zur hellen Flamme an, die kräftig empor loderte und den alten Ruf Prag's von Neuem gründete. Und es ist noch nicht dahin gekommen, alle[506] Keime zu ersticken, die sein belebender Hauch dem fruchtbaren Boden entlockte.

Im nämlichen Jahre 1787 gegen den Winter kam Mozart vermöge seines Accordes wieder nach Prag, und vollendete da die Krone aller seiner Meisterwerke, die Oper: Il dissoluto punito, oder Don Giovanni. Vollendet hatte er sie den 28sten Octbr. bis auf die Ouverture. Den 4ten November wurde sie zum ersten Male gegeben. Die Böhmen sind stolz darauf, dass er durch eine so erhabene und aus der Tiefe seines Genie's geschöpfte Musik ihren guten Geschmack erkannte und ehrte. »Don Juan ist für Prag geschrieben – mehr braucht man nicht zu sagen, um zu beweisen, welchen hohen Begriff Mozart von dem musikalischen Sinne der Böhmen hatte. Es gelang ihm auch vollkommen, diesen Sinn zu treffen und zu rühren; denn keine Oper hat sich hier in einem gleichen Wohlgefallen so lange auf dem Theater erhalten, alsDon Juan. Es sind nun mehr als 41 Jahre, seit sie gegeben wird, und noch immer hört man sie mit Vergnügen, noch immer lockt sie eine zahlreiche Versammlung. Kurz, Don Juan ist die Lieblingsoper des bessern Publicums in Prag. Als Mozart bey der ersten Vorstellung derselben an dem Clavier im Orchester erschien, empfing ihn das ganze bis zum Erdrücken volle Theater mit einem allgemeinen Beyfallklatschen. Ueberhaupt bekam Mozart in Prag bey jeder Gelegenheit grosse und unzweydeutige Beweise der Hochachtung und Bewunderung, welche gewiss ehrenvoll waren, weil nicht Vorurtheil oder Mode, sondern reines Gefühl seiner Kunst daran Theil hatte. Man[507] liebte und bewunderte seine schönen Werke; wie konnte man gegen die Person ihres grossen Schöpfers gleichgültig bleiben? –

Die Ouvertüre zu Don Juan ist keine Thüre zu jeder Oper, sie führt uns nur zu Don Juan ein, und ist wie eine passende Vorrede, die uns über den Inhalt und Plan des Werkes nöthigen Aufschluss giebt, nur zu diesem Kunstwerke passend geschrieben. Kennte man auch den Inhalt der Oper nicht näher, man würde schon hinlänglich durch sie belehrt, dass schauerlich Ernstes darin mit frevlem Muthwillen in abentheuerlicher Mischung abwechselt. So bereitet uns das Grave schon auf den grausen Inhalt mehrer Scenen vor, auf Mord, Geister-Erscheinung und Höllenfahrt. Dagegen entwickeln sich auch in dem stufenweisen heitern Gange des Allegro die lustigen Situationen mit allen ihren Verwickelungen durch das ganze Stück. Welche Einheit der Idee in der Durchführung, welche Klarheit, welche unerreichbare Fülle von Harmonie! Wie das Alles zusammenhängt, in einander greift, und dabey sich fliessend fort bewegt, bald in mächtigen rauschenden Strömen, bald in zarteren Wogungen einer glänzenden Instrumentirung, auf Wirkung und Charakter gleich vortrefflich angelegt! Das nenne ich mir eine Ouvertüre, und so sind sie alle, die Mozart zu seinen Opern geschrieben hat.

Bekanntlich geht die Ouverture zu Don Juan am Ende ruhig in den Gesang des Leporello über. Darum setzte der selige Musik-Director Cannabich, um sie auch getrennt von der Oper aufführen zu können, einen eigenen kräftigen Schluss dazu, und[508] man vermisst darin Mozart's Geist nicht, denn er wusste ihn nur mit dessen eigenen Gedanken glücklich auszuführen.

Don Juan ist eine Legende in Pater Kochem's Geschmacke, zu der Mozart's herrliche, nur hier und da zu gekünstelte Musik eben so passt, als Raphaels Manier zu den Ideen eines Tenier und Callot. Ungeachtet das Ganze eine Mönchsposse ist, ergriff mich die Scene auf dem Kirchhofe mit Grausen. Mozart scheint die Sprache der Geister Shakespear'n abgelernt zu haben. Es war dumpfer, schauerlicher Grabeston, der aus der Erde zu kommen schien; man wähnte die Schatten der Abgeschiedenen aus ihren Behältnissen hervorgehen zu sehen.

Der geniale Hofmann sagt von Don Juan: »Es ist eine hohe menschliche Natur, die, gleich Faust, vergebens in der Liebe Befriedigung der Sehnsucht zu finden geglaubt, sich nun in den Strudel des sinnlichen Genusses wirft, zum Teufel der Verführung wird, und die Töchter Evens eben so unwiderstehlich anzieht, als die Klapperschlange die kleinen Thiere: hohe Kraft des Geistes muss sich mit physischer Macht in dem gefallenen Engel vereinen. Don Juan ist der Prüfstein, die Wasser- und Feuerprobe der Operisten und ihrer Begleitung. Es ist die grösste aller Opern: Handlung und Musik schreiten unzertrennlich fort: innere Nothwendigkeit bindet Eins an das Andere.«

Der Triumph des unsterblichen Meisters also bleibt immer Don Juan, besonders wenn man ihn mit jener Würde und dem Ernste aufführt, den das[509] Sujet und der ganze Gang des Poems fordert, und wenn man nicht zuletzt, um ja bey jedem Verständigen allen vorigen Eindruck zu verlöschen, Pater Kochem's Hölle mit Teufeln in Allongeperücken auf die Bühne bringt.

Don Juan est le plus bel exemple de la musique expressive.

»Wir bedauern Dich,« sagt die Leipziger Allg. musikal. Zeitung, »zauberischer Mozart, in Deinen Texten Così fan tutte, Figaro, Don Juan6

Die Ouverture von Don Juan componirte Mozart erst in der Nacht vor der ersten Aufführung. Die gelehrte Dacier hatte den Aristophanes mehre hundert Male gelesen, ehe sie, noch immer zu voreilig, die Behauptung wagte, dass sie ihn nun völlig verstehe. Je öfter wir diese Oper hören und in uns aufzunehmen streben, desto lebendiger werden wir überzeugt, dass sie als ein Werk des ächten, vollendeten Genie's, als eine unendlich reiche, wunderbare Welt, niemals ganz aus verstanden werden könne, sondern immer noch der fernern Betrachtung neuen Spielraum werde vergönnen müssen.

Don Juan erhielt Anfangs in Wien nicht den verdienten und ausgezeichneten Beyfall, wie der gleichzeitige Axur, von Salieri, woran wohl zum Theil Schuld war, dass sie weder so gut besetzt, noch ausgeführt wurde, als nöthig und recht war.[510] Don Juan ist eine schauerlich romantische Volkssage, von ihrem Schöpfer selbst Opera buffa genannt.

Wer ein Beyspiel will, wie Tonsetzer mit Glück malen, der betrachte die die Welt verlachende und den Himmel anstürmende Ouverture! Die der Zauberflöte nicht, denn diese ist eine freye Fuge, wovon weiter unten bey dieser Oper gesprochen werden soll.

Das Sextett im Don Juan ist das erstaunenswertheste Product, welches der menschliche Geist in dem lyrisch-dramatischen Style hervorgebracht hat, sagt Castil-Blaze.

Don Giovanni und Idomeneo schätzte Mozart unter allen seinen Opern am höchsten. Zwar sind die Verfasser verzüglicher Werke aller Art nicht immer die richtigsten Beurtheiler ihrer Werke. Sie bringen vielleicht die darauf verwandte Arbeit stärker in Anschlag, als der Kunstrichter, der das Kunstwerk nur als das, was es ist, beurtheilt; oder sie verfertigten das Werk unter ihnen besonders interessanten Umständen, deren Andenken sich bey ihnen an das Werk knüpft; dergleichen man auch von Tizian weiss, der seine weniger vollendeten Jugendarbeiten höher schätzte, als seine gelungensten. Bringt man aber bey Bestimmung des Werthes eines Kunstwerks das besonders in Anschlag, dass es die eigenste Individualität, den reinsten und festesten Charakter des Genius seines Verfassers darstellt, so ist Mozart's Urtheil über seine beyden Opern unstreitig das richtigste, was gefällt werden kann. Dass er so über sie urtheilte, hörte man von ihm[511] nur zuweilen, denn er sprach ungern und kurz von seinen Arbeiten. Von Don Giovanni sagte er: Für die Wiener ist diese Oper nicht, für die Prager eher, aber am meisten für mich und meine Freunde geschrieben.

Fast unbegreiflich, aber zuverlässig ist's, dass er die Ouvertüre dieser Oper, die für die vortrefflichste von allen, die er geschrieben hat, anerkannt wird, in einer Nacht, und zwar in der Nacht vor der ersten öffentlichen Aufführung schrieb, so dass die Copisten kaum bis zur Stunde der Aufführung fertig wurden, und das Orchester sie ohne vorher gehaltene Probe spielen musste.

Don Giovanni gefiel Anfangs in Wien nicht sonderlich. Als in Wien in einer zahlreichen Gesellschaft, worin auch J. Haydn war, viel über das Stück gesprochen worden war, und Einige es anerkannt hatten, dass es das schätzbarste eines reichen Genie's und einer unerschöpflichen Phantasie wäre, Andere dagegen es für zu voll, zu chaotisch, Andere es zu unmelodisch oder für zu ungleich gearbeitet erklärt hatten (Urtheile, an denen irgend etwas Wahres ist), wurde Jos. Haydn veranlasst, zu sprechen. Dieser sagte: Ich kann den Streit nicht ausmachen, aber das weiss ich – setzte er sehr lebhaft hinzu – dass Mozart der grösste Componist ist, den die Welt jetzt hat! worauf die andern Kritiker alle schweigen mussten.

Auf gleiche Weise handelte Mozart auch gegen J. Haydn. Die sechs Quartetten, die er ihm gewidmet hat, gehören unter das Allervorzüglichste, was nicht nur Mozart schrieb, sondern was überhaupt in[512] dieser Gattung existirt. Seine späteren Quartetten sind zwar galanter, concertirender; in jenen aber ist jede Note gedacht, desshalb müssen sie pünktlich executirt und keine Figur darf verändert werden. Seine Dedication selbst ist ein schöner Beweis seiner Bescheidenheit und seiner innigen Verehrung Haydn's. »Das war Schuldigkeit, – sagte er – denn ich habe von Haydn erst gelernt, wie man Quartetten schreiben müsse.«

Nie sprach Mozart ohne Achtung von Haydn, wenn gleich Beyde an einem Orte lebten, und es an Veranlassungen zu gegenseitiger Eifersucht gar nicht fehlte.

Ein gewisser, damals erst bekannt werdender, nicht ungeschickter, fleissiger, aber ziemlich geniearmer Componist, der erst später nach Mozart's Tode mehr Ruf gewonnen, nagte immer nach Möglichkeit an Haydn's Ruhme, und that es wahrscheinlich noch später auch. Dieser Mann überlief Mozarten oft, brachte ihm z.B. Symphonieen, Quartetten von Haydn's Composition, hatte sie in Partitur gesetzt, und zeigte nun Mozarten mit Triumph jede kleine Nachlässigkeit im Style, welche jenem Künstler, wiewohl selten, entwischt war. Mozart wendete immer so ein Gespräch ab. Endlich wurde es ihm aber zu arg. – Herr – sagte er äusserst heftig – und wenn man uns Beyde zusammenschmilzt, wird doch noch lange kein Haydn daraus!

So haben immer wirklich grosse Männer anderen grossen Männern ihr Recht widerfahren lassen. Nur wer heimlich sich selbst schwach fühlt, sucht dem, der über ihn steht, eine Schwäche abzulauern, um[513] ihn, wenn es möglich wäre, zu sich herabzuziehen, weil er sich zu ihm zu erheben unfähig ist.

»Möchte es doch (sagt der Sammler in Grätz vom 25sten July 1818) der Hoftheater-Direction gefallen, uns dieses Meisterwerk nach der Original-Partitur hören zu lassen, wo hinter der Katastrophe mit Don Juan noch ein schönes Duett und ein herrlicher fugirter Schluss-Chor folgen. Die Schaulustigen, um derentwillen man früher das jetzige, damals auch zweckmässige7 Ende wählte, besuchen diese Oper nicht mehr, und die Verehrer von Mozart's Genius würden eine solche restitutionem in integrum nur mit freudigen Gefühlen aufnehmen.«

Die Musik soll nicht erzählend seyn. – Ja, wenn die Erzählung gedrängt und leidenschaftlich ist, und vom Componisten mehr in recitativischer, als Arien-Schreibart gesetzt wird, kann sie grossen Effect thun. Man erinnere sich z.B. an die Scene im Don Juan, wo Donna Anna ihrem Geliebten den Mord ihres Vaters und die vorhergehenden Angriffe auf ihre Person beschreibt.

Don Juan, die Oper aller Opern, ist der Schlüssel, mit dem Mozart sich den Tempel des Nachruhms für ewige Zeiten aufgeschlossen hat.

Durch Don Juan rettete Mozart den Bondini, so wie später durch die Zauberflöte den Schickaneder.


Durch die so dienstgefällige Freundschaft des Hrn. Fried. Dionys Weber, Professors am Conservatorium[514] zu Prag, wurde mir nebst mehren wichtigen Beyträgen, wofür ich ihm öffentlich meinen wärmsten Dank abstatte, auch folgender Aufsatz zu Theil:


Vorrede zu einer böhmischen Uebersetzung der Oper Don Juan, von J.N. Stiepanek, welche die Geschichte ihrer Entstehung, Aufführung und ihres Erfolges in Prag, wie auch mehrere sich darauf beziehende Anekdoten enthält.


Die Oper Don Juan ist ein Product des Mozart'schen unsterblichen Genie's. Der Ruhm dieses Meisterstücks der Tonkunst verbreitete sich zuerst von Prag aus in die ganze gebildete Welt, und von ihrem Schöpfer giebt selbst der grosse Haydn das Zeugniss, dass Mozart der grösste Compositeur sey, den die Welt aufzuweisen hätte. Da nun Mozart diese Oper für die Böhmen schrieb, so will ich dieser meiner Uebersetzung derselben eine kurze Nachricht von ihrem Entstehen und von ihren Fortschritten vorsetzen, in der Hoffnung, den Böhmen, meinen Landsleuten, einen Gefallen damit zu erweisen. Das italienische Gedicht Don Juan verfasste Abbate da Ponte, Dichter der K.K. Wiener italienischen Opern-Gesellschaft, unter dem Titel: Il dissoluto punito; ossia: Il Don Giovanni, und zwar nach dem spanischen Mährchen: El Combidado de piedra des Tirso de Molina, und nach dem französischen Lustspiele des Molière, welcher ebenfalls dieselbe Quelle benutzte. Früher aber hatte schon da Ponte auf allerhöchsten Befehl Le Nozze di Figaro nach einem französischen Lustspiele geschrieben, und dann auch La Clemenza di Tito umgearbeitet, welche beyde[515] Opern Mozart durch seine Musik ungemein beliebt gemacht hat.

Die Oper: Le Nozze di Figaro wurde im Jahre 1786 von der Bondini'schen Operngesellschaft auf das Prager Theater gebracht und mit einem solchen Beyfalle aufgenommen, der nur mit demjenigen, welchen nachher die Zauberflöte erhielt, verglichen werden kann; und in der That hat nur diese Oper den damaligen traurigen Umständen des Unternehmers voll kommen aufgeholfen. Der Enthusiasmus, den sie jedes Mal bey dem Publicum erregte, war ohne Beyspiel. Der Orchester-Director, Herr Strobach, versicherte oft, dass er sammt seinem Personale bey der jedesmaligen Vorstellung so sehr in Eifer gerathe, dass er, trotz der mühsamen Arbeit, mit Vergnügen wieder von vorn anfangen würde.

Die Bewunderung dieser Musik war so allgemein und so gross, dass Joh. Jos. Graf v. Thun Mozarten nach Prag zu kommen eingeladen, und ihm Wohnung, Kost und alle Bequemlichkeiten in seinem Hause angeboten hat. Mozart, über die Wirkung seiner Oper auf die Böhmen sehr erfreut, wurde begierig, eine Nation von einem solchen Musikgefühle kennen zu lernen, und nahm diese Einladung an. Er kam im Februar 1787 nach Prag, und zwar an demselben Tage, als seine Oper Figaro gegeben wurde, und erschien sogleich im Theater. Kaum verbreitete sich die Kunde, dass Mozart gegenwärtig sey, so klatschte das sämmtliche Publicum Beyfall und Bewillkommung dem Schöpfer eines so vortrefflichen Werkes zu. Während dieses seines Aufenthaltes liess sich Mozart auch auf allgemeines Verlangen[516] in einer grossen musikalischen Akademie im Operntheater auf dem Pianoforte hören, in welcher alle Stücke, die aufgeführt wurden, von seiner Composition waren. Wie sehr diese Aller Herzen ergriffen, lässt sich nicht schildern, sondern nur fühlen. Zum Schlusse der Akademie phantasirte Mozart auf dem Pianoforte eine gute halbe Stunde, und steigerte dadurch den Enthusiasmus der entzückten Böhmen auf das Höchste, so zwar, dass er durch den stürmischen Beyfall, den man ihm zollte, sich gezwungen sah, nochmals an das Clavier sich zu setzen. Der Strom dieser neuen Phantasie wirkte noch gewaltiger, und hatte zur Folge, dass er von den entbrannten Zuhörern zum dritten Male bestürmt wurde. Mozart erschien, und innige Zufriedenheit über die allgemein enthusiastische Anerkennung seiner Kunstleistungen strahlte aus seinem Antlitz. Er begann zum dritten Male mit gesteigerter Begeisterung, leistete, was noch nie gehört worden war, als auf einmal aus der herrschenden Todesstille eine laute Stimme im Parterre sich erhob, mit den Worten: Aus Figaro! worauf Mozart in das Motiv der Lieblings-Arie: Non più andrai far falone etc. einleitete und ein Dutzend der interessantesten und künstlichsten Variationen aus dem Stegreife hören liess, und somit unter dem rauschendsten Jubellaute diese merkwürdige Kunst-Ausstellung endigte, die für ihn gewiss die glorreichste seines Lebens und für die wonnetrunkenen Böhmen die genussreichste war.8[517] Ueberall, wohin er dann kam und wo er sich nur blicken liess, begegneten ihm die für ihn entbrannten Prager mit Hochachtung und Liebe. Gerührt über diese Freudetrunkenheit, in wel che sie Le Nozze di Figaro versetzt hatte, sagte er:Desswegen, weil mich die Böhmen so gut verstehen, so muss ich für sie eine Oper schreiben. Bondini nahm daher Mozarten bey seinem Worte und schloss mit ihm einen Accord auf diese Oper – für die Prager Bühne – zu dem nächsten Winter, und Mozart begab sich wieder nach Wien, wo er als K.K. Hof-Kammer-Compositeur bey Sr. Majestät dem Kaiser Joseph II. stand. Nach seiner Ankunft war er bald darauf bedacht, den Böhmen sein Versprechen zu lösen, und fing schon dort an, sich mit der Bearbeitung seinesDon Juan zu beschäftigen. Um aber seinem Werke die möglichste Vollkommenheit geben zu können, kam Mozart im Monate September 1787 zum zweyten Male nach Prag, wo er zuerst in den drey Löwen auf dem Kohlmarkte seine Wohnung nahm, nachher aber bey seinem Freunde Dussek wohnte, auf dessen Weinberge zu Kossir (Kosohirz) er sich auch meistens aufgehalten und dort seinen Don Juan geschrieben hat.

Während der Zeit also, als noch in dem Jahre 1787 zu Prag die Oper Le Nozze di Figaro in dem ständischen Theater aufgeführt wurde, welche Mozart selbst auch während der Anwesenheit Sr. Durchlaucht des Prinzen Anton von Sachsen und seiner GemahlinMaria Theresia, einer Schwester unseres KaisersFranz, bey voller Beleuchtung des ständischen Theaters, dirigirte, verfertigte er im 31sten[518] Jahre seines Alters seinen Don Juan. In der Production des Figaro hat Mozart den Gesang der Sängerin M** ein wenig forcirt, worüber sie sehr ungehalten zu seyn schien; anstatt sich bey ihr desswegen zu entschuldigen, rief er ihr nach geendigtem Gesange nur die zwey Worte zu: Bravo, Donnella! Diese neue italienische OperDon Juan wurde zum ersten Male also besetzt:


Don Giovanni – – – Sign. Lui. Bassi, (damals 22 Jahre alt.)

Donna Anna – – – Sigra Ter. Saporiti.

Donna Elvira – – – Sigra Cat. Micelli.

Don Ottavio – – – Sign. Ant. Baglioni.

Leporello – – – Sign. Felice Ponziani.

Don Pedro ed – Sign. Gius. Lolli.

Masetto – Sign. Gius. Lolli.

Zerlina – – – – – Sigra Ter. Bondini.


Aus dieser ganzen Gesellschaft sind nur noch Zwey am Leben: Herr Bassi, Vice-Directeur der Königl. italienischen Oper in Dresden, und Hr. Lolli in Wien. Mozart studirte selbst die Rollen mit einem jeden der genannten Mitglieder ein. Da nun bey der ersten Probe dieser Oper im Theater Sigra Bondini als Zerlina, zu Ende des ersten Actes, da, wo sie vom Don Juan ergriffen wird, nach mehrmaliger Wiederholung nicht gehörig und in dem wahren Augenblicke aufzuschreyen vermochte, so verliess Mozart das Orchester, ging auf die Bühne, liess die Scene noch einmal wiederholen und wartete den Augenblick ab, ergriff sie dann in demselben so schnell und gewaltig, dass sie ganz erschrocken[519] aufschrie. So ist es recht, sagte er dann, sie dafür belobend, zu ihr, so muss man aufschreyen.

Die Oper war nun einstudirt und sollte aufgeführt werden; aber Mozart hatte noch den Abend vor dem Tage ihrer ersten Production die Ouverture nicht fertig gehabt, und er war noch dazu spät in die Nacht in der Gesellschaft seiner Freunde, deren ängstliche Besorgniss desswegen ihn zu unterhalten schien. Endlich sagte einer seiner Vertrauten: Mozart, morgen soll Don Juan aufgeführt werden, und Du hast noch nicht die Ouverture fertig. Mozart stellte sich, als wenn er ein wenig verlegen wäre, ging darauf auf ein Nebenzimmer, wohin man ihm Notenpapier, Federn und Dinte geschaft hatte, fing an um Mitternacht zu schreiben und vollendete bis früh Morgens in wenig Stunden eine der vortrefflichsten aller seiner und aller anderen Ouverturen. Um 7 Uhr Abends, da die Oper angefangen werden sollte, waren die Copisten mit den Stimmen noch nicht fertig, man musste daher warten, und um ein Viertel auf 8 Uhr brachte man erst die Orchester- Stimmen noch voll von Streusand in das Orchester, zu welcher Zeit auch Mozart in dasselbe trat, um diese erste Production zu dirigiren. Die ganze sehr zahlreiche Versammlung empfing ihn mit einem allgemeinen Beyfallklatschen. Die Ouverture, welche zuvor gar nicht probirt werden konnte, fing nun an, das Wohlgefallen an derselben wurde immer grösser und grösser und verwandelte sich endlich in ein lautes Lobjauchzen. Während der Introduction sagte Mozart zu einigen ihm zunächst Stehenden: Es sind zwar viele Noten unter die Pulte gefallen, aber die Ouverture[520] ist doch recht gut von Statten gegangen. Diese Oper hat sich einen so allgemeinen Beyfall erworben, dessen sich noch keine andere rühmen kann, und von dieser Zeit an wird sie auf allen Theatern festlich aufgeführt. Nur in Prag, ihrem Geburtsorte, wurde sie in den ersten zehn Jahren (die italienische Operngesellschaft spielte im Jahre hindurch nur acht Monate), d.i. vom Jahre 1787 bis 1798 inclusive, theils in dem ständischen, theils in dem gräflich Thun'schen, unter dem Director Michele, theils in dem K.K. priv. Theater bey den Hyberneen 116 Mal aufgeführt; vom Jahre 1799 bis zur Uebergabe der Theater-Direction an Karl Liebich (im Jahre 1806, d.i. bis zur Auflösung der italienischen Operngesellschaft im Jahre 1807) noch 35 Mal italienisch; deutsch wurde sie gegeben vom Jahre 1807 bis zum Jahre 1825, 116 Mal; also von ihrem Anfange bis auf gegenwärtige Zeit, zusammen 257 Mal.

