Elftes Kapitel

Das Jahr 1816.

Die Vormundschaft über den Neffen; Giannatasio del Rio. Beethovens Werke in London; Birchall; Neate. Neue Kompositionen, Aufführungen, persönliche Beziehungen. Die Sonate Op. 101.

Das Jahr 1816 war in Beethovens Leben im Vergleich zu den früheren ziemlich arm an Ereignissen; seine Geschichte muß daher in einem noch größeren Maße als die der vorhergehenden Jahre in einer Auswahl aus seiner ausgedehnten Korrespondenz bestehen nebst den erforderlichen erläuternden Notizen. Einige Briefe, besonders die an englische Freunde gerichteten, werden wahrscheinlich auf den Leser einen etwas trüben und insofern unrichtigen Eindruck machen. Der wirkliche Gemütszustand des Schreibers tritt in den Briefen hervor, welche er an Steiner u. Co. und an Zmeskall schrieb; doch gestattet uns der Raum nur wenige Proben der letzteren zu geben. Diese letzteren Briefe fließen sämtlich über von Scherz und Humor und beweisen, daß der Schreiber meistenteils von frohem Mute erfüllt und jedenfalls in diesem Jahre eher alles andere, als der melancholische Beethoven der novellistischen Schilderungen war. Sogar die rasche und beunruhigende Zunahme seiner Taubheit, die notwendige Folge der großen Anstrengungen und Aufregungen bei der Leitung so mancher großen musikalischen Proben und Aufführungen in den beiden letzten Jahren, scheint er mit auffallender Geduld und Gelassenheit ertragen zu haben. Und warum auch nicht? Seine pekuniären Verhältnisse waren gut, trotz der klagenden Briefe an Ries [534] und andere; den Prozeß mit seines Bruders Witwe hatte er gewonnen; und sein künstlerischer Ehrgeiz mußte in der Höhe seines Ruhmes volle Befriedigung finden.

Ein Brief über ein neues Opernprojekt mag unsere Auswahl eröffnen.

Die acht Gastrollen, welche Mad. Milder im vergangenen Sommer in Berlin gegeben, hatten solches Entzücken erregt, daß sie von neuem für eine zweite und viel größere Reihe engagiert worden war. Häusliche Verwirrungen und Leiden, bei welchen ihr Mann, der Juwelier Hauptmann, ersichtlich allein der schuldige Teil war, und welche ihr ganzes späteres Leben verbitterten, machten es ihr für den Augenblick vollständig unmöglich, auf der Bühne aufzutreten; und »wegen Kränklichkeit und Schwäche« war sie erst einige Wochen nach ihrer Rückkehr aus den Pyrmonter Bädern imstande, ihr neues Engagement zu beginnen. Dies tat sie am 3. Oktober als Therese in Weigls »Waisenhaus«. Zu derselben Zeit war Fidelio in Berlin auf die Bühne gebracht und »zuerst mit vielem Beifall am 11ten October gegeben« worden. »Diese Oper,« sagte das Berliner dramaturgische Wochenblatt in seiner Mitteilung über den Erfolg, »trägt den Keim zu einer theatral. musikalischen Reformation in sich und wird der Aftermuse den Sturz beeilen.« Und doch war an diesem Abend Leonore von Frau Schulz-Killitschgy, Schuppanzighs Schwägerin, gegeben worden. Als drei Tage nachher Frau Milder die Partie übernahm, da erst wurde die Größe des Werkes vollständig gewürdigt1; und an den 24 Abenden, auf welche ihr Engagement sich erstreckte, widmete diese größte damalige Darstellerin von Glucks großartigen Schöpfungen, nicht weniger als 11 dem Fidelio. Dieser Triumph seiner Oper in Berlin veranlaßte den Komponisten zu folgendem Briefe an Frau Milder-Hauptmann.


[535] »Wien am 6. Jänner 1816.


Meine werthgeschäzte Einzige Milder, meine liebe Freundinn!

Sehr spät kommt ein Schreiben von mir Ihnen zu. Wie gern möchte ich dem Enthusiasm der Berliner mich persönlich beifügen können, den Sie im Fidelio erregt! Tausend Dank von meiner Seite, daß sie meinem Fidelio so getreu geblieben sind. – Wenn Sie den Baron de la Motte Fouqué in meinem Namen bitten wollen, ein großes Opern-Sujet zu erfinden, welches auch zugleich für Sie passend wäre, da würden Sie sich ein großes Verdienst um mich und um Deutschlands Theater erwerben – auch wünschte ich solches ausschließlich für das Berliner Theater zu schreiben, da ich es hier mit dieser knickerigen Direkzion nie mit einer neuen Oper zu Stande bringen werde. – Antworten Sie mir bald, baldigst, sehr geschwind, so geschwind als möglich, auf's geschwindeste – ob so was thunlich ist. – Herr Kapellmeister W.2 hat Sie himmelhoch bey mir erhoben, und hat Recht; glücklich kann sich derjenige schätzen, dem sein Looß Ihren Musen, Ihrem Genius, Ihren herrlichen Eigenschaften und Vorzügen anheimfällt – so auch ich – wie es auch sey, alles um Sie her darf sich nur Nebenmann nennen, ich allein nur führe mit recht den ehrerbietigen Namen Hauptmann in mir ganz im Stillen.


Ihr wahrer Freund

und Verehrer

Beethoven.


(Mein armer unglücklicher Bruder ist gestorben – dies die Ursache meines lange ausgebliebenen Schreibens.)

Sobald Sie mir geantwortet haben, schreibe ich auch an Baron la Motte Fouqué. Gewiß wird Ihr Einfluß in B. es leicht dahin bringen, daß ich für das Berliner Theater und besonders berücksichtigt für Sie, mit annehmlichen Bedingungen eine ganze Oper schreibe – nur antworten Sie bald, damit ich mich mit meinen übrigen Schreibereyen damit eintheilen kann:


11. Kapitel. Das Jahr 1816

(Fort mit allen übrigen falschen Hauptmännern)«


Der Brief war in der 1. Auflage anschließend an den Abdruck in der Zeitschrift »Die Jahreszeiten« (13. Januar 1853) wiedergegeben. Inzwischen hat A. Kalischer in der Kgl. Bibliothek zu Berlin (nicht in der Musikabteilung) den originalen Brief entdeckt und in der »Neuen [536] Zeitschrift für Musik« (1905, 12. April) verbessert wiedergegeben. In der Deutung des kleinen Musikscherzes am Schluß stimmt aber der Bearbeiter der zweiten Auflage Kalischer nicht ganz bei. Die zweite Zeile ist sicher ebenfalls mit Tenorschlüssel gemeint, und zwar als Kontrapunkt der ersten; vielleicht ist auch eine kanonische Verdopplung der ersten Stimme beabsichtigt, das Ganze daher einer der vielen kleinen Stammbuch- und Brief-Kanons des Meisters:


11. Kapitel. Das Jahr 1816

Natürlich ist der Anklang an die Fidelio-Ouvertüre kein zufälliger.

Der folgende wohl Ende Januar 1816 geschriebene Brief3 bezieht sich auf das von der Gesellschaft der Musikfreunde gewünschte Oratorium (S. 525):


»Mein werther Zmeskall!


Mit Schrecken sehe ich erst heute, daß ich den Antrag wegen einem Oratorium für die Gesellschaft der Musikf. der Oest. Kaiserstadt, noch nicht beantwortet habe.

Der Tod meines Bruders vor 2 Monaten, die mir dadurch zugefallene Vormundschaft über meinen Neffen ist mit vielerlei andern Verdrießlichkeiten und Ereignissen die Ursache meines so spät kommenden Schreibens. Unterdessen ist das Gedicht von H. von Seyfried schon angefangen, und ich werde ebenfalls bald dasselbe in Musik setzen. Daß mir der Auftrag sehr ehrenvoll ist, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen; das versteht sich von selbst, und werde ich suchen, mich desselben, so sehr es immer meine schwachen Kräfte erlauben, so würdig als möglich zu entledigen.

In Rücksicht der Kunstmittel, was die Ausführung betrifft, werde ich zwar Rücksicht nehmen, wünsche aber nicht, daß es mir nicht vergönnt sein soll, von den hierin bereits eingeführten – abzugehen. Ich hoffe mich hierüber verständlich ausgedrückt zu haben. Da man durchaus wissen will, welches Honorar ich verlange, so frage ich auch an, ob die Gesellschaft 409 ⌗ in Gold wenigstens einem solchen Werke wird angemessen finden4. Ich bitte die Gesellschaft noch einmal um Verzeihung wegen Verspätung meiner Antwort; indessen haben Sie wenigstens, lieber Freund, meine Bereitwilligkeit, dieses Werk zu schreiben, auch gewiß schon mündlich berichtet, welches mich einigermaßen beruhigt. Mein werther Z.


Ihr B.«


[537] Den folgenden Briefen muß die Feststellung einiger Tatsachen vorhergehen.

Beethovens Unzufriedenheit mit der am 22. November erfolgten Einsetzung seiner Schwägerin als Vormund ihres damals neun Jahre alten Sohnes fand ihren Ausdruck in einem Schreiben an das N. Oe. Landrecht vom 28., worin er den Antrag stellte, die Vormundschaft ihm selbst zu übertragen. Am folgenden Tage, den 29., erließ dieser Gerichtshof einen Befehl an den Bittsteller und Dr. Schönauer, am 2. Dezember um 10 Uhr vormittags in dieser Angelegenheit vor ihm zu erscheinen. In diesem Termine wurde die Sache auf den 13. zu derselben Stunde verschoben. Beethoven erschien an diesem Tage und erklärte, er könne »wichtige Gründe für die gänzliche Ausschließung der Wittwe von der Vormundschaft« beibringen. Infolge davon wurde ihm unter dem 15. auferlegt, diese Gründe innerhalb dreier Tage beizubringen, »widrigenfalls mit Ausfertigung des Vormundschaftsdekrets an die Wittwe ohne weiteres vorgegangen werden würde«. An demselben Tage richtete Beethoven eine Petition an den Magistrat der Hauptstadt um ein amtliches Attest »über die Verurtheilung seiner [Carl's] wegen Veruntreuung untersuchten Mutter, Johanna van Beethoven«. Der Magistrat antwortete ihm an demselben Tage durch seinen Sekretär, daß er ihm nach dem Gesetze eine Abschrift des gegen sie erlassenen Urteils nicht gewähren könne, daß er jedoch dem Gerichtshofe »die nöthigen Aufschlüsse« mitteilen wolle. Letzteres geschah am 21. Dann kamen die Weihnachtsfeiertage, und es erfolgten keine weiteren Schritte in der Sache bis zum 9. Januar, an welchem Tage eine Entscheidung zu Gunsten Beethovens gefällt und er aufgefordert wurde, »zur Angelobung seiner Pflichten« am 19. zu erscheinen. Auf der Außenseite dieser Verfügung ist geschrieben:


»Heute hat Ludwig van Beethoven als gerichtlich aufgestellter Vormund seines Neffen Karl die Pflicht mittelst Handschlags in versammelter Rathssitzung angelobet.


Wien d. 19. Januar 1816


vom K. K. N. Ö. Landrecht

C. v. Karrel.«


Dieses Aktenstück ermächtigte zugleich den neuen Vormund, Besitz von dem Knaben zu ergreifen, welcher sich natürlich noch bei seiner Mutter befand. Aber was sollte mit ihm geschehen? Beethoven konnte ihn nicht zu sich in seine Wohnung nehmen; ein Kind in diesem Alter bedarf der liebevollen Sorge einer Frau.

[538] In jener Zeit war ein gewisser Kajetan Giannatasio del Rio in Wien Eigentümer und Vorsteher einer Privatschule für Knaben, welche einen großen und verdienten Ruf besaß. Seine Familie bestand aus seiner Frau und zwei Töchtern, Fanny und Anna (Nanni), jungen Damen von großen Talenten, tüchtiger Bildung und gutem musikalischen Geschmack, und – insbesondere die älteste – enthusiastischer Begeisterung für Beethovens Musik. Der Komponist ging, begleitet von seinem Freunde, dem Schriftsteller Karl Bernard und dem Knaben, dorthin, sah sich die Schule an und war von dieser sowohl wie von der Familie so eingenommen, daß er sich entschloß, seinen Neffen aus der öffentlichen Schule wegzunehmen und ihn als Schüler und Kostgänger dorthin zu geben. In Erwiderung eines Briefes von Giannatasio schrieb er gegen Ende Januar:


»Ich habe Ihren Brief erst gestern zu Hause recht gelesen: ich bin bereit Karl zu jeder Stunde zu Ihnen zu geben, nur glaube ich bis Montag nach der Prüfung sollte es erst geschehen, jedoch auch früher, sobald Sie es für gut finden, übrigens wird es später gewiß am besten seyn, ihn von hier weg nach Mölk oder anderwärts hinzugeben, da hört und sieht er nichts mehr von seiner bestialischen Mutter und wo alles fremd um ihn her, findet er weniger Stütze und kann nur durch seinen eigenen Werth sich Liebe und

Achtung erwerben.


In Eile Ihr

Beethoven.«5


Dann ferner am 1. Februar:


»Ew. Wohlgeboren! Ich sage Ihnen mit großem Vergnügen, daß ich morgen endlich mein mir anvertrautes theures Pfand zu Ihnen bringen werde. – Uebrigens bitte ich Sie noch einmal durchaus der Mutter keinen Einfluß zu gestatten, wie oder wann sie ihn sehen soll, alles dieses werde ich mit Ihnen morgen näher verabreden. – Sie dürfen selbst auf ihren Bedienten einigermaßen merken lassen, denn der Meinige ward schon von ihr, zwar in einer andern Angelegenheit – bestochen!

Mündlich ausführlicher hierüber, obschon mir das Stillschweigen das Liebste hierüber – allein ihres künftigen Weltbürgers wegen bedarf es dieser


Mit Hochachtung

Euer Wohlgeboren

Ergebenster

Freund

u. Diener

Beethoven.

[In Carl's Hand]

Ich freue mich

sehr zu Ihnen zu

kommen.


Und bin

Ihr

Carl van Beethoven.«


[539] Unter dem 6. Februar 1816 schreibt Beethoven an Antonie Brentano »derweil habe ich gefochten, um ein armes unglückliches Kind einer unwürdigen Mutter zu entreißen« (der Brief, 9. April 1896 durch J. Baer in Frankfurt a. M. versteigert, ging in den Besitz von Frau Jay in Baden-Baden über; Nohl erwähnt ihn Beethoven III. 55 und 820.)

Am 2. Februar 1816 wurde also der Knabe von seiner Mutter weggenommen. Die unerträglichen Belästigungen, welche sie von dieser Zeit an verursachte, indem sie täglich entweder in Person erschien oder einen Boten sandte, um ihn aus der Schule wegzunehmen, veranlaßten Giannatasio am 11. zu einem schriftlichen Antrage an den Vormund um »eine förmliche Auktorität in etlichen Zeilen, kraft welcher er es ihr ohne viele Weitläuftigkeit versagen konnte, den Sohn zu sich zu holen«. In seiner Antwort schreibt Beethoven: »In Ansehung der Mutter ersuche ich Sie selbe einige Täge unter dem Vorwand, daß er beschäftigt sey, gar nicht zu ihm zu lassen.« Hierauf befragte er Joseph Edlen von Schmerling, ein Mitglied des Landrechtes, über die Maßregeln, welche er füglich ergreifen könne, und teilte den Rat dieses Herrn Giannatasio am Morgen des 17. brieflich mit. An demselben Tage begab er sich in Begleitung Bernards in die Schule, traf dort Giannatasio, und die drei setzten ein förmliches Gesuch an das Landrecht auf, worin sie diesen Gerichtshof baten, dem Vormunde die unbeschränkte Vollmacht zu erteilen, die Witwe und ihre Abgesandten von allem und jedem unmittelbaren Verkehr mit dem Knaben auszuschließen. Dieses Gesuch wurde von Beethoven unterzeichnet und unmittelbar darauf überreicht. Am 20. wurde dasselbe im wesentlichen bewilligt; aber die Verfügung enthielt den Vorbehalt, daß die Mutter ihren Sohn immerhin besuchen dürfe in »freien Stunden, und ohne den Gang der Erziehung oder Hausordnung zu stören, in Gesellschaft des von dem Vormunde oder dem Vorsteher der Erziehungsanstalt zu bestimmenden Individuums«. Mit dieser Vollmacht versehen eröffnete Giannatasio am 8. März schriftlich der »Madame Jeanette de Beethoven, Vorstadt, Alsergasse,No. 121«, sie habe sich in Zukunft »einzig und allein an den Herrn Oheim zu halten ob, wie und wo« sie ihren Sohn sehen könne. Und so ruhte einstweilen diese traurige Angelegenheit.

In diese Tage gehört ein laut Mitteilung Sir George Groves an Thayer damals im Besitz von Julian Marshall in London befindlicher Brief Beethovens an Giannatasio (veröffentlicht von Kalischer 1905 im 2. Juniheft der »Musik«, als im Besitz von Karl Meinert befindlich):


[540] »Verehrter Freund!


Die Königin der Nacht überraschte uns gestern und zwar noch obendrein mit einem ordentlichen Anathem gegen Sie; ihre gewohnte Frechheit und Bosheit gegen mich beurkundeten sich auch diesesmal und machten mich einen Augenblick stutzen und beinahe glauben was sie behauptete habe vielleicht seine Richtigkeit, allein als ich später nach Hause kam, ergab sich folgendes Resultat aus dem Bescheid des L. R. welcher ganz nach Wunsch ausgefallen ist und wovon ich Ihnen das Nöthigste Sie betreffende mittheile, obschon Sie vielleicht noch gegen Abend die Abschrift davon erhalten. –

Ein mir eingehändigter Bescheid des Landrechts verordnet, daß in Ansehung der Besuche der Mutter meines Neffen oder der Abholung aus dem Hause durchaus nichts geschehen darf, was ich nicht selbst angeordnet, genehmigt und bewilligt habe, und daß mir jeder Zeit die Einrichtung und Bestimmung hierüber vollkommen anheimgestellt ist. Die Mutter des Knaben hat sich daher nur an mich zu wenden wenn sie ihn zu sehen verlangt, worauf ich nach Gutbefinden bestimmen werde wann und wie und ob es geschehen könne.

Folgendes zweckmäßige Büchlein erhielt Karl von seiner Mutter insgeheim gestern mit dem Verbot mir etwas davon zu sagen. Sie sehen daher wohl, daß wir ihr dieses wieder zurückgeben müssen, und wie wir uns zu hüten. –

Sollte es Ihnen recht seyn so hole ich mein kleines Kerlchen heute gegen Ein Uhr zum Essen ab, damit er auch den Fasching etwas empfinde, der doch auch bey Ihnen gefeiert wird und besonders von seinen Kameraden (wie er sagt). –

Ich umarme Sie von Herzen als denjenigen, dem ich alles gute, große, was mein Karl hervorbringen wird, gerne zuschreiben werde.


In Eil und Achtung

Ihr Freund

Beethoven.


Lassen Sie mir gefälligst sagen ob ich Karl zum Essen abholen darf.«


Fräulein Fanny Giannatasio schreibt6:


»Als Beethovens Bruder, ein Beamter in Wien, gestorben war, wurde B. zum Mitvormund des Sohnes ernannt, die Mutter lebte, aber sie wurde nach einem Proceß von der Vormundschaft ausgeschlossen. Der Knabe war, wie ich glaube 9 Jahre alt. Nun brach, wenn ich so sagen darf, ein neues Gemüthsleben bei Beethoven hervor; er schien sich dem Jungen mit Leib und Seele weihen zu wollen und je nachdem er fröhlich war durch seinen Neffen oder in Verdrießlichkeiten verwickelt wurde, oder wohl gar Kummer erdulden mußte, schrieb er oder konnte er nichts schreiben. – Es war im Jahre 1816, da kant er zum erstenmal in unser Haus, um seinen geliebten Karl in das Institut zu geben, welches mein Vater schon seit dem Jahre 1798 errichtet hatte. Dieses Begebniß war für die Töchter besonders erfreulich, und ich sehe [541] noch, wie Beethoven mit Beweglichkeit hin- und herdrehte, und wie wir auf seine dolmetschende Begleitung, Hrn. Bernard, später Redacteur der Wiener Zeitung, nicht achtend, uns gleich zu Beethoven's Ohr wandten; denn schon damals mußte man ihm ganz nahe sein, um sich ihm verständlich machen zu können. Von dieser Zeit an hatten wir das Vergnügen ihn oft zu sehen, und später, als mein Vater mit dem Institut in die Vorstadt zog, Landstraß Glacis, nahm auch er sich eine Wohnung in der Nähe und den nächsten Winter war er fast alle Abend in unserm häuslichen Kreise.« –


Daß Beethoven sein guter Humor nicht verläßt, zeigt folgendes ebenfalls in diese Zeit gehörige Briefchen an Brentano (jetzt im Besitz des Beethovenhauses in Bonn):


»Wien am 4ten März 1816. Herrn Franz Brentano Wohlgeboren – Ich empfehle ihnen mein werther Freund den ersten Weinkünstler Europens Hr. Neberich, selbst in der ästhetischen anordnung des aufeinanderfolgens der verschiedenen Weinprodukte ist derselbe Meister, u. verdient allen Beyfall, ich zweifle nicht, daß sie beym Hohen Rathe von Frankfurt die höchste Ehre mit ihm einlegen werden, bey jedem Opfer dem Bachus dargebracht gehört ihm der Priesterrang, u. ein beßeres Ev.. Evoe ist durch Niemand hervorzubringen – ich wünsche, daß sie zuweilen gerne meiner gedenken ihres Freundes L. v. Beethoven.«

(Außen:) »An Seine Wohlgeboren Hr. Franz Brentano in Frankfurt (am Mayn)

NB: die Musikalien waren heute nicht zu haben.«


In derselben Zeit war Neate nach London abgereist. Beethoven schrieb ihm die beiden Kanons »Das Schweigen« und »Das Reden« ins Album und fügte hinzu:


»Wien

am 24. Jänner

1816.


