Über die Entstehung eines Liedes von Mozart

[183] Adalbert Gyrowetz in seiner Autobiographie, 184677


Mozart pflegte sich meistens auf dem Fortepiano hören zu lassen und Giarnovichi, damals der berühmteste Virtuos auf der Violine, spielte gewöhnlich ein Konzert; die Frau des Hauses sang. Eines Abends geschah es, daß Mozart nicht gleich anfangs im Konzert erschien und man auf ihn schon lange wartete, weil er ein neues Lied für die Frau vom Hause mitzubringen versprochen hatte. Man schickte mehrere Bediente, um ihn zu suchen. Endlich fand ihn einer im Gasthause und bat ihn, alsogleich zu kommen, weil schon alles seiner harre und man sich auf das neue Lied freue. Nun erinnerte sich Mozart, daß er das Lied noch nicht komponiert hatte. Er bat sogleich den Bedienten, ihm ein Stück Notenpapier zu bringen. Nachdem dies geschehen, fing Mozart im Gastzimmer an, das Lied zu komponieren, und als er es fertig hatte, ging er damit in das Konzert, wo schon alles in der gespanntesten Erwartung harrte. Dort wurde er nach einigen zarten Vorwürfen über sein langes Ausbleiben auf das Freudigste empfangen; und als er sich endlich zum Klavier setzte, sang die Frau vom Hause das neue Lied mit zitternder Stimme; allein es wurde dennoch enthusiastisch aufgenommen und beklatscht ...

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 183.
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