In dieser böhmischen Uebersetzung (in welcher ich mich streng nach der italienischen Original-Partitur, aus welcher Mozart selbst das erste Mal dirigirt hatte, und welche in dem Archive der Direction des Prager ständischen Theaters aufbewahrt wird, gehalten habe), welche mit Anfang Aprils (1825) im ständischen Theater zum Vortheile des neuen Armenhauses bei St. Bartholomäi aufgeführt wird, wird daher Don Juan zum 258sten Male gehört werden. Einige Scenen und Gesänge, welche Mozart später für die Wiener italienische Operngesellschaft componirt und auch der Prager Bühne mitgetheilt hat, als: im zweyten Acte, den Gesang des Leporello: [521] Ah! pietà, Signori miei etc. und sein Duett mit Zerlina: Per queste tue manine etc., wie auch die Arien der Donna Elvira: Mi tradì quell' alma ingrata etc. und des Don Ottavio im ersten Acte: Dalla sua pace etc. habe ich nicht unterlassen, gehörigen Orts einzuschalten, um meiner Uebersetzung die möglichste Vollkommenheit zu geben. Eben auch habe ich im ersten Acte die 7te Scene, in welcher der Gerichtsdiener, und im zweyten Acte die 21ste Scene, in welcher der Kaufmann zu thun hat (welche Scenen in der deutschen Uebersetzung dieser Oper so angemessen angebracht sind), nicht ausgelassen, weil dadurch der Charakter desDon Juan so sehr beleuchtet wird. Was den prosaischen Dialog anbelangt, so habe ich denselben eben falls nach den ursprünglich italienischen Recitativen herausgezogen, und mit Rücksicht auf die theatralische Darstellung umgearbeitet und nach dem gegenwärtigen Operngeiste dem Gesange angepasst.

Das Wohlgefallen an der Oper Don Juan ist noch immer dasselbe, wie es im Anfange war: noch jetzt ist es ein wahres Vergnügen, diese Oper zu hören, denn in ihr schmilzt die Schönheit des Gesanges mit Anmuth, Lieblichkeit und kraftvoller Harmonie so lieblich zusammen, in ihr werden alle Schönheiten und Schätze der Tonkunst dargestellt, und zwar in einer solchen Vollkommenheit, dass sie sowohl den Kunstkenner als auch den Kunstfreund ungemein angenehm ergreifen. D. Sievers in Paris urtheilt über Mozart'sDon Juan so: »Don Juan ist der Schlüssel, mit welchem sich Mozart den Tempel des ewigen Ruhmes geöffnet hat, er ist das Product,[522] in welchem Alles vollendet ist, was der menschliche Geist in seinem Innersten wahrnehmen und empfinden kann; aus ihm wehet uns der Geist mit seinem Athem an, mit dem Athem des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, welcher selbst am jüngsten Tage dem Gewissen des Ruchlosen furchtbare und zerknirschende Posaunentöne verkündigt. Mozart ist es, welcher hier Beweise liefert, dass die Producte eines wahren Genie's keiner Zeit und keiner Mode unterworfen, sondern dass sie Producte für die Ewigkeit sind.

J.N. Stiepanek,


Director und Mitunternehmer des

ständischen Theaters zu Prag.

Prag,

den 12. März 1825.


Zu Anfange des Jahres 1787 schreibt der Vater seiner Tochter: »Wolfgang trägt mir an, seine zwey Kinder für Bezahlung zu mir zu nehmen, da er im halben Fasching eine Reise durch Deutschland nach England machen möchte, wo er nicht ungeneigt zu bleiben scheint; aber sein gewesener Scholar Attwood soll ihn vorher in London etwas Gewisses ausmachen, einen Contract über eine Oper, oder Subscriptions-Concerte. Madame Storon wird ihm das Maul wässerich gemacht haben, und mit ihrer Gesellschaft und seinen Scholaren den Gedanken anfangs erweckt haben. Da ich ihm aber väterlich geschrieben, dass er auf der Reise im Sommer Nichts gewinnen und zu unrechter Zeit nach England kommen würde, 2000 fl. im Sacke haben, und sicher Noth leiden müsse, da der Storon gewiss die erste Oper schreiben wird, so mag er den Muth verlieren.«
[523]

Am 28sten May dieses Jahres 1787 verlor Mozart seinen Vater. Diesem durch die musikalische Erziehung seines Sohnes für die Kunstgeschichte ewig denkwürdigen Manne wurde das Glück nicht zu Theil, seines Sohnes Meisterwerk: Il Dissoluto punito, o.s. il Don Giovanni, zu hören, oder doch wenigstens die Nachricht von dieser Oper über ihren errungenen ungetheilten höchsten Beyfall erleben zu können.

Von Mozart's Briefen spricht noch dieser einzige an seinen Vater, da die übrigen alle an seine Schwester gerichtet sind:


Wien, den 4. April 1787.


Mon très cher Père!


Diesen Augenblick höre ich eine Nachricht, die mich sehr niederschlägt – um so mehr, als ich aus Ihrem letzten Briefe vermuthen konnte, dass Sie sich, Gott Lob, recht wohl befänden. – Nun höre ich aber, dass Sie wirklich krank seyen! Wie sehnlich ich einer tröstenden Nachricht von Ihnen selbst entgegen sehe, brauche ich Ihnen doch wohl nicht zu sagen, und ich hoffe es auch gewiss, obwohl ich es mir zur Gewohnheit gemacht habe, mir immer in allen Dingen das Schlimmste vorzustellen. Da der Tod, genau genommen, der wahre Endzweck unsers Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, dass sein Bild nicht allein nichts Schreckendes mehr für mich hat, sondern sehr viel Beruhigendes und Tröstendes! Und ich danke meinem Gott, dass er mir das Glück gegönnt[524] hat, mir die Gelegenheit zu verschaffen, ihn als den Schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit kennen zu lernen. Ich lege mich nie zu Bette, ohne zu bedenken, dass ich vielleicht (so jung als ich bin) den andern Tag nicht mehr seyn werde; und es wird doch kein Mensch von Allen, die mich kennen, sagen können, dass ich im Umgange mürrisch oder traurig wäre; und für diese Glückseligkeit danke ich alle Tage meinem Schöpfer, und wünsche sie vom Herzen Jedem meiner Mitmenschen.

Ich hoffe und wünsche, dass Sie sich, während ich dieses schreibe, besser befinden werden; sollten Sie aber wider alles Vermuthen nicht besser seyn, so bitte ich Sie, mir es nicht zu verhehlen, sondern mir die reine Wahrheit zu schreiben oder schreiben zu lassen, damit ich so geschwind als es menschenmöglich ist, in Ihren Armen seyn kann: ich beschwöre Sie bey Allem, was uns heilig ist. Doch hoffe ich bald einen trostreichen Brief von Ihnen zu erhalten, und in dieser angenehmen Hoffnung küsse ich Ihnen sammt meinem Weibe und dem Carl 1000 Mal die Hände, und bin ewig etc.


Wien, den 16. Juny 1787.


Liebste, beste Schwester!


Dass Du mir den traurigen und mir ganz unvermutheten Todesfall unsers liebsten Vaters nicht selbst berichtet hast, fiel mir gar nicht auf, da ich die Ursache leicht errathen konnte. – Gott habe ihn bey sich! – Sey versichert, meine Liebe, dass, wenn Du Dir einen guten, Dich liebenden und schützenden Bruder wünschest, Du ihn gewiss[525] bey jeder Gelegenheit in mir finden wirst. – Meine liebste, beste Schwester! wenn Du noch unversorgt wärest, so brauchte es dieses Alles nicht. Ich würde, was ich schon tausend Mal gedacht und gesagt habe, Dir Alles mit wahrem Vergnügen überlassen; da es Dir aber nun, so zu sagen, unnütz ist, mir aber im Gegentheil es zu eigenem Vortheil ist, so halte ich es für Pflicht, auf mein Weib und Kind zu denken.


Im Jahre 1789 im April machte Mozart durch Prag über Leipzig und Dresden nach Berlin eine Reise mit dem Fürsten von Lichnowsky, seinem Scholar, der ihm Platz in seinem Wagen bis Berlin angetragen hatte. Diese Reise dauerte bis zum 4ten Juny, wo er dann wieder zu den Seinigen nach Wien zurückkehrte. Schon von Prag aus schrieb er seiner Frau den 10ten April:


Heute Mittags um halb zwölf Uhr sind wir hier glücklich angekommen. Nun folgt der Rapport von Prag. – Ich ging zu Guardassoni, welcher es auf künftigen Herbst fast richtig machte, mir für die Oper 200, und 50 Ducaten Reisegeld zu geben. Ramm ist erst vor acht Tagen von hier wieder nach Hause; er kam von Berlin und sagte, dass ihn der König sehr oft und zudringlich gefragt hätte, ob ich gewiss komme, und da ich halt noch nicht kam, sagte er wieder: ich fürchte, er kömmt nicht. Ramm wurde völlig bange, er suchte ihn des Gegentheils zu versichern. Nach diesem zu schliessen, sollen meine Sachen nicht schlecht gehen.
[526]

Der grosse Ruf seines Namens ging ihm somit voran, und man fand sich nirgends in der Erwartung getäuscht, die er überall erregt hatte. Der damalige König von Preussen, ein freygebiger Kenner und Freund der Tonkunst, war ganz für ihn eingenommen und gab ihm ausgezeichnete Beweise seiner Achtung. Wie wahrhaft und dauernd dieselbe gewesen sey, beweiset die königliche Grossmuth, mit welcher dieser Monarch später die Wittwe Mozart's in Berlin aufnahm und unterstützte.

In Leipzig wurde Mozart gebeten, ein öffentliches Concert zu geben, und er fand sich bereitwillig dazu. Hier verdient die Probe von seinem gegebenen Concerte eine besondere Erwähnung, wovon Rochlitz als Augenzeuge Folgendes erzählt:

Ueber Nichts klagte Mozart heftiger als über »Verhunzung« seiner Compositionen, hauptsächlich durch Uebertreibung der Schnelligkeit des Tempo. »Da glauben sie, hierdurch soll's feurig werden; ja, wenn's Feuer nicht in der Composition steckt, so wird's durch's Abjagen wahrlich nicht hinein gebracht.«

Besonders unzufrieden war er desshalb mit den italienischen Sängern. »Sie jagen oder trillern oder verschnörkeln, weil sie nicht studiren und keinen Ton halten können.«

Den Abend vor der Probe seines öffentlichen Concerts in Leipzig hörte ich ihn sehr lebhaft darüber declamiren.

Den folgenden Tag bey der Probe bemerkte ich dennoch, dass er den ersten Satz, das Allegro einer seiner Symphonieen, sehr schnell nahm. Kaum[527] zwanzig Tacte waren gespielt, und das Orchester hielt das Tempo zurück und schleppte. Mozart rief Halt! und sagte, worin man fehlte, rief Ancora, und fing eben so geschwind an. Der Erfolg war derselbe. Er that Alles, das Tempo gleich fort zu halten, und stampfte ein Mal den Tact so gewaltig, dass ihm eine Schuhschnalle in Stücke zersprang. Alles umsonst. Er lachte über sei nen Unfall, und liess die Stücke liegen, rief nochmalsancora und fing zum dritten Male in demselben Tempo an. Die Musiker wurden unwillig auf das kleine blasse Männchen, das sie so hudelte, arbeitete erbittert darauf los, und nun ging es.

Alles Folgende nahm er gemässigt. Noch mehr: der brave Mann wollte sich nun auch wieder die Liebe des erzürnten Orchesters gewinnen, ohne jedoch die gute Wirkung seines Eifers zu verscherzen. Er lobte also nun das Accompagnement und sagte: Wenn die Herren so zu spielen vermöchten, brauche er seine Concerte nicht zu probiren – denn die Stimmen sind richtig geschrieben. Sie spielen richtig und ich auch: was braucht's beym Accompagnement mehr! – Und das Orchester accompagnirte wirklich bey der Production das angeführte äusserst schwere und intricate Concert ohne Probe, und zwar nun vollkommen richtig, denn es spielte mit Ehrfurcht gegen Mozart, und mit möglichster Delicatesse, denn es spielte aus Liebe zu ihm.

Nach der Probe sagte er zu einigen Kennern: »Wundern Sie sich nicht über mich. Es war nicht Caprice. Ich sah aber, dass die meisten Musiker bejahrte Leute sind. Es wäre des Schleppens kein[528] Ende geworden, wenn ich sie nicht erst ins Feuer getrieben und böse gemacht hätte. Vor lauter Aerger thaten sie nun ihr Möglichstes.«

Da Mozart dieses Orchester nie spielen hörte, so zeugte diese Manier von nicht unbedeutender Menschenkenntniss; mithin war er ja nicht in Allem, was nicht Musik war, ein Kind, wie man so oft schreibt.

In diesem Concerte, welches drey Jahre vor seinem Tode war und den 12ten May 1789 aufgeführt wurde, gab er nur Compositionen von sich, die meist nur im Manuscript existirten, besonders das sanft heiternde reitzende Concert aus B dur (componirt den 30sten September 1784). Madame Duscheck aus Prag sang die äusserst schwierige und recht eigentlich für diese Sängerin geschriebene Scene mit obligatem Fortepiano. Im zweyten Theile spielte er das prachtvollste und schwierigste aller seiner bisher bekannt gewordenen Concerte aus C dur (componirt den 4ten December 1786), welches die Wittwe nach seinem Tode herausgab, vielleicht das prachtvollste aller Concerte, die je geschrieben worden sind. Theils durch den Geist der Composition, theils durch den Glanz und dann wieder durch die herzzerschmelzende Zartheit seines Vortrags verschaffte er den Zuhörern einen herrlichen Genuss.

Um dem gewöhnlichen Stehlen seiner Arbeit vorzubeugen, spielte er von einer Clavierstimme, die nichts als einen bezifferten Bass enthielt, über den nur die Hauptideen ausgeschrieben waren, die Figuren und Passagen leicht angedeutet; so sehr[529] konnte er sich auf sein Gedächtniss und auch auf sein Gefühl verlassen.

Am Ende des Concerts wünschten Einige, ihn noch allein spielen zu hören; und der gefällige Mann, der schon zwey Concerte und eine obligate Scene gespielt, überdiess zwey Stunden accompagnirt hatte, setzte sich hin und spielte, um Allen Alles zu werden. Er begann einfach, frey und feyerlich in C moll (componirt den 20sten May 1785). Da er hier mehr auf den Kenner Rücksicht genommen hatte, senkte er sich im Fluge seiner Phantasie nach und nach herab, und beschloss mit den nun gedruckten Variationen aus Es dur (Cah. II. S. 43. bey Breitkopf und Härtel in Leipzig).

Demohngeachtet brachte ihm das Concert nicht die Kosten heraus, denn der Saal war fast leer. Kein Wunder! Denn er stand zu hoch über seine Zeit, als dass sie ihn hätte würdigen, ja nur fassen können.

Alles, was ihn kannte, hatte Freybillets erhalten, und gewiss die Hälfte derselben ist mit solchen eingetreten. Mozart achtete nicht im geringsten darauf, denn er hätte nicht besser gestimmt seyn können, wenn der Saal gedrängt voll von Bezahlenden gewesen wäre. Da er kein Chor gab, so waren, der Sitte nach, die ziemlich zahlreichen Chorsänger von der freyen Entrée ausgeschlossen. Verschiedene kamen und fragten bey dem Billetier nach. – »Ich will,« sagte dieser, »bey dem Herrn Kapellmeister fragen.« »O lassen Sie herein! immer herein!« antwortete Mozart, »wer wird es mit so Etwas genau nehmen!«[530]

Oft und gern, erzählt Rochlitz weiter, war Mozart bey Doles, dem Cantor an der Thomasschule in Leipzig. Hier liess er sich ganz gehen, nahm Nichts übel, wie ihm Andere auch nicht. Er sollte von hier auf einige Tage nach Dresden reisen. Am Vorabende speis'te er bey Doles und war sehr lustig. Doles, traurig, wie er weggehen wollte, drang in ihn mit den Worten: »Wer weiss, ob wir Sie wieder sehen: geben Sie uns eine Zeile von Ihrer Hand.« Mozart, gegen alles Ankommen und Abschiednehmen ziemlich gleichgültig, hielt sich über ihr Pimpeln auf, und wollte schlafen gehen, statt zu schreiben. Zuletzt sagte er doch: »Nun, Papa, so geben Sie mir ein Stück Papier!« Dieses war gleich da, Mozart riss es in zwey Hälften, setzte sich und schrieb fünf oder sechs Minuten. Dann gab er dem Vater die eine und dem Sohne die andere Hälfte. Auf dem ersten Blatte war ein dreystimmiger Canon in langen Noten, ohne Worte. Wir sangen die Noten: der Canon war trefflich und sehr wehmüthig. Auf dem zweyten Blättchen war gleichfalls ein dreystimmiger Canon, aber in Achteln und auch ohne Worte; wir sangen ihn und fanden diesen trefflich und sehr drollig. Jetzt bemerkten wir und freueten uns, dass beyde zusammen gesungen werden konnten, und also ein sechsstimmiges Ganzes ausmachten. Nun die Worte, sagte Mozart, und schrieb unter dem ersten: Lebet wohl, wir sehn uns wieder, und unter dem zweyten: Heult noch gar wie alte Weiber. So wurden sie noch ein Mal durchgesungen, und es ist nicht zu sagen, welch eine lächerliche und doch tief, fast ergrimmt einschneidende, also[531] vielleicht erhaben-komische Wirkung diess auf uns Alle machte, und irr' ich nicht, auch auf ihn selbst; denn mit etwas wilder Stimme rief er: »Adieu, Kinder!« und – war fort.

Diese Kleinigkeit giebt einen neuen Beweiss, mit welcher Freyheit sein Genie in den Untiefen der Harmonie lebte und webte, denn ein so ungemein schweres musikalisches Rechen-Exempel, wenn es auch nichts weiter als das gewesen wäre, nach reichlicher Mahlzeit in wenig Minuten zu lösen, will viel sagen. Auch lässt dieser Vorgang einen gewissen Zug seines Charakters durchblicken.

Als Mozart in Leipzig einmal Nachmittags in der Thomaskirche ganz unbemerkt die Orgel spielte, machte sein Meisterspiel auf den hinter ihm stehenden Cantor Doles, einen Schüler Bach's, einen solchen Eindruck, dass er mit Rührung äusserte, er habe geglaubt, der alte Bach sey wieder aufgestanden.

Mozart war bis jetzt, ungeachtet seines grossen Ruhmes, ohne Anstellung, ohne sichere Einkünfte. So bekannt auch sein Talent war, so sehr man seine Compositionen suchte: so wenig dachte man daran, ihn zu belohnen und zu unterstützen. Er hatte zwar oft beträchtliche Einnahmen gehabt; aber bey der Unsicherheit und Unordnung der Einkünfte, bey den häufigen Kindbetten und den langwierigen Krankheiten seiner Gattin, in einer Stadt wie Wien, musste Mozart doch im eigentlichen Verstande darben. Er beschloss daher, Wien zu verlassen, wo sich keine Stelle für ihn fände. Sein Plan war, nach England zu gehen, wo er ein besseres Schicksal um so mehr erwarten konnte, als ihm oft von da Einladungen und[532] lockende Anträge gemacht wurden; oder auch nach Berlin, wohin ihn der König wiederholt hatte laden lassen. Es kam an die Reise nach Berlin, die er mit dem Fürsten Lichnowsky, seinem Scholaren im Galanteriespiel und Generalbass, der ihm einen Platz in seinem Wagen anbot, machte.

Aus einem seiner Briefe von Berlin aus sieht man, dass er in Potsdam gewesen, nach Leipzig zurück gegangen, und wieder in Berlin war.


»Die Königin will mich am Dienstage hören,« schreibt er vom 23sten May, »da ist aber nicht viel zu machen. Ich liess mich melden, weil es gebräuchlich ist und sie es mir sonst übel nehmen würde. Du musst Dich bey meiner Rückkunft schon mehr auf mich, als auf das Geld freuen. 100 Friedrichsd'or (die scheint er also vom Könige bekommen zu haben) sind 700 Wiener Gulden. Lichnowsky musste forteilen, und so habe ich in dem theuren Potsdam selbst zehren müssen; auch habe ich Jemanden, dem ich es nicht abschlagen konnte, 100 fl. geliehen. Dazu kömmt, dass die Akademie in Leipzig, wie ich immer sagte, schlecht ausgefallen ist. Lichnowsky liess mir aber keine Ruhe, ich musste hin. Hier in Berlin ist mit einer Akademie nicht viel zu machen: der König sieht es nicht gern. Du musst also mit mir und diesem zufrieden seyn, dass ich so glücklich bin, bey dem Könige in Gnaden zu stehen. Was ich Dir da geschrieben habe, bleibt unter uns.«

Als Mozart das zweyte und letzte Mal in Berlin ankam, war es gegen Abend. Kaum ausgestiegen, fragte er: Giebt's diesen Abend nichts von Musik hier?

[533] Marqueur. O ja, so eben wird die deutsche Oper angegangen seyn!

Mozart. So? Was geben sie heute?

Marqueur. Die Entführung aus dem Serail –

Mozart. Scharmant! rief er lachend.

Marqueur. Ja! Es ist ein recht hübsches Stück. Es hat's componirt – wie heisst er nun gleich –

Indessen war Mozart im Reiserocke, wie er war, schon fort. Im Theater bleibt er ganz am Eingange des Parterre stehen, um da ganz unbemerkt zu lauschen. Bald freuet er sich zu sehr über den Vortrag einzelner Stellen, bald wird er aber auch unzufrieden mit dem Tempo, bald machen ihm die Sänger und Sängerinnen zuviel Schnörkeleyen – wie er's nannte; kurz, sein Interesse wird immer lebhafter, und er drängt sich bewusstlos immer näher und näher dem Orchester zu, indem er bald diess, bald jenes, bald leiser, bald lauter brummt und murret, und dadurch den Umstehenden, die auf das kleine unscheinbare Männchen im schlechten Oberrocke herabsehen, Stoff genug zum Lachen giebt – wovon er aber natürlich nichts weiss. Endlich kam es zu Pedrillo's Arie: Frisch zum Kampfe, frisch zum Streite etc. Die Direction hatte entweder eine unrichtige Partitur, oder man hatte darin verbessern wollen und der zweyten Violine bey den oft wiederholten Worten: Nur ein feiger Tropf verzagt, Dis statt D gegeben. Hier konnte Mozart sich nicht länger halten; er rief fast ganz laut in seiner freylich nicht verzierten Sprache: Verflucht! wollt Ihr D greifen! – Alles sahe sich um, auch Mehre aus dem Orchester. Einige von den Musikern erkannten[534] ihn, und nun ging es wie Lauffeuer durch das Orchester, und von diesem auf die Bühne: Mozart ist da! – Einige Schauspieler, besonders die sehr schätzbare Sängerin Madame B., die die Blondine spielte, wollte nicht wieder heraus auf das Theater. Diese Nachricht lief rückwärts an den Musik-Director, und dieser sagte sie in der Verlegenheit Mozarten, der nun rasch bis hinter ihn vorgerückt war. Im Augenblicke war dieser hinter den Coulissen: Madam, sagte er zu ihr, was treiben Sie für Zeug? Sie haben herrlich, herrlich gesungen, und damit Sie's ein andermal noch besser machen, will ich die Rolle mit Ihnen einstudiren.

Als es in Berlin bekannter wurde, dass Mozart da sey, wurde er überall, besonders auch von Friedrich Wilhelm II. äusserst günstig aufgenommen. Dieser Fürst schätzte und bezahlte bekanntlich nicht nur Musik ungemein, sondern war wirklich – wenn auch nicht Kenner, doch geschmackvoller Liebhaber. Mozart musste ihm, so lange er in Berlin war, fast täglich vorphantasiren und öfters auch mit einigen Kapellisten Quartett in des Königs Zimmer spielen. Als er einmal mit dem König allein war, fragte ihn dieser, was er von der Berliner Kapelle halte. Mozart, dem nichts fremder als Schmeicheley war, antwortete: »Sie hat die grösste Sammlung von Virtuosen in der Welt; auch Quartett habe ich nirgends so gehört, als hier: aber wenn die Herren alle zusammen sind, könnten sie es noch besser machen.« Der König freuete sich über seine Aufrichtigkeit, und sagte ihm lächelnd: Bleiben Sie bey mir, Sie können es dahin bringen, dass sie es noch besser[535] machen! Ich biete Ihnen jährlich drey tausend Thaler Gehalt an. – Soll ich meinen guten Kaiser ganz verlassen? – sagte der brave Mozart und schwieg gerührt und nachdenkend. Man bedenke, dass der gute Mozart den Kaiser nicht verlassen wollte, der ihn damals noch darben liess. Auch der König schien hierbey gerührt, und setzte nach einer Weile hinzu: »Ueberlegen Sie sich's – ich halte mein Wort, auch wenn Sie in Jahr und Tag erst kommen sollten.«

Der König erzählte nachher dieses Gespräch verschiedenen Personen, unter andern auch der Gattin Mozart's selbst, als sie nach ihres Mannes Tode nach Berlin kam, und von dem Gönner ihres verstorbenen Mannes sehr ansehnlich unterstützt wurde.