Mein lieber Englischer Landsmann

gedenken sie beym Schweigen und

Reden ihres aufrichtigen Freundes.

Ludwig van Beethoven.«


Das Dokument, welches sich auf den Verkauf der drei Ouvertüren an die philharmonische Gesellschaft bezieht, welche Beethoven Neate zu geben versprochen hatte, lautet so7:


»Wien den 5. Februar 1816.


Mr. Neate hat im Juli 1815 von mir drei Ouvertüren für die philharmonische Gesellschaft in London erhalten, und mir für dieselben die Summe von 75 Guineen bezahlt, für welche Summe ich mich verpflichte diese genannten Ouvertüren nirgendwo anders drucken zu lassen, weder in Stimmen noch in Partitur8; doch behalte ich mir das Recht vor, die genannten Werke, wo es mir beliebt, zur Aufführung zu bringen, und sie im Klavier-Auszuge [542] zu veröffentlichen, sobald mir Mr. Neate schriftlich mitgetheilt haben wird, daß sie in London aufgeführt sind; außerdem gibt mir Mr. Neate die Versicherung, daß er die Verpflichtung auf sich nimmt, nach Ablauf eines oder zweier Jahren die Einwilligung der Gesellschaft zu erlangen, daß ich diese drei Ouvertüren in Stimmen sowohl wie in Partitur für mich veröffentlichen darf, da ihre Einwilligung hierzu unerläßlich ist. Demnach grüße ich ehrerbietigst die philharmonische Gesellschaft.


Ludwig van Beethoven.«


Zwei kurze, ursprünglich französisch geschriebene Billets an Neate9 müssen ebenfalls hier Platz finden.


»Mein lieber Landsmann und Freund, heute ist es mir unmöglich Sie bei mir zu sehen, doch hoffe ich morgen Mittag das Vergnügen zu haben, Sie zu sehen.


Behalten Sie lieb

Ihren wahren Freund

Beethoven.


Volti subito


[auf der andern Seite des Blattes]


Ich erinnere mich, daß Sie vor Ihrer Abreise von hier ihrer Ehre zu Liebe noch eine Akademie geben müssen, wenn Sie in diesem Falle meiner bedürfen sollten, so bin ich ganz zu Ihren Diensten.«


Neate gab jedoch kein Konzert, und die angebotenen Dienste wurden demnach abgelehnt. Die ihm anvertrauten Werke waren, soweit sich Mr. Neate 45 Jahre später erinnerte: 1. Eine Abschrift des Violinkonzerts Op. 61, mit einem Arrangement der Solostimme für Klavier auf denselben Seiten, von welchem Beethoven sagte, daß er es selbst geschrieben und gespielt habe; 2. die beiden Sonaten für Klavier und Violoncell Op. 102 mit einer Widmung an Neate; 3. die 7. Symphonie in Partitur; 4. Fidelio in Partitur, und 5. das Streichquartett in F-Moll Op. 95, alle in Manuskript. Warum das Violinkonzert ebenfalls Manuskript gewesen sein soll, wird nicht klar; es war bereits seit 1808 in beiden Gestalten gedruckt. Außer diesen Werken erhielt Neate auch noch, wie einige Gründe wahrscheinlich machen, eine Abschrift des »Glorreichen Augenblicks«.

Am 20. Januar schrieb er an Ries nach London (veröffentlicht 1909 durch Leop. Schmidt in »Beethovenbriefe an N. Simrock usw.«.):


»Wien am 20ten Januar 1816


Mein lieber Rieß ich ersehe aus ihrem Schreiben vom 18. Januar daß Sie alle zwei Sachen richtig erhalten haben – da keine Kourire gehen [543] ist dies wohl mit der Post das Sicherste, allein Es kostet viel, ich werde ihnen die Rechnung von dem was ich hier für Copiatur und Postgeld bezahlt habe, nächstens schicken, Es ist für einen Engländer Sehr wenig, aber destomehr für einen armen österreichischen Musikanten! Sehen Sie daß mir dieses Herr B10 vergütet, da er die Compositionen für England sehr wohlfeil hat. – Neate der schon jeden Augenblick fort wollte, dann aber wieder bleibt, bringt die Ouvertüren mit, ich habe alle Ermahnungen deswegen von ihnen und unserm verstorbenenS11 immer kund gemacht – die Sinfonie wird der Kaiserin von Rußland gewidmet. – Der Klavierauszug der Sinfonie in A darf aber nicht eher als im Monat Juni herauskommen, eher kann der hiesige Verleger nicht – kündigen sie dieses lieber guter R sogleich Hr. B. an. –

Die Sonate mit Violine, welche mit nächstem Posttage hier abgehen wird, kann ebenfalls im Monate May in London herausgegeben werden – das Trio aber Später (Es kommt auch mit der nächsten Post an), die Zeit werde ich noch selbst hierüber bestimmen. –

Und nun meinen herzlichsten Dank lieber R. für alles, was sie mir gutes erwiesen u. insbesondere noch der correcturen wegen. – Der Himmel segne Sie und mache ihre Fortschritte immer größer, woran ich den herzlichsten antheil nehme – empfehlen sie mich ihrer Frau.


wie allezeit

ihr aufrichtiger Freund

Ludwig van Beethoven.«


An dieser Stelle müssen gewisse Tatsachen festgestellt werden, teils um zu erklären, warum es Neate nicht glückte, auch nur eins dieser Werke an die Londoner Verleger zu verkaufen, und dann, um einige der folgenden Briefe verständlich zu machen.

Die philharmonische Gesellschaft war eine Vereinigung der ersten Musiker von London und seiner Nachbarschaft; keine Stadt der Welt konnte zu jener Zeit eine solche Reihe großer Namen aufweisen. Zu denselben gehörten, um nur einige derselben (in alphabetischer Folge) anzuführen: Attwood, Ayrton, Bridgetower, Clementi, Cramer, Carnaby, Dragonetti, Horsley, Lindley, Mazzinghi, Mori, Naldi, Novello, Ries, Shield, Smart, Spagnoletti, Viotti, Watts, S. Webbe, Yaniewicz. Man kann sich die Enttäuschung dieser Männer vorstellen, als sie, unter dem frischen Eindrucke der C-Moll-Symphonie die Ouvertüre zu den »Ruinen von Athen« und zum »König Stephan« durchspielten, die zwar für ein ungarisches Publikum als Einleitungen zu einem patriotischen Vorspiele und Nachspiele auf dem Theater Interesse hatten, aber keine jener großen Eigenschaften besaßen, [544] welche man von Beethoven erwartete und in einer Konzertouvertüre verlangte. Auch hielt man die Ouvertüre zur »Namensfeier« ihres Verfassers nicht für würdig. Ries äußert sich über diese Sache in folgender Weise. »Als ich nach vieler Mühe bei der philharmonischen Gesellschaft es dahin gebracht hatte, daß ich drei Ouvertüren bei ihm für diese bestellen konnte, die ihr Eigenthum bleiben sollten, schickte er mir drei, wovon wir, bei Beethovens großem Namen und in diesen Concerten auch nicht eine aufführen konnten, weil alles gespannt war und man von Beethoven nichts Gewöhnliches forderte. Er ließ alle drei einige Jahre nachher stechen und die Gesellschaft fand es nicht der Mühe werth sich darüber zu beklagen. Die Ouvertüre zu den Ruinen von Athen war dabei, die ich seiner unwürdig halte.« Als nun aber bekannt wurde, daß keine der drei Ouvertüren (Op. 115 möglicherweise ausgenommen) neu war, und daß auch nicht eine derselben zu dem Zwecke komponiert war, einem Auftrage der Gesellschaft zu entsprechen, ist es da wohl überraschend, daß diese Handlungsweise Beethovens als seiner unwürdig beurteilt wurde, und daß man darin eine Verletzung der Achtung gegen die Gesellschaft, ja eine Beleidigung derselben sah und sie dem entsprechend aufnahm?

Eine andere Angelegenheit war eine persönliche mit Birchall. Dieser Verleger hatte, nachdem er endlich (früh im Februar) die letzten der von ihm gekauften Werke erhalten hatte, unmittelbar darauf die dafür versprochene Summe bei Coutts & Co. für das Konto des Komponisten hinterlegt und folgende »Declaration« zur Unterzeichnung nach Wien geschickt, in welcher nur der Tag des Monats freigelassen war – derselbe fehlt auch jetzt noch in dem Dokumente –, damit er bei der Unterzeichnung ausgefüllt werde12:


»Ich erhielt am März 1816 von Herrn Robert Birchall, Musikalienhändler, 133 New Bond Street in London, die Summe von ein Hundert und dreißig holländischen Dukaten in Gold, im Werthe von 65 Pfund nach englischem Gelde, für mein ganzes Verlagsrecht und meine Interessen für Gegenwart und Zukunft, die festgesetzten oder zufälligen oder sonstigen innerhalb des vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland, für die vier folgenden Compositionen oder Mu sikstücke, die von mir componirt oder arrangirt sind, nämlich:

1. eine große Schlacht-Symphonie, zur Schilderung der Schlacht und des Sieges bei Vittoria, eingerichtet für Klavier und gewidmet seiner Königlichen Hoheit dem Prinz-Regenten – 40 Dukaten;

[545] 2. Eine große Symphonie in A dur, gewidmet

3. Ein großes Trio für Klavier, Violine und Violoncell in B dur.

4. Eine Sonate für Klavier mit Begleitung der Violine, gewidmet

Und mit Rücksicht auf diese Zahlung verspreche und verpflichte ich mich für mich selbst, meine Vertreter und Verwalter, ihm, seinen Vertretern, Verwaltern oder Bevollmächtigten auf sein oder ihr Verlangen und Kosten eine besondere Anweisung auszufertigen, so wie er oder sie es angeben werden. Und ich verspreche und verpflichte mich in gleicher Weise wie oben, daß keins der obigen Werke in irgend einem fremden Lande veröffentlicht werden soll, bevor die Zeit und der Tag, der zwischen R. Birchall und mir selbst für eine solche Veröffentlichung festgesetzt und vereinbart ist, gekommen sein wird.


L. van Beethoven.«


Anstatt dieses Dokumentes, welches für seine Sicherheit unerläßlich war, erhielt der Verleger eine neue Forderung von Beethoven! und zwar eine Forderung über weitere 5 Pfund, in Form einer Rechnung in folgender Weise:


Copiren1.10.0.

Porto nach Amsterdam1.0.0.

Trio2.10.0.

₤5.0.0.


Welchen ungünstigen Eindruck dieses Verfahren auf Mr. Birchalls Gemüt machte, wird man leicht begreifen.

Diese 5 sind die 10 Dukaten, welche in dem folgenden Briefe an Ries erwähnt werden. Einzelne Teile dieses Briefes waren bei seiner Veröffentlichung durch Ries unterdrückt worden. Derselbe ist hier vervollständigt nach dem Abdruck von 19 Briefen Beethovens an Ries in der Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft IV. 1, S. 83ff. (von H. Deiters mitgeteilt nach dem Originale im Besitz von Ries' Enkelin Frau R. in Eitelsbach):


»Wien den 8. May 1816.


Meine Antwort kommt etwas spät; – allein ich war krank und viel zu thun, war es nicht möglich ihnen eher zu antworten; – nun erst das Nöthigste – von den 10 ⌗ in Gold ist bis jetzt noch kein Heller angekommen, und ich fange schon an zu glauben, daß auch die Engelländer nur im Auslande großmüthig sind; so auch mit dem Prinzregenten, von dem ich für meine überschickte Schlacht nicht einmal die Copiatur-Kosten erhalten, ja nicht einmal einen schriftlichen noch mündli chen Dank13; Fries zogen mir hier [546] noch 6 fl. Konvenzionsgeld ab. Bei dem empfangenen Gelde von Birchall außerdem für Porto 15 fl. Konvenzionsgeld, sagen Sie dieses dem B.. – und sehen Sie daß sie noch selbst die Anweisung auf die 10 ⌗ erhalten sonst gehts wie das erstemal – was sie mir von der Unternehmung von Neate sagen, wäre erwünscht für mich, ich brauche es, mein Gehalt beträgt 3400 Florin in Papier, 1100 Hauszins bezahle ich, mein Bedienter mit seiner Frau bis beinahe 300 fl., rechnen sie, was also noch bleibt, dabei habe ich meinen kleinen Neffen ganz zu versorgen, bis jetzt ist er im Institute, dies kostet dis 1109 Fl. und ist dabei doch schlecht, so daß ich eine ordentliche Haushaltung einrichten muß, um ihn zu mir zu nehmen. – Wie viel man verdienen muß, um hier leben zu können; und doch nimmt's nie ein Ende denn – denn – denn – Sie wissen es schon – wegen der Dedicationen ein andermal – einige Bestellungen, außer einer Akademie, würden mir auch willkommen sein von der philharmonischen Gesellschaft –

übrigens sollte sich mein lieber Schüler Ries hinsetzen und mir was Tüchtiges dediciren, worauf dann der Meister auch antworten wird und Gleiches mit Gleichem vergelten. Wie soll ich Ihnen mein Portrait schicken! – ich hoffe auch bald Nachrichten von Neate, treiben sie ihn etwas an, seien sie übrigens versichert von wahrer Theilnahme an ihrem Glücke, treiben sie Neate an zum wirken und schreiben. – Alles Schöne an Ihre Frau; leider habe ich keine; ich fand nur Eine, die ich wohl nie besitzen werde; bin aber deswegen kein Weiberfeind.


Ihr wahrer Freund

Beethoven.«


Unmittelbar nach Empfang dieses Briefes sprach Ries mit Birchall, welcher am folgenden Tage (den 15. März) die 5 ₤ bei Coutts & Co. niederlegte; aber Monat auf Monat verging, und die Deklaration mit Beethovens Unterschrift kam nicht an. Über die Gerechtigkeit, Schicklichkeit und Delikatesse dieser neuen Forderung ist es nicht nötig ein Wort zu sagen; ihre biographische Wichtigkeit beruht lediglich auf dem sehr ungünstigen Eindrucke, welchen sie und die darauf bezügliche Korrespondenz auf die Gesinnung der Londoner Verleger hervorbringen mußte. Neate war auf die Kälte, mit welcher diese Herren seine Vorschläge zugunsten Beethovens aufnahmen, einigermaßen vorbereitet, und zwar durch einen Brief, welchen er nach der Probe der Ouvertüren erhalten hatte. Eines Satzes aus demselben erinnerte er sich wörtlich: »Kaufen Sie um Gotteswillen ja nichts von Beethoven!«14 Aber er war nicht vorbereitet auf die vollständige Weigerung, in irgendwelcher Hinsicht ihm Gehör zu geben. Als er Birchall ersuchte, die Ouvertüren zu kaufen, lautete die Antwort: »Ich würde sie nicht drucken, wenn Sie mir dieselben umsonst gäben.«

[547] Was die Partitur der A-Dur-Symphonie betrifft, so wäre es töricht gewesen, zu erwarten, daß die philharmonische Gesellschaft eine große Summe für das Manuskript eines Werkes bezahlen sollte, welches bereits am 6. März in Wien zur Subskription für den Preis von 25 fl. angezeigt war.

Es war wieder ein Beispiel von Beethovens unglücklicher Neigung, das Verhalten und die Beweggründe anderer mit argwöhnischen Blicken zu betrachten, daß er, als er in einer Zeitung eine Notiz über die Aufführung einer seiner Symphonien durch die philharmonische Gesellschaft las, sofort annahm, es sei die siebente gewesen und Neate habe die Benutzung seines Manuskripts gestattet!

Unter solchen Umständen konnte Neate für Beethoven nichts tun; ebensowenig konnte er ihm die Gründe seines Mißerfolges mitteilen. So nahm denn der Komponist in einer für ihn charakteristischen Weise an, daß er nichts tun wollte, und machte, wie wir sehen werden, seinem Zorn in ebenso bitteren wie ungerechten Ausdrücken Lust. Die auf diese Verhandlungen bezüglichen Briefe werden, soweit sie überhaupt zur Mitteilung gelangen sollen, eingefügt werden, wenn der betreffende Zeitpunkt gekommen sein wird. –

Im vorigen Kapitel wurde erzählt, daß Linke mit der Erdödyschen Familie nach Kroatien gereist sei. Im Herbste 1815 war er nach Wien zurückgekehrt, gerade zur rechten Zeit, um Schuppanzigh in den Stand zu. setzen, seine Winterquartette im November zu beginnen. Diese fanden in dem Saale des Hotels zum römischen Kaiser statt, und waren jetzt gerade beendet. Zu gleicher Zeit hatte auch das Engagement von Schuppanzigh, Weiß und Linke bei Rasumowsky sein Ende gefunden. Die Zerstörung seines Palastes, das Herannahen des Alters und die Abnahme seines Gesichts veranlaßten den Fürsten, die Künstler mit angemessener Pension aus seinem Dienste zu entlassen. Schuppanzigh ging nach Rußland; Linke kehrte zu den Erdödys zurück; Weiß blieb in Wien.

Vor ihrer Abreise gaben Schuppanzigh und Linke jeder ein Abschiedskonzert. Das Konzert Schuppanzighs fand in dem Palaste des Grafen Deym statt, und sein Programm bestand lediglich aus Werken Beethovens, dem Quartett C-Dur Op. 59, dem Quintett für Blasinstrumente und Klavier Op. 16, wobei Karl Czerny die Klavierstimme spielte, und dem Septett Op. 20. Beethoven trat zum Anfang des Quartetts ein und war Zeuge des betäubenden Beifalls der dichtgedrängten Zuhörerschaft. Czerny [548] erzählt: »Als ich in Schuppanzigh's Musik das Quintett mit Blasinstrumenten vortrug, erlaubte ich mir im jugendlichen Leichtsinn manche Aenderungen, – Erschwerung der Passagen, Benützung der höheren Octave u.s.w. – Beethoven warf es mir mit Recht in Gegenwart des Schuppanzigh, Linke und der andern Begleitenden mit Strenge vor. Den andern Tag erhielt ich von ihm folgenden Brief, den ich hier genau nach dem mir vorliegenden Original abschreibe:


›Lieber Czerny!


Heute kann ich Sie nicht sehen, morgen werde ich selbst zu Ihnen kommen, um mit Ihnen zu sprechen. Ich platzte gestern so heraus, es war mir sehr leid, als es geschehen war, allein das müssen Sie einem Autor verzeihen, der sein Werk lieber gehört hätte, gerade, wie es geschrieben, so schön Sie auch übrigens spielten. – Ich werde das aber schon bei der Violoncell-Sonate laut wieder gut machen.

Seien Sie überzeugt, daß ich als Künstler das größte Wohlwollen für Sie hege, und mich bemühen werde, Ihnen immer zu bezeugen.


Ihr

wahrer Freund

Beethoven.‹«


Zu diesem Konzerte gab Beethoven auch der Familie Giannatasio Billetts. Die Tochter schreibt darüber:


»Czerny spielte die Clavierpartie, legte aber statt der darin vorkommenden Fermate von dem Componisten [?] eine andere ein, wahrscheinlich von den seinigen. Beethoven erzählte es uns und war darüber ganz entrüstet, ja er sagte zu Czerny unter andern: ›Er solle sich schämen; die Leute kennen ja das Stück‹, u.s.w. Da fragte ich, was Czerny darauf erwiedert habe? Darauf fing B. ihn nachahmend die Hände über einander zu reiben und etwas zu murmeln an, was sehr komisch anzusehen war; aber Czerny wird wohl etwas gesagt haben, was aber B. nicht verstehen oder hören konnte.«


Linkes Konzert war am 18. Februar im Saale zum »Römischen Kaiser«, und das Programm bestand ebenfalls, mit Ausnahme eines Rondoletto für Violoncell von Romberg, nur aus Werken Beethovens. Stainer von Felsburg spielte die neue Sonate Op. 101 (oder Op. 90? – vgl. S. 480 und 586), und Czerny die Klavierpartie einer der Sonaten Op. 102, bei welcher Gelegenheit der Komponist sein Versprechen einlöste und es »laut« mit ihm wieder gut machte.