Mozart reis'te, voll von diesem Vorschlage, nach Wien zurück. Er wusste, dass ihn hier wieder Neid, Kabale mancherley Art, Unterdrückung, Verkennung und Armuth erwarten würden, da er vom Kaiser damals noch so gut als Nichts Gewisses bekam. Seine Freunde redeten ihm zu – er wurde zweifelhaft. Ein gewisser Umstand9, den ich nicht erzähle, an dem Mozart sich selbst nicht rächen wollte – bestimmte ihn endlich. Er ging zum Kaiser und bat um seine Entlassung. Joseph, dieser so oft verkannte, so oft geschmähte Fürst, dem seine Fehler von seinen Unterthanen erst aufgezwungen und eingepresst wurden, dieser liebte Musik und besonders Mozart'che Musik von Herzen. Er liess[536] Mozarten jetzt ausreden und antwortete dann: Lieber Mozart, Sie wissen, wie ich von den Italienern denke: und Sie wollen mich dennoch verlassen?

Mozart sah ihm ins ausdrucksvolle Gesicht und sagte gerührt: Ew. Majestät – ich – empfehle mich zu Gnaden – ich bleibe! Und damit ging er nach Hause.

Aber, Mozart, sagte ihm ein Freund, den er dann traf und dem er den Vorgang erzählte, warum benutztest Du denn nicht die Minute und verlangtest wenigstens festen Gehalt?

Der Teufel denke in solcher Stunde daran! sagte Mozart unwillig.

Kaiser Joseph kam später aber selbst auf die Idee, Mozarten, der bis jetzt nur Anwartschaft auf einträgliche Stellen und einen Titel hatte, – einen wenigstens erträglichen Gehalt zu bestimmen, und befragte darüber seinen Kammerdiener Strack, der seinem sparsamen Fürsten gefällig seyn wollte, den er aber freylich hier am wenigsten hätte befragen sollen. Auf die Frage des Kaisers, der, wie jeder grosse Herr, nicht wusste, was zum Leben eines Bürgers gehörte, und dem eine Null, mehr oder weniger, nicht viel mehr als eine Null war, – auf die Frage, wie viel man für Mozarten anweisen müsse, schlug Jener 800 fl. jährlich vor. Der Kaiser war es zufrieden und die Sache war abgemacht. Mozart bekam also nun jährlich 800 fl. –in Wien. Die Verbesserung seiner Lage war dadurch unbeträchtlich; denn sein Miethzins war im Jahre 1785 schon 460 fl. Und dennoch blieb er nach wie vor bey Joseph und erinnerte[537] diesen mit keinem Worte an dergleichen Verhältnisse.

Im August 1787 schrieb Mozart seiner Schwester:


»Um Dir über den Punkt in Betreff meines Dienstes zu antworten, so hat mich der Kaiser zu sich in die Kammer genommen, folglich förmlich decretirt, einstweilen aber nur mit 800 fl.: es ist aber Keiner in der Kammer, der so viel hat. – Auf dem Anschlagzettel, da meine Prager Oper Don Giovanni (welche eben heute wieder gegeben wird) aufgeführt wurde, auf welchem gewiss nicht zu viel steht, da ihn die K.K. Theater-Direction herausgiebt, stand: »Die Musik ist von Herrn Mozart, Kapellmeister in wirklichen Diensten Seiner K.K. Majestät.«

Mozart war also K.K. Kammer-Compositeur mit 800 fl., mit der Zusicherung, dass auf ihn in der Zukunft Bedacht genommen werden würde, und da Mozart nie trotzig seyn konnte, so nahm er es willig an und blieb. Das Anstellungs-Decret lautet vom 7ten December 1787.

Ich überlasse es jedem Leser, darüber Beobachtungen anzustellen, um die Ursachen der langen Vernachlässigung eines so grossen Künstlers auszuforschen. An ihm lag die Schuld gewiss nicht; man müsste denn seinen geraden und offenen, zum Bücken und Kriechen untauglichen Charakter als Schuld an nehmen.

Mozart war zu edel, um zu kriechen, zu offen, um zu schmeicheln, zu stolz gewesen, um all' italiano zu betteln; – und dann war er ja nur ein – Deutscher.[538]

Ungeachtet seiner glänzenden, allgemein bekannten Talente, sagt Gerber, war sein Schicksal in Wien dennoch nichts weniger als beneidenswerth; denn um mit seiner Familie auszukommen, sah er sich genöthigt, Unterricht zu geben und für Geld zu componiren; und da ihm, bey seiner wenigen Aufmerksamkeit, seine Manuscripte oft entwendet und ohne sein Wissen und Vortheil gestochen wurden, so musste er um so mehr schreiben.

Als Mozart einst sein Einkommen, wie es im Oesterreichischen heisst, fatiren musste, schrieb er in ein versiegeltes Billet:


»Zu viel für das, was ich leiste; zu wenig für das, was ich leisten könnte.« – Der Hof hatte ihm nämlich in seiner Eigenschaft als Kammer-Compositeur niemals einen Auftrag gegeben.

Manche Biographen haben der Welt fälschlich gesagt, dass er bey der Vermählung des jetzigen Kaisers Franz I. zu dessen Kapellmeister mit 6000 fl. Gehalt ernannt worden sey.

Freyherr von Hormayr sagt im achten Bande seines österreichischen Plutarchs über Mozart: »Zu seinen vielen Neidern und Nebenbuhlern verhält er sich, wie der Rhein, ein schäumendes Alpenwasser, dem See, durch den ihn der Lauf zwingt, entkommen, nun donnernd, spiegelnd, mit tausendfältiger Schönheit ausgestattet, zu dem Rhein, der sich im batavischen Sande verliert.«

So viele Feinde und Neider auch jeden seiner Vorzüge durch Herabsetzung und Verläumdung zu verdunkeln bemüht waren: so vollkommen war dennoch der Triumph seiner Kunst bey unbefangenen,[539] von dem Roste der Mode unverletzten Seelen. Alle wahren Kenner der Tonkunst huldigten seinem Genie, wovon Folgendes zeugt:

Der als Staatsmann und Gelehrter gleich verehrungswürdige Baron van Swieten, ein wahrer Kenner der Tonkunst, voll Gefühl für den ernsten Gesang des erhabenen Händel, liess oft die Werke dieses berühmten Tonkünstlers, die für den tändelnden Modegeschmack unserer Tage eine zu einfache Kost sind, in Privat-Concerten aufführen. Er bediente sich dazu der Talente unseres Mozart's, der die grossen Ideen Händels mit der Wärme seiner Empfindung zu beleben, und durch den Zauber seines Instrumental-Satzes für unser Zeitalter geniessbar zu machen verstand. Mozart bearbeitete für ihn Händels Acis und Galathea, den Messias, Cäcilia, und das Fest Alexanders in den Jahren 1788, 1789 und 1790. Swieten correspondirte oft über diese Angelegenheit mit Mozart und schrieb ihm einst unter andern vom 21sten März 1789:


»Ihr Gedanke, den Text der kalten Arie in ein Recitativ zu bringen, ist vortrefflich, und in der Ungewissheit, ob Sie wohl die Worte zurück behalten haben, schicke ich Ihnen sie abgeschrieben. Wer Händel so feyerlich und so geschmackvoll kleiden kann, dass er einerseits auch den Modegecken gefällt, und andererseits doch immer in seiner Erhabenheit sich zeigt, der hat seinen Werth gefühlt, der hat ihn verstanden, der ist zu der Quelle seines Ausdruckes gelangt, und kann und wird sicher daraus schöpfen. So sehe ich dasjenige an, was Sie leisteten, und nun brauche ich von keinem Zutrauen[540] mehr zu sprechen, sondern nur von dem Wunsche, das Recitativ bald zu erhalten.«

Der Messias und das Alexanderfest sind auf diese Weise bearbeitet in Partitur bey Breitkopf u. Härtel in Leipzig erschienen.

Mozart machte Händels Chöre zum Gegenstande seines Studiums und verschönerte (1788 bis 1790) dessen Oratorien durch zweckmässige Vermehrung der Instrumental-Begleitung, sagt Mosel.

Auf das Alexanderfest hat Mozart unverkennbar viel Liebe, bewundernswerthe Kunst und ausgezeichneten Fleiss verwandt. Händel war in der Nothwendigkeit, allen Recitativen und auch mehren Solosätzen einen und denselben Tenor zu geben, wodurch etwas Monotones in sie kommen musste. Die meisten Situationen und Scenen sind sehr locker und etwas wunderlich durch den Rhapsoden mehr zusammen gebracht, als zusammen gehalten.

Mozart liess 1) was nicht recht zusammenhängen wollte, vollends auseinander fallen und vertheilte die Parthieen an die verschiedenen Hauptstimmen ebenmässig und für den Effect der Musik ungleich vortheilhafter.

2) In dem in Händels Heimath, den Chören, entscheidenden Gesange hat er Nichts geändert, ausser das für die Sache Gleichgültige, was die Unterlegung des deutschen Textes nöthig machte. Seine ernste Ansicht, seine gerechte Würdigung des Verdienstes und seine Bedachtsamkeit sind hier bewiesen, wenn sie bey ihm des Beweises bedürften. Selbst abkürzen, wie er es sich bey einigen Arien des Messias unterstand, mochte er hier Nichts. Auch[541] ist das Werk im Ganzen, und bloss einige Hauptscenen abgerechnet, kurz gehalten, und schreitet ziemlich rasch fort. An diesem Theile der Händelschen Werke, am Gesange und vor Allem am Gesange der Chöre, die gleichgültigeren Zwischenarien abgerechnet, ist Alles gediegen, entschieden und eigenthümlich. Und in jedem Falle darf Händels Eigenthümlichkeit und der Charakter seiner Werke nicht durch eine andere Behandlung als die Mozart'sche einen ihrer Hauptvorzüge verlieren.

3) Ganz anders verhält es sich mit der Instrumentation. Diese war zu Händels Zeiten weit zurück: er hatte zwar starke, aber schlechte Orchester; wo er nicht im Texte bestimmte Aufforderung zu reicherer Ausarbeitung von dieser Seite und zu besonderer Benutzung verschiedener Instrumente für einen ganz eigenen Effect vorfand, pflegte er gleichgültig, ja oft selbst das gleichgültig zu behandeln, was er als Nebensache betrachtete.

Hier griff Mozart ein, indem er nicht etwa nur Verstärkungen durch Blas-Instrumente oder Ausfüllungen durch übergangene Mittelstimmen hinzusetzte, sondern indem er zwar das Quartett stehen liess, wie er es fand, und wo es unvollendet gelassen war, es ganz in Händels Schreibart vollendete; immer aber liess er mit bewundernswerther Kunst und grosser Delicatesse aus den Hauptfiguren der Stimmen für die Blas-Instrumente gleichsam einen kleinen Staat der Anmuth mit der alten Grösse der Kraft entstehen, und verband beyde durch gleiche Grundgesetze auf's Engste mit einander. Wie er diess ins Werk gerichtet, und wie es ihm gelungen,[542] weiss Jedermann, der seine Bearbeitung des Händelschen Messias kennt. In der Idee selbst ist es hier wie dort. Hier findet sich aber ein neuer Beweis von des Künstlers sicherm Blicke: in der Ausführung erscheint er hier weniger künstlich, weniger gelehrt, mehr schmeichelnd und den Effect auf ein gemischtes Publicum berücksichtigend, mithin eben so dem Charakter, dem Style und der Bestimmung dieses Händelschen Werkes angemessen, wie es dort dem Charakter, dem Style und der Bestimmungjenes angemessen war, so weit nämlich dieses, wie dort, der Sache selbst nach hergestellt werden konnte. Wer nicht will, dass solche Werke der vorigen Zeit bearbeitet werden sollen, der bedenke, dass sie dann gar zu leicht von den Repertorien weggewiesen werden, weil sich nicht Zuhörer genug finden würden; und ferner, dass Mozart ja diese Werke in Allem, was nur einigermaassen zu ihrem Wesentlichen gerechnet werden kann, ganz unverändert liess, und nur das Seine hinzusetzte. – Man hat also neben dem Neuen auch das Alte.

Im Jahre 1790 vollendete Mozart die Opera buffa:Così fan tutte, welche er im Frühjahre dieses Jahres für die italienische Oper in Wien unternahm. Man wundert sich allgemein, wie der grosse Geist sich herablassen konnte, an ein so elendes Machwerk von Text seine himmlisch süssen Melodieen zu verschwenden. Es stand nicht in seiner Gewalt, den Auftrag abzulehnen, und der Text war ihm ausdrücklich aufgetragen.

Die Franzosen gestehen der deutschen Musik, und an ihrer Spitze Mozarten eine unbedingt ihnen[543] überlegene Vortrefflichkeit zu: eine Vortrefflichkeit, die von ihnen bey allen Werken dieses Componisten mit Bereitwilligkeit anerkannt wird, obgleich der Genuss derselben in ihnen mehr mittelbar durch Verstandes-Operation, als durch unmittelbar menschliche Theilnahme sich zu erkennen giebt. Da das Colorit dieser Composition unter allen Werken Mozart's am meisten aus dem Verstande hervorgegangen zu seyn scheint, indem der freyern romantischen Behandlung durch den so witzigen Inhalt des Textes fast allenthalben Fesseln angelegt worden, so muss die Natur dieser Musik einem französischen Publicum auch schon desshalb mehr zusagen, wie viele dieser Art von seinen übrigen Arbeiten.

Così fan tutte, oder die Schule der Liebenden, ist ein geniales, kunst- und lebenvolles Werk; sie ist die lieblichste und scherzhafteste Musik Mozart's, voll Charakter und Ausdruck. Die Finale sind unübertrefflich. Wenn man den schlechten Text dieser Oper betrachtet, so muss man über die Fruchtbarkeit des Mozart'schen Genie's erstaunen, welches fähig war, ein so trockenes, einfältiges Sujet zu beleben und solche Schönheiten hervor zu bringen.

Der Türkenkrieg und der dadurch am 20sten Februar 1790 veranlasste Tod des unvergesslichen Josephs raubte auch Mozarten eine grosse Stütze seiner Hoffnungen; er blieb Kapellmeister mit 800 fl. und ohne Wirkungskreis!

Im Jahre 1790 reis'te Mozart zur Kaiserwahl nach Frankfurt. Nach Lipowsky hat er dort mit dem Musik-Director des Fürsten von Oettingen-Wallerstein, den er den Papa der Clavierspieler zu[544] nennen pflegte, dem Kammerjunker von Becke, ein Clavier-Concert zu vier Händen gespielt. Er scheint damals in sehr schlechten Umständen gewesen zu seyn, und diese Reise nur gemacht zu haben, um ihnen wo möglich aufzuhelfen. Aus Freundschaft nahm er seinen Schwager Hofer, einen geschickten Orchester-Geiger mit, der auch immer nothleidend war; diesem studirte er seine Quartetten ein, damit er ein Mittel hätte, sich Etwas zu verdienen, wozu er ihm Gelegenheit verschaffen wollte. Vom 28sten Septbr. schrieb er seiner Frau von Frankfurt aus: Mein Wagen (ich möchte ihm ein Busserl geben) ist sehr gut. In Regensburg speis'ten wir prächtig: wir hatten eine göttliche Tafel-Musik, eine englische Bewirthung und einen herrlichen Moslerwein. Nürnberg ist eine hässliche Stadt: Würzburg eine schöne und prächtige. Ich bin fest entschlossen, meine Sachen hier so gut als möglich zu machen, und freue mich dann herzlich zu Dir. Welch herrliches Leben wollen wir führen! Ich will arbeiten, so arbeiten, dass ich durch unvermuthete Zufälle nicht wieder in eine solche fatale Lage komme. Der letzte Antrag, der mir in Wien gemacht wurde, war, dass Jemand mir auf Hofmeisters Giro Geld hergeben woll te – 1000 fl. baar und in Tuch. Somit könnte Alles, und noch mit Ueberschuss bezahlt werden, und ich dürfte nach meiner Rückkunft nichts als arbeiten. Lasse dieses durch – betreiben.«

Der zweyte Brief ist vom 30sten September:


»Es wäre mir Sicherheits halber recht lieb, wenn ich auf des Hofmeisters Giro 2000 fl. bekommen könnte; Du musst aber eine andere als die wirkliche[545] Ursache vorwenden, nämlich: dass ich eine Speculation im Kopfe hätte, die Dir unbewusst wäre. Ich werde zweifelsohne gewiss Etwas hier machen. So gross aber, wie Du und verschiedene Freunde sich es vorstellen, wird es sicherlich nicht seyn. Bekannt und angesehen bin ich hier genug. Nun, wir wollen sehen. Ich liebe aber in jedem Falle das Sichere zu spielen, darum möchte ich gern das Geschäft mit Hofmeister machen, weil ich dadurch Geld bekommen und nicht zurück bezahlen darf, sondern bloss arbeiten, und das will ich ja meinem Weibchen zu Liebe gern. Ich freue mich wie ein Kind wieder zu Dir zurück. Wenn die Leute in mein Herz sehen könnten, müsste ich mich fast schämen. Es ist Alles kalt für mich – eiskalt. Ja, wenn Du bey mir wärest, da würde ich vielleicht an dem artigen Betragen der Leute gegen mich mehr Vergnügen finden, so ist es aber so leer.

P.S. Als ich die vorige Seite schrieb, fiel mir auch manche Thräne auf das Papier. Nun aber lustig! Fange auf – es fliegen erstaunlich viel Busserl herum. Was Teufel! ich sehe auch eine Menge – ha ha! ich habe drey erwischt, die sind kostbar!«

Vom 2ten Novbr. schrieb er von München aus:


»Ich habe, ungeachtet ich gern lange bey meinen alten Manheimer Freunden (Cannabich, Ramm, Marchandt) bleiben möchte, Dir zu Liebe nur einen Tag bleiben wollen. Ich muss aber mehrere Tage bleiben, weil mich der Churfürst wegen des Königs von Neapel zur Akademie gebeten hat, welches wirklich eine Auszeichnung ist. Aber eine schöne Ehre[546] für den Wiener Hof, dass mich der König in fremden Ländern hören muss! Verzeihe, dass ich Dir nicht so viel schreibe, als ich gern möchte. Du kannst Dir aber nicht vorstellen, wie das Gereisse um mich ist.«

Um diese Zeit rückte aber auch Mozart's Ende heran; er sollte den grossen Monarchen, über welchen sich Friedrich der Grosse folgendermaassen erklärte: »Kurz, es ist ein Kaiser, wie Deutschland lange keinen gehabt hat!« nicht lange überleben. Das Jahr 1791, furchtbar reich an grossen Todten, ward bestimmt, der Welt auch den Stolz der Tonkunst zu entreissen. Mozart's Todesjahr ist noch durch die Schöpfung seiner Werke vorzüglich merkwürdig. Gleichsam als wollte er noch vor seinem Ende die Fülle seines Geistes mit vollem Maasse in die Nachwelt säen, arbeitete er unablässig dem grossen Ziele zu, an dem er sein schönstes, vollendetstes, allen Forderungen der Aesthetik Genüge leistendes Werk – die Zauberflöte schuf. Die Composition der Clemenza di Tito und des furchtbar erhabenen Requiem fällt ebenfalls in dieses Jahr. Gewiss haben diese drey Werke ihm den ersten Platz unter den Tonkünstlern aller Zeiten und den Kranz der Unsterblichkeit errungen, und jedem Kenner der Tonkunst dringt sich beym Anhören dieser Werke unwillkürlich der Gedanke auf: Wie viel würde der Mann noch geleistet, welche Harmonieen würde er noch geschaffen haben!

Mozart schrieb nämlich innerhalb der vier letzten Monate seines Lebens, wo er schon kränkelte und zwey Reisen machte:[547]

1) Im July eine Clavier-Cantate: Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt.

2) Die Zauberflöte im July; den Priestermarsch und die Ouverture componirte er erst den 28sten September.

3) La Clemenza di Tito den 5ten September.

4) Ein Concert für die Clarinette für Hrn. Stadler.

5) Eine kleine Freymaurer-Cantate (den 15ten November), und

6) das Requiem, nebst noch vielen anderen kleineren Sachen, die weniger oder gar nicht bekannt geworden sind.

Schon über der ersten dieser Opern versank er, dem Tag und Nacht gleich war, wenn ihn der Genius ergriff – durch Anstrengung öfters in Ermattung und Minuten lange Ohnmacht und Bewusstlosigkeit.

Die Zauberflöte componirte er für das Theater des Schikaneder, der sein alter Bekannter war, auf dessen Bitte, um ihn aus seinen bedrängten Umständen zu retten. Die Dichtung ist von Schikaneder selbst, der auf diese Weise mit zur Unsterblichkeit hinüber geschleppt wurde.

Schikaneder war nämlich, theils durch eigene Schuld, theils durch Mangel an Unterstützung des Publicums, ganz herunter gekommen. Halb verzweifelnd kam er zu Mozart, erzählte seine Umstände und beschloss damit, dass nur er ihn retten könnte.

Ich? – Womit? –

Schreiben Sie eine Oper für mich, ganz im Geschmacke des heutigen Wiener Publicums; Sie können dabey den Kennern und Ihrem Ruhme immer[548] auch das Ihrige geben, aber sorgen Sie vorzüglich auch für die niedrigen Menschen aller Stände. Ich will Ihnen den Text besorgen, will Decorationen schaffen u.s.w., Alles, wie man's jetzt haben will –

Gut – ich will's übernehmen!

Was verlangen Sie zum Honorar?

Sie haben ja nichts! Nun – wir wollen die Sache so machen, damit Ihnen geholfen, und mir doch auch nicht aller Nutzen entzogen werde. Ich gebe Ihnen einzig und allein meine Partitur; geben Sie mir dafür, was Sie wollen, aber unter der Bedingung, dass Sie mir dafür stehen, dass sie nicht abgeschrieben werde. Macht die Oper Aufsehen, so verkaufe ich sie an andere Directionen, und das soll meine Bezahlung seyn. –

Der Herr Theater-Directeur schloss den Vertrag mit Entzücken und heiligen Betheurungen. Mozart schrieb emsig, schrieb brav und ganz nach dem Willen des Mannes. Man gab die Oper, der Zulauf war gross, ihr Ruf flog in ganz Deutschland herum, und nach wenigen Wochen gab man sie schon auf mehren auswärtigen Theatern, ohne dass ein Einziges die Partitur von Mozart erhalten hätte! Als Mozart die Betrügerey dieses Menschen erfuhr, war Alles, was er sagte: Der Lump! – und damit war es vergessen. Durch Undankbarkeit liess sich Mozart nicht stören; kaum Minuten lang wurde er unwillig darüber.

Die Musik der Zauberflöte hat sich mit einer so gewaltigen Superiorität an den Text angeschlossen, dass letzterer fast ganz verschwunden zu seyn scheint. Ihre mannigfaltigen Schönheiten verschmelzen[549] ohne alle schroffe Antithetik, wie die blühenden Farben des Regenbogens in einander, und sind immer nur Eins in ihrem üppigen Wechsel. Den ausgebreitetsten Ruhm erwarb sich Mozart durch diese Oper, wozu die theatralische Beschaffenheit mit beygetragen haben mag; denn wohl nur der kleinere Theil wusste diese Musik gehörig zu würdigen. Noch stehen die Zeugnisse des Enthusiasmus, sagt Gerber, für diese Oper in allen Schriften. Aber trotz der hundertfältigen Bemerkungen, die man in Zeit von sieben Jahren niedergeschrieben hatte, war es doch den Wenigsten aufgefallen, dass darin von den Priestern die ganze reine Choral-Melodie: Ach Gott vom Himmel sieh darein, und lass dich doch erbarmen etc. welche man dem D. Luther zuschreibt, durch und durch gesungen wird. Wenigstens hatte noch keine der hundert Federn, die über die Schönheiten und Eigenthümlichkeiten dieses Stücks in Bewegung gesetzt worden waren, diesen Umstand genau berührt, und nach so vielem Hören hatte man diesen in ein neumodisches Opernchor eingekleideten Choral, den jedes Kind mitsingen kann, weniger bemerkt! Wie musste ich aufhorchen, als die geharnischten Männer, unterstützt von Posaunen und Fagotten, die alte Choral-Melodie von Wolf Heinz:Christ, unser Herr, zum Jordan kam etc. anstimmten; da keiner der vielen Zergliederer dieser Oper ein Wort darob hatte fallen lassen.