Und so verschwinden, abgesehen von einem gelegentlichen Besuche Linkes in Wien, wiederum zwei unserer alten Bekannten für mehrere Jahre; und außer ihnen auch noch Hummel und Wild. Hummel, der [549] damals als Hofkapellmeister nach Stuttgart ging, werden wir an Beethovens Sterbebett wiederfinden; Wild nicht mehr.

Ein Albumblatt, enthaltend den Kanon:15


11. Kapitel. Das Jahr 1816

»Glückliche Reise mein lieber Hummel, gedenken Sie zuweilen


ihres Freundes

Ludwig van Beethoven.


Wien am 4. April 1816.«


war das Lebewohl für den Pianisten und Komponisten.

Am 20. gab Wild »in der Wohnung eines Kunstfreundes« ein kleines musikalisches Fest, bei welchem er die Adelaide und »an die Hoffnung« (Op. 94) sang. Beethoven war anwesend und begleitete auf dem Klavier. Dies war sein Lebewohl für den Sänger16.

Aus dem März besitzen wir einen Brief Beethovens an den Theaterdirektor Heinrich Schmidt in Brünn.


»Wien am 11. März 1816.


Euer Wohlgeboren!


Mit vielem Vergnügen habe ich Ihnen die Schlacht Simphonie mit den gestochenen Stimmen sammt Partitur geschickt, sobald Sie selbe gebraucht haben, senden Sie mir sie gefälligst zurück. – Da sie hier vielleicht aufgeführt wird, konnte ich ihnen die geschriebenen Stimmen nicht übermachen. Da der Titel der Schlachtsimphonie ganz falsch gedruckt ist so theile ich ihnen selben mit, wie er ist und sein muß nehmlich: ›Eine große vollstimmige Instrumental Composizion, geschrieben auf Wellington's Sieg in der Schlacht bei Vittoria, erster Theil: Schlacht; zweiter Theil: [550] Sieges Simphonie.‹ in Betreff der Oper können sie selbe zwar haben, allein für wenigstens 125f. sage: Hundert fünfundzwanzig Gulden also 25 fl. mehr als vorher, denn der Copist bekommt durch unsern liebenswürdigen Cours (?) im allererwünschtesten Papier Zustand unseres papierenen Geldes gerade noch einmal so viel für die Copiatur als damals, wo ihnen die Oper für 100 fl. angetragen wurde – ist ihnen dieses so genehm, so machen sie mir darüber wo sie alsdann die Oper in 14 Tagen haben können – meine Empfehlung an Ihre Frau, wie auch an Kapellmeister Strauß (?) – vielleicht besuche ich einmal Brünn bei andern Umständen, ich wünsche ihnen dort alles ersprießliche und


bin ihr

ergebenster

Ludwig van Beethoven.


NB.

wegen der Oper bitte ich gleich zu antworten damit sie selbe zur rechten Zeit erhalten.«


Folgende Zeilen an Halm sind vom 1. April:


»Recht gerne, mein Herr Anton Halm, werde ich die mir von Ihnen gemachte Zueignung Ihrer Sonate inC moll, auch im Stiche annehmen.«


Am 3. April schrieb Beethoven an Ries (nach Deiters' Abdruck i. d. Vierteljahrsschr. f. M.-W. 1888, S. 92 ergänzt und berichtigt):


»Wien am 3. April 1816.


Mein lieber Riese, wahrscheinlich wird Herr B.17 nun das Trio und Sonate erhalten haben, in dem vorigen Briefe habe ich noch 10 Dukaten für die Copiatur und Porto verlangt, wahrscheinlich werden Sie mir diese 10 ⌗ noch auswirken – immer habe ich einige Sorge, daß sie für mich viel für Porto auslegen müssen, ich wünschte recht sehr, daß sie so gütig wären, mir alle meine Briefe an Sie anzurechnen, da ich sie ihnen von hier aus vom Hause Fries an das Haus Coutts inLondon will vergüten lassen. – Sollte der Verleger B. kein Hinderniß finden, welches er aber sogleich auf der Post an mich anzuzeigen ersucht wird, so soll dieSonate mit Violin hier im Monath Juni am 15ten des selben herauskommen, das Trio am 15. Juli, wegen dem Klavierauszug der Sinfonie werde ich das noch Herrn B. zu wissen machen, wann er herauskommen soll. – Neate muß nun wohl in London sein; ich habe ihm mehrere Compositionen von mir mitgegeben; und er hat mir die beste Verwendung davon für mich versprochen, grüßen sie ihn von mir. Erzherzog Rudolph spielt auch Ihre Werke mit mir, mein lieber Ries, wovon mir il sogno besonders wohl gefallen hat. – Leben sie wohl, mein lieber R. empfehlen sie mich ihrer lieben Frau so wie allen schönen Engländerinnen, die es freuen von mir kann


Ihr wahrer Freund

Beethoven.«


[551] Nachstehendes Billett an Zmeskall vom 7. April:


»Der Unterzeichnete bittet höflichst um den Weißenbach, da er ihm nicht zugehört u. er deshalb in großer Verlegenheit ist.


in Eil ihr Beethoven.«


erhält seine Erklärung durch den Umstand, daß »Weißenbachs Reise zum Congreß« kurz vorher veröffentlicht worden war. Man möchte wohl wissen, wie Beethoven durch die Lobpreisungen desselben befriedigt war.

Der folgende Brief an die Gräfin Erdödy hatte eine traurige Veranlassung: eins ihrer Kinder, »Fritzi der Einzige«, war gestorben. Auf dem Familiengute in Kroatien stürzte er eines Morgens in das Zimmer seiner Schwester – nicht seiner Mutter, wie anderswo geschrieben worden –, klagte über den Kopf, und sank ihr mit einem Schrei des Schmerzes tot zu Füßen. Beethoven schrieb ihr18:


»Wien am 15. Mai 1816.


Verehrte liebe Freundin!


Dieser Brief ist schon geschrieben, u. heute begegne ich Linke, u. ihr beweinungswürdiges Schicksal den plötzlichen Verlust ihres lieben Sohnes – wo wäre hier Trost zu geben, nichts schmerzt mehr als das schnell unvorhergesehene Hinscheiden derjenigen, die uns nahe sind, so kann ich ebenfalls meines armen Bruders Tod nicht vergessen, nichts als – daß man denken kann daß die geschwind hinweg geschiedenen weniger leiden – ich nehme aber den innigsten Antheil an ihrem unersetzlichen Verlust – vielleicht habe ich ihnen noch nicht geschrieben daß ich ebenfalls mich schon lange gar nicht wohl befinde, mit eine Ursache meines langen Stillschweigens nun noch obendrein die Sorgen für meinen Karl, den ich oft in meinem Sinn gedacht habe an ihren lieben Sohn anzuschließen. – Wehmuth ergreift mich um ihretwillen u. auch um meinetwillen, da ich ihren Sohn geliebt. – Der Himmel wacht über Sie und wird ihre schon ohnedem großen Leiden nicht vermehren wollen, wenn sie auch in ihren Gesundheitszuständen noch mehr wanken sollten, denken sie ihr Sohn hätte in die Schlacht gemüßt und hätte dort wie Millionen seinen Tod gefunden, dann sind sie noch Mutter zweier lieben hoffnungsvollen Kinder – Ich hoffe bald Nachrichten von ihnen, weine hier mit ihnen, geben sie übrigens allem Geschwäz, warum ich nicht an sie geschrieben habe [kein] Gehör, auch Linke nicht, der ihnen zwar zugethan ist, aber sehr gerne schwäzt – und ich glaube daß es zwischen ihnen liebe Gräfin und mir keinen Zwischenträger bedarf


in Eil mit Achtung

ihr Freund

Beethoven.«


Die Anfangsworte dieses Briefes sind erst verständlich geworden durch einen zwei Tage vorher geschriebenen Brief, der somit zweifellos [552] mit dem obigen zusammen expediert wurde; er ist zuerst veröffentlicht von Nohl in der Allg. Mus. Ztg. 11. Dezember 1885 und dann von Frimmel in den Neuen Beethoveniana S. 103. Der Besitzer des Originals ist nicht bekannt:


»Madame la Comtesse d'Erdödy née Comtesse Nizky à Padova (en Italie).


Wien den 13. Mai 1816.


Meine werthe liebe Freundin!


Sie dürften vielleicht und mit Recht glauben daß ihr Andenken völlig in mir erloschen sey unterdessen ist es nur der Schein, meines Bruders Tod verursachte mir großen Schmerz, alsdann aber große Anstrengungen um meinen mir lieben Neffen vor seiner verdorbenen Mutter zu retten, dieses gelang allein bis hierher konnte ich noch nichts besseres für ihn thun als in ein Institut zu geben, also entfernt von mir, und was ist ein Institut gegen die mittelbare Theilnahme Sorge eines Vaters für sein Kind, denn so betrachte ich nun, und sinne hin und her, wie ich dieses mir theure Kleinod näher haben kann, um geschwinder und vortheilhafter auf ihn wirken zu können – allein wie schwer ist das für mich! – Nun ist meine Gesundheit auch seit 6 Wochen auf schwankenden Füßen, so daß ich öfter an meinen Tod, jedoch nicht mit Furcht denke, nur meinem armen Karl sterbe ich zu früh. Wie ich aus ihren letzten Zeilen an mich sehe, leiden Sie wohl auch sehr, meine liebe Freundin. Es ist nicht anders mit dem Menschen, auch hier soll sich seine Kraft bewähren, d.h. auszuhalten ohne zu (murren?)19 und seine Nichtigkeit zu fühlen und wieder seine Vollkommenheit zu erreichen, deren uns der Höchste dadurch würdigen will. – Linke wird nun wohl schon bei ihnen sein, möge er ihnen Freude auf seinen Darmsaiten erwecken. – Brauchle wird sich vom Brauchen wohl nicht entfernen und sie werden wie immer Tag und Nacht von ihm Gebrauch machen. – Was den Vogel20 betrifft, so höre ich, daß sie nicht mit ihm zufrieden sind, worin dieses besteht, weiß ich nicht, sie suchen wie ich höre einen andern Hofmeister, übereilen sie sich doch nicht und machen sie mich mit ihren Ansichten und Absichten hierin bekannt, vielleicht kann ich ihnen gute Anzeige machen, vielleicht thun sie aber dem Sperl im Käficht unrecht? – Ihre Kinder umarme ich und drücke das in einem Terzett aus, sie werden wohl täglich Fortschritte machen in ihrer Vervollkommnung. – Lassen sie mich recht bald, sehr bald wissen, wie sie sich auf dem kleinen Nebelfleck der Erde, wo sie jetzt sind, befinden, ich nehme gewiß, wenn ich es auch nicht immer gleich anzeige oder äußere, großen Antheil an ihren Leiden und Freuden. Wie lange bleiben sie noch, wo werden sie künftig leben? – Mit der Violonschell-Sonate wird eine Veränderung geschehen, die Sie aber und mich nicht verändern wird.


Liebe theure Gräfin

in Eil ihr Freund

Beethoven.«


[553] An demselben 15. Mai schrieb Beethoven einen französischen Brief an Neate, der hier der charakteristischen Form wegen im Original mitgeteilt wird21.


»Vienne, le 15 Maj. 1816


(Adresse Sailerstadt. No. 1055 et 1056, au 3éme étage)


Mon tre cher Ami!


L'Amitié de vous envers moi me pardonnera touts le fauts contre la langne françaises, mais la hâte ou j'ecris la lettre, ce peu d'exercise et dans ce moment même sans dictionnaire francais tout cela m'attire durement encore moins de critique qu'en ordinairement.

Avanthier on me portait un extrait d'une Gazette anglaise nommée Morning cronigle, ou je lisoit avec grand plasir, que la societé philharmonique à donné ma sinfonie in A €; c'est une grande satisfaction pour moi, mais je souhais bien d'avoir de vons même des nouvelles, que vous ferez avec tous les compositions, que j'ai vous donnés; vous m'avez promis ici, de donner un concert pour moi, mais ne prenez mal, si je me méfis un peu, quand je pense que le Prince regent d'angleterre ne me dignoit pas ni d'une reponse ni d'une autre reconnaissance pour la Bataile que j'ai envoyé a son Altesse, et lequelle on a donnée si souvent a Londre, et seulement les gazettes annoncoient le reussir de cet œuvre et rien d'autre chosecomme j'ai deja ecrit une lettre anglaise à vous mon tres cher ami, je trouve bien de finir, je vous ai ici depeignée ma situation fatal ici, pour attendre tout ce de votre amitié, mais hélas, pas une lettre de vous – Ries m'a ecrit, mais vous connoissez bien dans ces entretiens entre lui et moi, ce que je vous ne trouve pas necessaire d'expliquer.

J'espere donc cher ami bientôt une lettre de vous, ou j'espere de trouver de nouvelles de votre santé et aussi de ce que vous avez fait a Londres pour moiadieu donc, quant à moi je suis et je serai toujour votre


vrai ami

Beethoven


Der folgende, nur wenige Tage darauf geschriebene Brief an Neate war englisch geschrieben, ohne Zweifel (gleich den übrigen) von Häring, und von Beethoven nur unterzeichnet. Wir geben denselben daher hier in Übersetzung.


»Wien, den 18. Mai 1816.


Mein lieber Neate,


Durch einen Brief von Herrn Ries habe ich von ihrer glücklichen Ankunft in London Kenntniß erhalten. Ich bin darüber sehr erfreut, aber noch mehr würde es mich erfreut haben, wenn ich es von Ihnen selbst gehört hätte.

[554] Was unser Geschäft angeht, so weiß ich gut genug, daß Sie zur Aufführung der größeren Werke, wie der Symphonie, der Cantate, des Chores und der Oper der Hülfe der philharmonischen Gesellschaft bedürfen, und ich hoffe, Ihre für meinen Vortheil aufgewendeten Bemühungen werden von Erfolg sein.

Herr Ries theilte mir Ihre Absicht mit, ein Concert zu meinem Benefiz zu geben. Für diesen Triumph meiner Kunst in London würde ich nur Ihnen allein verpflichtet sein; aber es würde noch wohlthätigere Folgen für meine beinahe dürftige Existenz haben, wenn ich den aus diesem Unternehmen entspringenden Vortheil für mich erhalten könnte. Sie wissen, daß ich jetzt in gewisser Hinsicht der Vater des liebenswür digen Knaben bin, welchen Sie bei mir sahen; von meinem jährlichen Gehalte von 3400 Gulden in Papier kann ich kaum auch nur drei Monate leben, und nun noch die hinzukommende Last, einen armen Waisenknaben zu unterhalten – Sie begreifen, wie willkommen es für mich sein müßte, durch rechtliche Mittel meine Umstände zu verbessern. Was das Quartett inF moll betrifft, so dürfen Sie es ohne Zögern an einen Verleger verkaufen, und mir den Tag seiner Veröffentlichung anzeigen, da ich wünschen möchte, daß es hier und auswärts an demselben Tage erschiene. Dasselbe belieben Sie mit den beiden Sonaten Op. 102 für Klavier und Violoncell zu thun; doch hat es mit letzteren nicht solche Eile.

Ich überlasse es ganz Ihrem Ermessen, den Zeitpunkt für beide Werke, nämlich das Quartett und die Sonaten, zu bestimmen; je eher, desto besser.

Haben Sie die Freundlichkeit, mir unverzüglich zu schreiben, aus zwei Gründen; erstens weil ich nicht genöthigt sein möchte die Achsel zu zucken, wenn man mich fragt, ob ich Briefe von Ihnen erhalten habe; und zweitens, weil ich wissen möchte, wie es Ihnen geht, und ob ich bei Ihnen in Gunst stehe. Antworten Sie mir englisch, wenn Sie mir erfreuliche Nachrichten zu geben haben (zum Beispiel über die Veranstaltung eines Concerts zu meinem Benefiz), französisch, wenn es schlimme sind.

Vielleicht finden Sie Musikliebhaber, welchen das Trio und die Sonate mit Violine, die Herr Ries an Herrn Birchall verkauft hat, oder die Symphonie, für Pianoforte arrangirt, gewidmet werden, und von denen man auf Grund dessen ein Geschenk erwarten könnte. In Erwartung Ihrer schleunigen Antwort, mein theurer Freund und Landsmann, bin ich


Ihr aufrichtig ergebener

Ludwig van Beethoven.«


Die Angelegenheit wegen der in London zu veröffentlichenden Werke können wir weiter verfolgen in nachstehendem Briefe an Ries:


»Wien am 11. Juni 1816.


Mein lieber R.!


Mir ist es leid, daß Sie durch mich wieder einiges Postgeld ausgeben müssen, so gern ich allen Menschen helfe u. diene, so wehe thut es mir Andere meinetwegen in Anspruch nehmen zu müssen. Von den 10 ⌗ ist bis dato nichts erschienen u. es ist also das Resultat daraus zu ziehen, daß es in England wie bei uns Windbeutel u. nicht worthaltende Menschen giebt. – [555] Ich lege Ihnen hierbei nichts zur Last. Bei alle dem muß ich Sie bitten sich noch einmal wegen den 10 ⌗ an Herrn Birchall zu wenden u. sich solche selbst geben zu lassen, ich versichere Sie auf meine Ehre, daß ich für Unkosten 21 fl. in Conventions Münze bezahlt ohne die Copisten Rechnung u. mehrere Postgelder in B. Z. Das Geld war nicht einmal inDucaten angewiesen, da Sie mir doch selbst geschrieben, daß es mir in holländischen ⌗ sollte angewiesen werden – also giebt es auch in England solche gewissenhafte Menschen denen Worthalten nichts ist?!! – Wegen dem Trio hat mich der hiesige Verleger angegangen, daß dieses in London am letzten August erscheine, ich bitte Sie also deswegen gütigst mit Hr. B. zu reden. Mit demClavierauszuge der Sinfonie in A kann sich H. B. in Bereitschaft setzen indem, sobald mir der hiesige Verleger den Tag sagen wird, ich solches gleich Ihnen oder B. zu wissen machen werde. –

Da ich von Neate auch keine Silbe erhalten seit seiner Ankunft in L., so bitte ich Sie nur ihm zu sagen, daß er Ihnen eine Antwort gebe, ob er schon dasQuartett in F moll angebracht, indem ich es hier auch gleich herausgeben möchte, u. was ich in Rücksicht der Violoncell Sonaten zu erwarten habe? Von allen übrigen Werken, die ich ihm mitgegeben, schäme ich mich beinahe zu reden u. zwar vor mir selbst, da ich wieder so zutrauensvoll so ganz ohne Bedingungen, als die die Freundschaft u. Fürsorge selbst zu meinem Nutzen erfinden würde ihm selbe hingegeben. Man hat mir die Uebersetzung einer Nachricht aus dem Morning-Chronicle über die Aufführung einerSinfonie (wahrscheinlich in A) zu lesen gegeben. Es wird mit diesem u. allen anderen mitgenommenen Werken von N. wohl ebenso gehen, wie mit der Schlacht u. ich werde wohl wie von selber auch nichts davon haben als in den Zeitungen die Aufführungen zu lesen. – Der Clavierauszug der Sinfonie in A ward geschwinde abgeschrieben u. nach genauer Durchsicht habe ich den Uebersetzer einige Stellen verändern lassen, welche ich Ihnen mitteilen werde. Alles Schöne an Ihre Frau.


In Eile Ihr wahrer Freund

Beethoven.


N. B. Haben Sie dem Erzherzoge Rudolf Ihr Concert in Es gewidmet? Warum haben Sie denn selbst nicht an ihn geschrieben deswegen?«


Um die Einförmigkeit einer solchen Reihenfolge von Briefen zu unterbrechen, lassen wir hier einige Stellen aus dem Tagebuche des Dr. Karl von Bursy folgen, eines Kurländers, welcher Beethoven um diese Zeit mit einem Empfehlungsbriefe von seinem Freunde Amenda besuchte. Die enthusiastischen Ergüsse, mit denen der Schreiber seine Erzählung schmückt, lassen wir größtenteils weg. Die mitgeteilten Stellen geben wir in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder, welche sie hatten, ehe das Tagebuch behufs seiner Publikation in der St. Petersburger Zeitung im J. 1854 die Hand des Zensors passierte.


[556] »Wien am 1. Juni.