Die Zauberflöte hat nicht allein Schikaneder, sondern auch noch andere Unternehmer vom Untergange gerettet. Die Ouverture ist eine freye Fuge, und ein für sich bestehendes, in sich gewundenes[550] Zauberbild von höchster Meisterschaft, in welches die drey Geisterrufe der Posaunen nur verbindend eingewebt sind, damit der Strahlenkranz des nach allen Compass-Ecken springenden Brillantfeuers – der fugirten Sätze – nicht das Auge verblendet, sondern den inwohnenden ernsten Geist im voraus ahnen lässt.

Die Höhe der Königin der Nacht ist ein Probierstein für hohe Kopfstimmen; denn melodischen Gesang und sanftes Tragen der Töne fand Mozart's Weisheit dieser racheschnaubenden Königin zu ertheilen nicht für gut.

Schikaneder pfuschte fast in jede seiner aufgeführten Opern hinein, strich den Tonsetzern manchmal die beste Stelle weg und setzte schlechte dafür hinzu. So musste sich auch Mozart seiner Kritik aussetzen, und hatte nicht wenig Verdruss auszustehen. Das Duett:Bey Männern welche etc. musste er sogar fünf Mal componiren, bis es Schikanedern gut genug war.

Mozart, sagt Alex. Dusch, ist der Genius, der das Zeitalter des Perikles in der Musik geschaffen und mit seinem frühen Tode wieder geschlossen hat. Die Verleger mögen kühn bey seinen Werken die alte unwürdige Politik verlassen und nur getrost die Jahreszahl des Verlags beyfügen.

In allen Theilen war mir die Zauberflöte geläufig, und doch bin ich bey einer neulichen Aufführung (im Jahre 1824) von dem Reize unerschöpflicher Neuheit ergriffen worden. Mich überraschten selbst die abgeleyerten Melodieen, die auf den Strassenorgeln zum Ekel geworden sind! Sie grünten[551] mir frisch an ihrer dramatischen Stelle, da ich sie im Ganzen hörte. Welche objective Dichtung, welche Darstellungskraft! Diese Töne zeichnen; sie geben Farbe, man hört und sieht zugleich, was und von wem es geschieht: sie sind verwachsen mit Situation und Charakter. Fliesst nicht im Gesange des Sarastro und in den Chören der Priester die reinste Sprache tiefer, von aller Leidenschaft abgetrennter Weisheit? Man kann sich nicht täuschen: nur eine beruhigte Welt von Eingeweihten singt solche Töne. Hört man dagegen die Königin der Nacht, zur Hälfte schon im Gesange ihrer verschleierten Damen gezeichnet; prächtig und stolz beginnt ihr Gesang, lockend gegen den Jüngling, den sie zu gewinnen strebt, und mit dem Flittergolde weiblicher Eitelkeit besetzt. Racheglühend, von allen finstern Leidenschaften aufgewühlt, als Mutter und Königin gebietend erscheint die Beherrscherin der Nacht in der zweyten Arie. Nur eine sternflammende Königin kann diese Arie singen. Wie zart und edel ist die Liebe des reinen Jünglings bey aller Festigkeit in seiner Prüfung gezeichnet! Welch ein Hauch der Unschuld und der Hingebung lebt in den Tönen der Pamina! Ist nicht die ganze lebenslustige Sinnlichkeit des Vogelfängers frisch und heiter in seiner Melodie wieder gegeben? Und wem passen wohl noch sonst jene himmlischen Gesänge der Genien an, als diesen ätherischen Wesen! Mögen ihre Theaterflügel ihnen noch so plump angeheftet seyn: man hört es, wie leicht sie der Zephyr trägt, und dass sie einem Zauberlande angehören. Wie ist endlich über das Ganze ein Farbenlicht und ein zarter[552] Duft gegangen, die uns in die mährchenhafte Welt versetzen!

Man hat Beyspiele, dass Opern von verschiedenen Componisten mehrmals anders, und auch von jedem in seiner Art verdienstlich in Musik gesetzt worden. Versuche man diess einmal mit einer Mozart'schen Oper! Hier ist die chemische Affinität der Töne zur Situation, zum Charakter und zu den Worten so gross, dass ihre Verbindung unauflöslich ist. Mozart hat den ganzen Menschen und seine Lage so tief und zugleich so individuell wieder gegeben, dass seine Musik die einzig wahrste ist, und jede andere daher würde mehr oder weniger ein allgemeiner Wachtmantel für die auszudrückenden Gefühle seyn. Man spiele irgend einen dramatischen Gesang Mozart's auf einem Instrumente; man wird nicht im Zweifel bleiben, dass dieser Gesang einem bestimmten Menschen in einer bestimmten Lage oder Handlung angehöre. Es bleibt menschliche Sprache, selbst auf dem Instrumente. Man singe dagegen manche Opern-Melodie sogar mit ihren Worten – sie wird nur als Instrumental-Musik erscheinen, die auf der Kehle gespielt wird. Es ist un möglich, dass Mozart das Geringste von seiner dramatischen Musik erfunden, bevor der Charakter, die Situation und die Worte vor ihm standen. Andere tragen den Kopf voll Opernmusik, nur verlegen, ein Sujet dazu zu finden. Es giebt noch immer Leute, die im Ernste behaupten, die Worte hätten bey einer Oper Nichts zu bedeuten, und es hat mich gewundert, dass sie sich, zum Beweiss ihrer Entbehrlichkeit für den Hörer, nicht auf die Mozart'sche Musik beriefen,[553] die nöthigen Falls auch ohne Worte verständlich ist, weil er die Worte gar wohl verstanden und gefühlt hat. Aber freylich waren sie bey ihm kein blosser Faden, um fertige Perlen daran zu reihen. Eben darum sind die Mozart'schen Opern auch so schwer, gut zu besetzen, weil er nicht bloss Kehlen, sondern ganze Menschen verlangt.

Alles, was Mozart schuf, trägt den eigenthümlichsten Charakter, und von seinem Ave verum Corpus bis zum Ländlertanze ist Alles mit dem Stempel des Genius bezeichnet. Nur wenige Jahre wirkte er, um sich ein unsterbliches Denkmal zu errichten.

Kurz vor der Krönung des Kaisers Leopold, and ehe Mozart den Auftrag, nach Prag zu reisen, erhielt, brachte ihm ein unbekannter Bote einen Brief ohne Unterschrift, der nebst mehren schmeichelhaften Aeusserungen die Anfrage enthielt: ob Mozart die Composition eines Requiem übernehmen wolle, und um welchen Preis, und binnen welcher Zeit er sie liefern könne?

Mozart, der ohne Vorwissen seiner Frau nicht den geringsten Schritt zu thun pflegte, erzählte ihr den sonderbaren Auftrag, und äusserte dabey seinen Wunsch, sich in dieser Gattung auch einmal zu versuchen, um so mehr, da der höhere pathetische Styl der Kirchenmusik immer sein Lieblingsstudium war. Seine Frau rieth ihm zur Annahme des Auftrags, und Mozart schrieb dem unbekannten Besteller zurück, dass er das Requiem für eine gewisse Belohnung verfertigen werde. Die Zeit der Vollendung könne er nicht genau bestimmen, doch wünsche er[554] den Ort zu wissen, wohin er das vollendete Werk abzuliefern habe. Nach einiger Zeit erschien derselbe Bote wieder, brachte nicht nur die bedungene Belohnung mit, sondern auch das Versprechen einer beträchtlichen Zulage bey Uebergabe der Partitur, da er mit seiner Forderung so billig gewesen sey. Uebrigens solle er ganz nach der Laune seines Geistes arbeiten. Doch solle er sich gar keine Mühe geben, den Besteller zu erfahren, indem es gewiss umsonst seyn werde.

Während dem erhielt Mozart den ehrenvollen und vortheilhaften Antrag, für die Prager zur Krönung des Kaisers Leopold die Opera seria: La Clemenza di Tito zu schreiben.

Eben als er mit seiner Frau in den Reisewagen stieg, stand der Bote gleich einem Geiste wieder da, zupfte die Frau am Rocke und fragte: »Wie wird es nun mit dem Requiem aussehen?« Mozart entschuldigte sich mit der Nothwendigkeit der Reise und der Unmöglichkeit, seinem unbekannten Herrn davon Nachricht geben zu können; übrigens werde es bey seiner Zurückkunft seine erste Arbeit seyn; es käme nur auf den Unbekannten an, ob er so lange warten wolle: und damit war der Bote gänzlich befriedigt. Die Musik zur Clemenza di Tito war von den böhmischen Ständen zur Krönung des Kaisers Leopold bestellt, nach dem Texte des Metastasio aber abgekürzt. Die Arbeit dieser Oper begann er in seinem Reisewagen auf dem Wege von Wien nach Prag, und vollendete sie in achtzehn Tagen in Prag. Schon in Prag kränkelte und medicinirte Mozart unaufhörlich. Seine Farbe war blass und sein Blick matt[555] und traurig, obschon sich seine frohe Laune im Zirkel vertrauter Freunde noch oft in fröhlichem Scherz ergoss.

Man scheint in Prag erst spät an diese Oper gedacht zu haben, denn die Zeit zur Bearbeitung derselben war so kurz, dass Mozart die unbegleiteten Recitative nicht selbst schreiben konnte, und jede davon gefertigte Nummer, so bald sie fertig war, sogleich in Stimmen aussetzen lassen musste, damit zu rechter Zeit das Ganze fertig war. Somit sah sich Mozart gezwungen, entweder ein mittelmässiges Ganzes zu liefern, oder nur die Hauptsätze sehr gut, und die minder interessanten leicht hin und bloss dem Zeitgeschmacke des grossen Haufens gemäss zu bearbeiten. Die Wahl selbst war leicht. Einen Beweis für die Richtigkeit seines Geschmacks und für seine Kenntniss des Theaters und des Publicums legte er dadurch ab, dass er die sehr gedehnte Verwechselung, welche bey Metastasio fast den ganzen zweyten Act füllte, wegschnitt, wodurch die Handlung einen raschern Gang bekömmt, das Ganze mehr concentrirt und dadurch weit interessanter in zwey mässig langen Acten vollendet wird, jedoch so, dass er auch, um mehr Mannigfaltigkeit in die einförmigste Abwechselung von Arien und Recitativen zu bringen, mehre dergleichen Sätze gegen das Ende des ersten Actes zusammenschmolz, und daraus das grosse Meisterstück, das Finale des ersten Actes bildete – eine Composition, die im Ganzen zwar nach einer Scene seines Idomeneo angelegt ist, aber Mozart's Shakespear'sche allmächtige Kraft sowohl im Grossen und Prachtvollen, als auch im Schrecklichen,[556] Furchtbaren und Erschütternden so unverkennbar und so bis zum Haar-Emportreibenden darlegt, als kaum das berühmte Finale des ersten Actes seines Don Juan. Um aus La Clemenza di Tito eine wahrhafte Oper zu machen, musste er also das ganze Werk umgestalten, was er mit aller poetischen Willkürlichkeit that, die ihm zu Gebote stand. Dieser Titus, der bey dem Dichter eine verschwimmende Weichlichkeit, ja, streng genommen, nicht eine Person, sondern eine blosse Sache ist, erhält von der Musik hier den Charakter sanfter Liebenswürdigkeit. Die im Stücke selbst schon einigen Anlauf machende Vitellia, um sich zur Erhabenheit zu steigern, die ihr aber missglückt, wird als solche rein und kräftig dargestellt; und die als alltägliches Stück und nur halb verwischt angedeutete Freundschaft zwischen Sextus und Annius erhebt sich hier schon im Duette des ersten Actes zu einer idealischen Zartheit. Allenthalben findet sich namenloser Zauber, der wie ein leichter Blüthenhauch aus dem Lande: »wo die Zitronen blühn,« über dem Ganzen schwebt. Alles einigt und bildet und vollendet sich in sich selbst. Wie in Göthe's Torquato Tasso, mit dem sich dieses Mozart'sche Kunstwerk wohl vergleichen lassen dürfte, ist hier die Synthese so rein und beschlossen, dass der Kritiker kaum wagen darf, zu analysiren. Ihm bleibt nur übrig, zu sagen, dass jede Analyse sich damit enden müsse, dass der Künstler nicht analysirt habe. Es war diess somit für Mozart gewiss ein sehr gewagtes Unternehmen, da das Ganze so gebrechlich war, welches umzuschaffen er sich aufgab. Bey Allem dem schrieb Mozart den Titus[557] bey hinschwindenden Kräften, denn sein Genius war im Abnehmen begriffen, und mit seinem siechenden Körper musste die Energie seines Geistes um so mehr ermatten. Daher schreibt sich die einzelne Instrumental-Begleitung, die stille Erhabenheit und Schwermuth in den Melodieen und dem Charakter des Titus, und daher auch die Umschaffung der von Metastasio gestalteten drey Acte der Oper in zwey von Mozart, der sonst so gern componirte, sich über Alles verbreitete und allenthalben die Schätze seines Genie's verschwenderisch austheilte; denn in seinem musikreichen Don Juan componirte er nach Fertigung des Ganzen dennoch ein halbes Dutzend Stücke nach, so dass man kaum weiss, wie man sie bey der Vorstellung unterbringt; und hier im Titus strich er einen ganzen Act! – Ja, er schmolz nicht allein den ersten und dritten Act wohl oder übel an einander, sondern er liess auch die dialogisirenden Recitative von seinem Schüler Süssmayr fertigen.

Diese Oper, die jetzt noch immer mit dem grössten Entzücken gehört wird, gefiel bey ihrer ersten Vorstellung nicht so sehr, als sie es verdiente. Ein Publicum, von Tanz, Ball und Vergnügen aller Art und dem prunkenden Geräusche des Krönungsfestes betäubt, konnte unmöglich für die einfachen Schönheiten Mozart'scher Kunst Sinn haben. Ueberhaupt erfordert der Genuss dieses Kunstwerkes eine reingestimmte Seele und ein vollkommen ruhiges Gemüth, es wirkt nur nach und nach, und nur wiederholtes und aufmerksames Hören weihet allmählig in seine erhabenen Mysterien ein.[558]

Beym Abschiede in dem Zirkel seiner Freunde war Mozart so wehmüthig, dass er Thränen vergoss; es schien ein ahnendes Vorgefühl seines nahen Todes diese schwermüthige Stimmung hervorgebracht zu haben – denn er trug schon damals den Keim der ihn bald hinraffenden Krankheit in sich.

Hierher gehören noch einige Anekdoten und Charakterzüge Mozart's während seines Aufenthalts in Prag.

Als Mozart 1787 die erste Probe von seiner Oper Don Juan hielt, liess er bei den Stellen des Comendatore: Di rider finirai, etc. und: Ribaldo audace etc., welche bloss mit drey Posaunen begleitet waren, inne halten, weil einer von den Posaunisten seine Stimme nicht richtig vortrug. Da es nach wiederholtem Versuche noch nicht besser ging, verfügte sich Mozart zu dessen Pulte und erklärte ihm, wie er es ausgeführt zu haben wünschte, worauf dieser ganz trocken antwortete: »Das kann man nicht so blasen, und von Ihnen werd' ich es auch nicht erst lernen.« Mozart erwiederte lächelnd: Gott bewahre mich, Sie Posaune lehren zu wollen; geben Sie nur die Stimmen her, ich werde sie gleich abändern. Er that diess und setzte auf der Stelle noch zwey Hoboen, zwey Clarinetten und zwey Fagotten dazu.

Mozart, während er 1791 die Krönungs-Oper: La Clemenza di Tito schrieb, besuchte fast täglich mit seinen Freunden ein unweit seiner Wohnung gelegenes Kaffeehaus, um mit Billardspielen sich zu zerstreuen. Man bemerkte einige Tage lang, dass er während dem Spielen ein Motiv ganz leise für[559] sich mit: hm hm hm sang, mehrmals während der Andere spielte, ein Buch aus der Tasche zog, flüchtige Blicke hineinwarf und dann wieder fortspielte. Wie erstaunt war man, als Mozart auf einmal seinen Freunden in Duschek's Hause das schöne Quintett aus der Zauberflöte zwischen Tamino, Papageno und den drey Damen, das gerade mit demselben Motive beginnt, welches Mozarten während des Billardspielens so beschäftigt hatte, auf dem Claviere vorspielte. Nicht nur ein Beweiss von der immerwährenden Thätigkeit seines schöpferischen Geistes, die selbst mitten in Vergnügungen und Zerstreuungen nicht unterbrochen wurde, sondern auch von der Riesenkraft seines Genie's, das so verschiedenartige Gegenstände zu einer und derselben Zeit zu bearbeiten vermochte. Bekanntlich hatte Mozart die Zauberflöte schon unter der Feder, bevor er nach Prag reis'te, um da La Clemenza di Tito zu componiren und aufzuführen.

Von dem ausserordentlichen Gedächtnisse, das Mozart besaass, dürfte Folgendes einen Beweis liefern. Zu dem Finale des zweyten Actes zu Don Juan schrieb er die Trompeten- und Paukenstimmen, ohne die Partitur vor sich zu haben, bloss aus dem Gedächtnisse, brachte sie selbst in das Orchester und gab sie den betreffenden Individuen mit den Worten: »Ich bitte Sie, meine Herren, bey dieser Stelle besonders aufmerksam zu seyn; denn, es werden entweder vier Tacte zu viel oder zu wenig seyn. Und richtig, es traf ein, dass bey der angezeigten Stelle diese Instrumente mit den übrigen nicht übereinkamen.[560]

Mozart ward vom Grafen P** ersucht, für die adeligen Gesellschafts-Bälle, welche derselbe leitete, einige Contratänze zu schreiben. Er versprach es, allein es wollte immer nichts erfolgen. Der Graf gebrauchte daher die List und liess Mozart zu Tische laden, mit dem Bedeuten, dass diess Mal eine Stunde früher als gewöhnlich würde gespeis't werden. So wie Mozart zur bestimmten Zeit erschienen war, liess der Herr vom Hause sogleich die erforderlichen Schreibmaterialien bringen, und drang auf's Neue in ihn, seine Bitte, für den Ball, der den folgenden Tag statt finden sollte, zu erfüllen. Mozart, auf diese Weise in Anspruch genommen, setzte sich ohne weiteres zum Schreibepult, und war in weniger als einer halben Stunde mit vier Contratänzen für das grosse Orchester fertig.

Im Jahre 1787 componirte Mozart während des Kegelspiels in dem vor der Stadt gelegenen Garten seines Freundes Duschek mehre Stücke zu der Oper Don Juan. Wenn die Reihe des Spiels ihn traf, stand er auf; allein kaum war diess vorüber, so arbeitete er sogleich wieder fort, ohne durch Sprechen und Lachen derer, die ihn umgaben, gestört zu werden.

Im Jahre 1791 war mit Mozart zu gleicher Zeit der Clavierspieler W** in Prag, um sich da auf dem Pianoforte hören zu lassen. Als man Mozart den Concertzettel, worauf derselbe als sein Schüler angekündigt war, überreichte, sagte er: »Der junge Mann spielt recht brav, aber ich habe keinen Antheil daran; vielleicht hat er von meiner Schwester Etwas profitirt.«[561]

Als Mozart zu Prag im Gasthofe, das neue Wirthshaus genannt, wohnte, hörte er da einen fertigen und allgemein beliebten Harfenisten, der die Gäste mit den Favoritstücken aus der so beliebt gewordenen Oper Le Nozze di Figaro und eigenen Phantasieen, obschon er nicht nach Noten spielte, zu unterhalten pflegte. Mozart liess ihn auf sein Zimmer kommen und spielte ihm ein Thême auf dem Pianoforte vor, mit der Frage: Ob er wohl im Stande wäre, über dasselbe aus dem Stegreife Variationen zu machen? Dieser besann sich eine kleine Weile, bat Mozart, ihm das Thême noch ein Mal vorzuspielen, und variirte dasselbe wirklich mehre Male, worüber Mozart seine Zufriedenheit äusserte und ihn sehr reichlich beschenkte. Da dieses Thême, welches Mozart wahrscheinlich auf der Stelle erfand, bis jetzt nirgends als in dem Gedächtnisse dieses nunmehr bejahrten Harfenisten aufzufinden war, so entriss ein eifriger Verehrer Mozart's es der Vergessenheit dadurch, dass er es in Noten übertrug, und somit sein Daseyn für immer sicherte. Der Besitzer bewahrt es wie das kostbarste Kleinod.

Beweise von Liebe und Verehrung erhielt Mozart häufig und aller Art. G.R. S** kannte persönlich einen reisenden Virtuosen auf der Harfe, einen innigen Freund und Verehrer Mozart's. Als dieser auf seiner Kunstreise von dem Tode Mozart's in Kenntniss gesetzt wurde, zerschlug er seine Harfe, und kam ohne Instrument, und mit dem Vorsatze nach Wien zurück, die Musik ganz zu verlassen, da er sie durch Mozart's Tod ohnediess für verloren hielt. Nur nach längerer Zeit und aufgedrungener[562] Weise nahm er eine andere ihm geschenkte Harfe an, und spielte einmal in einem Privatzirkel.


Nach Mozart's Zurückkunft von Prag nach Wien nahm er sogleich seine Seelenmesse vor, und arbeitete mit ausserordentlicher Anstrengung und einem lebhaften Interesse daran; aber seine Unpässlichkeit nahm in demselben Verhältnisse zu und stimmte ihn zur Schwermuth. Mit inniger Betrübniss sah seine Gattin seine Gesundheit immer mehr hinschwinden. Als sie eines Tages an einem schönen Herbsttage mit ihm in den Prater fuhr, um ihm Zerstreuung zu verschaffen, und sie Beyde einsam saassen, fing Mozart an vom Tode zu sprechen, und behauptete, dass er das Requiem für sich setze. Dabey standen ihm Thränen in den Augen, und als sie ihm den schwarzen Gedanken auszureden suchte, sagte er: Nein, nein, ich fühle mich zu sehr, mit mir dauert es nicht mehr lange: gewiss, man hat mir Gift gegeben! Ich kann mich von diesem Gedanken nicht loswinden.

Zentnerschwer fiel diese Rede auf das Herz seiner Gattin; sie war kaum im Stande, ihn zu trösten und das Grundlose seiner schwermüthigen Vorstellungen zu beweisen. In der Meinung, dass seine Krankheit mehr wachse und die Arbeit des Requiem ihn zu sehr angreife, consultirte sie einen Arzt und nahm ihm die Partitur des Requiem weg.

Wirklich besserte sich sein Zustand etwas, und er war während dessen fähig, am 15ten November 1791 eine kleine Cantate: Das Lob der Freundschaft, die von einer Gesellschaft für ein Fest bestellt wurde,[563] zu fertigen. Die gute Aufführung derselben und der grosse Beyfall, mit dem sie aufgenommen wurde, gab seinem Geiste neue Schnellkraft. Er wurde nun etwas munterer und verlangte wiederholt sein Requiem, um es fortzusetzen und zu vollenden. Seine Frau fand nun keinen Anstand, ihm seine Noten wieder zu geben. Doch kurz war dieser hoffnungsvolle Zustand; in wenig Tagen verfiel er in seine vorige Schwermuth, wurde immer matter und schwächer, bis er endlich ganz auf das Krankenlager hinsank, von dem er, ach! nimmer wieder aufstand.

Am Tage seines Todes liess er sich die Partitur des Requiem an sein Bette bringen. »Hab' ich es nicht vorher gesagt, dass ich diess Requiem für mich schreibe?« so sprach er, und sah noch einmal das Ganze mit nassen Augen aufmerksam durch. Es war der letzte schmerzvolle Blick des Abschiedes von seiner geliebten Kunst – eine Ahnung seiner Unsterblichkeit. Man hätte Mozart sterbend malen sollen, die Partitur des Requiem in der Hand. Schade, dass aber dann sein Alter nicht durch das Gemälde versinnlicht werden konnte.

Sein Tod erfolgte zu Mitternacht am 5ten December 1791.


Mozart blieb während seiner Krankheit bey vollkommenem Bewusstseyn bis an sein Ende; er starb zwar gelassen, aber doch sehr ungern. Jedermann wird diess begreiflich finden, wenn man bedenkt, dass Mozart, als er von Prag zurück gekommen war, das Anstellungs-Decret als Kapellmeister an der St. Stephanskirche, mit allen Emolumenten, die von[564] Alters her damit verbunden waren, bekam, und zugleich, ausser seinen für das Wiener und Prager Theater bestellten Arbeiten, aus Ungarn und Amsterdam ansehnliche Accorde auf periodische Lieferungen, und hiermit eine frohe Aussicht in eine von Nahrungssorgen gänzlich freye Zukunft erhielt.

Allein zu spät! Schon fühlte er die Abnahme seiner Kräfte. Und diess ging wohl sehr natürlich zu, ohne dass man, wie er selbst, den Grund in erhaltenem Gifte zu suchen brauchte. Er war eine früh gereifte Frucht, deren Existenz nur kurz dauert. In dem zarten Alter, wo die Natur noch am Hervorbringen und Sammeln der Lebensgeister arbeitet, hinderte er ihr Geschäft nicht nur durch sitzende Lebensart, sondern consumirte auch schon anhaltend einen Theil der Lebensgeister durch ununterbrochenes Componiren. Auch beschleunigte diese Begierde zu schreiben noch seinen Tod, wozu seine Celebrität nur zu vielen Anlass gab. Wie war einem von Natur schwachen und durch Krankheit zerrütteten Körper möglich, eine Anstrengung wie die der letzten vier Monate zu überstehen? Und nicht etwa mit so leichten Partituren wie Pergolesi und Hasse, sondern in seiner Manier, mit reicher, voller Behandlung der Stimmen etc.

Dieses sonderbare Zusammentreffen so glücklicher Vorboten eines bessern Schicksals, seine gegenwärtigen traurigen Vermögensumstände, der Anblick einer trostlosen Gattin, der Gedanke an zwey unmündige Kinder: Alles dieses war nicht geeignet, einem bewunderten Künstler, der nie Stoiker gewesen ist, in[565] seinem 35sten Jahre die Bitterkeit des Todes zu versüssen. »Eben jetzt,« so klagte er oft in seiner Krankheit, »soll ich fort, da ich ruhig leben würde! Jetzt meine Kunst verlassen, da ich nicht mehr als Sclave der Mode, nicht mehr von Speculanten gefesselt, den Regungen meiner Empfindungen folgen, frey und unabhängig schreiben könnte, was mein Herz mir eingiebt! Ich soll fort von meiner Familie, von meinen armen Kindern, in dem Augenblicke, da ich im Stande gewesen wäre, für ihr Wohl besser zu sorgen!«

Man kann sagen, um Mozart flossen unzählbare Thränen; nicht in Wien allein, vielleicht mehr noch in Prag, wo man ihn vorzüglich liebte und bewunderte. Jeder Kenner, jeder Freund der Tonkunst hielt seinen Verlust für unersetzlich, und wahrlich, bis jetzt hat man nicht Ursache, diese trostlose Meinung zurückzunehmen! Es schien unglaublich, dass der allmächtige Schöpfer der erhabensten Harmonieen, der unseren Herzen so reine Entzückungen geschaffen hat, ins alte Nichts zurückgekehrt seyn sollte.

Gleich nach seinem Tode meldete sich der geheimnissvolle Bote, verlangte das Werk, so wie es unvollendet war, und erhielt es. Von dem Augenblicke an sah ihn die Wittwe nie mehr und erfuhr nicht das Mindeste, weder von der Seelenmesse, noch von dem unbekannten Besteller. Jeder Leser kann sich leicht vorstellen, dass man sich alle Mühe gab, den räthselhaften Boten auszuforschen, aber alle Mühe und Versuche waren fruchtlos.[566]

Ein Anonymer stellt Mozart's frühes Ende auf folgende Weise dar:10

»Mozart's Geist entwickelte sich früh – sehr früh, und erreichte in den Jahren schon einen grossen Grad von Vollkommenheit, wo bey andern gewöhnlichen Menschen sich kaum der Funke des Talents zeigt. Er blühte früh, trug frühzeitig Früchte und welkte früh.

Betrachten wir sein Leben, sein ausserordentlich thätiges Leben, die Menge seiner Compositionen, die für den kurzen Zeitraum unglaubliche Menge von Compositionen: welches Anstrengen der Einbildungskraft, welches ewige Reiben seines Geistes, welche Exaltation seines Gehirns! Welch ein ununterbrochenes Aufreiben seiner Lebenskraft! Mit einem Worte: sein ganzes Leben war – Lebens-Consumtion. Die Gelehrten-Geschichte zeigt uns eine Menge grosser Geister, die sich – selbst aufzehrten.

Es giebt eine Menge Componisten, die bey einer Menge Compositionen sehr alt werden und gesund bleiben, wie Jos. Haydn, der Greis Piccini, Paesiello; – aber ihre späteren Compositionen sind immer nur Nachahmungen ihrer Jugendwerke, also längst verbrauchte Gedanken, die einander immer gleichen; so verläugnet sich Haydn und Paesiello fast bey keinem seiner Stücke. Man hört immer seine Lieblingsgänge, die Schöpfung in seinen Messen und seine Messen in seiner Schöpfung; aber Mozart, wie originell, wie ewig neu ist er! Kein Werk gleicht dem[567] andern, man überblicke sie alle. Jedes trägt das Gepräge einer neuen Originalität! Die Entführung aus dem Serail ist etwas ganz Anderes, als die Clemenza di Tito, die Zauberflöte etwas Anderes als der Don Juan, die Messe aus C# hat mit dem Requiem nicht die entfernteste Aehnlichkeit, und seine älteren Werke überhaupt halten gar keine Vergleichung mit den neueren aus, sie scheinen von einem ganz andern Meister verfertigt. Jedes seiner Werke trägt ein edles Gepräge im Allgemeinen, aber es charakterisirt sich wieder vor allen übrigen so, als hätte es einen eigenen Verfasser. Bey diesem beständigen Haschen und Ringen nach ewig neuen Ideen, bey diesem Sinnen und Rechnen, bey dieser übermenschlichen Anspannung der Einbildungskraft, war denn etwas Anderes denkbar, als frühe Zerstörung seiner organischen Thatigkeit?11 Man höre die erstaunliche Zauberflöte, die Clemenza di Tito und das Requiem – und sage sich: diese Menge Musik schuf er in vier Monaten, und in dieser Zeit machte er auch noch zwey Reisen! Man lege die dicken Partituren über einander – welch Volumen! – Man durchblättere sie – welche ungeheure Menge Noten! Wie war es möglich, dass sie der Mann in der kurzen Zeit [568] nur schreiben konnte! Und gleichwohl ist jede dieser Myriaden von Noten überdacht, überrechnet, genau überrechnet, seinem gehörigen Instrumente zugetheilt, in seinen Schlüssel gesetzt, ihr Effect bestimmt – ach, und was Alles noch mehr! – Studirt die Werke, Ihr jungen Tonkünstler, und erstaunt! – Man weiss, dass die schauerlich schöne Ouvertüre des Don Juan ein Werk von vier Stunden ist! – Das beständige Sitzen, das Arbeiten in die späte Nacht,12 die Geistes-Anstrengung abgerechnet, musste seinem Körper an sich schon schaden, seine geistige Thätigkeit konnte nur auf Kosten seiner körperlichen bestehen.

Dabey war er Ehemann, zeugte vier Kinder, pflegte der Liebe treulich, und auch ausser der Ehe gab es manche Galanterie, was ihm seine gute Frau gern übersah. Noch mehr, er sprang von einem Extreme zum andern. Er hatte keine fixe Besoldung und war, was bey Dichtern und Virtuosen gewöhnlich der Fall ist, kein guter Wirth, verstand sich nicht auf den Verdienst, wusste das Geld nicht auf Wochen und Monate einzutheilen, er kannte seinen Werth gar nicht. Oft musste er bey anhaltender Arbeit mit Frau und Kindern darben, war der Impertinenz mahnender Gläubiger ausgesetzt. Kamen nun einmal einige Rollen Louisd'or, schnell änderte sich die Scene. Jetzt ging's in Freuden. Mozart betrank sich in Champagner und Tokayer, lebte locker[569] und war in wenig Tagen mit seinem Gelde so weit wie vorher.

Man weiss, wie er oft in seine Gesundheit stürmte, wie manchen Morgen er mit Schickaneder verchampagnerte, wie manche Nacht er verpunschte und nach Mitternacht gleich wieder an die Arbeit ging, ohne die mindeste Erholung seinem Körper zu gönnen.

Ich frage hier jeden Arzt, was die Folgen einer solchen Lebensart sind? Man braucht hier kein Gift, keinen geheimnissvollen Boten, keinen feinen Staub im Briefe, kein Requiem; – seine Kräfte waren aufgerieben, die organische Thätigkeit durch Ueberwiegen der Geisteskräfte zerstört, es musste Ausmergelung seines Körpers, Vertrocknung (Tabes dorsalis, Phthisis nervosa) nothwendiger Weise erfolgen.

Dass die Umstände bey der Composition des Requiem viel dazu beygetragen haben, seine geschwächten Kräfte durch äusserste Aufspannung vollends zu erschöpfen, die Einbildung bis zur Schwermuth bey ihm, der Geister sieht und sich von Allem überzeugt hält, was ihm scheint, zu überspannen, diess ist bey einem so fein besaiteten Organismus, wie der Mozart'sche war, gar keinem Zweifel unterworfen, und man braucht da keine vergifteten Briefe, einen solchen unglücklichen Geist aus seiner Hülse zu jagen. Wenn man erst einmal so weit zur Schwermuth herabgestimmt ist, bedarf es gewiss nur noch eines kleinen Hebels.

Die Krankheits-Geschichte Mozart's beweis't Nichts für eine Vergiftung. Sollte er durch Gift[570] geopfert werden, so musste diess auf zwey Wegen geschehen: schnell oder langsam. Schnell ist es nicht geschehen; und langsam vergiftet, hätte er ganz andere Zufälle haben müssen.

Mozart hatte zwar, wie jeder grosse Künstler, eine Menge Feinde, zumal unter den italienischen Operisten, die freylich gewahren mussten, dass mit Mozart's Emporkeimen ihr welscher Singsang zu Grabe gehen werde. Man weiss, welche Mühe sie sich gaben, den Figaro zu verhunzen, dass sie auf Mozart's Bitten beym Kaiser, durch dessen ausdrücklichen Befehl zwischen dem ersten und zweyten Acte angehalten werden mussten, bey Ungnade, den Gesang gehörig vorzutragen. Allein, wollten sie Mozart aus dem Wege räumen, so durften sie nicht so lange warten, bis er mit seinen übrigen Geistesproducten ihrem Charivari den letzten Gnadenstoss gegeben hatte; sie mussten rascher zu Werke schreiten.

Noch mehr, er kränkelte schon in Prag, ehe er an dem Requiem arbeitete, er sah blass und traurig aus und medicinirte. Seine bevorstehende Auflösung war also schon damals in seinem Körper vorbereitet – die Anstrengung über dem Requiem konnte sie mithin nur befördern.

Der Gedanke der Vergiftung war gewiss ein blosses Spiel seiner Einbildung. – Ja sogar sein Todesjahr (das 35ste) zeigt mehr für Schwindsucht. In diesen Jahren sterben bekanntlich die mehresten jungen Leute an der Schwindsucht. Wenn die Aerzte gleich über seine Krankheit nicht ganz einig waren, so folgt noch immer nicht daraus, dass er an[571] Vergiftung starb; die Schwindsuchten selbst gestalten sich verschieden und dann auch ihre Symptome. Mozart ist nicht der erste, der an den Folgen ausserordentlicher Anstrengung starb.«

Seine Todeskrankheit, wo er bettlägerig wurde, währte 15 Tage. Sie begann mit Geschwulst an Händen und Füssen und einer beynahe gänzlichen Unbeweglichkeit: derselben, der später plötzliches Erbrechen folgte, welche Krankheit man ein hitziges Frieselfieber nannte. Bis zwey Stunden vor seinem Verscheiden blieb er bey vollkommenem Verstande; das Gefühl seines bevorstehenden Todes und seine Betrübniss, Frau und Kinder unversorgt zu hinterlassen, verdreyfachte wohl die Marter seiner Krankheit. Baron van Swieten kam gleich nach seinem Tode, um mit der Wittwe zu weinen, die sich in ihres entschlafenen Mannes Bett gelegt hatte, um angesteckt zu werden und mit ihm zu sterben. Damit sie sich aber nicht ihrer Verzweiflung überliesse, brachte man sie zu Hrn. Bauernfeind, dem Associé Schikaneders, und dann zu Hrn. Goldhann.

Der Tod Mozart's erregte öffentliche Theilnahme. Am Sterbetage selbst blieben viele Leute vor seiner Wohnung stehen und gaben ihre Theilnahme auf mancherlei Art zu erkennen. Schikaneder ging herum und schrie laut auf: Sein Geist verfolgt mich allenthalben: er steht immer vor meinen Augen.

Immer war Mozart's Gesundheit, die in der letzten Zeit sichtlich dahinschwand, sehr zart gewesen, und wie alle Menschen von weichlichem Gemüthe, so fürchtete auch er den Tod sehr.[572]

Ein Brief seiner Schwägerin Sophie, der Tochter seiner Schwiegermutter, sagt Folgendes:


Mozart bekam unsere selige Mutter immer lieber, und sie ihn auch. Daher kam er zu uns oft auf die Wieden in Eile gelaufen mit Päckchen von Kaffee und Zucker unter dem Arme, und sagte bey der Ueberreichung: Hier, liebe Mama, haben Sie eine kleine Jause (Collation). Er kam niemals leer zu uns. Als er erkrankte, machten wir ihm Nachtleibel, um sie vorwärts anzuziehen, weil er wegen Geschwulst sich nicht drehen konnte; und weil wir nicht wussten, wie schwer krank er war, machten wir ihm auch einen wattirten Schlafrock für die Zeit, dass er wieder aufstünde. Er bezeugte über denselben eine herzliche Freude. Ich besuchte ihn alle Tage. Einmal sagte er zu mir: vermelden Sie der Mama, dass es mir recht sehr gut geht, und dass ich noch in der Octave kommen werde, ihr zum Namenstage Glück zu wünschen. Den folgenden Tag eilte ich daher nicht hin, und ging erst Abends weg. Wie erschrak ich, als meine halb verzweifelnde und doch sich so moderirende Schwester in der Thüre mit den Worten mir entgegen kam: Gott Lob, dass Du da bist. Heute Nachts ist er so krank gewesen, dass ich schon dachte, er erlebe diesen Tag nicht! Wenn er heute wieder so wird, so stirbt er die Nacht: gehe zu ihm, und siehe, was er macht. Als ich mich seinem Bette näherte, rief er mir zu: Gut, dass Sie da sind: heute Nacht bleiben Sie bey mir: Sie müssen mich sterben sehen. Ich machte mich stark und wollte es ihm ausreden. Allein er erwiederte mir: Ich habe ja schon[573] den Todtengeruch auf der Zunge, ich rieche den Tod, und wer wird meiner Constanze beystehen, wenn Sie nicht bleiben? Nur einen Augenblick zu meiner Mutter, der ich Nachricht versprochen habe; sie möchte sonst denken, ein Unglück sey geschehen. Als ich zu meiner trostlosen Schwester kam, war Süssmaier bey Mozart am Bette. Auf der Decke lag das Requiem, und Mozart explicirte ihm, wie seine Meynung sey, dass er es nach seinem Tode vollenden sollte. Ferner trug er seiner Frau auf, den Tod geheim zu halten, bis sie Albrechtsbergern davon benachrichtigt hätte, denn diesem, sagte er, gehört mein Dienst vor Gott und der Welt. (Sein Wille wurde auch befolgt, denn Albrechtsberger erhielt den Dienst.) Als sein Arzt D. Closset kam, verordnete er noch kalte Umschläge auf den heissen Kopf, welche Mozart so erschütterten, dass er nicht wieder zu sich kam, bis er verschied. Sein Letztes war noch, wie er mit dem Munde die Pauken im Requiem ausdrücken wollte und er seine Backen aufbliess. Nach seinem Tode kam Müller, der Eigenthümer des Kunstcabinets (eigentlich Graf Deym), und drückte sein bleiches erstorbenes Gesicht in Gyps ab. Meine Schwester warf sich auf die Kniee, um zu beten. Sie konnte sich von ihrem Manne nicht trennen, so sehr ich sie auch bat. Wenn ihr Schmerz noch zu vermehren gewesen wäre, so musste es dadurch geschehen, dass der nach dieser schauervollen Nacht folgende Tag die Menschen schaarenweise herbeyzog, und welche laut um ihn weinten und schrieen. Ich habe in meinem Leben Mozart nie aufbrausend und viel weniger zornig[574] gesehen. Die Geistlichen weigerten sich, zur letzten Oelung zu kommen, weil der Kranke sie nicht selbst rufen liess.

Die Schwägerin meynt, Mozart sey in seiner Krankheit nicht zweckmässig genug behandelt worden, denn statt dass man auf andere Weise das Friesel noch mehr heraustreiben sollte, hätte man ihm zur Ader gelassen und kalte Umschläge auf den Kopf gemacht, worauf die Kräfte zusehens geschwunden und er in Bewusstlosigkeit gefallen sey, aus der er nicht wieder zu sich kam. Selbst in seiner schweren Krankheit sey er nie ungeduldig geworden, und zuletzt sey sein feines Gehör und Gefühl nur noch gegen den Gesang seines Lieblings, eines Kanarienvogels, der sogar aus dem Nebenzimmer entfernt werden musste, weil er ihn zu stark angriff, empfindlich gewesen.

D. Guldner von Lobes hat folgenden Bericht über Mozart's Krankheit und Tod gemacht, dem aber nach dem Urtheil anderer Aerzte die erforderliche Consequenz etc. gebricht.

»Mozart erkrankte im Herbste 1791 an einem rheumatischen Entzündungsfieber, welches damals fast allgemein herrschte und viele Menschen dahinraffte.D. Closset, der seine Krankheit behandelte, hielt sie für gefährlich und fürchtete gleich anfangs einen schlimmen Ausgang, nämlich eine Gehirnentzündung. Einige Tage vor Mozart's Tode sagte D. Sallaba: Mozart's Krankheit ist nicht mehr zu heilen, er ist verloren. Mozart starb hernach auch wirklich an den gewöhnlichen Symptomen der Hirnentzündung. Die Krankheit nahm übrigens ihren gewöhnlichen[575] Gang und unter denselben Symptomen sind mehre Menschen gestorben. Bey der Untersuchung des Cadavers hat sich nichts Ungewöhnliches gezeigt.«

Nach Neukomm's Aussage hatte Mozart seit langer Zeit ein Vorgefühl seines nahen Todes; Joseph Haydn habe seinem Schüler Neukomm erzählt, dass Mozart ihm, als er gegen Ende 1790 seine Reise nach London unternahm, beym Abschiede mit thränenden Augen gesagt: Ich fürchte, mein Vater, diess ist dass letzte Mal, dass wir uns sehen.

Mozart's sterbliche Hülle wurde auf dem Todtenacker vor der St. Marxer-Linie bey Wien begraben, auf demselben, wo sein inniger Freund Albrechtsberger und auch J. Haydn seit 1809 gelegt wurden.

Durch Mozart's Tod verfiel die Wittwe selbst in eine schwere Krankheit, daher besorgte Baron van Swieten die Beerdigung der Mozart'schen Leiche, und weil er dabey die grösstmöglichste Ersparniss für die Familie berücksichtigte, so wurde der Sarg nur in ein gemeinschaftliches Grab eingesenkt und jeder andere Aufwand vermieden. Zu der Zeit, wo Mozart starb, wurden nach der Angabe des Todtengräbers die Leichen in der dritten und vierten Reihe vom Kreuze an, welches auf dem St. Marxer Kirchhofe steht, begraben. Der Flecken, auf welchem Mozart's Gebeine ruhen, konnte 1808, wo man sich unterrichten wollte, nicht mehr bestimmt werden, weil die Gräber periodisch wieder umgegraben werden.

La vita era cosi dire una fortuna pubblica, una pubblica calamità la sua morte. –

In Wien feyerte man das Andenken Mozart's mit Würde. Unrichtig ist die Meldung einiger Biographen,[576] welche sagen, dass sein Requiem zuerst bey seiner Begräbnissfeyer wäre aufgeführt worden, denn es war ja nicht einmal fertig.

Prag zeichnete sich durch die wärmste Theilnahme an dem Dahinscheiden Mozart's vorzugsweise aus; die Trauer um ihren Liebling war allgemein und ungeheuchelt.

Am 14ten December 1791 um 10 Uhr Morgens wurden zu Prag in der Kleinseitner Pfarrkirche bey St. Niclas die feyerlichen Exequien für Mozart gehalten: eine Feyer, ganz des grossen Meisters würdig, und die dem Prager Orchester des Nationaltheaters, von dem sie veranstaltet wurde, und allen berühmten dortigen Tonkünstlern, die daran Theil nahmen, die gröste, und den Manen Mozart's eine unvergängliche Ehre macht. Den Tag zuvor wurden darüber gedruckte Nachrichten an die Noblesse und das ganze Publicum ausgetheilt; am Tage der Feyerlichkeit selbst wurden eine halbe Stunde lang alle Glocken an der Pfarrkirche geläutet. Fast die ganze Stadt strömte hinzu, so dass weder der wälsche Platz die Kutschen, noch die sonst für beynahe 4000 Menschen geräumige Kirche die Verehrer des Verklärten fassen konnte. Das dabey aufgeführte Requiem war von dem berühmten Kapellmeister Rosetti (Rösler). Es wurde unter der Direction des braven Strobach von 120 der ersten Tonkünstler, an deren Spitze unsere beliebte Sängerin Duschek sich befand, so herzlich executirt, dass Mozart's Geist in Elysium sich darüber freuen musste. In der Mitte der Kirche stand ein herrlich beleuchtetes Trauergerüst, und acht Chöre mit Pauken und[577] Trompeten ertönten in dumpfem Klange. Das Seelenamt hielt der Pfarrer Fischer mit Assistenz. Zwölf Schüler des Kleinseitner Gymnasiums trugen Kammerfackeln mit quer über die Schulter hangenden Trauerflören und weissen Tüchern in der Hand. Festliche Stille war umher, und tausend Thränen flossen um den Seligen, der so oft durch seine himmlische Harmonie unsere Herzen zu den zärtlichsten Gefühlen stimmte.

So zollte man den Verdiensten dieses Salzburgers in Prag. Unersetzlich ist sein Verlust. Es giebt und es wird Meister in der Tonkunst geben, aber um den Meister der Meister, einen Mozart wieder hervor zu bringen, da wird manches Jahrhundert vergehen.

Etwas später, den 28sten December 1791, unternahm eine Gesellschaft wahrer Verehrer des Verstorbenen in Prag, zur Unterstützung der hinterlassenen Waisen und Wittwe, ein öffentliches Concert in dem National-Theater; man führte einige der besten, weniger bekannten Compositionen Mozart's auf. Eine so edle Todtenfeyer unterstützte das Prager Publicum aus allen Kräften, um so mehr, da es die Gelegenheit fand, den Tribut seiner Hochachtung dem Genie Mozart's in der grossmüthigen Unterstützung der hülflosen Waisen zu zollen. Das Theater war voll und die Einnahme beträchtlich. Wie glücklich ist ein Künstler, dessen Talent solche Freunde erwirbt!

In Wien wurde die Wittwe auf eine eben so grossmüthige Art unterstützt. – Mozart hinterliess seiner Familie Nichts, als den Ruhm seines[578] Namens. Alle Hülfsmittel ihrer Erhaltung beruhten auf der Grossmuth eines dankbaren Publicums, dem Mozart so viele Stunden des reinsten Vergnügens und der edelsten Unterhaltung durch sein unerschöpfliches Talent geschaffen hatte. Und wahrlich! man kann sagen, dass dieses seine Schuld redlich abzutragen suchte. Die Wittwe liess in einem öffentlichen Concerte zu ihrem Besten die merkwürdige Seelenmesse Mozart's aufführen. Der grosse Ruf dieses Meisterstücks, und der Wunsch, die Waisen zu unterstützen, zog ein zahlreiches Publicum herbey, und man muss es den edlen Freunden der Tonkunst in Wien zum Ruhme nachsagen, dass dieselben auch jetzt, nach 37 Jahren gegen den Mozart'schen Namen noch nicht gleichgültig geworden sind. In allen musikalischen Akademieen, die der Wittwe zu ihrem Besten zugestanden wurden, war das Haus voll und die Einnahme gut.

Mozart hinterliess keine bedeutenden Werke, durch deren Herausgabe die Wittwe für sich und ihre Waisen hätte Vortheile ziehen können, denn die meisten waren schon vielfach herausgegeben ausser dem Re quiem und dem Idomeneo. Ueber ersteres hatte die Wittwe nicht zu verfügen, nur von letzterer Oper kündigte sie einen Clavierauszug nach der Originalpartitur von Wenzel auf Pränumeration an, der im November 1795 erscheinen sollte, aber erst 1797 zu Stande kam, worauf sich aber Niemand meldete. Und somit brachte ihr diese Ausgabe Nichts ein.

Ein gleiches Schicksal hatte das Mozart'sche Clavier-Concert, welches die Wittwe dem Prinzen Ludwig[579] von Preussen dedicirte. Da sie die Auslagen zur Herausgabe nicht besaass und sie daher von Anderen bestreiten lassen musste, so war diess wohl der Grund, warum sie keinen Gewinn davon trug. Mehr hat sie in der Art nicht unternommen.

Hingegen übertraf die Grossmuth des menschenfreundlichen und den Wissenschaften und Künsten zu früh entrissenen Kaisers Leopold Alles, was bisher der Wittwe zum Besten geschah.