Wie sollte ich den Tag nicht bemerken und auszeichnen, an dem ich Beethoven kennen gelernt? Schon gestern suchte ich ihn und fand ihn nicht, denn sein Logis hatte mir H. Riedl falsch angegeben. Er wohnt auf der Seilerstadt No. 1056 und auch nicht, wie Madame Nannette Streicher mir aufgeschrieben, 1055. Ich hatte durchaus die Idee, Beethoven müsse in einem der fürstlichen Schlösser hausen und im Schutze eines Mäcenaten seiner hohen Kunst leben. Wie sehr befremdete es mich, als mich ein anwohnender Häringskrämer in das Haus neben sich wies, mit den Worten: ›Ich glaube, der Herr v. Beethoven wohnt hier dicht bei, denn ich habe ihn öfters dahinein gehen sehen.‹ Parterre fragte ich nach und hörte, Beethoven wohne im dritten Stock, drei Treppen hoch! Also ganz wider mein Erwarten! Ein elendes Haus und nun noch drei Treppen hoch! Enge führen die steinernen Stiegen hinan in das Zimmer, worin ein Beethoven wirkt und schafft. – – – Eine kleine Thür, zu deren Eröffnung ich die Klingel zog, führte mich in ein kleines Vorhaus, das eins war mit der anstoßenden Küche und Kinderstube. Da empfing mich der Bediente, der mit seiner Familie zu Beethovens Hausgeräthe zu gehören scheint. Er wollte mich gleich herein lassen, allein ich gab ihm meinen Brief von Amenda und wartete nun mit bangem Gemüthe auf Antwort. ›Treten Sie gütigst herein‹ rief mir endlich der rückkehrende Diener zu, und hinter einer dichten wollenen Thürgardine trat ich in das Heiligthum. Aus dem Nebenzimmer kam mir Beethoven entgegen. – – Wenn Jean Paul meinem Gedankenbilde ganz widersprach, so stimmte Beethoven ziemlich gut damit. Klein, etwas stark, zurückgestrichenes Haar, worunter schon vieles graues zu sehen ist, ein etwas rothes Gesicht, feurige Augen, die zwar klein aber tiefliegend und voll ungeheuren Lebens sind. Beethoven hat, besonders wenn er lacht, sehr vier Aehnlichkeit mit Amenda. Nach diesem erkundigte er sich vor allem, und äußerte Gefühle der wärmsten Freundschaft für ihn. ›Er ist ein sehr guter Mensch‹ sagte er. ›Ich habe das Unglück, daß alle meine Freun de von mir fern sind und ich nun allein stehe in dem häßlichen Wien.‹ Er bat mich laut mit ihm zu sprechen, weil er gerade jetzt wieder besonders schwer höre, daher er auch im Sommer nach Baden und aufs Land wolle. Ueberhaupt ist er seit lange her nicht gesund und hat nichts Neues componirt. Ich fragte ihn nach dem Operntext von Berge22 und er sagte, er sei recht gut und schicke sich mit einigen Abänderungen wohl zur Composition. Bis jetzt habe seine Krankheit noch nicht eine solche Arbeit erlaubt, und er wolle selbst an Amenda deswegen schreiben. Ich schrie ihm ins Ohr, man müsse zu solcher Arbeit wohl vollkommen Zeit und Muße haben. ›Nein,‹ sagte er, ›ich mache nichts so fort und fort, ohne Unterbrechung. Immer arbeite ich an mehrerem zugleich, bald nehme ich dann dies, bald das vor.‹ Er mißverstand mich sehr oft, und mußte, wenn ich sprach, die größte Aufmerksamkeit anwenden, mich zu verstehen. Das genirte und störte mich natürlich sehr. Auch er fühlt das Drückende und spricht selbst um desto mehr, und zwar sehr laut. Er erzählte mir viel von Wien und seinem Leben hier. Gift und Galle wüthet in ihm. Allem trotzt er, [557] mit Allem ist er unzufrieden, und flucht besonders über Oesterreich und namentlich über Wien. Er spricht schnell und mit großer Lebhaftigkeit. Oft schlug er mit der Faust auf sein Klavier so heftig, daß es laut im Zimmer wiederhallte. Zurückhaltend ist er nicht, denn schnell führte er mich in seine persönlichen Verhältnisse ein, und erzählte mir viel über sich und die Seinigen. – – Ueber die jetzigen Zeiten klagte er und zwar aus mehreren Gründen. Die Kunst steht nicht mehr so hoch über das Gemeine, ist nicht mehr so geachtet, und besonders nicht so geschätzt in Bezug auf die Be lohnung. Beethoven klagt über schlechte Zeiten auch in pecuniairer Hinsicht. – – – ›Warum bleiben Sie in Wien, da jeder ausländische Herrscher Ihnen einen Platz neben seinem Throne anweisen müßte und würde?‹ ›Mich fesseln Verhältnisse hier,‹ sagte er, ›aber es geht hier lumpig und schmutzig zu. Es kann nicht ärger sein. Von oben herab bis unten ist alles Lump. Niemandem kann man trauen. Was man nicht schwarz auf weiß hat, das thut und hält kein Mensch, und nicht einmal das Verabredete. Zudem hat man ja im Oesterreichischen nichts, da alles nichts, d.h. Papier ist.‹ Beethoven hat zur Congreßzeit eine Casual-Cantate componirt. Der Text, sagte er, war beschnitten und beschoren wie ein französischer Garten. Und dennoch kam's nicht einmal zur bestimmten Aufführung. Nach vielen Kabalen gab er eine Akademie im Redouten- Saal und erhielt vom König von Preußen ein Entréehonorar von 10 Dukaten. Sehr lumpig! Nur der Kaiser von Rußland bezahlte sein Billet honnett mit 200 Dukaten. Daß der General-Intendant der Kaiserlichen Schauspiele, Graf Palfi, bei dieser Gelegenheit einen tüchtigen Wischer bekommen,23 freute ihn sehr. Diesem will er besonders nicht wohl. Fürs Geld scheint Beethoven sehr importirt, und ich muß gestehen, das macht ihn menschlicher, d.h. es bringt ihn uns näher. – – – Daß sein Fidelio so oft und mit solchem Beifall in Berlin gegeben ist, das erfreut ihn. Den Verlust der Milder-Hauptmann bedauerte er. ›Ihre Stelle ist uns unersetzt,‹ sagte er, ›was sie singt, singt keine der hiesigen Sängerinnen ihr nach. Wir konnten sie nicht bezahlen, darum that sie wohl nach Berlin zu gehen. Die Musik ist hier sehr im Verfall. Der Kaiser thut nichts für die Kunst und das übrige Publicum nimmt mit Allem vorlieb.‹ Beethovens Bruder ist kürzlich gestorben und die Erziehung des hinterbliebenen Neffen hat er übernommen. Darüber sprach er viel; tadelte bei der Gelegenheit die hiesigen Schulen, in die er den Kleinen geschickt, aber aus denen er ihn auch wieder genommen. ›Der Knabe muß Künstler werden oder Gelehrter, um ein höheres Leben zu leben und nicht ganz ins Gemeine zu versinken. Nur der Künstler oder der freie Gelehrte tragen ihr Glück im Innern.‹ Er sprach hier herrliche Ansichten aus über das Leben. Sobald er schwieg, so runzelte sich seine Stirn und er hat ein düsteres Ansehn, daß man Scheu vor ihm haben könnte, wüßte man nicht, daß der Grund einer solchen Künstler-Seele schön sein muß. Vertrauen einflößend erlaubte er mir, ihn recht oft zu besuchen, da er nur ab und zu nach Baden reisen würde; ich möchte mich an ihn wenden, wenn er mir behülflich sein könnte. Meine Wohnung schrieb er sich auf und sagte mir beim Abschiede die herzlichen Worte: ›Ich werde Sie schon einmal holen lassen.‹

[558] – – – Seine Wohnung ist freundlich, sieht nach der grünen Bastei und ist ziemlich ordentlich und sauber eingerichtet. Das Vorzimmer hat auf einer Seite sein Schlafcabinet, auf der andern sein Musikcabinet, worin ein verschlossener Flügel steht. Noten sah ich nur wenig, einige Flick Notenpapier lagen auf dem Schreibtisch. Zwei gute Oelportraits hängen an der Wand, ein männliches und ein weibliches. Beethoven selbst war nicht, wie Jean Paul, in Lumpen gehüllt, sondern ganz in Galla (!?). Das bestätigt mir, was ich schon von ihm gehört, daß er eitel sei, und deswegen auch seine Taubheit ihm besonders lästig wird. – Uebrigens finde ich die Aussage, er sei zuweilen wahnsinnig, nicht bestätigt, nach den Erkundigungen, die ich über ihn einziehe. Herr Riedl versichert mir, er sei es durchaus nicht, und habe nur allein den sogenannten Künstlerspleen. Darunter denkt ein jeder was besonderes. Riedl z.B., als Kunsthändler und Verleger mehrerer Beethovenschen Werke, hält wahrscheinlich den theuren Preis, den er auf seine Manuscripte setzt, für solchen Spleen, denn wirklich sagte er mir, daß Beethoven ungeheuer theuer mit seinen Arbeiten sei. – – – –«


Am 25. Juli ging Bursy zu Beethoven, um ihn um die Einzeichnung seines Namens in sein Exemplar des Fidelio zu bitten. Er traf ihn nicht zu Hause, schrieb seinen Gruß und seine Bitte auf einen Zettel und konnte – wie er ausführlich schildert – der Versuchung nicht widerstehen, Beethovens Schreibfeder zur Erinnerung sich anzueignen.

Am 27. Juli, früh 7 Uhr, ging er wieder zu ihm und »verplauderte eine gute halbe Stunde recht angenehm mit ihm. Vorzüglich sprach er viel gegen Wien und zwar mit Ingrimm. Er wünscht sich aus Wien und ihn hält hier zum Theil auch sein Brudersohn, ein Knabe von 10 Jahren, den er gern zur Musik erziehen will, wenn er nur irgend etwas Eminentes leisten kann. Er soll schon recht brav Klavier spielen. Jetzt nimmt er ihn zu sich ins Haus und will ihm einen Erzieher geben. – – Ich fand Beethoven beim Schreibtisch an einem Notenblatt und vor einem gläsernen Kolben, in dem er sich seinen Kaffee kochte. Seine beiden Pianoforte sah ich noch nie geöffnet. – Ich fragte ihn nach dem Operntext von Berge. ›Es lohnt hier nicht Opernkomponist zu sein, denn die Theaterdirektion bezahlt uns nicht.‹ Auf die Notenhändler schimpft er, daß sie ihm durch ihre Nachstiche solche Verwirrung in seinen Werken machen. Sie geben die Nummern nach ihrer Willkühr. So hatte Mollo neulich die Trio-Variationen aus Es dur nachgestochen und Op. 82 darauf gesetzt, da für diese Nummer 4 Lieder gehören, und jene Variationen eine weit frühere Zahl haben (Op. 44). – –«

Die Sonate für Klavier und Violine Op. 96, welche einige Jahre vorher von Erzherzog Rudolf und Rode bei Lobkowitz gespielt [559] worden war, ist der Gegenstand der folgenden beiden Briefe an Erzherzog Rudolf24.


»Wien am 11. Juli 1816.


Ich darf wohl von Ihrer Gnade für mich hoffen, daß Sie der mir etwas freventlich (jedoch bloß um der Ueberraschung willen) erlaubten hier beigefügten Dedication sonst keine Absicht beilegen. Das Werk war für J. K. H. geschrieben, oder vielmehr hat es Ihnen sein Dasein zu danken und die Welt (die musikalische) sollte diese davon wissen? – Ich werde bald das Vergnügen haben, J. K. H. in Baden meine Auf wartung machen zu können. Mein Brustzustand hat es bis hieher trotz allen Anstrengungen meines Arztes, welcher mich nicht von hier lassen wollte, noch nicht zugelassen, jedoch geht es mir besser. Ich hoffe nur Gutes und Ersprießliches von Ihrem uns bekümmernden Gesundheitszustand zu hören.«


Darauf antwortete der Erzherzog aus Baden am 16. Juli 181625:


»Lieber Beethoven.


Ich danke Ihnen für die mir geschickte Sonate und nehme Ihre Zueignung mit vielem Vergnügen an. Ich beeifre mich recht sie zu üben, um der Kunst des Kompositeurs, dem der Verleger, durch die wahrhaft schöne Auflage seinen verdienten Tribut zollte, auch jene des Spielers beizurücken.

Trachten Sie nur Ihre Gesundheit so herzustellen, damit ich sie bald in Ihrer Gegenwart spiele und bey dieser Gelegenheit Ihnen wiederhole, wie sehr ich bin


Ihr ganz ergebener

Rudolph Erzherzog.«


In der peinlichen Angelegenheit des Verkaufs seiner Werke an Birchall schrieb Beethoven endlich folgende Antwort auf die ihm zur Unterschrift überschickte Deklaration.


»Vienne. 22. Juillet. 1816


Monsieur


J'ai reçu la declaration de proprieté de mes Oeuvres entierement cedé a vous pour y ajoindre ma signature. Je suis tout a fait disposer a seconder vos voeux si tôt, que cette affaire sera entierement en ordre, en egard de la petite somme de 10 ⌗ d' le quelle me vient encore pour le fraix de la copiature, de poste de lettre etc. comme j'avois l'honneur de vous expliquier, dans une note detaillé sur ces objectes.

Je vous invite donc Monsieur de bien vouloir me remettre ces petites objects, pour me mettre dans l'etat de pouvoir vous envoyer le Document susdit. Agrées Monsieur l'assurance de l'estime la plus parfait avec la quelle j'ai l'honneur de me dire


Louis van Beethoven.«


[560] Der in den vorhergehenden Mitteilungen bereits angeführte Entschluß Beethovens, seinen Neffen aus der Schule Giannatasios wieder wegzunehmen, erhält seine Erläuterung durch nachstehenden Brief an denselben vom 28. Juli 1816:


»Werther Freund!


Mehre Umstände veranlassen mich Karl zu mir zu nehmen, in dieser Rücksicht erlauben Sie, daß ich Ihnen den Betrag für das nun herannahende Vierteljahr sende, nach Verlauf dessen Karl austreten wird; – nicht irgend etwas Ihnen oder Ihrem geehrten Institut Nachtheiligem schreiben Sie es zu, sondern vielen andern dringenden Beweggründen für das Wohl Karls. Es ist ein Versuch und ich werde Sie selbst bitten, sobald es einmal daran ist mich mit Ihrem Rathe zu unterstützen, ja auch außerdem Karl zuweilen zu erlauben, Ihr Institut besuchen zu dürfen, ewigen Dank werden wir Ihnen wissen, ja nie werden wir Ihre Sorgfalt und die vortreffliche Pflege Ihrer werthen Frau Gemahlin, welche nur jener der besten Mütter zu vergleichen ist, vergessen. –

Wenigstens viermal so viel würde ich Ihnen schicken, als es jetzt geschieht, wenn es nur meine Lage zulassen wollte, unterdessen werde ich in einer bessern Zukunft jede Gelegenheit ergreifen, um auf eine gewisse Art das Andenken an Ihre Gründung des physischen und moralischen Wohls meines Karls zu ehren und zu erinnern. – In Ansehung der Königin der Nacht bleibt es wie bisher und selbst dann, wann K. auch bei Ihnen operirt werden sollte, da er einige Tage kränklich sein wird, und daher empfindlicher und reizbarer, so ist sie noch um so weniger zuzulassen, indem sich bei K. leicht alle Eindrücke erneuern könnten, welches wir nicht zugeben können; wie viel wir auf ihre Besserung rechnen können, zeigt Ihnen dieses abgeschmackte Geschmier, aus dieser Rücksicht blos theile ich Ihnen selbiges mit, damit Sie sehen, wie recht ich habe auf dem einmal gegen sie angenommenen Verfahren zu beharren, unterdessen habe ich ihr dies Mal nicht wie ein Sarastro, sondern wie ein Sultan geantwortet; – Sollte, so gern ich Sie damit verschonen möchte, die Operation Karls bei Ihnen vor sich gehen, so bitte ich Sie mir nur alles das, was Ihnen in Ihrem Hause Unruhen und mehr Ausgaben veranlaßt, anzugeben, mit größtem Dank werde ich Ihnen alles erstatten, und leben Sie wohl, alles schöne Ihren lieben Kindern und Ihrer vortrefflichen Gemahlin, deren weiterer Sorgfalt ich auch jetzt meinen Karl empfehle, ich verlasse Wien morgen früh 5 Uhr, werde aber öfter von Baden hereinkommen.


Wie immer mit Achtung der Ihrige

L. v. Beethoven.«


Des Knaben Krankheit war ein Bruch; die Operation fand in dem Institute mit so gutem Erfolge statt, daß er schon im September seinen Onkel in Baden besuchen konnte.

Von Baden aus schrieb Beethoven am 5. September einen längeren Brief an Zmeskall.


[561] »Werther Z. –


Ich weiß nicht ob Sie ein auf die Thür Schwelle gelegtes Billet neulich empfangen haben. Die Zeit war mir zu kurz Sie sehen zu können – ich muß daher die Bitte an Sie wegen einem neuen Bedienten widerholen, da ich diesen seiner Aufführung halber nicht halten kann26. – Er wurde am 25ten April aufgenommen, es wird also am 25 September 5 Monathe, daß er bei mir ist, er hat 50 fl voraus erhalten, sein Stiefelgeld wird ihm vom 3ten Monathe (in meinen Diensten) an gerechnet und von diesem bis zu einem ganzen Jahr zu 40 fl:, Livrée ebenfalls vom 3ten Monath an, da ich gleich Anfangs willens war ihn nicht zu behalten, immer gern meine 50 fl. gern zurückgehabt hätte, so habe ich immer gesäumt, unterdessen, wenn ich einen andern haben könnte, würde ich am 25ten dieses diesen austreten lassen, würde ihm 20 fl. für Stiefelgeld und monatlich 5 fl. für Livree (beydes vom 3ten Monath an gerechnet) in meinem Dienste anrechnen, welches zusammen 35 fl. macht, ich hätte also noch 15 fl. zu empfangen, diese müste man wohl fahren lassen, unterdessen käme ich doch einigermaßen zu meinen 50 fl: – Finden Sie jemand tauglichen, so hat er hier in Baden täglich 2 fl. u. kann er etwas kochen, so kann er sich in der Küche mit meinem Holz kochen (ich habe eine Küche, ohne jedoch für mich kochen zu lassen) könnte er das nicht, so würde ich auch wohl noch einige Kreuzer drauflegen; – in Wien sobald ich wieder für beständig da bin, hat er monatlich 40 fl:, das übrige Livrée Stiefelgeld etc. vom 3ten Monath in meinen Diensten angerechnet, wie bei anderen Bedienten – kann er etwas schneidern so würde es sehr gut sein; – hier haben Sie noch einmal mein Anliegen, ich bitte Sie spätestens bis zum 10ten dieses Monaths um eine Antwort, damit ich meinem Bedienten am 12ten aufsagen kann mit 14 Tägen wie gebräuchlich. – sonst muß ich ihn künftigen Monath wiederbehalten und doch möchte ich ihn jeden Augenblick gern verliehren. – Von dem neu aufzunehmenden wissen sie ohnehin schon, wie man ihn ohngefähr wünscht, ein gutes ordentliches Betragen, gute Empfelungen u. geheirathet, u. nicht mordlustig, damit ich meines Lebens sicher bin, indem ich doch wegen verschiedenem Lumpenvolk in der Welt noch etwas leben möchte. –

Ich erwarte also spätestens bis zum 10ten dieses von ihnen die Bedienten Relation – werden sie nicht unwillig, nächstens schicke ich ihnen meine Abhandlung über die 4 Violonschell Saiten, sehr gründlich verfaßt, erstes Kapitel von den Gedärmen überhaupt – 2tes K. von den Darmsaitenetc. [562] ich brauche sie nicht mehr zu warnen, daß Sie sich vor Verwundungen bei gewissen Festungen in Acht nehmen, Es ist ja überall tiefe Ruhe!!!!

Leben Sie wohl bestes Zmeskälchen –


ich bin wie immer

un povero Musico

u. ihr Freund

Beethoven


(N. B. Es wird vielleicht nur einige Monathe mit dem Bedienten dauern, da ich eine Haushälterin meines Karls wegen annehmen muß. –)«


Beethoven hatte damals die Absicht (S. 561), nach seiner Rückkehr in die Stadt sein Wirtshausleben aufzugeben und sein Hauswesen so einzurichten, daß sein Neffe nach Ablauf des Vierteljahres bei ihm wohnen könne, und daß er dann entweder die Schule besuche, oder bei Privatlehrern Unterricht nehme, oder vielleicht beides.