Kurz vor und nach Mozart's Tode äusserte sich die Bosheit seiner Feinde so sehr, dass diese den Seligen sogar auf die schändlichste Weise beym Kaiser verleumdeten; denn sie hatten unter andern sogar dem Monarchen vorgelogen, dass Mozart mancherley Ausschweifungen ergeben gewesen sey, und nicht mehr als eine Schuld von 30000 fl. hinterlassen habe – eine Summe, über die der Monarch erschrecken musste, und wovon ihn Niemand des Gegentheils belehrte.

Zu eben der Zeit, als die Wittwe im Begriff war, beym Kaiser um Pension zu bitten, wurde sie von einer edeldenkenden und vortrefflichen Schülerin Mozart's auf diese geschehenen Verleumdungen aufmerksam gemacht, und ihr gerathen, bey irgend einer Audienz den gnädigen Kaiser eines Bessern und Richtigern zu belehren, wozu sich auch bald Gelegenheit fand.

»Ew. Majestät,« sagte sie dem Kaiser mit edlem Eifer, »jeder Mensch hat Feinde; aber heftiger und anhaltender ist noch Niemand verfolgt und verläumdet worden, als mein seliger Mann, wahrscheinlich bloss weil er grosses Talent hatte! Man hat es[580] gewagt, Ew. Majestät viel Unwahres über ihn zu sagen: man hat sogar seine hinterlassenen Schulden zehnfach vergrössert. Ich stehe mit meinem Leben dafür, dass ich mit einer Summe von ungefähr 3000 Gulden Alles bezahlen könnte, was er schuldig ist, und diese Schuld ist noch obendrein nicht muthwillig gemacht worden. Wir hatten keine sicheren Einkünfte, wiederholte Kindbetten, ich lag 11/2 Jahr lang hart darnieder, und diese Gründe werden dem menschenfreundlichen Herzen meines Monarchen hinlängliche Entschuldigung seyn.«

»Wenn es so ist,« sagte der Monarch, »da ist wohl Rath zu schaffen. Geben Sie ein Concert von seinen hinterlassenen Werken, und ich will es unterstützen.«

Die Bittschrift wegen gesuchter Pension nahm er gnädig ab; und in kurzer Zeit wurde ihr eine Pension von 260 fl. angewiesen, die zwar an sich gering ist, aber da Mozart erst drey Jahre angestellt, folglich die Wittwe noch nicht pensionsfähig war, so blieb es immer eine Gnade. Die musikalische Akademie wurde unternommen, und der unsterbliche Monarch erfüllte so grossmüthig sein Versprechen, dass die Wittwe dadurch in den Stand gesetzt wurde, die Schulden ihres Mannes völlig zu tilgen. Aus dieser Begebenheit kann man schliessen, wie viel an den boshaften Erzählungen und dergleichen Einschwärzungen Wahres seyn mag. Da man so wenig seiner Grösse als Künstler beyzukommen im Stande war, so suchte der grämliche Neid seinen moralischen Charakter zu entstellen! Eine sehr leichte und gewöhnliche Taktik kleiner Seelen, denen[581] jedes Verdienst und jede Grösse unausstehlich ist: um so mehr, wenn sie ihrem kleinen Gewerbe unwillkürlich zu schaden droht! Es ist nur Gerechtigkeit, die dem Verdienste gebührt, wenn man sich Mühe giebt, solche fremde Flecken aus dem Gemälde würdiger Menschen zu verwischen.

Wenn gegen Mozart diejenige Billigkeit ausgeübt wird, die Jeder an sich selbst zu erfahren wünschen muss, so wird er desshalb noch nicht als Muster der Oekonomie und Sparsamkeit angepriesen. Es ist wahr, er hätte den Werth des Geldes besser schätzen sollen: aber kann wohl dieser Leichtsinn von der Individualität eines solchen Mannes als getrennt gedacht werden? Darf ein grosser Geist keine Schwächen und keine Fehler haben? Möchten doch die, welche über ihn so streng urtheilen, an ihr Herz greifen und sich fragen: Quid tu? – nulla habes vitia? –

Und sind sie in irgend einem Fache Mozarte?

Da man sich indessen nur immer Geschichtchen erzählt, wo Mozart Geld vertändelte und wegwarf, so muss es auch gestattet seyn, andere aufzuzählen, wo er es zwar mit gewohnter Liberalität, aber so brav und mit so viel Gutmüthigkeit und Feinheit, und auch so ganz ohne alle feine Eigennützigkeit, welche oft mit Freygebigkeit verbunden ist, ausgab. Als er sich auf der Leipziger Thomasschule umsah und das Chor ihm zu Ehren einige achtstimmige Motetten von Sebast. Bach sang, gestand er: So ein Chor haben wir in Wien und hat man in Berlin und Prag nicht. Unter den ohngefähr vierzig Sängern bemerkte er besonders einen Bassisten, der ihm[582] wohl gefiel. Mit diesem liess er sich in ein kleines Gespräch ein, und ohne dass einer der Anwesenden Etwas bemerkte, drückte er dem jungen Manne ein für diesen ansehnliches Geschenk in die Hand.

Ein alter ehrlicher Clavierstimmer hatte Mozarten einige Saiten auf sein geliehenes Instrument gezogen. Lieber Alter, sagte Mozart, was bin ich Ihnen für Ihre Mühe schuldig? denn morgen reise ich ab. Der alte Mann, der ewig in Verlegenheit ist, wenn er mit Jemand spricht, stotterte: Ihro Kaiserliche Majestät – wollt' ich sagen: Ihro Kaiserlichen Majestät Herr Kapellmeister, – ich bin freylich zu verschiedenen Malen hier gewesen, ich bitte desswegen mir einen Thaler aus. Mozart erwiederte: Einen Thaler? dafür soll so ein guter Mann nicht ein Mal zu mir kommen. Und damit drückte er ihm einige Ducaten in die Hand. Ihro Kaiserl. Majestät, fing der Mann erschrocken an – Adieu, lieber Alter, Adieu! rief Mozart und ging schnell ins andere Zimmer.

Von Niemand wurde Mozart's Sorglosigkeit um Geld mehr gemissbraucht, als von Musikalienhändlern und Theater-Directoren. Die meisten seiner Claviersachen brachten ihm nicht einen Pfennig ein, denn er schrieb sie meist aus Gefälligkeit für Bekannte, die gern etwas Eigenhändiges von ihm und zu ihrem eigenen Gebrauche haben wollten. Aus Letzterm ist erklärlich, warum viele derselben, besonders unter den Solo-Claviersachen, seiner selbst unwürdig sind, denn er musste sich nach der Fassungskraft, nach der Liebhaberey, nach den Fähigkeiten und Fingerfertigkeiten derer richten, für die[583] er sie hinwarf. Jene Speculanten wussten sich Abschriften zu verschaffen und druckten frisch darauf los. Besonders hatte ein gewisser und ziemlich berühmter Kunsthändler eine Menge Mo zart'scher Compositionen auf diese Weise gedruckt, verlegt und verkauft, ohne den Meister darum zu befragen. Einst kam eine Frau zu Mozart: Da hat der A – wieder einmal eine Parthie Variationen für's Clavier von Ihnen gedruckt: wissen Sie davon? – Nein! – Warum legen Sie ihm aber nicht das Handwerk einmal? – Ei, was soll man viel Redens machen? sagte Mozart, er ist ein Lump! – Es ist hier aber nicht bloss des Geldes, sondern auch Ihrer Ehre wegen! – Nun, wer mich nach solchen Bagatellen beurtheilt, ist auch ein Lump! Nichts mehr davon! erwiederte Mozart.

Gerber endigt den Artikel Naumann in seinem neuen Künstler-Lexikon folgenderweise: Naumann starb im 60sten Jahre, in dem blühendsten Wohlstande, mitten im Glücke, vom Tode überrascht. Nicht immer ist es Einem so wohl, die Biographieen unserer ersten Künstler mit einem Ausgange beschlossen zu sehen, der ihren Talenten und Aufopferungen für das Glück und die Freuden ihrer Nebenmenschen so entspräche. Ein kurzer Rückblick auf unsere gewesenen Lieblinge, und man wird diese meine traurige Erfahrung nur zu sehr bestätigt finden! Welch eine glänzende Periode durchlebte Händel etwa funfzehn Jahre hindurch; aber wie verdunkelte sich sein Horizont gegen das Ende seines Lebens! – Und war wohl der grosse Hasse, als er in seinen alten Tagen in Wien und Italien[584] herumirrte, glücklicher? Der sanftmüthige Graun wäre vielleicht ruhiger auf seinen verdienten Lorberen eingeschlummert, wenn sein Schicksal in den letzten Jahren seines Lebens zu beneiden gewesen wäre, denn die Mitglieder der preussischen Kapelle hatten zur Zeit des siebenjährigen Krieges mehre Jahre keine Besoldung. Bekannt ist die grosse Armuth und Dürftigkeit, in welcher Dittersdorf und Piccini ihren Tod erwarten mussten. – Den genügsamen Sebastian Bach, der nie Ansprüche auf glänzendes Glück machte, konnte nun zwar diess traurige Loos nicht treffen; dagegen verfolgte ihn im Alter das Schicksal mit Blindheit. – Jomelli starb vor Gram über das undankbare Publicum; und ähnliche niederschlagende Empfindungen scheinen den unglücklichen braven Georg Benda in seinen letzten Jahren in der Entfernung von aller menschlichen Gesellschaft herum getrieben zu haben. – Und was war endlich das Schicksal des allberühmten Mozart? –

Mozart hinterliess von sechs Kindern, nämlich von vier Knaben und zwey Mädchen, nur zwey Söhne, wovon der jüngere vier Monate alt war, als der Vater starb. Er heisst Wolfgang, wie sein Vater, ist gegenwärtig 37 Jahre alt, und durch mehre Producte seines musikalischen Talentes dem Publicum schon vortheilhaft bekannt. Sein Clavierspiel zeichnet sich durch feinen Ausdruck und Präcision aus. Und so wäre denn zum Theile die scherzhafte Vorhersagung seines Vaters erfüllt, dass diess Kind ein Mozart werden würde, weil es einst weinend in den Ton stimmte, aus dem der Vater eben auf[585] dem Fortepiano spielte. Offenbar lebte der Geist seines Vaters in ihm: aber dem Sohne fehlte eine so bildende Vaterhand, wie diejenige war, die das Genie des Vaters so trefflich leitete und entwickelte.

Die Gesichtszüge und Ohren des Sohnes Wolfgang sind denen des Vaters ähnlich. Was ausserordentlich merkwürdig zu seyn scheint, ist der Bau von Mozart's Ohren, ganz verschieden von den gewöhnlichen, und die, im Vorbeygehen gesagt, nur sein jüngster Sohn von ihm geerbt hat. Aus dieser beyliegenden Abbildung ist es ersichtlich, worin der Unterschied besteht.

Die verschiedenen Geistesproducte, die der Sohn Mozart's der Welt bey Breitkopf und Härtel, und bey Peters in Leipzig, bey André in Offenbach, bey Spehr in Braunschweig, und bey Steiner und Cappi in Wien niedergelegt hat, sind Folgende:

Concerto p. le Pianoforte, Oeuv. 14; – Sonate mit Begleitung, Oeuv. 15; – Variations sur une Marche de Coriolan; – 6 Polonoises mélancoliques, Oeuv. 17; und 6 Lieder avec Pianoforte, bey Breitkopf und Härtel; – Grande Sonate avec Violon ou Violoncelle, Op. 19; – Variations (à peine au sortir) Op. 23;Concert pour Pianoforte, Op. 24; – Rondo tiré de son Concert, Op. 25, bey Peters; – bey André in Offenbach a.M.: Sonate pour Pianoforte, Op. 10; – bey Steiner in Wien: Quatuor pour Pianoforte, Op. 1; – Sonate in B dur mit Begleitung, Op. 7; – Rondo favori pour Pianoforte; – 7 Variations (Menuette de Don Juan); – 7 Variations, Marche de l'opera Aline; – 8Variations über ein russisches Thema; und ebenfalls 8 dergleichen;[586] ferner: Variations sur un Théme favori; 12 Menuettes avec Tríos, bey Cappi in Wien.

In den Jahren 1819 und 1820 machte Mozart's Sohn von Lemberg aus eine musikalische Reise zu seiner damals in Kopenhagen wohnenden Mutter und seinem zweyten Vater, dem dänischen Etats-Rath von Nissen, dem beyde Söhne ihre ganze Bildung nur allein zu verdanken haben, kam dann durch Preussen und Sachsen nach Italien, später nach Prag, worüber in Bezug auf seine Kunstleistungen die allgem. Leipz. musikal. Zeitung folgende interessante Nachrichten enthält:


Warschau, im August 1819.


Das am 14ten Juny von Wolfgang Amadeus Mozart, einem Sohne des unsterblichen Meisters, im Nationaltheater gegebene Concert veranlasst mich, Ihnen wieder einmal über hiesige Musik zu schreiben. Dieses kurze, auf die Jahreszeit berechnete, interessante Concert bestand aus Folgendem: Den Anfang machte, absichtlich gewählt, die Ouverture aus der Zauberflöte; dann spielte der junge Mozart ein Concert aus Es# von seiner Composition auf dem Pianoforte. Die Meynung der anwesenden Kenner war, dass der Geist seines Vaters in dieser Composition wehe. Das erste Allegro ist mit Fleiss und gut gearbeitet, und man fühlt es in der That, dass der Sohn die Form des Ganzen im Vorbilde seines verewigten Vaters gesucht, und sie nach Möglichkeit mit den Schönheiten der heutigen Virtuosität vereint hat. Das Rondo ist sehr angenehm und hat allgemein gefallen, um so mehr, da das Thema an[587] die Zauberflöte in dem Momente, als sich Pamina und Tamino zum ersten Male erblicken: Er ist's, sie ist's etc., erinnert. Hierauf folgte ein Doppel-Concert für Waldhorn und Fagott von Gebauer. Nun spielte Mozart das bekannte schöne Rondo aus A dur von Hummel, worauf das Personale der polnischen Oper das unnachahmliche Sextett aus dem zweyten Acte des Mozart'schen Don Juan in Es dur vortrug. Das Ganze beschloss Mozart mit einer freyen Phantasie, in welcher Themen von polnischen Nationaltänzen vorherrschten. Die Versammlung war, ungeachtet der ungünstigen Sommerzeit, zahlreich, und schenkte dem Virtuosen sowohl in Rücksicht seines ächt geschmackvollen Spiels als seiner Composition grossen Beyfall. Künstler und Kunstfreunde wetteiferten, ihm seinen kurzen Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen.


Königsberg, den 11. July 1819.


Kinder berühmter Männer sind gewöhnlich einer harten Beurtheilung unterworfen, indem man sie mit ihren Vätern vergleicht. Sie müssten deren Ruhm noch überstrahlen, um den Ansprüchen zu genügen, die die Welt an sie macht. Allein man vergisst, dass der Heros nicht Heros wäre, wenn er lauter Heroen zeugte, dass ferner grosse Männer selten auf ihre Kinder grosse Sorge wenden können, da sie in der Regel durch mühsamen Unterricht den Lebensbedarf anschaffen müssen, und dass endlich die meisten genialen Menschen nicht alt werden. – Zu dieser Betrachtung führte mich das Hierseyn W.A. Mozart's, des Sohnes, der auf einer Reise[588] von Lemberg, wo er als Clavierlehrer lebt, zu seiner in Copenhagen wohnenden Mutter, hier ein Concert gab. Als Jüngling trat dieser zweyte Sohn des Unvergesslichen mit einigen Compositionen auf, die nicht genügten, theils weil sie als Jugendversuche der Reife entbehrten, theils weil man sie unter den Maassstab der Werke des Vaters legte. Es freut mich nun, über dieses jungen Mannes Fortschritte in der Kunst und Composition lobend sprechen zu können, und Deutschland auf ihn aufmerksam machen zu dürfen. Doch besser, ich theile Ihnen wörtlich die Notiz aus einem hiesigen Blatte mit, die, wenn mich nicht Alles trügt, einen competenten Richter zum Verfasser hat.

Gestern lernten wir Mozart den Sohn kennen, als Fortepiano-Spieler und als Componisten. Denjenigen Musikfreunden, die sich nicht zum Concert eingefunden hatten, können wir dreist sagen, dass sie Etwas versäumt haben. Der berühmte Name täuschte nicht; Mozart's Geist war in der That gegenwärtig, und das allbekannte Fortepiano schien in ein neues Instrument verwandelt. Denn zu der Fülle seiner Harmonieen und zu dem Schimmer mannigfaltiger Figuren empfing es von den Händen dieses Spielers noch einen so höchst lebendigen und zarten Vortrag, dass die musikalischen Gedanken ganz mit jener sprechenden Deutlichkeit hervortreten konnten, woran wahre Kunst, hoch erhaben über alle Kunststücke, erkannt und empfunden wird. Hiermit ist schon gesagt, dass auch die Composition in einem hohen Grade vortrefflich war; sollte aber Jemand eine bestimmtere Charakteristik derselben verlangen,[589] so würde es eben darum schwer seyn, ihm zu genügen, weil dieser Künstler, ähnlich seinem Vater, nicht an einer besondern Manier, sondern eben nur an der Kunst selbst zu erkennen ist, deren Hülfsmittel er vollständig besitzt und mit Gefühl und Besonnenheit gebraucht, ohne nach irgend welchen Effecten und Seltsamkeiten zu haschen. – Diejenigen, welche Gelegenheit hatten, den noch ziemlich jungen Mann (er soll 28 Jahre alt seyn) zu sprechen, erwähnen mit Achtung seiner gesellschaftlichen Sitten, seiner Gefälligkeit und Bescheidenheit. Vielleicht hat diese Persönlichkeit des Künstlers mit dazu beygetragen, sämmtliche Spielende in die heitere Stimmung zu versetzen, welche sie während des ganzen Concerts zu beleben schien; wenigstens war es auffallend, dass am gestrigen Abende die Ausführung sämmtlicher Musikstücke vorzüglich wohl gelang.

Die Anordnung des Concerts zeigte eine ehrende Anerkennung von Mozart's Verdienst, denn der Zettel nannte nur den Namen Mozart. Es wurden die Ouvertüren zu Don Juan und zur Zauberflöte gut und mit Feuer ausgeführt. Dann folgte die vortreffliche Scene:Ch' io mi scordi di te etc. Non temer, amato bene etc., wozu Mozart das concertirende Pianoforte spielte. Hierauf spielte Mozart ein Pianoforte-Concert von seiner Composition, das durch Erfindung und Vortrag sehr befriedigte. Erstere ist in der Weise seines Vaters, natürlich mit Benutzung des jetzigen Pianoforte-Umfanges. Eine sogenannte freye Phantasie über ein russisches und polnisches Thema machte weniger Eindruck, wohl wegen der unpassenden[590] Benennung, indem es mehr freye Variationen über zwey Themata waren. Doch fand der Vortrag dieses Stückes ebenfalls Beyfall. Die Einnahme war für einen schönen Sommertag bedeutend. Die beyden Ouvertüren wurden auch beklatscht, theils um Mozart's Namen zu feyern, theils wegen der guten Ausführung. Rühmliche Erwähnung verdient es, dass die Mitglieder des Orchesters, jetzt alles Erwerbes beraubt, doch aus Achtung für Mozart's Namen grösstentheils aller Bezahlung entsagten, indess sich die Herren Eigenthümer des Concertsaales die hohe Miethe für denselben entrichten liessen.

Herr Mozart beabsichtigt, auf seiner Rückreise Hamburg, Berlin, Leipzig und Dresden zu besuchen, alsdann aber nach Lemberg zu seinen Clavierschülern zurückzukehren. Ist denn in Deutschland für Mozart's Sohn kein Plätzchen offen, das seinem Talente Musse gäbe? in Deutschland, das so viele Ausländer ernährt? – Aber so ist der Deutsche! Bey Säcularfeyern sucht er wohl die Abkömmlinge seiner grossen Männer unter der Hefe des Volkes auf, und beschenkt sie mit Bibeln und Medaillen u. dgl., um kund zu thun, wie er Verdienst zu ehren wisse. Die Kinder seiner grossen Zeitgenossen zu unterstützen, fällt ihm nur selten ein. –


Prag, den 24. März 1820.


Gestern, den 6ten April, gab Hr. W.A. Mozart ein Concert im Redoutensaale, welches natürlich die regste Theilnahme bey den hiesigen Kunstfreunden erregen musste, da viele der älteren sich noch der Zeit erinnern, wo der unsterbliche Vater[591] unter uns wandelte, und zwey seiner Werke (Don Juan und Titus) ganz, ein drittes (die Zauberflöte) zum Theil hier dichtete; selbst die jüngeren, welche ihn nicht mehr leiblich kannten, verehren ihn doch nicht minder lebhaft in seinem Wirken, und jeder Prager ist stolz darauf, dass, während Wien Jahre, und andere Völker Jahrzehende bedurften, ehe sie seine genialen Schöpfungen in ihrem ganzen Umfange zu würdigen lernten, selbige hier bey ihrer ersten Erscheinung mit all' dem Enthusiasmus aufgenommen wurden, welche sie in jedem Menschen von Geist und Herz erregen müssen. Wie wohl hatte der Sohn dieses berechnet, da uns der Anschlagezettel die herrlichen Ouverturen aus der Zauberflöte und Don Juan ankündigte! (Es ist bekannt, dass Mozart die letztere erst in der Nacht vor der ersten Aufführung componirte, und manches Mitglied des Orchesters mochte sich hier noch mit Rührung des Abends erinnern, wo es dieselben Noten zum ersten Male unter der Leitung des grossen Kunstmeisters a vista spielte.) Wir hörten ferner das grosse Concert in C, zwey Arien aus Don Juan und Figaro, und zwey Compositionen des Concertgebers, nämlich Variationen, und zwey Sätze eines Pianoforte-Concerts. Wenn nun der Name Mozart dem jungen Künstler einen so lebhaften Antheil verschaffte, so steigerte er auch anderer Seits die Anforderungen sehr hoch, welche für den Pianoforte-Virtuosen in Prag ohnehin nicht gering sind, da wir mehre der ersten Meister auf diesem für das Concert nicht allzu dankbaren Instrumente gehört haben, und selbst mitunter Dilettanten besitzen, die in mancher kleinen[592] Stadt unter die Künstler gezählt werden dürften. Herr Mozart kann es daher immer als einen nicht geringen Triumph seiner Kunst hinnehmen, dass er diesen Erwartungen Genüge leistete: sein Spiel ist klar, präcis, ausdrucksvoll und von Geist und Gefühl belebt, wodurch er auch die Gemüther so ansprach, dass man es ihm verzieh, wenn er die kühnen Passagen und ungeheueren Sprünge, die man in der neuern Zeit anzustaunen gewohnt ist und so sehr liebt, grossentheils verschmähte. Was seine Compositionen betrifft, so fanden wir – vorzüglich in den Concertsätzen – eines Theils, dass die schöne Gabe, die sein Vater vor allen Tondichtern in so hohem Grade besessen: einen einmal gefassten Gedanken nicht eher wieder zu verlassen, bis er ihn in allen Formen des Schönen entfaltet, auch auf den Sohn übergegangen sey; anderntheils (was freylich aus der Art seines Spiels als nothwendig bedingt hervorgeht), dass er ganz frey ist von der schlimmen Weise neuerer Tonsetzer, die für sich selbst Concerte schreiben, nämlich, dass sie stets den höhern Zweck ihrer Kunst einem niedern unterordnen, und statt durch Ideen das Gemüth zu erheben, bloss darauf bedacht sind, durch Ueberwindung ungeheuerer Schwierigkeiten Bewunderung zu erregen. Vorzüglich wurde das gediegene und in sich abgerundete Allegro seines Concerts mit Furore aufgenommen.

Gestern Abend, eben während Mozart uns einen Kunstgenuss gewährte, ist Hummel angekommen, uns neue zu bereiten. Es ist eine Eigenheit der Prager Kunstliebhaber, dass sie es sich mit ihren Kritiken (mündlich und manchmal auch gedruckt)[593] etwas bequem machen, und statt jedes Kunstwerk und jede Kunst mit sich selbst und ihren Gesetzen zu vergleichen, viel lieber durch Parallelen urtheilen; und so konnte es denn auch nicht fehlen, dass Vergleichungen zwischen Hummel, Moscheles und Mozart angestellt wurden, und sich für Einen und die Anderen gleichsam Parteyen bildeten. Uns scheinen diese Parallelen in der Kunst überhaupt zu keinem Resultate zu führen, hier aber, bey der dreyfach verschiedenen Natur dieser Künstler, ganz unnütz und unanwendbar. Moscheles überwindet ungeheuere Schwierigkeiten mit grosser Sicherheit, aber nicht ohne Prätension auf diese Schwierigkeiten, und er häuft selbige nicht selten mit etwas künstlerischer Koketterie. Mozart kann so gewaltige Tours de force nicht üben; aber er scheint auch sich mehr vorgesetzt zu haben, auf das Gemüth zu wirken, und Hummel vereinigt beyde Effecte in sich, da er alles das Ungeheuere des Ersten mit der Gemüthlichkeit des Zweyten verbindet, und nur unaufmerksame Beobachter können glauben, Moscheles überwinde grössere Schwierigkeiten, als Hummel, weil Letzterer selbige anspruchlos und mit lächelnder Miene besiegt, während jener kund zu thun scheint, dass er eben wieder, wie Herakles in der Wiege, zwey Schlangen erdrücken werde, um – dass er sie erdrückt habe. Was die Compositionen betrifft, so ist Moscheles manchmal etwas zu gekünstelt, und hascht zu sehr nach Originalität und genialem Schwunge – beyde müssen angeboren, nicht errungen werden – und wird zuweilen sogar etwas geziert, während Hummel mit der höchsten Lieblichkeit eine klassische[594] Feinheit und Gediegenheit verbindet, und Mozart nicht ohne Glück – wenn gleich nicht mit einem so überreichen Genius ausgestattet – auf der charakteristischen Bahn seines unsterblichen Vaters fortwandelt.


Im Jahre 1826 im August reis'te er von Lemberg, seinem dermaligen Aufenthaltsorte, auf Verlangen seiner Mutter nach Salzburg, um den Tribut seiner kindlichen Dankbarkeit gegen seinen im Monat März desselben Jahres gestorbenen zweyten Vater, den Königl. dänischen Etatsrath und Ritter des Danebrog-Ordens, Georg Nicolaus von Nissen,13 der die beyden noch kleinen Söhne des grossen Künstlers als Vater erzogen hat, darzulegen, indem in der Universitätskirche mit Bewilligung des hochwürdigsten Fürst Erzbischofes von Salzburg, Augustin Gruber, Seiner Majestät des Kaisers von Oesterreich wirklichen Geheimen Raths etc. und Primas von Deutschland, ein feyerliches Seelenamt von dem hochwürdigen Domcapitular zu Salzburg und K.K. Hof-Kapellan, Ignaz Schumann von Mannsegg, abgehalten wurde, und wobey Mozart's Schwanengesang, das unübertreffliche Requiem, unter der Leitung des Sohnes[595] aufgeführt wurde. Nach allgemeinem einstimmigen Zeugnisse wurde Mozart's Requiem in Salzburg niemals so gut gehört, als diess Mal unter der Direction von Mozart's Sohne.

Wie sehr er von Liebe und Dankgefühl gegen seinen zweyten Vater durchdrungen war, davon giebt folgender Brief das beste Zeugniss:


Lemberg, den 12. April 1826.


Meine liebe theure Mutter!


Es wäre wohl vergebliche Mühe, wenn ich Dir den Schmerz schildern wollte, der sich meiner bemächtigte, als ich gestern den Brief des Hrn. Metzger erhielt. Eben gestern erwartete ich die Antwort meines unvergesslichen Vaters auf meinen letzten Brief vom 19ten März, und statt diesen muss ich den unersetzlichen Verlust erfahren, der uns betroffen. Du, meine liebe gute Mutter, weisst nur zu gut, was Er uns Allen, und besonders mir war. Mein bester, mein einziger Freund, von Kindheit an mein Vater und mein Wohlthäter! Noch vermag ich es nicht, meine Gedanken zu ordnen, und noch viel weniger Dir Trost zuzusprechen, da ich selbst noch dessen zu sehr bedarf; und ich sende nur desshalb diese Zeilen an Dich ab, um Dich aufs angelegentlichste zu bitten, mich so bald, als nur immer möglich, über Dein Befinden zu beruhigen, und mir wissen zu machen, was Du allenfalls für Pläne für die Zukunft gemacht hast. Willst Du zu mir kommen, so erwarte von meiner kindlichen Liebe, dass ich Alles thun werde, was zu Deiner Zufriedenheit beytragen kann. Oder wünschest Du, dass ich auf[596] einige Zeit zu Dir komme, um Deine Geschäfte zu schlichten, so schreibe mir es unverzüglich; mit einem Worte, was Du immer zu unternehmen denkst, rechne auf Deinen Sohn

Wolfgang.


Auf allgemeines Verlangen gab der Sohn ein paar Tage vor seiner Abreise von Salzburg, den 29sten August, eine musikalische Akademie im Rathhaus-Saale, wo sich unter andern der Concertgeber mit einem Pianoforte-Concert in Es dur von seiner Composition, Quintetto concertant für das Pianoforte,Hautbois, Clarinetto, Cor et Basson, und Phantasie zu vier Händen vom Vater, und einem Terzette für Männerstimmen vom Concertgeber hören liess, und ungetheilten Beyfall erntete. Auch legte er während seines Aufenthaltes in Salzburg den Grundstein zu dem für seinen Stiefvater errichteten Monumente.

Er reis'te den 1sten September von Salzburg ab, voll Eifer und Begierde, um zu seinem erst vor wenigen Monden 1826 in Lemberg gegründeten Gesang-Institute, dem sogenannten Cäcilien-Chore, zu eilen. Diese Anstalt, deren Gründung ihrem Stifter, W.A. Mozart, in dieser Stadt ein bleibendes Andenken verbürgt, hat sich die Förderung der höhern Gesangmusik zum Ziele gesetzt, und erfreut sich eben so sehr der allgemeinen Theilnahme, als sie bereits den schönsten Beweis ihres herrlichen Gedeihens und Fortschreitens eben bald nach seiner Ankunft von Salzburg in Lemberg durch die Ausführung des Requiem seines Vaters den 5ten December desselben Jahres geliefert hat, welches die erste öffentliche[597] Probe ihrer Leistungen war. Die Mnemosyne, eine in Lemberg erscheinende Zeitschrift, liefert über diese Kunstleistung vom 23sten December 1826 folgenden Bericht:


Mozart's Todesfeyer in Lemberg.


Die Kunstliebe unserer Provinz-Hauptstadt und der darin herrschende Eifer, alles Kunstschöne zu fördern, sind allgemein bekannt. Mit dieser natürlichen Neigung ihrer Bewohner vereinigt sich gleichzeitig eine fast unbegränzte Verehrung für die Schöpfer und Begründer höherer Kunstgenüsse, welche sich bey jeder Gelegenheit deutlich zu erkennen gibt. Ein solcher Anlass wurde den kunstsinnigen Lembergern zu Anfange dieses Monats in der Schlosskirche zum heil. Georg zu Theile. Dort nämlich ist zur Feyer des auf den 5ten December fallenden Sterbetags des unvergesslichen Mozart eine Seelenmesse abgehalten und dabey dessen berühmtes Requiem ausgeführt worden. Der Andrang zur Kirche war ganz besonders zahlreich und schon von aussen bemerklich an der Menge von Wagen, welche nicht bloss den Schlosshof ganz füllten, sondern auch einen bedeutenden Raum des nahen Jahrmarktplatzes einnahmen. Nicht weniger beträchtlich war die Anzahl der Fussgänger, welche ungeachtet des ungünstigen Wetters an den ziemlich entfernten Andachtsort hinwallfahrteten. Die Ausführung der grossen Composition war des unübertrefflichen Meisters würdig und entsprach selbst in den schwierigsten Partieen durch Reinheit, Präcision und richtige Betonung des Vortrags der allgemeinen Erwartung eben[598] so sehr, als sie den mächtigen Zudrang zur Stätte der Erbauung rechtfertigte. Sie ermangelte daher auch des beabsichtigten Eindruckes nicht, indem das schmerzliche Gefühl um den herben Verlust des einzigen Meisters durch die erhabenen, himmlische Tröstung einflössenden Gefühle und Ideen dieser Musikdichtung in jeder Brust gemildert und beschwichtigt wurde; ganz so wie es jedes ächte, grosse Kunstwerk thun soll, indem es gleichzeitig den ganzen Schwall grosser Leidenschaften und tiefer Empfindungen in der Brust anregt, aber auch den gewaltigsten Kampf zur beruhigenden Harmonie auflös't und versöhnet. Diese Wirkung wurde durch das eifrigste und verständigste Zusammenstreben aller Theilnehmenden vollkommen erreicht. Das Ganze leitete Herr Wolfgang Amadé Mozart, der jüngere Sohn des verewigten Meisters, welcher seit Jahren in unserer Mitte weilt. Er wurde in dieser durch ihn veranlassten Kunstdarstellung von den vorzüglichsten Künstlern und Musikfreunden Lembergs auf das Werkthätigste und Uneigennützigste unterstützt. Insbesondere hat Herr Lipinski, der als Virtuos und Compositeur gleich rühmlich bekannte Violinspieler, die Direction des Orchesters übernommen, und es bedarf wohl kaum der Versicherung, dass durch seine Mitwirkung das Ganze wesentlich gefördert wurde. Die Singpartieen waren ausschliessend von den Mitgliedern des erst vor wenigen Monaten hier gegründeten Gesang-Instituts, des sogenannten Cäcilien-Chors, besetzt, und ein freundlicher Glücksstern vereinigte zu den Solopartieen die vorzüglichsten Gesangstalente, worunter zwey Damen des ersten[599] Ranges, eben so ausgezeichnet durch reiche Naturanlagen und seltene Ausbildung derselben, als hochgestellt durch Geburt und Rang, mit Bewunderung bemerkt wurden. Bey Uebernahme der Instrumental-Partieen wetteiferten Künstler und Kunstfreunde um die Ehre, zur Feyer des glorreichen Meisters mitzuwirken; ein Umstand, welchen anführen zu können uns um so grösseres Vergnügen gewährt, als bey der bekannten Eigenheit der Künstler dieses Fachs das Arrangement einer grössern Kunstproduction nicht selten zu mannigfachen Reibungen Anlass gibt. Schlüsslich können wir nicht umhin, als einen ganz besondern Beweiss der allgemein verbreiteten Ergebenheit und tiefen Verehrung für den hohen Geist Mozart's noch zu erwähnen, dass zur Darstellung dieses Requiem auch eine Abtheilung der Kapelle des hier garnisonirenden Infanterie-Regiments Mariassy, unter Anführung ihres geschätzten Kapellmeisters Hrn. Wiskotczill, ohne alle Entschädigung mitgewirkt hat.


Wie gross übrigens sein Eifer und seine Begierde für das höhere Studium der Composition ist, davon liefert den stärksten Beweis, dass er alle seine übrigen freyen Stunden, welche nicht dem Musikunterrichte und seinem Singinstitute gewidmet sind, ganz dazu verwendet, und mehre Jahre schon den Unterricht des Kapellmeisters Gallus, eines grossen Contrapunctisten14 geniesst, und es auch hierin schon[600] seit zwey Jahren auf eine hohe Stufe gebracht hat. Hierüber, als auch über seinen edeln Charakter geben seine Briefe die herrlichsten Belege, wovon wir nur folgende anführen wollen:


Lemberg, den 5. October 1826.


Meine theure, vielgeliebte Mutter!


Ich benutze den ersten freyen Augenblick, um Dir meine glückliche Ankunft allhier zu melden. Als ich Dich, meine liebe Mutter, verlassen, war auch der einzige und schönste Zweck meiner Reise erfüllt, denn ich war ja so glücklich, Dich nach einer bangen Trennung von sieben Jahren wieder zu sehen, und Dich, dem Himmel sey Dank, so wohl zu verlassen, als ich es nur wünschen konnte. Der liebe Gott und Deine eigene Vorsicht mögen Dich mir noch lange, lange erhalten, und es bleibt mir dann nichts mehr übrig, als mich einst nicht mehr von Dir trennen zu dürfen.

Ich kam den 28sten September hier an. Ich kann Dir nicht beschreiben, wie sich Alles um mich her meiner Rückkunft freute; und auch ich würde mich ganz glücklich fühlen, wenn ich Dich nicht so fern wüsste! Meine Studien mit dem alten Gallus haben schon wieder begonnen, und wenn auch Alles so geht, wie ich es mit aller Wahrscheinlichkeit hoffen kann, so dürfte mir doch in ein paar Jahren das Glück werden, in Deiner Nähe leben zu können.

Was macht mein lieber Freund Jähndl? Paradirt[601] er mit der Kappe? Hoffentlich wird sein treuer Pudel Fripon durch sie auch an mich erinnert werden, denn er hatte eine besondere Zärtlichkeit zu meiner Kappe. Und nun lebe wohl, liebe Mutter etc.


Lemberg, am 26. Decbr. 1826.


Lieber guter Freund!


Vor dem Jahresschlusse pflegen gewissenhafte und ordentliche Menschen ihre Rechnungen etc. ins Reine zu bringen. Da ich nun auch nicht ganz, doch so halb und halb mich zu diesen Menschen zählen zu können glaube, so sitze ich nun hier, um Ihnen, mein lieber guter Freund, nicht nur alles Liebe und Gute zum neuen Jahre zu wünschen, sondern um Ihnen auch, was freylich ein wenig früher hätte geschehen sollen, für so viele mir erwiesene Freundschaft auf's Herzlichste zu danken. Vater! nicht doch – »Freund! Du weisst es nicht, was hier im Herzen spricht!« kann ich Ihnen mit voller Ueberzeugung sagen, und ich wünsche nur, dass das liebe Salzburg einst, statt eines Festungs-Commandanten, in meiner Wenigkeit einen Kapell-Commandanten braucht, um Ihnen mündlich sagen zu können, dass ich Sie recht herzlich liebe, und mich immer der Gelegenheit erfreuen werde, Ihnen es beweisen zu können. Von meiner lieben Mutter werden Sie erfahren haben, dass ich, meinem Vorsatze getreu, am 28sten September hier eingetroffen bin, wo ich nun wieder in meinem alten Geleise fort lebe, d.h. Lection gebe, zu Zeiten meine Finger ein Bischen in Ordnung erhalte, und besonders mit vielem Eifer meinen Cäcilien-Chor ausbilde, der[602] mir immer mehr Vergnügen macht. Am Sterbetage meines unvergesslichen Vaters traten wir zum ersten Male öffentlich und zwar mit dessen Requiem auf.

Mit Sehnsucht sehe ich einer Sendung Partituren von Michael Haydn's und meines Vaters Kirchensachen entgegen: haben Sie die Güte, das zu beherzigen, und mir auch zugleich wissen zu machen, wie hoch ich schon in Ihrer Schuld stehe, denn die hinterlassenen 30 fl. sind gewiss schon längst verbraucht.

Schreiben Sie mir ja recht bald, wie es Ihnen geht, was Sie machen, und ob Sie und meine andern Salzburger Freunde sich noch zuweilen meiner erinnern. Von meiner Seite bedarf diess wirklich keiner Versicherung, und es ist, nach meiner mitunter nicht sehr angenehmen Beschäftigung, mir eine sehr liebliche Erholung, mir die fröhlichen Stunden ins Gedächtniss zurückzuführen, die ich in Ihrem Kreise verlebte etc.


Lemberg, den 17. April 1827.


Meine liebe gute Mutter!


Wenn Du No. 48 der Wiener Theater-Zeitung und No. 51 der ebenfalls in Wien erscheinenden Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode zu lesen bekommen kannst, so wird es Dir Vergnügen machen, denn diese Blätter enthalten viel Schönes über mein letzt gegebenes Vocal- und Instrumental-Concert, zum Besten des erst seit Kurzem hier errichteten galizischen Wittwen- und Waisen-Pensions-Instituts den 5ten April mit hoher Bewilligung aufgeführt, welches Concert nicht nur sehr glänzend ausfiel und uns viel Ehre und Beyfall erwarb,[603] sondern das auch, nach Abzug der Unkosten, einen reinen Gewinn von 400 fl. C.M. abwarf. Die vorkommenden Stücke darin waren: 1) Der 103te Psalm von Naumann; 2) Cantate: Ewiger erbarme Dich, von unserm Vater; 3) Grosses Duo für zwey Pianofortes, von Ries; 4) die Harmonie der Sphären, von Andreas Romberg; 5) Terzett: Zu Dir o Herr, und Schlussgesang der zweyten Abtheilung der Schöpfung von J. Haydn. Eine schöne Beurtheilung dieses Concerts erhältst Du mit dem Morgen von hier abgehenden Postwagen in dem hier erscheinenden Wochenblatte. Sobald wie möglich bekömmst Du auch vier lithographirte Exemplare, die heilige Cäcilia vorstellend; eines davon bitte ich für Dich zu behalten, und die anderen drey den Herren von Schumann, Jähndl, Hacker in meinem Namen zu geben. Es ist die Copie eines sehr schönen in Oel gemalten Bildes (fünf Schuh hoch und drey Schuh breit), die mir bey Gründung meines Cäcilien-Chores der Herzoglich Anhalt-Köthensche HofmalerEngert geschenkt hatte.


Lemberg, den 12. Octbr. 1827.


Meine liebe gute Mutter!


Deinen lieben Brief und den Partituren-Transport von Jähndl habe ich glücklich und mit grossem Danke für Deine gehabte Mühe erhalten, und würde es auch früher bestätigt haben, wenn ich nicht einer sehr erfreulichen Nachricht entgegen gesehen hätte, die ich Dir zugleich mittheilen wollte. Dieses ist nun erfolgt, und ich säume nicht, Dir zu berichten, dass Ihre Majestät, unsere Kaiserin, die Gnade gehabt[604] hat, die Dedication einer von mir componirten Cantate, der erste Frühlingsmorgen, huldvollst anzunehmen. Wenn ich nicht das Glück hätte, den Namen der Kaiserin auf den Titel setzen zu dürfen, so würde ich wohl schwerlich einen Verleger finden; denn diese Herren nehmen nicht gern grössere Werke, wie meine Cantate eines ist, denn die Auflage kostet viel, und es finden sich auch schwerer Käufer auf ein Stück, was zwischen 3–4 fl. C.M. ungefähr kosten wird.

Hat Jähndl schon die Partitur des Davidde penitente bekommen? Ich gab sie einem Bekannten, der nach Salzburg öfters, aber zu unbestimmten Zeiten reis't, mit. –

Freund Gallus, der in seinem Eifer nicht nachlässt, ist mit meinen Fortschritten zufrieden, und prophezeiht mir immer, dass ich gute Fugen machen werde: wenn's nur wahr wird, denn ich möchte mich gern vorzüglich auf Kirchenmusik verlegen, denn da ist man weniger der Kabale und der Mode unterworfen, und kann auch mit der Zeit ein ruhiges Brod erwarten.


Lemberg, den 28. Decbr. 1827.


Meine liebe gute Mutter!


In der Hoffnung, dass Du meinen Brief vom 12ten October erhalten hast, melde ich Dir, dass Dein Schreiben von demselben Datum mir gleichfalls zugekommen ist. Es wäre wohl meine Schuldigkeit gewesen, Dir früher zu schreiben und Dir das weiter unten Folgende zu erzählen; aber mit dem besten Willen von der Welt war es mir nicht[605] möglich, früher dazu zu kommen. Ich eile nun, das Versäumte nachzuholen, und zwar um so mehr, weil ich sonst mit meinem herzlichsten Wunsche zum neuen Jahre und zu Deinem Geburtstage zu spät kommen könnte. Der Himmel erhalte Dich noch lange wohl und zufrieden, und vergönne mir das Glück, Dir noch recht viele Freude zu machen. Wie sehr hätte ich gewünscht, Dich an meinem Namenstage bey mir zu haben, um Zeuge des Vergnügens zu seyn, das man mir bereitete. – Montag, am 29sten October, als am gewöhnlichen Versammlungstage meines Cäcilien-Chores, fand ich zu meinem nicht geringen Erstaunen bey meinem Eintritte den Saal schon beleuchtet, alle Mitglieder des Vereins schon versammelt (sonst bin ich immer der Erste), und die Gesellschaft noch durch dazu eingeladene Gäste vermehrt. Alle Herren waren schwarz, und die Damen auch festlich gekleidet. Ich war wirklich stumm vor Staunen und Verwirrung; endlich nöthigte man mich zu sitzen, und zugleich traten aus einem Nebenzimmer sechs der jüngsten und schönsten Mädchen des Vereines, gekleidet in die Farbe der Unschuld, und überreichten mir auf einer eigends hierzu gestickten Tasse, auf der lauter musikalische Instrumente dargestellt waren, einen sehr schönen silbernen und inwendig vergoldeten Becher nebst Untertasse, mit einem Lorberkranze umwunden. Auf dem Becher ist die Inschrift: Der Lemberger Cäcilien-Chor seinem verehrten Stifter und Director W.A.M. zur freundlichen Erinnerung an den 31sten October 1827; auf der Untertasse sind die Worte: Kurz ist das Leben, ewig bleibend[606] die Kunst. Während der Becher überreicht wurde, sang der Männer-Chor das Gedicht (s. No. 1.), welches ein Vereinsmitglied, Hr. Rolletschek, Kapellmeister an der griechisch-katholischen Domkirche, in Musik gesetzt hatte. Als diess geendigt war und die Damen wieder an ihren Pulten waren, wurde noch eine zweyte Cantate für den ganzen Chor, von einem Vereinsmitgliede in Musik gesetzt, mit vielen schönen und sinnreichen Anspielungen auf meinen Vater und mich etc. gesungen (No. 2). Nach beendigtem Gesange wurde der Becher mit Wein gefüllt, und die ganze Gesellschaft trank daraus auf mein und des Cäcilien-Chors Wohl und Gedeihen. Nachdem nun auch für den Gaumen gesorgt war, denn es wurden nebst Wein auch Backereyen u. dergl. herumgetragen, fing das junge Volk an, beym Claviere zu tanzen, und so endete fröhlich dieser für mich gleich ehrenvolle als freundliche Abend. Meine Freude wurde durch das reine Vergnügen erhöht, das von jedem Gesichte strahlte. Die Gesellschaft bestand aus 45 Mitgliedern und 23 Gästen. Tags darauf wurde ich noch von allen meinen Schülerinnen mit niedlichen Handarbeiten beschenkt. – –


(No. 1.)

Blumen winden Himmels-Mächte

In der Jugend Kranzgeflechte.

Blumen welken – und verblüh'n;

Ares und Apollo lohnen

Mit des Ruhmes Lorbeerkronen;

Auch der Lorbeer welket hin.


Doch Lyäus kränzt die Schläfe

Mit der Reben Laub, und Hefe

Schmückt der Bacchen Angesicht;[607]

Er entzündet Ares Feuer,

Er begeistert Phoibos Leier,

Er giebt Jugend, Glanz und Licht.


Darum göttlich ist der Zecher,

Darum lohnt und ehrt ein Becher

Jeder Gottheit hehren Sohn.

Nimm ihn denn aus schönen Händen

Zarter Frauen, die ihn spenden,

Als ein Denkmal, nicht als Lohn.


Schlürfe, trink mit vollen Zügen

Kraft, Gesundheit und Vergnügen,

Lach' des Lebens Kummer Hohn!

Denn glückselig ist der Zecher

Und es lohnt und ehrt ein Becher

Jeder Gottheit hehren Sohn.


(No. 2.)

Worte des Dankes.

Gesprochen

vom Lemberger Cäcilien-Chor

am 31. October 1827,

gerichtet an

W.A. MOZART,

den Stifter und Director dieser Anstalt.


* * *


Chor.


Töne fröhlich, töne freyer,

Sang, der hin zum Aether schwebt,

Den zur schönen Tagesfeyer

Hehres Dankgefühl belebt;

Für den Sohn der Kunst, den Einen,

Der in uns'rer Brust dich schuf,

Ihn harmonisch zu vereinen,

Auserkohr sich zum Beruf,

Der ein nie gekanntes Sehnen

Hin nach dem, was schön und gross,

In dem Reiche der Kamönen,

Uns im Innern auferschloss.


[608] Recitativ.


Es naht der Tag, der Dich zum neuen Leben

In dieser Welt, zum schönen Wirken rief;

Du solltest dem die Kunstgestaltung geben,

Was formlos in der Jünger Busen schlief,

In anmuthvolle Harmonieen weben,

Was im Gemüth so räthselhaft und tief

Gelegen, und des Herzens hohe Fülle

Entfalten uns, im künstlerischen Spiele.


Aria.


Nicht spurlos soll der Tag entschwinden,

In uns ein stetes Denkmal finden,

Der uns den Meister gab, den Freund,

Der uns zum schönen Zweck vereint.

Des Glückes Stern soll ihm erglänzen,

Zufriedenheit sein Leben kränzen,

Sein Name werd' in jedem Land'

Mit dem des Vaters einst genannt.


Recitativ.


Der schöne Augenblick soll nicht entflieh'n,

Und Dank soll bringen diese ganze Runde

Dem Lehrer für sein liebevolles Müh'n,

Für manche nie vergess'ne Stunde,

Die Dankgefühle, die im Herzen glüh'n,

Er höre sie aus dem beredten Munde:


Quartett mit Chor.


Für das meistervolle Walten,

Wahren Kunstsinn zu entfalten,

Für das herrliche Beginnen,

Nur das Hohe zu ersinnen,

Für das anerkennte Streben,

Worten Harmonie zu geben,

Bringt dem Stifter und dem Leiter

Tiefen, stets gefühlten Dank.