Karls Besuch bei seinem Onkel in Baden erfolgte in Begleitung der Familie Giannatasio. Fräulein Fanny erzählt die Geschichte desselben einfach und anmutig.


»Als sein Neffe noch bei uns war,« schreibt sie, »lud uns B. einmal zu sich nach Baden ein, wo er die Sommermonate zubrachte. Meinen Vater und uns zwei Töchter mit Karl. Obwohl unser Gastgeber von unserem Kommen unterrichtet war, gewahrten wir bald, daß zu unserer Beherbergung keine Anstalt getroffen war. B. ging Abends mit uns in einen Gasthof und da fiel uns sehr auf, daß er mit dem Kellner um jede Semmel rechnete, doch dies entsprang daher, daß er wegen seines schlechten Gehöres von Dienstthuenden vielfach betrogen worden war; denn damals schon mußte man ganz nahe am Ohr sein, um sich ihm verständlich machen zu können, und ich erinnere mich daß ich oft in großer Verlegenheit sogar durch die graulichen Haare dringen mußte, welche das Ohr verbargen; er sagte auch oft wohl selbst: ich muß mir die Haare schneiden lassen! Wenn man ihn so sah, glaubte man sie wären steif und struppig, doch waren sie sehr sein und wie er hinein fuhr, blieben sie auch stehen, was oft komisch aussah. (Einst kam er, als er den Ueberrock auszog, bemerkten wir ein Loch am Ellbogen, er mußte sich dessen erinnert haben und wollte ihn wieder anziehen, sagte aber lachend, indem er ihn vollends auszog: ›jetzt haben Sie's schon gesehen!‹)

Als wir nun nachmittags in seiner Behausung angekommen waren, wurde ein Spaziergang vorgeschlagen; doch unser Wirt wollte nicht mitgehen und entschuldigte sich, daß er so viel zu tun habe; jedoch versprach er nachzukommen, was auch geschah. Als wir abends nach Hause kamen, war aber auch keine Spur von Beherbergung zu sehen. B. murrte, ent- und beschuldigte die damit beauftragten Personen und half uns selbst einrichten; o wie interessant war es! mit seiner Hilfe ein leichtes Sofa weiter zu schaffen. Uns Mädchen wurde ein ziemlich großes Zimmer, in welchem sein Klavier stand, zum Schlafzimmer eingeräumt. Doch der Schlaf blieb in diesem musikalischen[563] Heiligtum uns lang ferne. Ja, und ich muß es zu meiner Beschämung bekennen, daß unsere Neu- und Wißbegierde einen großen runden Tisch, welcher sich darin befand, unserer Untersuchung aussetzte. Namentlich war es ein Notizbuch, über das wir uns hermachten. Da war aber ein solches ›Durcheinander‹ von wirschaftlichen Angelegenheiten, auch vieles für uns nicht leserliche, daß es unser Staunen erregte; aber, siehe da! eine Stelle erinnere mich – da stand: ›mein Herz strömt über beim Anblick der schönen Natur – obschon ohne sie!‹ – das gab uns vieles zu denken. Des Morgens brachte uns ein sehr prosaischer Lärm aus unserer poetischen Stimmung! B. erschien auch bald mit zerkratztem Gesicht, und klagte uns, daß er mit seinem Bedienten, welcher zum Austreten war, einen Auftritt gehabt habe, ›sehen Sie, sagte er, so hat er mich zugerichtet!‹ Er beklagte sich auch, daß diese Menschen, obwohl sie wüßten, daß er nicht höre, dennoch nichts taten, um sich verständlich zum machen. – Es wurde dann ein Spaziergang ins schöne Helenental gemacht, wir Mädchen wanderten voran, dann B. mit unserm Vater. Folgendes war es, was wir mit gespanntem Gehör erhaschen konnten:

Mein Vater meinte, B. könne sich von diesem trauri gen Uebelstand seiner häuslichen Verhältnisse nur durch ein eheliches Band befreien, und ob er niemand kenne u.s.w., da war denn unsere langgehabte Ahnung bestätigt: ›er liebe unglücklich! Seit fünf Jahren hatte er eine Person kennen gelernt, mit welcher sich näher zu verbinden er für das höchste Glück seines Lebens gehalten hätte. Es sei nicht daran zu denken, fast Unmöglichkeit, eine Chimäre. Dennoch ist es jetzt noch wie am ersten Tag.‹ Diese Harmonie, setzte er hinzu, habe er noch nicht gefunden! Doch es ist zu keiner Erklärung gekommen, er habe es noch nicht aus dem Gemüt bringen können! Dann folgte ein Augenblick, welcher uns für manche Mißverständnisse von seiner Seite und kränkendes Benehmen entschädigte: denn er kannte meines Vaters freundschaftliches Anerbieten, ihm in seinen häuslichen Bedrängnissen womöglich beizustehen, und ich glaube er war überzeugt von unserer Freundschaft für ihn. – Er sprach noch von dem unglücklichen Verlust seines Gehörs, von dem elenden Leben, das er viele Zeit in physischer Rücksicht geführt. Er B. war so fröhlich beim Mittagsmahl (im Freien in Helena), seine Muse umschwebte ihn! Er beugte sich öfter an die Seite und schrieb einige Takte mit der Bemerkung: ›Mein Spaziergang mit Ihnen hat mir Noten genommen, doch auch wieder eingetragen.‹ Dies geschah alles im September des Jahres 1816.«


Der hochbegabte Jüngling Alois Jeitteles aus Brünn, damals Studiosus der Medizin in Wien, schrieb im Alter von kaum 21 Jahren den schönen Liederkreis »An die ferne Geliebte«, den Beethoven in so wunderbar ergreifender Weise in Musik setzte. Schindler erzählt, daß der Komponist dem jungen Dichter für diese glückliche Eingebung gedankt habe; doch wird nicht klar, ob er (was das Wahrscheinlichere ist) die Lieder in einem Taschenbuche gefunden, oder sie handschriftlich vom Verfasser erhalten hat. Aber niemand, der sie mit richtigem Ausdrucke vortragen [564] hört, wird sich des Gefühles erwehren können, daß in dieser Musik noch etwas anderes enthalten ist, als die bloße Begeisterung durch die Poesie. Sie wurden vollendet nicht viele Wochen, bevor er in seinem Briefe an Ries (am 8. Mai) die Worte schrieb: »Ich fand nur eine, die ich wohl nie besitzen werde«, und nur sechs Monate vor der obigen Unterhaltung mit Giannatasio. Daß dieser Beethoven als Liederkomponisten so erstaunlich höher stellende Zyklus an die Adressatin des Liebesbriefes vom 6. Juli 1812 gerichtet ist, kann wohl als sicher gelten.

Bald nach dem oben erzählten Besuche der Familie Giannatasios schrieb er an denselben folgenden Brief.


»Sonntag am 22. September 1816.


Gewisses läßt sich nicht aussprechen. – So als ich die Nachricht von Ihnen wegen Karls glücklich über standener Operation erhielt, besonders meine Gefühle des Dankes – Sie ersparen mir hier Worte hervorzubringen oder kaum zu stammeln – Sie würden doch nichts sagen gegen das was meine Gefühle Ihnen gern zollen möchten, also still – – daß ich wünsche zu hören, welchen Fortgang es jetzt mit meinem theuren Sohne nimmt, können Sie sich wohl denken, vergessen Sie dabei nicht Ihre Wohnung mir deutlich anzuzeigen, damit ich selbst unmittelbar an Sie schreiben kann.

Ich habe seit Sie fort von hier an Bernhard geschrieben, damit er sich bei Ihnen erkundigen solle, habe aber keine Antwort erhalten, denn am Ende könnten Sie mich für einen halben, sorglosen Barbaren halten, indem Herr B. wahrscheinlich ebensowenig bei Ihnen gewesen, als er an mich geschrieben hat. –

Besorgnisse kann ich keine bei Ihrer trefflichen Gemahlin haben, rein unmöglich, daß es mir Wehe verursacht nicht Theil nehmen zu können an den Schmerzen meines Karl und ich wenigstens öfter von seinem Zustande zu wissen wünsche, dies wird Ihnen sehr begreiflich sein, da ich mich nun auf einen so gemüthlosen, untheilnehmenden Freund, wie Herr B. verzichtet habe, so muß ich Ihre Freundschaft und Gefälligkeit in dieser Rücksicht doch in Anspruch nehmen, ich hoffe bald einige Zeilen von Ihnen und erbitte alles Schöne und tausend Dank Ihrer verehrten Frau Gemahlin zu sagen.


In Eile

Ihr

L. v. Beethoven.


An Smettana bitte ich meine Verehrung und Hochachtung zu bezeigen.«


Giannatasios Schule war damals zum Landstraßen-Glacis verlegt worden, und jener heftige Ausfall gegen Bernard hatte keine andere Ursache, als daß derselbe noch keine Zeit gefunden hatte, dorthin zu gehen, um über den Zustand des Knaben Erkundigung einziehen und berichten zu können, welcher wenige Tage vorher in Baden gewesen war27, und [565] dessen vollständige Genesung nur eine Frage der Zeit war. Überdies stand Beethoven selbst im Begriffe, in die Stadt zurückzukehren, was spätestens den 27. geschah.

Der verstorbene Peter Joseph Simrock aus Bonn, damals 24 Jahre alt, war zu jener Zeit in Wien. Er war oft bei Beethoven, in Baden, in seiner Wohnung in der Sailerstätte, und in dem Wirtshause »zur goldenen Birn« (Landstraße, Hauptstraße 42), wo Beethoven oft zu Mittag aß, seitdem Giannatasio in jene Gegend gezogen war. Auch Simrock erzählte dem Verfasser, daß er ohne Schwierigkeit sich Beethoven verständlich machen konnte, wenn er ihm ins linke Ohr sprach; aber alles Persönliche oder Vertrauliche mußte ihm schriftlich mitgeteilt werden. Einmal gab ihm der Komponist Papier und Bleistift mit der Bemerkung in die Hand, sein Bedienter sei ein Horcher u. dgl. Als ihn Simrock einige Tage später wie der besuchte, sagte Beethoven: »Jetzt können wir sprechen; denn ich habe meinem Bedienten fünf Gulden gegeben, einen Tritt vor den Hintern, und ihn zum Teufel geschickt!«

Simrock führte den jungen Konrad Berg zu dem Meister und sagte ihm, sein Freund wünsche ihm einige Trios zu dedizieren. Beethoven lachte und sagte: »Nun, wenn er keinen Bessern hat, so kann er die mir dedizieren.«28 »Oeffentlich überall schimpfte Beethoven auf den Kaiser Franz wegen der Reduction des Papiergeldes29; aber man kannte ihn und ließ ihm alles hingehen. – Im Wirthshause verzehrte er viel, weil er auf's Gerathewohl bestellte und wegschickte, was ihm nicht schmeckte.«

Als Simrock nach Bonn zurückkehrte, nahm er folgenden hübschen kleinen Brief an Wegeler mit (Ries und Wegeler, Notizen S. 48):


»Wien, den 29. September 1816.


Ich ergreife die Gelegenheit durch J. Simrock Dich an Mich zu erinnern. Ich hoffe du hast meinen Kupferstich30 und auch das böhmische Glas erhalten. Sobald ich einmal wieder Böhmen durchwandere, erhältst du wieder etwas dergleichen. Leb' wohl, Du bist Mann, Vater, ich auch, doch ohne Frau. Grüße mir all die Deinigen – die Unsrigen. Dein Freund


L. v. Beethoven.«


(Adresse) »An Freund Wegeler«

(von fremder Hand) »Im Graf Lembachischen Hause No. 1055–56 auf der Seilerstraße.«


[566] Simrock nahm auch die beiden Cellosonaten Op. 102 mit, welche unmittelbar darauf gestochen wurden und im Frühjahr 1817 erschienen.

Ein anderer von denen, welche Beethoven in jener Zeit besuchten, war Alexander Kyd. Dieser war seit dem 25. Juli 1810 Generalmajor im Ingenieur-Korps der Ostindischen Kompagnie gewesen, hatte dort dem Klima seinen Tribut bezahlt und war mit zerrütteter Gesundheit nach Wien gekommen, um sich in Malfattis Behandlung zu geben. Auf diese Weise machte er die Bekanntschaft von Dr. Bertolini, welcher Jahn und dem Verfasser folgende Einzelheiten mitteilte.

Kyd war ein großer Musikliebhaber und erfreute sich, nachdem er so lange in Indien gewesen, mit größtem Eifer der ihm gegenwärtig gebotenen Gelegenheiten, gute Musik zu hören. Bertolini führte ihn zu Czerny, und dieser spielte ihm während mehrerer Besuche alle damals gedruckten Klavierkompositionen Beethovens vor. Hingerissen von diesen Kompositionen, erbat sich der General einen vollständigen thematischen Katalog der Werke dieses Komponisten und ersuchte Bertolini, ihn bei demselben einzuführen. Dies geschah am 28. September »in dem Hause nächst dem Colorado Palast«, nach Bertolinis Mitteilung. Er traf ihn beim Rasieren, widerwärtig aussehend, sein rötliches, von der Badener Sonne gebräuntes Gesicht buntscheckig entstellt durch Schnitte des Rasiermessers, Papierstückchen und Seife. Als Kyd sich niedersetzte, brach der Stuhl entzwei. Im Laufe der Unterhaltung machte der General, welcher die allgemeine Vorstellung von Beethovens Armut teilte, ihm durch den Doktor den Vorschlag, eine Symphonie zu komponieren, für welche er ihm 200 Dukaten (100 ₤) bezahlen, und deren Aufführung in der philharmonischen Gesellschaft in London er ihm sichern wollte; er zweifelte nicht, daß der Gewinn aus dem Werke für den Komponisten auf diese Weise sich auf 1000 ₤ belaufen werde. Außerdem bot er ihm an, ihn selbst mit nach London zu nehmen. Wirklich scheint damals für Beethoven, abgesehen von der Erziehung seines Neffen, ein ernstliches Hindernis, Wien zu verlassen, nicht bestanden zu haben; und der Knabe war sicherlich in den besten Händen, solange er bei Giannatasio war. Dennoch nahm er den Vorschlag nicht an, ja nicht einmal den Auftrag, eine Symphonie zu schreiben; letzteres darum, weil Kyd dieselbe mehr den früheren ähnlich wünschte als den späteren, d.h. etwas kürzer, einfacher und leichter verständlich als die letzteren. Der Schluß der Erzählung, wie sie im Fischhoffschen Manuskript enthalten ist, stimmt ganz [567] mit dem Berichte des Doktors überein. »Als Bertolini dies alles seinem Freunde mit theilnehmender Freude vortrug, nahm Beethoven es jedoch ganz anders auf. Er äußerte, daß er sich nichts vorschreiben lasse; er brauche kein Geld, verachte solches, und werde sich um die halbe Welt nicht in die Laune eines andern schmiegen, um so weniger aber etwas schreiben, was nicht in seinem Sinn, in seiner Eigenthümlichkeit liege. Auch war er von derselben Zeit kalt gegen Bertolini und blieb es.« Als er später in Streit mit Malfatti geriet und denselben beleidigte, brach er vollständig mit Bertolini; aber diese beiden Männer waren zu ehrenhaft, um jemals die Einzelheiten dieses Zwiespaltes bekannt zu machen.

Simrock erzählt in einem, dem Verfasser für seine Biographie mitgeteilten handschriftlichen Beitrage folgendes:


»Als ich Beethoven am 29. September 1816 in Wien besuchte, erzählte er mir, daß er gestern den Besuch eines Engländers gehabt, der im Auftrage der philharmonischen Gesellschaft in London ihm den Antrag machte, für dieses Institut eine Sinfonie in der Art wie die erste und zweite seiner Sinfonieen zu schreiben, gleichviel um welchen Preis. – – – Er fühlte sich als Künstler durch ein solches Ansinnen tief verletzt und wies den Antrag mit Entrüstung zurück, indem er den Antragsteller demgemäß abfertigte. In seiner Aufre gung äußerte er sich bei mir sehr erzürnt und mit tiefem Unwillen über eine Nation, welche damit eine so erniedrigende Idee von einem Künstler und der Kunst kundgegeben, was er als eine große Beleidigung ansah. Als wir an demselben Nachmittage an Haslinger's Verlagshandlung am Graben vorüber gingen, blieb er plötzlich stehen und zeigte auf einen dort eingetretenen, großen, starken Mann mit dem Ausrufe: ›Da steht dieser Mensch, den ich gestern bei mir die Treppe hinunter geworfen‹.«


»Die Treppe hinuntergeworfen« meinte er natürlich bildlich. Es erscheint ziemlich klar, daß Beethoven den Antrag des Generals Kyd in gewisser Hinsicht mißverstanden hatte, und daß jener Ausbruch des Ärgers mehr gegen Neate und die philharmonische Gesellschaft als gegen den General gerichtet war.

Es ist sehr zu bedauern, daß dieser Künstlerstolz einen so wenig mäßigenden Einfluß auf seine Korrespondenz ausübte, wenn Geldangelegenheiten den Gegenstand derselben bildeten. Diese Bemerkung führt uns auf Birchall zurück.

Beethoven hatte endlich die ihm auf sein Konto zugeschriebenen 5 ₤ in der Bank von Fries u. Co. aufgefunden und am 3. August eine Quittung über dieselben ausgestellt – zu spät, um folgendem von [568] C. Lonsdale in Birchalls Auftrag an ihn geschriebenen Briefe zuvorzukommen31.


»London, den 14. August 1816.


Mein Herr,


Hr. Birchall erhielt Ihren Brief vom 22. vor. Monats, und war überrascht zu hören, daß Sie die zusätzlichen 5 ₤ als Ersatz Ihrer Auslagen für Copiatur u.s.w. noch nicht erhalten hätten. Er versichert, daß die obige Summe an HH. Coutts u. Co. am 15. des letzten März bezahlt worden sei, um an HH. Fries und Co. für Sie geschickt zu werden, und er setzte voraus, daß Sie dieselben ebenso sicher erhalten hätten, wie die frühere Summe. In Folge Ihres letzten Briefes ist mit Rücksicht darauf noch einmal bei HH. Coutts und Co. angefragt worden; dieselben haben ihre Bücher nachgesehen und gefunden, daß am 13. Mai an HH. Fries u. Co. geschrieben worden ist, und in letzterem Briefe folgende auf Sie bezügliche Stelle enthalten war.


›London, den 13. Mai 1816.


An HH. Fries u. Co. Wir haben von Hrn. Birchall eine weitere Summe von fünf Pfund (£ 5) für Ihre Rechnung erhalten zur Auszahlung an Hrn. Beethoven. Wollen Sie daher gefälligst jenem Herrn dieselbe Summe berechnen und den Betrag in ihre nächste Rechnung für uns mit aufnehmen.


Coutts u. Co.‹


Wenn Herr Beethoven sich an HH. Fries u. Co. wenden und dieselben veranlassen will, diesen Brief nachzusehen, so wird ihm ohne Zweifel der Betrag un verzüglich ausgezahlt werden, da sich eine Bilanz von 5 £ zu ihren Gunsten bei HH. Coutts u. Co. findet, welche in ihrer letzten Rechnung für London nicht mit enthalten war.

Herr Birchall bedauert, daß Sie die Summe nicht so rasch erhalten haben als Sie dieselbe fordern konnten, aber er hofft, daß Sie überzeugt sein werden, daß das Versehen nicht an ihm liegt, da das Geld den Tag, nachdem Hr. Ries von demselben gesprochen, bezahlt worden ist.

Herr Birchall wünscht namentlich, daß die Declaration ihm sobald als möglich zurückgeschickt werde, und in gleicher Weise wünscht er, daß Sie ihm die Dedicationen und Opusnummern mittheilen möchten, welche auf das Trio, die Sonate und die große Symphonie in A gesetzt werden sollen. Die Herausgabe der Sonate ist in Folge dieses Umstandes lange Zeit verzögert worden, er hofft jedoch, Sie werden nicht zögern ihm alles beim Empfange dieses zu übermitteln. Wenn Sie wieder schreiben, würde Hr. Birchall erfreut sein zu hören, wie Sie darüber dächten, Variationen über die beliebtesten englischen, schottischen und irischen Lieder für Klavier mit Begleitung von Violine oder Violoncell – wie es Ihnen am besten dünkt – zu schreiben, ungefähr von der Länge von Mozarts Arien ›La dove prende‹ und ›Colomba o tortorella‹ und Händels ›See the conquering Hero comes‹ mit Ihren Variationen; haben Sie die Güte, wenn Sie ihm Ihre Bedingungen mittheilen, ihm zu sagen, ob es erforderlich ist, die Lieder Ihnen [569] zu schicken; wenn Sie deren viele haben, wird vielleicht Bezeichnung des Namens hinreichend sein. Wenn Sie den Preis festsetzen, wünscht Hr. Birchall, daß Sie eine Summe angeben, welche Copiatur und Porto einschließt.


Im Auftrage von Hr. Birchall

C. Lonsdale.«


Beethovens englische Antwort auf diesen Brief trägt alle Spuren von Härings Feder und ist von Beethoven nur unterzeichnet. Auch sie folgt hier in deutscher Übersetzung.


»Wien, den 1. October 1816.


Mein werther Herr,


Ich habe die £ 5. richtig empfangen, und dachte schon vorher, Sie würden nicht die Zahl der Engländer vermehren, welche Worte und Ehre vernachlässigen, von welcher Art ich zweien oder dreien zu begegnen das Unglück gehabt habe. In Erwiderung auf die übrigen Gegenstände Ihres geehrten Schreibens theile ich Ihnen mit, daß ich nichts dagegen einzuwenden habe, Variationen Ihrem Vorschlage entsprechend zu schreiben, und ich hoffe, daß Sie 30 £ nicht zu hoch finden werden; die Begleitung wird in einer Flöte oder einer Violine oder einem Violoncell bestehen; Sie können dies bestimmen, wenn Sie mir Ihr Einverständniß mit dem Preise schreiben, oder es auch mir überlassen. Ich erwarte, die Gesänge oder die Gedichte zu erhalten – je eher je besser, und Sie wollen mir auch die wahrscheinliche Zahl der Variationenwerke angeben, wel che Sie von mir zu übernehmen geneigt sind.

Die Sonate in G mit Begleitung einer Violine ist Seiner Kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Rudolph von Oestreich gewidmet; sie ist Op. 96. Das Trio inBb ist demselben gewidmet und ist Op. 97. Das Klavier-Arrangement der Symphonie in A ist der Kaiserin von Rußland, nämlich der Gemahlin des Kaisers Alexander gewidmet – Op. 98.

Was die Auslagen für die Copiatur und Versendung betrifft, so ist es nicht möglich, dieselben schon vorher zu bestimmen; sie sind aber keinesfalls beträchtlich, und Sie wollen gütigst erwägen, daß Sie mit einem Manne von Ehre zu thun haben, welcher Ihnen nicht einen 6d [Sixpence] mehr anrechnen wird, als ihm selbst angerechnet worden ist. Die Herren Fries u. Co werden mit HH. Coutts u. Co. die Sache berechnen. – Das Porto kann möglicherweise ermäßigt werden, wie man mir gesagt hat.

Ich biete Ihnen von meinen Werken folgende neue an: Eine große Sonate für Klavier allein, £ 40. Ein Trio für Klavier mit Begleitung von Violine und Violoncell, £ 50. Möglicherweise wird Ihnen jemand wohl andere Werke von mir zum Kaufe anbieten, z.B. die Partitur der großen Symphonie in A. – Mit Rücksicht auf das Arrangement dieser Symphonie für Klavier bitte ich Sie nicht zu vergessen, daß Sie dasselbe nicht veröffentlichen dürfen, bis ich den Tag der Veröffentlichung hier in Wien bestimmt habe. Ich kann dies nicht anders einrichten, wenn ich mich nicht einer unehrenhaften Handlungsweise schuldig machen will. Die Sonate mit Violine und das Trio in B kann jedoch ohne Verzug veröffentlicht werden.

[570] Bei allen neuen Werken, welche Sie von mir erhalten werden, oder welche ich Ihnen anbiete, steht es bei Ihnen, den Tag ihrer Herausgabe nach Ihrem eigenen Gutdünken zu bestimmen. Ich bitte Sie, mich so bald als möglich mit einer Antwort zu beehren, da ich viele Aufträge zu Compositionen habe, damit Sie nicht aufgehalten werden. Meine Adresse ist


Monsieur Louis van Beethoven

No. 1055 u. 1056 Sailerstette, 3ter Stock.

Wien.


Sie dürfen Ihren Brief, wenn es Ihnen so gefällt, direct senden


an Ihren

ganz ergebenen Diener

Ludwig van Beethoven.«


Über Neate beklagte sich Beethoven nicht bloß bei Ries, sondern schrieb damals auch an Smart über ihn in so bitteren Ausdrücken, daß dieser es andern gegenüber völlig verschwieg und nur Neate selbst den Brief zeigte, dessen Schmerz und Staunen über das ihm widerfahrene Unrecht in dem hier folgenden Briefe nur zum Teil zum Ausdrucke gelangt ist.


(Neate an Beethoven.)


»London den 29. October 1816.


Mein lieber Beethoven,


Nichts hat mir jemals größeren Schmerz bereitet, als Ihr Brief an Herrn George Smart. Ich bekenne, daß ich Ihren Tadel verdiene, daß ich in hohem Grade gefehlt habe; aber ebenso muß ich sagen, daß Sie, wie ich glaube, zu voreilig und zu hart über mein Verhalten geurtheilt haben. Der Brief, welchen ich vor längerer Zeit an Sie abgeschickt, war in einem Augenblicke geschrieben, in welchem ich mich in einem solchen Zustande des Geistes und Gemüthes befand, daß ich gewiß bin, hätten Sie mich gesehen oder meine Leiden gekannt, Sie würden jede unbefriedigende Stelle in demselben entschuldigt haben. Gott sei Dank! jetzt ist alles vorüber, und ich war gerne im Begriffe an Sie zu schreiben, als Herr George mit Ihrem Briefe zu mir kam. Ich weiß nicht, wie ich eine Antwort auf denselben beginnen soll; ich bin niemals in die Lage gebracht worden, mich selbst rechtfertigen zu müssen, denn es ist das erstemal, daß man mich der Unehrenhaftigkeit beschuldigt; und was mir dieses noch schmerzlicher macht, ist, daß ich derselben beschuldigt werde von dem Manne, welchen ich unter allen in der Welt am meisten ehre und schätze, einem Manne, dessen Wohlergehen nie aufgehört hat, Gegenstand meiner Gedanken und Wünsche zu sein, seit ich ihn kennen gelernt. Da aber der äußere Schein meiner Aufführung in Ihren Augen so ungünstig gewesen ist, muß ich Ihren noch einmal von dem Zustande erzählen, in welchem ich mich vor meiner Heirath befand. Bis die Frage, ob ich meine Frau, die ich am 2. October geheirathet, von der Familie erhalten sollte, entschieden war, von welcher Frage mein ganzes Glück abhing, durfte ich durchaus[571] nicht als Künstler erscheinen. Nun bleibe ich Musiker. Ich wollte auch nicht einen andern für Sie handeln lassen aus Furcht, daß es nicht ganz so geschah, wie es sollte. Ich erkenne an, daß ich mein Wort gegen Sie nicht gehalten habe, welches unrecht ist; aber ich habe jedermann vernachlässigt, jede Sache und mich selbst.

Ich bleibe bei meiner Versicherung, und meine Liebe zu Beethoven ist nicht vermindert! Während jener Periode konnte ich selbst nichts öffentlich thun, und in Folge dessen blieb alle Ihre Musik ungesehen und ungehört in meinem Pulte. Ich machte jedoch einen nachdrücklichen Versuch bei der philharmonischen Gesellschaft, Ihnen das zu verschaffen, wozu ich Sie vollständig berechtigt hielt. Ich bot derselben Ihre sämmtliche Musik an unter der Bedingung, daß man Ihnen ein recht ansehnliches Geschenk mache. Dies, sagten die Herren, könnten sie nicht gewähren, erklärten sich jedoch bereit, Ihre Musik zu sehen und zu hören, und dann einen Preis für dieselbe zu bieten. Ich widersprach und sagte: ich würde mich schämen, wenn ihre Musik zur Auction gestellt und ausgeboten würde! Dazu sei mir Ihr Name und Ihr Ruf zu theuer. Und so verließ ich die Versammlung mit dem Entschlusse, ein Concert zu geben und lieber alle Sorgen auf mich selbst zu nehmen, als daß Ihr Gefühl durch die Möglichkeit des Mißfallens jener Männer an Ihren Werken verletzt würde. Meine Besorgniß in diesem Punkte war noch vergrößert durch den ungünstigen Umstand, daß Ihre Ouvertüren nicht gut aufgenommen worden waren; die Herren sagten, sie hätten von Ihren anderen Werken nicht mehr zu erwarten. Ich war in der letzten Saison nicht Dirigent, bin es jedoch für die nächste; alsdann werde ich eine Stimme haben, und werde schon Sorge tragen, dieselbe geltend zu machen. Ich habe Ihre Sonaten mehreren Verlegern angeboten, aber sie hielten sie für zu schwer und sagten, sie würden nicht verkäuflich sein; in Folge dessen machten sie solche Offerten, daß ich sie nicht annehmen konnte. Wenn ich sie einigen der Professoren werde vorgespielt haben, dann wird durch deren Verdienste natürlich ihr Ruhm steigen, und ich hoffe dann bessere Offerten zu erhalten. Die Symphonie, von welcher Sie im ›Morning Chronicle‹ gelesen haben, ist, wie ich glaube, die in C moll; jedenfalls nicht die in A, denn diese ist noch nicht in einem Concert gespielt worden. Ich werde aber darauf bestehen, daß sie in der nächsten Saison gespielt wird, wahrscheinlich schon am ersten Abende. Ich bin außerordentlich erfreut, daß Sie Herrn George Smart gewählt haben, um ihm gegenüber Ihre Klagen über mich auszusprechen, denn er ist ein Mann von Ehre und gegen Sie in hohem Grade freundschaftlich gesinnt; wäre es irgend ein anderer gewesen, so würde man auf Ihre Klage gehorcht haben, und mein Ruf würde für mein ganzes späteres Leben befleckt worden sein. Ich habe aber das Vertrauen, daß ich zu viel Achtung genieße, als daß diejenigen, welche mich kennen, ungünstig von mir denken könnten. Ich bin jedoch vollständig bereit, jedes Blatt, welches ich von Ihnen habe, zurückzugeben, wenn Sie es zurückzuerhalten wünschen. Herr George wird Ihnen mit der nächsten Post schreiben und das Gesagte bestätigen. Ich bin sehr schmerzlich davon berührt, daß Sie sagen, ich erkenn erkenne Verpflichtung gegen Sie nicht einmal an, da ich doch in Wien von nichts anderem gesprochen habe, wie mir dort jeder, der mich [572] kennt, bezeugen kann. Ich bot Ihnen sogar mein Geld an, was Sie jederzeit großmüthig ablehnten. Ich bitte Sie, mein lieber Freund, seien Sie überzeugt, daß ich bleibe


Immerdar Ihr aufrichtigster

C. Neate.«


Zmeskall, dessen Geduld und Nachsicht unerschöpflich war, hatte seinen Freund schon wieder mit Dienstleuten versorgt, einem Manne und seiner Frau, und Verschiedenes war geschehen, um die Wohnung in der Seilerstätte für das Ende des Quartals zur Aufnahme des Neffen bereit zu machen. Dieser Plan kam jedoch einstweilen noch nicht zur Ausführung.

Diese Angaben erklären folgenden kleinen Brief an Zmeskall vom 3. November 1816.


»Lieber Z. Ihre Nichtempfehlung der zu mir genommenen Dienstleute kann ich ebenfalls nicht empfehlen – ich bitte mir sogleich durch Hr. Schlemmer die Papiere, Zeugnisse etc. einzuhändigen welche Sie von ihnen haben. – Ich habe Ursache fortan Verdacht wegen eines Diebstahles von ihnen zu haben. – Seit 14ten des vorigen Monaths bin ich immer krank u. muß das Bette u. Zimmer hüthen. – Alle Projekte wegen meines Neffen sind gescheitert, durch diese elenden Menschen,


Wie immer

der Ihrige

L. v. Beethoven.«


Weiteren Aufschluß über dieselben Verhältnisse gewährt der folgende Brief an Giannatasio.


»Werther Freund


Meine Haushaltung sieht einem Schiffbruch beinahe ganz ähnlich oder neigt sich dazu, kurzum ich bin mit diesen Leuten von einem seynwollenden Kenner d. g. angeschmiert, dabey scheint meine Gesundheit sich auch nicht in der Eile wieder herstellen zu wollen, Einen Hofmeister bei diesen Verhältnissen anzunehmen, dessen inneres u. äußeres man auch nicht kennt, u. meines Karls Bildung Zufälligkeiten zu überlassen, das kann ich nimmermehr, so großen Aufopferungen ich auch in mancher Hinsicht auch dadurch wieder ausgesetzt bin, also, bitte ich Sie, daß Sie mein werther G. Karln wieder dieses Vierteljahr bei sich behalten, auf ihren Vorschlag wegen der Kultivirung der Tonkunst werde ich in soweit eingehen, daß Karl 2 auch 3 mal die Woche sich Abends gegen 6 Uhr von Ihnen entfernt u. alsdann bei mir bleibt bis den kommenden Morgen, wo er gegen 8 Uhr sich wieder bei ihnen einfinden kann. Täglich würde es wohl zu anstrengend für K. seyn, auch selbst für mich, da es immer um dieselbe Zeit seyn muß, zu ermüdend u. gebunden. – Während dieses Vierteljahres werden wir uns näher besprechen, was am Zweckmäßigsten für K. u. wo auch zugleich ich berücksichtigt werden kann, denn ich muß bei diesen sich jetzt noch immer verschlimmernden[573] Zeitverhältnissen leider dieses Wort aussprechen, wäre ihre Wohnung oben im Garten für meinen Gesundheits-Zustand passend gewesen, so wäre alles leicht geschlichtet gewesen. – Was meine Schuldigkeit für das jetzige 4teljahr betrifft, so muß ich sie schon bitten, daß Sie sich zu mir bemühen, um mich derer zu entledigen, da der Ueberbringer dieses von Gott das Glück hat, etwas dumm zu seyn, welches ihm selbst man wohl gönnen kann, wenn nur andre dabey nicht ins Spiel kommen. – Was die andern Ausgaben für Karl betrifft während seiner Krankheit oder was damit verbunden ist damit bitte ich Sie sich nur einige Täge später zu gedulden, indem ich von allen Seiten große Ausgaben jetzt habe – Wegen Smettana möchte ich auch wissen, wie ich mich gegen ihn in Ansehung seiner glücklich vollbrachten Operation zu verhalten habe, Was seine Belohnung betrifft, wäre ich reich oder nicht in dem Zustande wie alle (außer den österreichischen Wucherern) die ihr Schicksaal an dieses Land gekettet hat, so würde ich gar nicht fragen. Es ist hiermit nur ein ohngefährer Ueberschlag gemeint. – Leben Sie wohl, ich umarme Sie von Herzen u. werde Sie immer als Freund von mir und

meinem Karl ansehen.


Mit Achtung

Ihr

L. v. Beethoven.«


In dem Brief an Gräfin Erdödy (S. 553) vom 13. Mai 1816 sprach Beethoven die Befürchtung aus, daß sein Leben schnell zu Ende gehen könne. Daß das nur eine vorübergehende Anwandlung war, beweist ein Billett an Zmeskall (von diesem datiert 6. Dezember 1816):


»An Seinen hochwohlgebohrnen H. v. Zmeskall.


Mein lieber junger Hofrath!


Ich bitte Sie mir die 3 Exemplare von meiner Schlacht von Vittoria zurück zu senden, lassen Sie den B... K..., Es hat hoffe ich noch Zeit, bis wir in die Gruft gesenkt werden.

Sagen Sie mir, wo man die besten Barometer bekommen kann, u. wieviel einer wohl kostet. Nächstens sehe ich Sie einmal.


Wie immer

ihr Freund

Beethoven.«


Der von Beethoven für seinen Neffen engagierte Musiklehrer war Karl Czerny, dessen Aufzeichnungen über diesen Punkt wir für ein späteres Kapitel aufheben (Bd. IV. S. 46ff.).

Im November schrieb der S. 569 genannte C. Lonsdale wieder in Birchalls Namen an Beethoven.


»London, den 8. November 1816.


Mein Herr,


Zum Zwecke der Beantwortung Ihres Schreibens vom 1. October hat H. Birchall mich gebeten Ihnen mitzutheilen, daß er erfreut ist zu erfahren, daß Sie nunmehr wegen seines Versprechens der Zahlung von, ₤ 5 an Sie, [574] außer dem Betrage welchen Sie schon vorher der Verabredung zufolge erhalten hatten, befriedigt seien. Er hatte jedoch nicht geglaubt, daß Sie die Sendung der Quittung, die nach dem Empfange der 130 Ducaten unterzeichnet war, lediglich aus dem Grunde aufschieben würden, weil Sie die 5 ₤ nicht erhalten hatten, welche letztere Summe in jener Quittung nicht enthalten war. Vor ihrem Eintreffen kann Hr. Birchall in keinem Falle sich in ein neues Arrangement einlassen; denn seine erste Sorge muß die sein, sich den Besitz der Stücke sicher zu stellen, für welche er Ihnen den Preis bereits bezahlt hat, und zu sehen, wie dieselben seinen Absichten als Musikhändler entsprechen; ohne die Quittung aber kann er nicht verhindern, daß irgend ein anderer Musikhändler sie veröffentlicht. Was die Lieder mit Variationen betrifft, so ist der Preis von 30 ₤, welchen Sie unserer Annahme nach für jedes derselben bestimmt haben, bedeutend höher, als er zu zahlen sich erbieten kann, wenn er auch nur einige Hoffnung haben will, seine Opfer durch dieselben ersetzt zu sehen; sollte dies Ihr niedrigster Preis sein, so würde Mr. Birchall seine desfallsigen Absichten vollständig aufgeben. Die Symphonie in A wird binnen einer Woche zur Herausgabe vollständig fertig liegen; Herr Ries (welcher die Durchsicht Ihrer Werke freund lich übernommen hat) hat dieselbe gegenwärtig durchgesehen; aber sie wird nicht eher erscheinen, als bis der Tag kommt, welchen Sie bestimmen werden.

Herr Birchall fürchtet, daß die Sonate in G und das Trio in Bb in Wien bereits vor seiner Ausgabe veröffentlicht worden ist; er würde Ihnen verbunden sein, wenn Sie ihn in Ihrem nächsten Briefe über den Tag unterrichten wollten, an welchem sie herausgegeben sind. Ich bedaure Ihnen mittheilen zu müssen, daß Herrn Birchalls Gesundheit in den letzten zwei bis drei Jahren sehr schlecht war, was ihm in der Wahrnehmung seiner Geschäfte sehr hinderlich ist; und da, wie ich fürchte, nur wenig Hoffnung vorhanden ist, daß es mit ihm viel besser wird, so ist er nicht mehr so eifrig darauf bedacht, auf jede Weise seinen Katalog zu vermehren, wie er dies sonst wohl gewesen wäre. Er ist Ihnen sehr verbunden für das Anerbieten der Sonate und des Trios, möchte dasselbe jedoch aus den vorher angegebenen Gründen ablehnen.

In der Hoffnung, bald etwas über das Ihnen zur Unterschrift übersandte Schriftstück zu hören,


bin ich, mein Herr im Auftrage von H. Birchall, etc.

C. Lonsdale.


P. S. Die Sonate in G ist erschienen und das Trio wird in wenigen Tagen herauskommen. Ist Hrn. Beethovens Oper Fidelio erschienen? Wo und bei wem?«


Auf diesen Brief antwortete Beethoven Herrn Birchall am 14. Dezember 1816.


»Werther Herr,


Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich an einem Tage des letztvergangenen August die Quittung unterzeichnet und an das Haus Fries u. Co. abgegeben habe, welche es, wie sie sagten, an Herrn Coutts u. Co. übersendet [575] haben; wollen Sie also die Güte haben, sich an diese zu wenden. Ein Irrthum kann dadurch eingetreten sein, daß den Herrn C., statt sie Ihnen zu senden, aufgetragen wurde sie zu behalten, bis sie abgeholt würde. Verzeihen Sie diese Unregelmäßigkeit, aber es ist nicht meine Schuld, und ich habe niemals die Absicht gehabt, wegen des Umstandes, daß die 5 ₤ nicht darin eingeschlossen waren, die Quittung zurückzuhalten. Sollte die Quittung nicht an die Herrn C. gelangt sein, so bin ich bereit eine neue auszustellen, und Sie werden sie sofort mit umgehender Post erhalten.

Wenn Sie für Variationen in meinem Style den Preis von 30 ₤ zu hoch finden, so will ich mit Rücksicht auf Ihre Freundschaft um ein Drittel davon abgehen, und biete Ihnen solche Variationen, wie sie in unsern früheren Briefen bezeichnet waren, für 20 ₤ jedes Lied.

Ich bitte Sie, die Symphonie in A unverzüglich herauszugeben, ebenso die Sonate und das Trio, da dieselben hier bereit liegen.