Auf, erhebe Dich, Gesang!

Brust und Herz, sie werden weiter;

Könnten Alle doch es hören,

Wie wir hoch den Meister ehren!


[609] Recitativ.


Wer nur den Pfad der Kunst betritt,

Der sieht die Welt im hellern Glanze,

Zu höh'ren Zwecken aufgeblüht,

Scheint ihm das räthselhafte Ganze;

Die Schauer einer Ewigkeit,

Die ahnungvoll die Brust durchbeben,

Sie bringen reine Seligkeit

In jedes wahren Künstlers Leben.


Aria.


Als der Schöpfer sprach: Es werde!

Schwebte auf der jungen Erde

Unbewusst der grosse Geist,

Der sich durch die Kunst uns weis't,

Der Apelles Pinsel führte,

Der Canova's Formen zierte,

Der in Mozart's Tönen lieget,

Seine Melodie'n durchfliesst,

Auf St. Peters Dom sich wieget,

Und in Schillers Dichtung spriesst,

Dessen hohes, heil'ges Wehen

Uns die Kunst nur lehrt verstehen;

Himmelstochter! um uns breite

Deine Flügel sanft herum,

Deine treuen Jünger leite

Zum Altar ins Heiligthum.


Schluss-Chor.


Wir nahen dem Ziele,

Wenn Mozart uns führt,

Wenn er uns die Pfade

Zur Kunst weisen wird,

Aus tieferem Geiste

Uns freundlich belehrt;

Dafür werd' Er ewig

Geschätzt und geehrt! –


Lemberg, den 16. Januar 1828.


Meine liebe gute Mutter!


Unser Gouverneur, der Fürst Lobkowitz, hat sich vorigen Monat mit einer Fürstin Schwarzenberg,[610] Tochter des regierenden Fürsten, vermählt, und ist mit seiner jungen Gemahlin am 4ten d.M. von Wien hier angekommen. Nun jagt ein Ball und ein Fest das andere, zum Empfange des jungen Fürstenpaares. Unter anderm gab auch unser Erzbischof aus dieser Veranlassung vorigen Sonnabend eine grosse Assemblée, und da bey ihm nie getanzt wird und er dem Fürsten eine besondere Ueberraschung bereiten wollte, so gab er mir den Auftrag, eine Cantate zum Empfange der Fürstin zu componiren. Montag, am 7ten, fasste der Erzbischof erst diesen Entschluss. Dienstag Mittags bekam ich die Worte und Samstag sollte die Aufführung seyn! Da hiess es sich zusammen nehmen. Ich war auch so glücklich, bis Donnerstag Abends mit meiner Arbeit fertig zu seyn. Freytag wurden die Stimmen ausgeschrieben und Samstag probirt, und Abends mit Beyfall aufgeführt. Mit weniger Eile hätte ich es wohl besser machen können; aber ich kann mir doch selbst das Zeugniss geben, dass meine Composition mir gelungen ist, und dass sie Effect macht. Nach dieser Cantate spielte meine Schülerin, die jüngere Fräulein Baroni, das Rondo brillant in A dur von Hummel, welchem eine von Hrn. Servaczinski sehr schön gespielte Polonoise von Mayseder folgte, und den Beschluss machte meine der Kaiserin dedicirte Cantate, die allgemein ansprach. Mir machte das Ganze viele Freude, denn es lieferte mir neuerdings den Beweis, dass ich Talent zum Componiren habe, und dass ich etwas Ausgezeichnetes zu leisten im Stande seyn werde, wenn ich meine ganze Zeit darauf werde verwenden können. Aber so muss ich mich gegenwärtig[611] mit Lectionen plagen und abstumpfen. Nur zwey Jahre Herr meiner Zeit, und mein Vater sollte sich im Grabe über mich freuen! – Ich brauche noch vier bis fünf Monate, um mit meinen Studien fertig zu werden, und wenn ich einmal so weit bin, so werde ich früher einige kleine und grössere Stücke für die Kirche schreiben müssen, um mich in diesen Styl erst recht einzuüben.

Das Galizische Abendblatt für gebildete Leser in Lemberg hat in No. 35 Folgendes: »Ihro Majestät unsere geliebte Kaiserin Carolina Augusta geruhte huldreichst die Dedication einer Cantate: Der erste Frühlingstag, von W.A. Mozart, anzunehmen. Diese vierstimmige Cantate ist bereits in Wien unter der Presse und wird ehestens erscheinen; sie soll nach dem Urtheile der Kenner ein vortreffliches Werk seyn.« Bis Ende Junius, hoffe ich, wird sie endlich herauskommen.


Möge dieser hoffnungsvolle Sohn in diesem so schönen Bestreben nach Vollkommenheit nicht ermüden, und so wie er der Erbe des väterlichen Talentes ist, auch seinen rastlosen Fleiss in dem Studium grosser Meister geerbt haben! Nur dadurch geht der Weg zum wahren Ruhme! Der ältere Sohn Carl ist gegen wärtig in Mailand Secretair bey der Kanzley der Regierung, ist aber auch in der Musik sehr ausgebildet. – So weit von Mozart's Sohne. –
[612]

Des grossen Mozart's Kunst-Vollkommenheit wurde noch bey seinem Leben allgemein anerkannt und nach Werthe geschätzt: aber er lebte zu kurz, um die wahre Blüthezeit seines Ruhmes zu sehen. Selbst in Wien, seinem Wohnorte, waren es nur Kenner, die seinem Genie Gerechtigkeit widerfahren liessen. Der Zauberflöte, wovon Mozart die ersten Vorstellungen, und folglich auch den ausserordentlichen Beyfall noch erlebte, war es vorbehalten, seine Grösse dem Auslande zu verkünden. Durch diess Meisterwerk begeistert, suchte man seine übrigen Werke auf, studirte sie und empfand ihre Schönheit, und so war der Name Mozart bald in der ganzen gebildeten Welt gefeyert, seine Gesänge die Lust jedes Ohres!

In der allgem. Leipz. musik. Zeitung von 1819 heisst es aus Wien, bey Gelegenheit einer Reprise von Mozart's Mädchentreue im Hoftheater: Wird zwar das hiesige Publicum bisweilen von dem erborgten Mondlicht eines Rossini zu menschlichen Schwächen herabgezogen, huldigt es dennoch dem allmächtigen Strahlenmeere der ewigen Sonne anbetend, empfängt das unvergänglich Schöne stets mit warmem Herzen und setzt dem wahren Verdienste jubelnd die Lorberkrone auf. Wenn man so die Werke des verklärten Meisters mit aller ihrer Erhabenheit, Lieblichkeit, mit dem unerschöpflichen Borne an Neuheit, Fülle, Reichthum der Melodieen, an Ausdruck, Gefühl, Wahrheit und Natürlichkeit unter die Kapelle brächte, wie würde doch so rein gediegen Gold zum Vorscheine kommen, wie tief müsste selbst im umgekehrten Verhältnisse die Waagschale manches[613] gefeyerten Tondichters unter unseren Zeitgenossen zu Boden sinken, indess jene des olympischen Sängers – gefüllt mit Aether-Blumen – himmelan zum Mutterlande empor steigt! –

Die Wittwe erfuhr es auf ihrer im Jahre 1796 unternommenen Reise durch Deutschland, überall zu ihrer innigsten Wonne, wie gern die Deutschen wahres Verdienst erkennen und ehren, und wie tief Mozart's Gesänge auf ihre Herzen einwirkten. In Leipzig nahm der Gastwirth Ernst keine Bezahlung von der Wittwe: Reisen Sie glücklich, und kommen Sie bald wieder, war seine Antwort.

Bey ihrem Aufenthalte zu Berlin im Februar 1796 gab der höchstselige König Wilhelm II., dieser vortreffliche Freund der Tonkunst, der Mozarten noch ein Jahr vor seinem Tode eine goldene Dose und 100 Friedrichsd'or übersandt hatte, und der ganze königliche Hof ausgezeichnete Beweise seiner Liebe und Achtung für das Genie Mozart's. Durch ein gnädiges Handbillet ward ihr, bloss aus Rücksicht auf die Talente ihres Mannes, das königliche Theater und die Kapelle zum Gebrauche für ihr Concert überlassen; und ihre Unternehmung wurde nicht nur von dem Monarchen, sondern auch von dem ganzen Publicum auf das Grossmüthigste unterstützt. Ueber alle Beschreibung gross und rührend war die Wirkung, welche die Aufführung der Singstücke aus der Oper: La Clemenza di Tito bey dem Concerte auf den König und das so ungewöhnlich zahlreich versammelte Publicum machte. Alles war gleich begeistert, die grossen Sänger, das vortreffliche Orchester und die Zuhörer. Der Geist des verewigten Künstlers (so[614] drückt sich ein Berliner Wochenblatt aus) schien über der Versammlung zu schweben, als zum Anfange die Symphonie aus der Zauberflöte, von dem Orchester so meisterhaft vorgetragen, eine feyerliche einweihende Stille hervorbrachte. Das Handbillet, worin der König von Preussen einen so rühmlichen Beweis seines guten Geschmacks und der Achtung für deutsches Talent gegeben, lautet wörtlich so:

»Se. Königl. Majestät von Preussen etc. machen sich ein wahres Vergnügen, durch die Gewährung des Wunsches der Wittwe Mozart zu beweisen, wie sehr Sie das Talent ihres verstorbenen Mannes geschätzt, und die ungünstigen Umstände bedauert haben, welche ihn die Früchte seiner Werke einzuernten verhinderten. Allerhöchstdieselben bewilligen der Wittwe Mozart zur Ausführung dessen letzter Composition,La Clemenza di Tito, das grosse Opernhaus, so wie Dero eigenes Orchester, haben auch dieserhalb die nöthigen Befehle an den Kammerherrn Freyherrn von der Reck erlassen, an welchen sich selbige nunmehr zu wenden hat, um wegen des zu bestimmenden Tages und wegen des übrigen Details mit ihm sich gehörig zu besprechen. Berlin den 14ten Februar 1796.«

Selbst Italien, seit Jahrhunderten im unbestrittenen Besitze des Meisterrechtes der Tonkunst, überwand seinen Nationalstolz und erkennt nun Mozart's Ueberlegenheit in der Musik an. Mozart's Opern werden in Rom, Mayland und anderen Städten mit Beyfall gegeben, die Claviersachen von Jedermann gespielt, und Meister studiren seine Partituren.[615]

Noch früher hat Frankreich seinem Talente gehuldigt. Der Beyfall, den die Mysterien der Isis (Zauberflöte) in Paris erhielten, ist ein Beweis davon. Lachnith hat zwar die Zauberflöte frevelhaft verstümmelt; aber gleich dem ephesischen Tempel ist das Mozart'sche Wunderwerk (eines der sieben musikalischen, die alle von einem und demselben Componisten sind) auch selbst noch in seinen Ruinen ein erstaunendes und entzückendes Monument des unsterblichen Meisters. Baron v. Sievers giebt über dessen Aufführung folgenden Bericht:

Die Ouverture wurde von dem Orchester der grossen Oper, besonders in den Parthieen der Blas-Instrumente, mit wunderbar vollendeter Reinheit und Präcision ausgeführt. Von einem solchen haarscharf bestimmten und durch die grosse Masse der Künstler mit überwältigender Kraft imponirenden Vortrage, der bey Mozart's Werken aller Nüancirungen (welche diesem Orchester überall abgehen) entbehren kann, geben die deutschen kleinen Orchester, in welchen überdem nur zu oft Jedermann Künstler und Niemand Ripienist seyn will, keinen Schatten zu erkennen. Was aber würden deutsche Musik-Liebhaber zu dem herzerhebenden Effecte sagen, welchen die beyden End-Chöre: Es lebe Sarastro, und: Es siegte die Weisheit, hervorbringen, wenn sie von ein paar hundert Instrumentalisten und Vocalisten vorgetragen werden, die Alle, ohne Ausnahme, im höchsten Grade musikalisch sind und eine vollendete Routine besitzen! So kann sich ein deutsches Ohr gleichfalls keinen Begriff von der vollendeten Präcision und Reinheit machen, mit[616] welcher sämmtliche Stücke der drey Damen und der drey Knaben, von welchen letzteren freylich nur: Seyd uns zum zweyten Mal' willkommen, beybehalten worden ist, vorgetragen werden. Wer weiss nicht, dass die genannten Stücke auf allen deutschen Theatern diePartie honteuse sind, von denen ein gebildeter Musik-Kenner sein Gehör abwenden möchte? Hier werden die drey Damen, welchen auch das eben erwähnte Terzett der drey Knaben zugetheilt ist, von den ersten drey Chor-Solo-Sängerinnen der grossen Oper gesungen, drey Künstlerinnen von vollendet musikalischer Bildung, von denen insbesondere Madame Lebrun, die Gattin des Componisten des Rossignol, eine vortreffliche Contra-Altstimme besitzt. Durch ihre kräftige, kühne und präcise Intonation erhält besonders das Quintett: Hu, hu, und in diesem besonders die Stelle: So lebet wohl, eine Bedeutung, die mir in Deutschland gänzlich unbekannt geblieben ist. Der Charakter der ganzen Vorstellung offenbart überhaupt eine Grösse, von der Mozart, hätte er einer derselben beywohnen können, wahrscheinlich selbst ergriffen worden seyn würde. Die Arie: Diess Bildniss ist bezaubernd schön, singt Herr Nourrit als Tamino (Ismenor) aus D dur! Was die Veränderungen, welche mit dem Texte und der Musik vorgenommen sind, anbetrifft, so kann ich von dem ersten, ohne in ein zu weitläufiges Detail mich einzulassen, nur so viel sagen, dass ihm alle äusseren romantisch-bizarren Auswüchse abgeschnitten sind, und das Stück nun einem Knochen-Skelette gleicht, von welchem das Fleisch abgestreift ist. Die Grund-Idee[617] Schikaneders begreift man gerade noch so viel, als man den Wein in einer Bouteille riecht, wenn er nicht mehr darin ist. Verschwunden sind die Schlange, das Schloss am Munde, die Königin mit Donner und Blitz und ihren zwey Arien, das Wasser und Feuer, die geharnischten Männer, die Sitzung der Eingeweihten mit ihren Posaunen, die wilden Thiere, die drey Knaben, der Wahnsinn Paminens, und endlich Monostatos nebst dem Mondscheine; gestrichen alle Musikstücke, welche durch Ausmerzung obiger Personen von selbst wegfallen mussten, ausser: Seyd uns zum zweyten Mal willkommen, welches, wie schon oben gesagt, von den drey Damen, und: Alles fühlt der Liebe Freuden, welches von der Papagena gesungen wird. Ausserdem bleiben weg: Wie hold ist nicht Dein Zauberton, die beyden Duette zwischen Tamino und Pamina, natürlich auch (da die Knaben fehlen) Pamina's Wahnsinnsscene, das letzte Quintett zwischen der Königin, Monostatos und den drey Damen, das Final des ersten Actes: O Herr und die Folge desselben, welche mit dem Auftritte des Monostatos anhebt, (Es lebe Sarastro ist geblieben) Du feines Täubchen, nur herein, und endlich: In diesen heil'gen Hallen. An die Stelle sind viele Tanzstücke und mehre Arien und Chöre getreten, von denen ein guter Theil von Herrn Lachnith selbst seyn soll. Kein einziges der beybehaltenen Stücke ist an seiner Stelle verblieben, keinem der Sinn seines ursprünglichen Textes gelassen worden. Aus dem Duett: Bey Männern, welche Liebe fühlen, ist ein Terzett geworden u.s.w. Am ärgsten ist es aber, dass man sich sogar Veränderungen[618] in der Partitur erlaubt hat. So fehlt z.B. in der Arie: In diesen heil'gen Hallen, bey der Stelle: so wandelt er an Freundes Hand, der nachahmende Bass:


10. Reise

der hier nicht allein der Harmonie wegen unentbehrlich, sondern auch auf das Wandeln deutend, so charakteristisch ist, ganz und gar, und die Bässe schlagen statt dessen nur das h einige Male an. Wie nüchtern und kahl diese so bewunderte Stelle nun klingt, kann man sich leicht denken. So ist die Verstümmelung beschaffen, in welcher die Zauberflöte auf dem grossen Pariser Opern-Theater gegeben wird, und so gross ist nichts desto weniger die bewundernde Anbetung, mit welcher Kenner und Liebhaber die Zaubertöne anhören, dass sie unbeweglich sitzen, keine Hand rühren, und das Entzücken, welches sie empfinden, nur durch Verklärung ihrer Mienen zu erkennen geben.

Lachnith hat die Recitative statt des deutschen Dialogs, und Herr Molina das neue Gedicht geschrieben.

Don Juan machte kein so grosses Glück; aber diess war, wie alle Nachrichten einstimmig aussagten, die Folge der schlechten Darstellung des Stückes; denn der hohe Werth desselben wurde vollkommen anerkannt. Der grosse Spohr schrieb während seines Aufenthaltes in Paris 1820 hierüber Folgendes:


Gestern sahen wir endlich denn auch im italienischen Theater bey überfülltem Hause Don Juan. Ich wurde versucht zu glauben: die Pariser hätten nun endlich die klassische Vortrefflichkeit dieses[619] Werkes begriffen, und drängten sich in immer grösserer Menge herbey, um es zu geniessen; diese Meinung gab ich aber bald wieder auf, wie ich sah, dass die herrlichsten Nummern der Oper, das erste Duett, das Quartett, das grosse Septett, und so manches Andere, ohne Eindruck auf sie zu machen, vorüber ging, und nur zwey Nummern rauschenden Beyfall erhielten, der überdiess mehr den Sängern wie dem Componisten galt. Diese zwey Nummern, die jedes Mal da capo verlangt werden, waren: das Duett zwischen Don Juan und Zerline: Reich' mir die Hand, mein Leben, und die Aria von Don Juan: Treibt der Champagner. Die ganze Oper ward verkehrt besetzt. So viel wird einem Deutschen aber doch bald klar, dass diese Sänger, die die neu italienische, besonders Rossini'sche Musik in höchster Vollendung geben, die Mozart'sche nicht mit gleicher Trefflichkeit executiren können; die Gattung ist gar zu verschieden. Der weichliche, süsse Vortrag, der bey jener ganz an seinem Platze ist, verwischt hier zu sehr den energischen Charakter, der dem Don Juan vor allen anderen Mozart'schen Opern eigen ist u.s.w.


Mozart's Symphonieen, Clavier-Concerte, Quartetten werden allgemein bewundert, häufig gespielt, und in Stich und Druck ohne Aufhören neu aufgelegt.

England, welches deutsches Tonkünstlerverdienst von jeher schätzte und lohnte, kennt und bewundert auch Mozart's allgewaltigen Geist. Das Requiem wurde in London öfters mit dem grössten Beyfall aufgeführt, und der Absatz seiner bey Breitkopf u.[620] Härtel herausgekommenen Werke ist nach England eben so stark, als in Deutschland und Frankreich.

Wo giebt es überhaupt Kenner und Liebhaber der süssesten der Künste, wo nicht Mozart's Töne tönten und jedes Ohr entzückten? Selbst in den entferntesten Welttheilen, wohin kaum der Name der berühmtesten Europäer dringt, hallen seine Harmonieen wieder. In den philippinischen Inseln (schreibt der bekannte Botaniker Hänke) werden seine Werke mit Entzücken gehört.

Folgendes Schreiben aus London 1817 an die Redaction der Leipziger allgemeinen musikalischen Zeitung enthält Folgendes:

Auf dem Theater der italienischen Oper in London machen Mozart's Meisterwerke, vor allen Don Juan, endlich auch Epoche, so dass Jeder sich selbst bey der feinen Welt das Urtheil sprechen würde, der nicht Mozart unter den Opern-Componisten eben so hoch stellte, als Händeln unter den Kirchen-Componisten.

Dass Mozart's Werke in Nord-Amerika ziemlich bekannt sind, kann ich versichern; dass sie in Süd-Amerika, in Brasilien durch Neukomm bekannt worden, sehe ich aus Ihrem Blatte; und dass sie nun von hier aus auch nach Indien wandern werden, ist nicht mehr zu bezweifeln. So giebt es denn wohl kein Land der alten und der neuen Welt, das überhaupt kunstgemässe Musik besitzt, wo nicht Mozart Bildung und vielfältigen frohen Genuss verbreitete – er, den man bey Lebzeiten kaum aufducken und hungern liess. Kurz, die Nachwelt ist gegen die Verdienste und das Genie Mozart's gerecht.[621] Latrobe fand bey den letzten Colonisten niederländischer Abkunft im Tief-Innersten des Landes der Hottentotten und Kaffern Mozart'sche Hefte auf dem Notenpulte des Pianoforte. Und selbst die neuesten Reiseberichte sagen uns (1827):

In Mexico hört man häufig in Dörfern auf dem Gebirge die grössten Musikstücke von Haydn, Mozart, Bach, Beethoven, weit von der Hauptstadt; und Clavierstücke von Pleyl, Ries, Cramer u.A. trifft man in jedem Hause.

Fußnoten

1 Der Leibkammerdiener des Kaisers Joseph.


2 Franz Xaver Joseph, letzter Churfürst von Cöln, Bischof von Münster, Hoch- und Deutschmeister zu Mergentheim, Königl. Prinz von Ungarn und Böhmen und Erzherzog von Oesterreich, geb. 1756, gest. 1801. Er war der jüngste unter den Söhnen der grossen Kaiserin Maria Theresia, und einer von den Fürsten, welche von ihren Unterthanen gesegnet und von der Menschheit mit Ehrfurcht genannt werden.


3 K.K. wirklicher geheimer Rath und Präses der Kaiserlichen Hof-Bibliothek, war ein grosser Freund der Tonkunst und hatte sehr viel Umgang mit Mozart und Haydn. Er starb 1803.


4 Vorzüglich Duscheck, Kucharz, Praupner, Joh. Kozeluch, die beyden Loschek, Maschek, Cajetan Vogel, Wenzel, Weber, Rösler, Witassek, Tomaschek u.A.m.


5 Ein Benedictiner-Kloster in Oberösterreich.


6 Auch in dem Don Juan? Die Worte sind schlecht, aber Scenen der Empfindung hat das Stück in nicht ärmlichem Maasse. Don Juan, wie Faust, scheint ein für alle Zeiten feststehender, unerschöpflicher Stoff zu seyn – er selbst steht rein da – personificirte Sinnlichkeit.


7 Welche Schaulustigen? Warum damals zweckmässig?


8 Bald darauf ward Mozart zu einem zweyten Concert aufgefordert, das denselben ruhmvollen Erfolg hatte.


9 Dieser Umstand war Salomons Erscheinen in Wien, um J. Haydn und Mozart zu seinen Concerten in London zu engagiren. –


10 Mozart's Geist, seine kurze Biographie und ästhetische Darstellung seiner Werke. Erfurt, 1803.


11 Mozart schrieb Alles mit einer Leichtigkeit und Geschwindigkeit, die wohl beym ersten Anblicke Flüchtigkeit oder Uebereilung scheinen konnte: er kam während des Schreibens nie zum Claviere. Seine Einbildungskraft stellte ihm das ganze Werk mit seinem Effecte deutlich, lebhaft dar. Er hörte klingen, schmettern, pauken, während er schrieb. Selten trifft man in seinen Manuscripten ausgestrichene oder verbesserte Stellen an. Seine Concepte sind ausserordentlich rein.


12 Noch als Ehemann brachte er halbe Nächte am Claviere zu, und seine mehresten Compositionen sind in der Nacht gearbeitet, wo die Sinne durch keine äusseren Eindrücke zerstreut werden, die Einbildung thätiger wirkt.


13 Die Wittwe Mozart's trat im Jahre 1809 in eine zweyte Ehe. Sie verband sich nämlich zu Wien sehr glücklich mit dem damals als Königl. dänischer Geschäftsträger dort angestellten, verdienstvollen Herrn von Nissen, und lebte, als er gleich darauf noch in demselben Jahre zum Königl. Etatsrath erhoben wurde, zehn Jahre mit ihm zu Kopenhagen. Eine Kränklichkeit nöthigte ihn, das Gasteiner Bad zu gebrauchen, und dadurch kam sie wieder in ihr Vaterland. Sie verlor ihren geliebten, allgemein verehrten Gatten den 26sten März 1826.


14 Nebst mehren Opern componirte er zu Babylons Pyramiden den ersten Act. Ferner sind sehr viele Instrumental-Compositionen von ihm gedruckt, so wie er auch sehr Vieles im Kirchenstyle verfertigt hat. Gegenwärtig privatisirt er in Lemberg. Mehr darüber sehe man in Gerbers Lexikon.

Quelle:
Nissen, Georg Nikolaus von: Biographie W.A. Mozart's. Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1828 [Nachdruck Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms, 1991].
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