Die große Oper Fidelio ist mein Werk. Der Klavierauszug ist hier unter meiner Mitwirkung herausgegeben worden, aber die Partitur der Oper selbst ist noch nicht erschienen. Ich habe eine Abschrift der Partitur Herrn Neate unter dem Siegel der Freundschaft gege ben; über diese werde ich für meine Rechnung verfügen, falls mir ein Anerbieten gemacht werden sollte.

Ich hoffe sehnlichst, daß Ihre Gesundheit sich bessern möge. Erlauben Sie, daß ich mich selbst unterzeichne,


werther Herr,

als Ihr sehr ergebener Diener

Ludwig van Beethoven.«


(Postzeichen 31. December 1816.)


Dieser Brief beendigte die Korrespondenz; denn nach Hrn. Birchalls Tode hielt sein Nachfolger Lonsdale es nicht der Mühe wert, die Verbindung mit Beethoven fortzusetzen.

Briefe an Zmeskall, G. Smart und Neate in London und Dr. Kanka in Prag erläutern weiter die Geschichte der letzten Zeit dieses Jahres.


An Zmeskall (16. Dezember)


»Hier lieber Z.


erhalten Sie meine freundschaftliche Widmung32, die ich wünsche daß Ihnen ein liebes Andenken unserer hier lange waltenden Freundschaft seyn möge, u. als einen Beweis meiner Achtung aufzunehmen, u. nicht als das Ende eines schon lange gesponnenen Fadens (denn Sie gehören zu meinen frühesten Freunden in Wien) zu betrachten. Leben Sie wohl – Enthalten Sie sich der morschen Festungen, der Angriff nimmt mehr mit, als von wohl erhaltenen.


wie immer

Ihr Freund

Beethoven.


[576] NB. Wenn Sie einen Augenblick Zeit haben, bitte ich Sie mir zu sagen, wie hoch man wohl jetzt eine Livrée (ohne Mantel) mit Hut u. Stiefelgeld rechnen kann.

Bey mir sind wunderbare Veränderungen vorgegangen. der Mann ist Gott sei Dank zum Teufel, dafür scheint sich die Frau desto fester ansiedeln zu wollen.«


Der folgende Brief an George Smart wurde Häring diktiert, der ihn englisch niederschrieb.


»Wien 16. December 1816. 1055 Sailerstätte 3ter Stock.


Mein werther Herr,


Sie beehren mich mit so manchen Lobpreisungen und Ehrenbezeugungen, daß ich erröthen müßte; ich gestehe jedoch, daß dieselben für mich in hohem Grade schmeichelhaft sind, und ich danke Ihnen aufs Herzlichste für den Antheil, den Sie an meinen Angelegenheiten nehmen. Dieselben sind durch die sonderbare Lage, in welche unser verlorener, aber glücklich wiedergefundener Freund Mr. Neate sich verwickelt sah, ein wenig zurückgegangen. Ihr freundlicher Brief vom 31. October erklärt vieles und in gewisser Weise auch zu meiner Befriedigung; ich nehme mir die Freiheit eine Antwort an Mr. Neate einzuschließen, von dem ich ebenfalls einen Brief erhielt, und bitte Sie, ihn bei allen zu meinen Gunsten unternommenen Schritten unterstützen zu wollen.

Sie sagen, daß die Cantate für Ihren Plan bezüglich der Oratorien brauchbar sein werde; ich frage Sie daher, ob Sie 50 ₤ für dieselbe zu hoch finden? Ich habe von derselben bis jetzt noch keinerlei Gewinn gehabt, möchte aber doch nicht wünschen, von Ihnen einen Preis zu fordern, bei welchem Sie Verlust haben würden. Deshalb wollen wir sagen 40 ₤; sollte Ihr Erfolg bedeutend sein, dann werden Sie hoffentlich nichts dagegen haben, die 10 ₤ hinzuzufügen, um die vorher erwähnte Summe voll zu machen. Das Verlagsrecht würden Sie haben, und ich würde nur die Bedingung machen, dieselbe hier zu einer Zeit veröffentlichen zu dürfen, welche Sie die Güte haben wollen zu bestimmen, und nicht früher. Ich habe Herrn Häring Ihre freundlichen Absichten mitgetheilt und er vereinigt sich mit mir im Ausdrucke der größten Hochachtung, welche er allezeit für Sie hegte.

Mr. Neate kann die verschiedenen Werke mit Ausnahme der Cantate erhalten, wenn Sie dieselben empfangen haben, und ich hoffe, es wird in seiner Macht stehen, mit Ihrer Hülfe etwas für mich zu thun, was mir in Folge meiner Krankheit und des Standes der österreichischen Finanzen sehr willkommen sein würde.

Erlauben Sie mir, mich zu unterschreiben


mit der größten Hochachtung und herzlichsten

Freundschaft

Ludwig van Beethoven.«


[577] Den folgenden Brief schrieb Häring nach Beethovens Diktat an Neate.


»Wien, 18. December 1816.


Mein werther Herr,


Ihre beiden Briefe, der an Herrn Beethoven und an mich, sind angekommen. Ich werde den seinigen zuerst beantworten, da er einige Bemerkungen dazu gemacht hat, und selbst geschrieben haben würde, wenn er nicht durch ein rheumatisches Erkältungsfieber verhindert wäre. Er sagt: Was kann ich antworten auf Ihre warm empfundenen Entschuldigungen? Vergangene Uebel müssen vergessen werden, und ich wünsche Ihnen herzlich Glück, daß Sie den lange ersehnten Hafen der Liebe nun sicher erreicht haben. Da ich nichts von Ihnen gehört hatte, konnte ich die Herausgabe der Symphonie in A nicht länger aufschieben; dieselbe ist hier vor einigen Wochen erschienen. Es wird sicher noch einige Wochen länger dauern, bis ein Exemplar dieser Ausgabe nach London kommen wird; aber wofern sie nicht bald in der Philharmonie aufgeführt, und nicht auch später etwas zu meinem Vortheil dort geschehen wird, so sehe ich nicht, auf welche Weise ich irgend einen Nutzen ernten soll. Daß Sie in der letzten Saison, als alle meine in Ihren Händen be findlichen Werke noch unveröffentlicht waren, keinen Einfluß auf die Philharmonie ausüben konnten, hat mir viel Kummer bereitet; doch war da nicht zu helfen, und in diesem Augenblicke weiß ich nicht, was ich sagen soll. Ihre Absichten sind gut, und es ist zu hoffen, daß mein geringer Ruhm noch etwas helfen wird. Was die beiden Sonaten Op. 102 für Klavier und Violoncell betrifft, so wünsche ich dieselben recht bald verkauft zu sehen, da ich in Deutschland verschiedene Angebote auf dieselben habe, deren Annahme vollständig von mir abhängt; aber ich möchte nicht wünschen, während ich dieselben hier herausgebe, allen und jeden Vortheil aus denselben in England zu verlieren. Mit den 10 Guineen, welche für die Dedication des Trios geboten worden sind, bin ich zufrieden, und bitte Sie den Titel unverzüglich Hrn. Birchall einzuhändigen, welcher sehnlichst darauf wartet; wollen Sie nur dies gefälligst in meinem Namen bei ihm besorgen.

Es würde mir schmeicheln, einige neue Werke für die philharmonische Gesellschaft schreiben zu dürfen – ich meine Symphonien, ein Oratorium, oder Cantaten u.s.w. Hr. Birchall schrieb so, als wünschte er meinen Fidelio zu kaufen. Bitte unterhandeln Sie mit ihm, wofern Sie nicht einen Plan mit der Oper für mein Benefizconcert haben; dies überlasse ich im Allgemeinen Ihnen und Herrn George Smart, der die Güte haben wird, Ihnen diesen Brief zu übergeben. Die Partitur der Oper Fidelio ist in Deutschland noch nicht publicirt, auch sonst noch nirgendwo. Versuchen Sie, was Sie mit Hrn. Birchall erreichen können, oder wie Sie es am besten finden. Ich war sehr betrübt zu hören, daß die drei Ouvertüren in London nicht gefallen haben. Ich rechne dieselben keineswegs zu meinen besten Werken (was ich jedoch von der Symphonie inA kühn sagen kann), aber sie mißfielen doch hier und in Pesth nicht, wo die Leute nicht leicht zu befriedigen sind. Lag nicht die Schuld an der Aufführung? oder war nicht vielleicht Partei-Interesse dabei?

[578] Und nun will ich schließen, mit den besten Wünschen für ihr Wohlergehen, und daß Sie alles mögliche Glück in Ihrem neuen Stande genießen mögen.


Ihr treuer Freund

Louis van Beethoven.«


Einen längeren Brief an Dr. Kanka schrieb Beethoven zu Ende des Monats:


»Wien am 28ten Dezember 1816.


Mein sehr werther

verehrter Freund!


Mit dem morgigen Postwagen geht ab für Sie eine Symphonie von mir in Partitur, die berichtigte Schlachtsymphonie in Partitur, Trio u. eine Violin Sonate u. ein Paar Gesangstücke – ich weiß, daß sie so jedesmal von mir voraussehen, daß ich ihnen für alles was Sie für mich thun, dankbar bin, so denn auch für die mir kürtzlich so schnell erfolgte Verabfolgung meines halben Jahres – Nun aber wieder eine Bitte, ja noch mehr eine Zumuthung noch mehr sogar einen Auftrag an Sie. – Die Stadt Retz bestehend aus ungefähr 500 Häusern wird Sie zum Curator eines ge wissen Johann Hamatsch in Prag aufstellen, ums Himmelswillen schlagen sie so etwas gemein verständiges gerichtliches nicht aus, denn dadurch wird meinem armen kleinen Neffen endlich ein kleines Vermögen zukommen, freilich muß die Sache hier hernach erst von unserm respektiven Magistrat abgesponnen werden, indem auch der Mutter einige Nutznießung davon wahrscheinlich werden wird, denken sie nur, wieviel Zeit da noch darauf gehen wird, mein armer unglücklicher Bruder, starb schon ohne das Ende erlebt zu haben, denn die Gerichtsstellen haben ebenfalls Sr. Majestät besondere Vorsorge, so daß der Vorfahrer von dem jetzigen Syndicus der Stadt Retz meinem Bruder 5000f. wollte für 500f. verabfolgen lassenx, ja solche Ehrenmänner haben wir um unß herum, o über den gütigen christlichen Monarchen – der jetzigeSyndicus ist nun ein durch sich selbst ehrlicher und thätiger Mann (denn er könnte auch, wenn er nicht wollte, ebenso wie der vorige seyn), unterdessen hat ein obengenannter Hamatsch in Prag (Handelsmann) seinen Beytritt noch nicht zu erkennen gegeben, (NB seit 4 oder 5 Jahren.)

Der Syndicus Bayer aus Retz wird ihnen also dasCuratels-Dekret sammt einer Wechselabschrift zusenden, von dem Retzer Magistrat ich weiß viel zu wohl, wie klein und geringfügig d. S. für Sie geistreicher Mann sind, sollten Sie es gar nicht schicklich für sie finden, so bitte ich sie jemanden dazu auszusehn, u. so sehr als möglich die Sache befördern zu helfen – doch gewiß wäre es in jeder Rücksicht am besten von ihnen erfüllt, vielleicht kann eine bloße Rücksprache mit diesem Manne in (Prag) die Sache zum Ziel bringen. –


xDer jetzige Syndicus brauchte bloß 30 Täge u. beinahe ebensoviel Nächte, um bloß diese Angelegenheit aus der vorigen hinterlassenen Verwirrung zu reißen.


[579] Mein mir theuerer Neffe ist in einem von den besten Instituten in Wien, zeigt ein großes Talent, doch geht das alles auf meine Kosten, und vielleicht eben durch die Beendigung der Retzer Angelegenheit würde ich einige Hundert fl. des Jahres mehr auf den Unterricht meines lieben Waisen verwenden können. – ich umarme sie als einen meiner liebsten Freunde


ihr

Beethoven. m/p«


Eine kleine Kantate, zu Ehren des Fürsten Lobkowitz geschrieben, gehört in diesen Monat Dezember. Das Manuskript von Beethovens eigener Hand erhielt etwa 40 Jahre später Dr. Ottokar Zeithammer in Prag von der bejahrten Witwe von Beethovens Freunde Peters, welcher über den Ursprung folgende Mitteilung gibt:


»Das Exemplar einer kleinen Cantate, die er [Beethoven] für mich schrieb, um sie zum Geburtsfeste des nun längst verstorbenen Fürsten etwa aufzuführen und die – wie er selbst sagt – bereits nach dessen Tod an mich kam, war wirklich von ihm selbst geschrieben, und aufs zierlichste mit blauen Bändchen zusammen geheftet...... Die Cantate besteht nur aus ein paar wiederholten Worten von ihm selbst gedichtet kann man wohl kaum sagen, und entstand da er bei einem Besuche bei uns von dem nahen Geburtsfeste des Fürsten hörte. ›Und machen Sie da keine Festlichkeit?‹ fragte er mich. Was ich mit ›Nein‹ beantwortete. ›Nein, das geht nicht,‹ sagte er, ›da will ich Ihnen schnell eine Cantate schreiben, die Sie ihm singen sollen.‹ Zum letzteren kam es nicht mehr«33.


Es kam aus dem Grunde nicht zur Aufführung, weil Lobkowitz, geboren am 7. Dezember 1772, am 16. Dezember 1816 starb. Damit verschwindet auch er aus unserer Geschichte.

Das Obige erhält alle erforderliche Bestätigung in folgendem Briefe an Peters:


[580] »am 8. Jenner 1816

[muß heißen 1817]


Euer Wohlgeboren


Ich höre erst gestern von Hrn. von Bernard, welcher mir begegnete, daß Sie hier sind und sende daher diese 2 Exemplare, die leider erst fertig geworden zu eben der Zeit, da man schon von unseres lieben verstorbenen Fürsten Lobkowitz Tode sprach. Haben Sie die Gefälligkeit sie Sr. Durchlaucht dem Erstgebohrnen Fürsten Lobkowitz zu übergeben, sammt diesem Schreiben, eben heute wollte ich, heute den Hr. Kassier darum aussuchen, die Uebernahme davon nach Böhmen zu übernehmen, indem ich Sie wirklich alle nicht hier geglaubt –

Ich, wenn ich von meinem wenigen ich etwas reden darf, befinde mich bald wieder in einem ziemlich gesunden Zustande und wünsche ihnen desgleichen – ich darf sie nicht bitten zu mir zu kommen, denn ich müßte ihnen sagen warum, das kann ich mir unterdessen nicht anmaßen, ebensowenig als warum sie nicht kommen oder kommen wollen – ich bitte Sie die Ueberschrift an den Fürsten auf den Brief zu schreiben, da ich seinen Vornamen nicht weiß – Das 3te Exemplar behalten Sie gefälligst für ihre Frau.


Leben Sie wohl

Ihr Freund u. treuer

L. v. Beethoven.«


Zu den wenigen Namen, welche während dieses Jahres in unserer Erzählung aufgetreten sind, kommt noch einer hinzu, welcher eine kurze Erwähnung verdient, nämlich der eines reichen jungen Mannes aus Graz, eines Musikliebhabers und Komponisten aus der Zahl jener, deren Abgott Beethoven war – Anselm Hüttenbrenner34. Sein Enthusiasmus war noch nicht vermindert, als der Verfasser im J. 1860 das Glück hatte, eine kurze Zeit hindurch sich eines vertrauten Verkehrs mit ihm zu erfreuen, die großen und edlen Eigenschaften seines Gemütes und Herzens kennen zu lernen, und seine Erinnerungen aus seinem eigenen Munde zu hören. Daß diese in bezug auf Beethoven zahlreich gewesen wären, wird niemand erwarten können; denn ein junger Mann von 22 Jahren, und dazu ein Fremder, konnte wohl in der Periode, in welcher wir gerade stehen, nicht häufig mit dem Meister zusammenkommen, wenn nicht als Schüler – und solche nahm er nicht an – oder in der Stellung, die zuletzt Oliva eingenommen hatte und die bald nachher Schindler bekleiden sollte; dies aber war natürlich bei Hüttenbrenner vollständig außer der Frage.


[581] »Beethoven lernte ich kennen«, erzählt er, »durch die Güte des Hrn. Dr. Joseph Eppinger, Israelit35. Das erstemal war Beethoven nicht zu Hause; seine Haushälterin öffnete uns aber sein Wohn- und Studierzimmer. Da lag alles durcheinander – Partituren, Hemden, Socken, Bücher. Das zweitemal war er zu Hause, eingesperrt mit zwei Copisten. Auf die Parole ›Eppinger‹ öffnete er die Thüre und excusirte sich, daß er eben viel zu thun habe, und bat uns ein andermal zu kommen. Da er aber in meiner Hand eine Rolle Noten – Ouvertüre zu Schillers Räubern und ein Vokalquartett mit Klavierbegleitung, Text von Schiller – sah, nahm er sie, setzte sich ans Klavier und blätterte alles genau durch. Darauf sprang er auf, klopfte mir mit aller Kraft auf die rechte Schulter und sagte mir nachfolgende Worte, die mich beschämten und die ich mir heute noch nicht erklären kann: ›Ich bin nicht werth, daß Sie mich besuchen!‹ – War das Demuth, so war es göttlich; war es Ironie, so war es verzeihlich.«


Und weiter:


»Beethoven kam wöchentlich ein paarmal in die Verlagshandlungen Steiner u. Comp., Vormittags zwischen 11 u. 12 Uhr. Da war fast jedesmal Componisten-Versammlung und Austausch der musikalischen Ansichten. Schubert begleitete mich öfter dahin. Wir weideten uns an den kernigen mitunter sarkastischen Bemerkungen Beethoven's, besonders, wenn es wälsche Musik galt.«


Wie sich Hüttenbrenner erinnerte, bezeichnete man in jenen Tagen in Wien allgemein als das, was Beethoven bei seiner 24 Jahre vorher erfolgten Ankunft zuerst seinen Ruf verschafft habe, seinen ausgezeichneten Vortrag von Bachs »wohltemperirtem Klavier«.

Ein paar kleinere Notizen mögen die Geschichte dieses Jahres beschließen.

In dem Konzerte des Theater-Armenfonds, am 8. September im Theater an der Wien, wurde eins der Finales aus Beethovens »Prometheus« wieder zur Aufführung gebracht, »ein herrliches, meisterlich durchgearbeitetes Stück«, wie ein Berichterstatter sagt. Das Konzert für das St. Markus-Hospital wurde eröffnet mit Beethovens »schwer zu exequirender Sinfonie aus A dur, welche unter der Leitung dieses genialen Tonsetzers mit der größten Präcision vorgetragen wurde«.

Wichtiger war ein Vorschlag, welcher ihm im Anfange des Jahres von seinem alten Freunde Hofmeister in Leipzig gemacht wurde, eine vollständige Ausgabe seiner Klavierwerke zu veranstalten. Über diesen[582] Vorschlag, welcher nicht zur Ausführung kam, werden wir in anderem Zusammenhange weiteres zu berichten haben.

Im Juli empfing er eine neue Serie von Gesängen von Thomson, welche seiner eigenen Angabe zufolge bereits gegen Ende des Monats September beendet waren36.


Kompositionen des Jahres 1816.

Die herrliche A-Dur-Klaviersonate Op. 101 ist der Freiin Dorothea Ertmann gewidmet. Über diese ausgezeichnete Klavierspielerin, die 1803 Beethovens Schülerin war, sind Bd. II2, 414ff. bereits einige charakterisierende Mitteilungen gemacht. Weitere Ausführungen gibt Bd. IV, S. 15–2037. Zur Ergänzung der Erzählung Mendelssohns (Bd. II2, 415) stehe hier ein Gedicht, das am 25. Dezember 1864 Frau von Arneth (Antonie Adamberger) Thayer zur Kopierung überließ. Sie erläutert dasselbe mit den Worten: »Nach der Beerdigung ihres einzigen Kindes konnte sie keine Tränen finden – General Ertmann brachte sie zu Beethoven; der Meister sagte kein Wort, spielte aber für sie, bis sie zu schluchzen begann und so fand ihr Kummer Ausdruck und Linderung.« Das Gedicht, unterzeichnet Gustav Frank, lautet:


»Der Tröster.


Im dämmernden Alkoven saß

Der Meister und bedachte

Bei sich, wie Armuth, Neid und Haß

Der Künstlers Pfad umnachte.

Wie er doch so bedürftig sei

Der Schonung grad und Liebe,

Und wie sein Thun, ob hehr und frey,

Doch unbelohnet bliebe.

Da tritt ein zartes Frauenbild

Leis' in des Meisters Zimmer,

Die schönen Züge, sonst so mild,

Verstört und bleich wie nimmer.

Die traute Freundin ist's, die er

Vor allen hoch verehret,

Die Kunstverwandte ist's, mit der

Am liebsten er verkehret.

Er soll von Herzen ihr verwandt

Sein Theil des Schmerzes haben,

[583] Denn gestern ward, ihm ist's bekannt,

Ihr liebes Kind begraben.

Ein tränenleeres Auge scheint

Sich Tränen zu erflehen,

Die Mutter, die noch nicht geweint,

Will Freundes Tränen sehen.

Der Meister aber spricht kein Wort,

Er tritt ihr still entgegen,

Es soll ihr Schmerz im sichern Port

Ganz ungestört sich regen.

Drauf geht er schnell zum Flügel hin,

Er öffnet ihn und meistert,

Die dienstbar ihm, die Harmonien

Gar wundersam begeistert.

Und leise rauscht's wie Geisterbann

Geheimnisvoll und schaurig

Im klagenden Minore dann

So herzzerreißend traurig.

Und immer wilder tobt der Schmerz,

Als wollt' er sich entladen,

Und fluthend dann, als gält's ein Herz

Im Tränenmeer zu baden.

Doch als ein leises Schluchzen er

Und Weinen hat erlauschet,

Da sind die Töne mehr und mehr

Verschwommen und verrauschet.

Zur Freundin setzt er schweigend sich

Im dämmernden Alkoven,

Und wahrlich, einem Priester glich

Der Edle van Beethoven.«


Der Bearbeiter der 2. Aufl. glaubte die Existenz dieser eigenhändigen Kopie Thayers in den hinterlassenen Materialien nicht ignorieren zu dürfen. Thayer schreibt dazu: »It is a fact in Beethoven's and Frau Dorothea v. Ertmann's intercourse«. Und daran ist gewiß nicht zu zweifeln. In welches Jahr das Ereignis gehört, wissen wir nicht, jedenfalls aber vor die Versetzung Ertmanns nach Mailand 1818. Die SonateOp. 101 werden wir aber schwerlich in engere Beziehung zu dem Ereignis setzen dürfen. Dagegen darf Schindlers Charakteristik des Spiels der Frau von Ertmann hier nicht fehlen; er schrieb (Beethoven, 3. Ausg., I., 241f.):


»Diese Künstlerin im eigentlichsten Wortsinn excellirte ganz besonders im Ausdrucke des Anmuthigen, Zarten und Naiven, aber auch im Tiefen und Sentimentalen, demnach sämmtliche Werke vom Prinzen Louis Ferdinand von Preußen und ein Theil der Beethoven'schen ihr Repertoire gebildet haben. [584] Was sie hierin geleistet, war schlechterdings unnachahmlich. Selbst die verborgensten Intentionen in Beethoven's Werken errieth sie mit solcher Sicherheit, als ständen selbe geschrieben vor ihren Augen. Im Gleichen that es diese Hochsinnige mit der Nuancirung des Zeitmaßes, das bekanntlich in vielen Fällen sich mit Worten nicht bezeichnen läßt. Sie verstand es, dem Geiste jeglicher Phrase die angemessene Bewegung zu geben und eine mit der anderen künstlerisch zu vermitteln, darum alles motivirt erschien. Damit ist es ihr oft gelungen, unsern Großmeister zu hoher Bewunderung zu bringen. Der richtige Begriff von Tactfreiheit im Vortrage schien ihr angeboren zu sein. Aber auch mit der Colorirung schaltete sie nach eigenem Gefühle und umging bisweilen die Vorschrift. Der Selbstdichterin war diesfalls manches nach eigenem Ermessen zu thun gestattet. Sie brachte in verschiedenen von Andern verkann ten Sätzen kaum geahnte Wirkungen hervor; jeder Satz wurde zum Bilde. Vergaß der Zuhörer das Athmen beim Vortrage des mysteriösen Largo im Trio D dur Op. 70, so versetzte sie ihn wieder im 2. Satz der Sonate in E, Op. 90, in Liebeswonne. Das oft wiederkehrende Hauptmotiv dieses Satzes nüancirte sie jedesmal anders, wodurch es bald einen schmeichelnden und liebkosenden, bald wieder einen melancholischen Charakter erhielt. In solcher Weise vermochte diese Künstlerin mit ihrem Auditorium zu spielen. Allein diese Kundgebungen seltener Genialität waren keineswegs Resultate eigenwilliger Subjectivität, fußten vielmehr ganz auf Beethoven's Art und Weise im Selbstvortrage seiner Werke, überhaupt auf seiner Lehre inhalthabende Compositionen zu behandeln, die Niemand in damaliger Zeit sich mehr angeeignet hatte, als diese Dame. Jahre hindurch – bis Oberst von Ertmann 1818 als General nach Mailand versetzt worden – versammelte sie entweder in ihrer Wohnung oder an andern Orten, auch bei Carl Czerny, einen Kreis von ächten Musikfreunden um sich, hatte überhaupt um Erhaltung und Fortbildung des reinsten Geschmackes in der Elite der Gesellschaft große Verdienste. Sie allein war ein Conservatorium. Ohne Frau von Ertmann wäre Beethoven's Claviermusik in Wien noch früher vom Repertoire verschwunden, allein die zugleich schöne Frau von hoher Gestalt und seinen Lebensformen beherrschte in edelster Absicht die Gesinnung der Bessern und stemmte sich gegen das Herandrängen der neuen Richtung in Composition und Spiel durch Hummel und seine Epigonen. Beethoven hatte darum doppelten Grund, sie wie eine Priesterin der Tonkunst zu verehren und sie seine ›Dorothea-Caecilia‹ zu nennen. Ein anderer Schlüssel, das künstlerische Vermögen in der Reproduction zu hohem Grade zu steigern, findet sich bei Frau von Ertmann noch in der charakteristischen Eigenheit, alles, was ihrer Individualität nicht entsprach, nicht auf ihr Pult zu legen.«


Keine andere der Sonaten Beethovens ist so reich an romantischen Elementen wie diese, keine so auf äußerste Freiheit in der Behandlung des Tempos angewiesen wie sie, besonders im ersten Satze. Eine Analyse des Werkes ist nicht erforderlich und könnte nur von Nutzen sein, wenn sie sehr ausführlich wäre, was hier ausgeschlossen ist. Es sei nur auf die Rolle hingewiesen, welche im 1. Satze die fortgesetzte Synkopierung [585] in allen Stimmen spielt; Schumann und Brahms verdanken dieser Sonate sehr viel. Ein sehr merkwürdiges Stück ist das Alla marcia mit seinem losen Stimmengefüge und seiner wiederholten Beschränkung auf Zweistimmigkeit – beileibe kein Marsch, ohne daß man darum die Überschrift anfechten könnte, die sich in erster Linie auf den obstinaten Rhythmus 11. Kapitel. Das Jahr 1816 bezieht. Leicht gewebt und duftig ist auch der Schlußsatz, bei aller Keckheit und Laune durchaus zart gehalten und nirgends zu eigentlichen Kraftwirkungen kommend, die doch sonst bei Beethoven selten fehlen. Kein Zweifel, daß bei der Entstehung dieses Werkes die Persönlichkeit der Frau von Ertmann einen starken Einfluß ausgeübt hat.

Die Skizzen (Nottebohm, II. Beeth. 340ff. u. 552ff.) verweisen die Arbeit an der Sonate in die Jahre 1815 und 1816. Nach Schindler I. 240 und Leipziger Allg. Mus. – Ztg. XVIII, 197 wäre sie bereits am 18. Februar 1816 von Stainer von Felsburg in Linkes Konzert gespielt worden. Das Autograph trägt aber die eigenhändige Aufschrift 1816 im Monat November und die Sonate erschien (bei Steiner) im Februar 1817 (Voranzeige vom 23. Januar 1817 in Kannes Musikzeitung). Der Brief, mit welchem Beethoven der Frau von Ertmann das Dedikationsexemplar sandte, ist aber gar datiert 23. Februar 1816, was natürlich nicht richtig sein kann, wenn nicht das Exemplar ein handschriftliches war; das machen aber die Zuschriften an Steiner (Bd. IV, S. 6f.) durchaus unwahrscheinlich. Dazu kommt, daß Beethoven in dem Briefe an Simrock vom 15. Februar 1817 noch für die beiden neuen Violoncellsonaten die Opuszahl 101 anordnet, – doch wohl ein wenn auch nicht zwingender Beweis, daß die A-Dur-Sonate noch nicht mit dieser Opuszahl erschienen war. Die Möglichkeit der Annahme eines Schreibfehlers Beethovens (101 statt 102) in dem Briefe an Simrock beseitigt aber auch nicht alle Widersprüche. Vielleicht trifft die Vermutung das rechte, daß Beethoven in dem Dedikationsbriefe die Jahrzahl verschrieben hat und daß am 18. Febr. 1816 nicht Op. 101 sondern Op. 90 von Stainer gespielt wurde (die Allg. Mus. Ztg. gibt die Tonart nicht an; Schindlers Angabe wäre dann also zu beanstanden).

Ein hochbedeutsames Werk des Jahres 1816 ist der Liederkreis »An die ferne Geliebte« Op. 98, gedichtet von Al. Jeitteles, dem Fürsten von Lobkowitz gewidmet (vgl. S. 564). Das Autograph (bei Haslinger) trägt die Datierung »1816 im Monath April«. Ausführliche Skizzen teilt Nottebohm (II. Beeth. 334ff.) mit aus dem von 1815 nach 1816 hinüberführenden Skizzenbuche im Besitze von Eugen von Miller, kennt [586] aber vor dieselben gehörige auf einzelnen Blättern. Das Werk erschien Ende 1816 (Voranzeige in der Wiener Ztg. vom 29. Juli 1816).

Mit diesem Liederzyklus oder vielmehr dieser Kette von 6 direkt ineinander übergehenden Liedern ist Beethoven als Liederkomponist über sich selbst hinausgewachsen und steht in der Freiheit der Textinterpretation und dem üppig strömenden Flusse der melodischen Ideen völlig ebenbürtig neben Schubert. Hier ist auch der letzte Rest der alten Oden-Faktur geschwunden, welche dem Gedichte nur ein dürftiges melodisches Gewand anlegte, es musikalisch »einkleidete«; ganz und voll haben wir hier vielmehr den Eindruck, daß die Lieder freie Schöpfungen sind, der Text zum bloßen Träger, Gerüst des Liedes geworden und durch die Musik zu einer Höhe gehoben ist, die ihm an sich kaum eigen, aber wohl zu gönnen ist. Das Bewunderungswürdigste ist aber die ungezwungene Verknüpfung der 6 Lieder oder vielmehr das geradezu selbstverständliche Herauswachsen der folgenden aus den vorhergehenden. Mit Recht ist daher dieser Zyklus noch heute im Konzertsaal heimisch und jederzeit des Erfolges sicher. –

Nur wenige Kleinigkeiten haben wir noch ergänzend zu nennen: zunächst zwei noch auf dem alten Standpunkte stehende Lieder »Der Mann von Wort«, Text von Kleinschmied, als Op. 99 zu Beethovens Ärger gedruckt, aber als Komposition des Jahres 1815–16 durch Skizzen hinter denen des Liederkreises erwiesen (Nottebohm, II. Beeth. 346), und der »Ruf vom Berge«, gezeichnet 13. Dezember 1816 (Gedicht von Treitschke), als Beilage zu Kannes Zeitung 1817 gedruckt. Weiter noch die Geburtstagskantate für Fürst Lobkowitz (vgl. S. 580), und endlich ein Marsch in D-Dur für Militärmusik »Zur großen Wachtparade« datiert 3. Juni 1816 (nach Beethovens Tode bei Witzendorf in Wien für Klavier zu 4 Händen gedruckt; Partitur in der Ges. – Ausgabe Serie 2, Nr. 15).


Veröffentlicht wurden in diesem Jahre:


1. Lied: »Das Geheimniß«, als Beilage zur Wiener Modenzeitung, 29. Februar 1816.

2. Lied: »An die Hoffnung« (Tiedge) Op. 94. Bei Steiner & Co. Im Februar (vgl. S. 532).

3. »Wellingtons-Sieg, oder die Schlacht bei Vittoria, in Musik gesetzt von Ludwig van Beethoven. 91stes-Werk.« Wien, Steiner & Co. Im März (vgl. S. 403).

4. Kanon: »Glück zum neuen Jahr«. J. Riedel, Wien. Im Mai (vgl. S. 533).

[587] 5. Lied: »Die Sehnsucht« von Reissig. Im Juni. (In einer bei Artaria erschienenen Sammlung, vgl. S. 147f.).

6. Sonate für Klavier und Violine, Op. 96. Dem Erzherzog Rudolf gewidmet. Wien, Steiner & Co. Im Juli (vgl. S. 355ff.).

7. Trio, Op. 97. Dem Erzherzog Rudolf gewidmet. Wien, Steiner & Co. Am 16. Juli (vgl. S. 246ff.).

8. Lied: »Merkenstein«, Op. 100. Dem Grafen Dietrichstein gewidmet. Wien, Steiner & Co. Im September (vgl. S. 483).

9. Lied: »Der Mann von Wort«, Op. 99. Wien, Steiner & Co. Im November (vgl. S. 587).

10. Liederkreis: »An die ferne Geliebte«, Op. 98. Dem Fürsten von Lobkowitz gewidmet. Wien, Steiner & Co. Im Dezember (vgl. S. 586).

11. Siebente Symphonie in A-Dur, Op. 92. Dem Grafen Moritz von Fries gewidmet. Wien, Steiner & Co. Im Dezember (vgl. S. 398ff.).

12. Achte Symphonie in F-Dur, Op. 93. Wien, Steiner & Co. Im Dezember (vgl. S. 467ff.).

13. Quartett in F-Moll, Op. 95. Zmeskall gewidmet. Wien, Steiner & Co. Im Dezember (vgl. S. 242ff.).

14. Zwei Sonaten für Klavier und Violoncell, Op. 102. Nach einem Briefe an Zmeskall vom 20. Januar 1817 erschienen diese Sonaten nicht später als die oben genannten Werke, also im Dezember 1816. Sie wurden von Simrock ohne Widmung herausgegeben. In der späteren Ausgabe, 1819 bei Artaria, sind sie der Gräfin Erdödy gewidmet (vgl. S. 529).

Fußnoten

1 Der gewöhnlich so genaue Ledebur gibt in seinen »Tonkünstlern Berlins« den 8. Dezember als den Tag von Frau Schulz' erster Darstellung der Rolle an, und den 8. Oktober als den von Frau Milder. Aber der Korrespondent der Allg. Mus. Ztg. gibt in einem Berichte vom 4. November folgende Daten:


3. u. 7. OktoberFrau Milder als Therese,

8. OktoberFrau Milder als Iphigenie,

11. OktoberFrau Schultze als Fidelio

die erste Aufführung,

14. u. 17. OktoberFrau Milder in derselben Rolle.


In diesem Falle ist der Korrespondent unzweifelhaft die bei weitem bessere Autorität.


2 Bernard Anselm Weber.


3 Nach dem Fischhoffschen Manuskript.


4 Vgl. S. 514.


5 In den Grenzboten ist dieser Brief datiert »wahrscheinlich 1817« – was angesichts der oben mitgeteilten bestimmen Datierungen nicht richtig sein kann. Alle in dieser Biographie abgedruckten Briefe an Giannatasio folgen Abschriften von den im Besitze von Witt &. Co. in London befindlichen Originalen.


6 Vgl. Grenzboten XVI. Jahrg. No. 14. 1857.


7 Das Original ist englisch.


8 Vgl. S. 499. Die 3 Ouvertüren waren bereits an Steiner verkauft, erschienen aber erst über 6 Jahre später (vgl. S. 545).


9 Sie befanden sich in dessen Besitze.


10 Birchall.


11 Salomon.


12 Das englisch geschriebene Dokument folgt hier in Übersetzung.


13 Vgl. S. 422. Beethoven hatte allerdings den für Dedikationen an solche hohe Herren üblichen Weg nicht eingeschlagen und die Einsendung ohne vorherige Genehmigung gemacht. Aber da der Prinzregent nach Mitteilung Ries' an Beethoven »dem Musikdirektor des Durylane-Theaters das Werk zur Aufführung überwiesen« hatte (2. Beethoven-Jahrb. S. 124), so durfte Beethoven wohl auf eine Gegengabe des Regenten rechnen.


14 »For God's sake don't buy anything of Beethoven!«


15 Zuerst veröffentlicht 1867 durch L. Nohl (N. Br. B. 106).


16 Es ist bekannt, daß diese zweite Komposition der Liedes »An die Hoffnung« im Jahre 1813 skizziert wurde; und ferner, daß Wild das Lied 1816 nach dem Manuskript sang (vgl. Allg. M. Z. 1816, S. 344), obgleich dasselbe wenige Tage vorher als gedruckt angekündigt worden war. Unbekannt ist jedoch, wie lange Wild bereits im Besitze desselben gewesen war, ehe er eine passende Gelegenheit gefunden hatte, es vorzutragen. Unserer Vermutung nach arbeitete Beethoven das Lied für Wild nach den Skizzen aus; später jedoch, dankbar für den günstigen Vergleich mit der Fürstin Kinsky in der Angelegenheit des Jahrgehalts, bereitete er es zum Drucke vor mit einer Widmung an die Fürstin. Auf diese Weise stimmen Wilds Mitteilungen mit den sonst bekannten Tatsachen überein und lassen das Jahr 1815 als das der Vollendung dieser Komposition erkennen. (Vgl. S. 489 und 532.)


17 Deiters bringt dreimal V. statt B., doch kann es sich ja nur um Birchall handeln. Das B, B und W sind freilich in Beethovens Handschrift leicht zu verwechseln.


18 Nach Jahns Abschrift.


19 Nohl las »wissen«.


20 Scherzhaft für Sperl.


21 Er ist in der englischen Übersetzung der Biographie Schindlers von Moscheles gedruckt mit sorgfältiger Beibehaltung der von Beethoven gemachten Fehler.


22 Vgl. S. 501ff.


23 Vgl. S. 461.


24 Nach Köchel Nr. 31. Vor diese Briefe gehören wohl zwei von dem »Entzündungs-Katarrh« berichtende Entschuldigungsbriefe (Köchel Nr. 77 u. 78).


25 Nach Jahns Abschrift.


26 Das »neulich« auf Zmeskalls Türschwelle niedergelegte Billett ist jedenfalls das von Zmeskall mit dem Datum 3. September 1816 versehene:


»Lieber Z. ich habe einen Bedienten, der in anderer Leute Gemächer mit falschen Schlüsseln sich begibt. Die Sache hat also Eile, bis auf den 25ten dieses müßte ein solcher Mensch bei mir eintreten, ja wäre es möglich, einen zu haben, ich jagte den jetzigen auf der Stelle fort. – Diesen Nachmittag nach 3 Uhr oder gegen 4 Uhr will ich es versuchen, sie zu sprechen –


in Eile

ihr Freund

Beethoven.«


27 Sollte dieser Brief nicht vielmehr vor dem Besuche in Baden geschrieben sein? H. R.


28 Drei große Trios für Pianoforte, Violine und Violoncell; dem Herr Ludwig van Beethoven zugeeignet. 11tes Werk. S. A. Steiner & Co. – Erschienen im Frühjahr 1817.


29 Die von Simrock gleichfalls mitgeteilten, sehr starken Ausdrücke übergehen wir.


30 Den von Höfel 1814 gestochenen.


31 Wir geben den englisch geschriebenen Brief in deutscher Übersetzung.


32 Das Quartett in F moll Op. 95.


33 Diese Cantate, Solo und Chor, Es dur, 4/4, 43 Takte, hat zum Texte nur folgende Worte:


»Es lebe unser theurer Fürst

Er lebe, er lebe

Edel handeln, ja edel handeln sei sein schönster Beruf,

Dann wird ihm nicht entgehen der schönste Lohn.

Es lebe u.s.w. – Er lebe u.s.w.«


Eine Abschrift derselben, welche der Verfasser vor mehreren Jahren von Dr. Edmund Schebek erhielt, trägt die Aufschrift: »Abends am 12ten April 1822, vor dem Geburtstage Sr. D. des Fürsten Ferdinand Lobkowitz.«

Dieser junge Fürst vollendete am 13. April 1822 sein 25. Jahr. Daraus geht hervor, daß diese Datierung sich auf eine Aufführung, nicht auf die Komposition dieses kleinen Werkes bezieht.


34 Er kam 1815 nach Wien, um bei Salieri zu studieren, und schloß eine innige Freundschaft mit Franz Schubert.


35 Dieser Mann, ein etwas exzentrischer Charakter, stand damals in allen musikalischen Kreisen in hoher Geltung; er war, wie wir glauben, ein Bruder von Heinrich Eppinger, dem Violinspieler.


36 Französ. Br. an Thomson vom 18. Januar 1817.


37 Dort ist S. 161. Z. der Anmerkung für 1818 zu korrigieren 1816.

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 3, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1911..
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