[274] Diese, im Tone von seiner gewöhnlichen Münchener Stimmung, die, trotz aller seiner mehr oder weniger warmen Verbindungen, doch den Einfluß einer innern Vereinsamung zeigte, so verschiedene Seelenfärbung, welche viel Aehnlichkeit mit jener aus seiner wilden und goldnen[274] Zeit hatte, charakterisirt auch wieder jenen humoristischen Unfug, mit dem er in Stuttgart so oft die Herzen lachen gemacht hatte, und Danzi's Nähe lockte wieder die possenhaften Briefe hervor, z.B.


An Danzi.

Allerliebster Herr Kapellmeister,

Der Unterschriebene (Weber heißt er)

Und ein Herr Bärmann, wohlbekonnen, (wohlbekannt)

Haben gestern die ganze Welt durchronnen,

Um sie zu sehen, zu sprechen, zu hören,

Und ein gescheidtes Wort von'm zu begehren;

Doch mocht man auch rennen nach vorn und nach hinten,

Der Musje Rapunzel war nirgends zu finden.

Deswegen war ich heut schnell resolvoren

Und nehm meinen Federkiel bei den Ohren

Um schriftlich mir anzufragen bei Sie

Wo 'S speisen thun heut in der früh.

(Das heißt heut Mittag, Sie verstehen mich ja,

Das früh ist nur wegen des verdammten Reimes da)

Ob beim Scheidel,

Oder beim Speidel,

Im schwarzen Adler,

oder beim Stadler,

im goldenen Hahn,

oder faulen Zahn,

in einem Privathaus

oder gar in der Filzlaus –

Das ist, was wir gerne wissen thäten,

Damit wir auch die Plessur hätten

Mit ihnen zu speisen an einem Tisch,

ist übrigens egal ob Fleisch oder Fisch.

Haben also die Güte mir das sagen zu lassen,

Den Bärmann werde ich bei den Haaren faßen.

Und so hoff ich, sollen wir heut auf Erden

Noch vor Freuden etwas Weniges des Teufels werden.

Sollten Sie aber gar schon engagiret sein,

Würd' ich etwas fluchen, wie 'n wildes Schwein

Würde mir vor Kummer die Haare ausraufen,[275]

Und vielleicht noch gar in Bock ersaufen.

Drum bestimmen Sie unsern Lebenswandel

Durch ein Wort an Ihren Freund


Mariandel.


Seinen, nicht durch diese vorübergehenden Einflüsse bestimmten, ernsten Seelenzustand schildert ein Brief an Gottfried Weber vom 3. Juli 1811, in dem er auch zuerst von seinem nächstvorliegenden Lebensplane spricht:


»München den 3. July 1811.


Endlich, nach beinah einem Monat Stillschweigen, wieder ein paar Zeilen von euch. Die Beilage habe ich spedirt und ersuche Dich auch gegenwärtige an Ihre Behörde gelangen zu lassen. Um recht ordentlich zu antworten, werde ich erzählen, was ich unterdessen that. Den 9. Juny wurde der Minnesänger von Kotzebue gegeben mit meinen 1 Guitarre Liedchens, wovon besonders das letzte so gefiel, daß es Da capo gerufen wurde, den 11. war Abu Hassan zum zweiten mal, den 13. gab Hr. Kauffmann auf seinem Harmonichord Concert, worin Bärmann meine neuestes Clar. Concert aus F.moll, C:dur, F dur. himmlisch spielte, und das außerordentlich gefiel. wenig gefiel das Harmonichord bis zuletzt, wo er das Adagio und Rondo mit ganzen Orchester spielte, das ich ihm comp. hatte, und auf welches der wüthendste Beifall erfolgte. Der brave Schauspieler Heigel starb, und ich machte auf seines Sohnes Bitten die Musick zu einer Todtenfeyer, die aber aus Nachlässigkeit des Herrn Sohnes dann nicht zur Aufführung kam. Den 23. erhielt ich einen Brief von Simrock worin er jammert, wie gewöhnlich über die schlechten Zeiten, besonders über die letzte Leipziger Messe, und mich beschwört zu machen, daß das Quartett und der 1. Ton angezeigt würden, indem sie lange nicht se gut gingen als sie sollten. Den 25. erhielt ich Deinen Brief. Den 27. wurde er expedirt. Ein kleines Liedchen von Eckschläger habe ich comp. und werde es Dir mit andern Sachen gelegentlich schicken. was ich geschrieben habe, folgt hierbei gedruckt ad acta. Ich bin sehr begierig zu hören, wie Samori gegeben worden ist. wenn ich doch hätte[276] dabei sein können. Frau von Flad, eine Schülerin Voglers, wird wohl jetzt längst in Mannheim sein, empfehle mich ihr bestens. ich lebe einen ziemlich ruhigen Stiefel weg, bin so fern zufrieden, als man zufrieden sein muß, wenn einem nicht gerade das Messer am Halse steht. aber eigentlich fröhlich oder glücklich bin ich nicht. ich habe keine Seele gefunden an die ich mich mit wahrer freundschaftlicher Wärme hätte anschließen können, ich habe noch keinen Abend so zugebracht wie wir es gewohnt waren, zu thun, ich habe noch nirgens ein einziges Liedchen zur Guittarre gesungen weil ich nie so fröhlich war mich dazu getrieben zu fühlen. So viel Sinn für Kunst man im Theater und Concerten zeigt, so wenig häuslichen Musiksinn, (möchte ich es nennen) haben die Münchener, man macht keine Quartette, nichts. Seit Danzi hier ist, haben wir vorgestern einmal ordentlich Musik gemacht, wo ich mein Quartett gespielt habe, von Fränzel und Legrand accompagnirt. Berger hat mir endlich einmal geschrieben und will mit mir in die Schweiz gehen, ich glaube aber es wird damit gehen wie mit der Baadner Reise. –

wenn einer von euch abkommen könnte, das wäre etwas. –

In der Schweiz hoffe ich verschiedenes thun zu können. Die Pestallozische Musik Lehre interessirt mich, Nägeli muß ich kennen lernen, und die Arauer Miszellen, sollen mir nicht entgehen. Die kleine Notiz über Beers Orat. in der hiesigen Polit. Zeitung hat schon wieder eine andere Zeitung aufgenommen, es ist sehr richtig daß 2 Worte in eine polit. Z. mehr Aufsehen machen als 2 Bogen in einer litterarischen.

Zur Abwechselung will ich Dir auch erzählen, daß es mir an Liebesgeschichten auch nicht fehlt, es sind wirklich einige interessante Bekanntschaften, die ich gemacht habe, aber im Grunde langweilen sie mich doch all! Denn dieses ewige Einerlei von – Böse werden, und sich wieder zu versöhnen, rührt mich nicht, inzwischen lasse ich mich freundlich davon unterhalten und denke mein Theil. Ein einziges Haus habe ich, in dem es mir recht wohl ist, und das ist bei dem bekannten Geheim-Rath Wiebeking. Seine Tochter ist meine Schülerin, mit vielem Genie und großem Fleiße, so daß ich recht viel Freude an[277] ihr habe, und die Mutter ist eine höchst liebenswürdige gebildete Frau. Nun weißt Du mein ganzes Leben Rezept.

Der lieben Houtschen Erinnerung, von Antonie Hout ausgesprochen, meinen besten Dank und die Versicherung, daß Sie gewiß nicht öfter an mich denken, als ich an Sie. Wirklich dieses Klümpchen Mannheim trage ich wie eine Geliebte, im Herzen, und keine Tageszeit giebt es, in der mich nicht fröhliche Momente an euch erinnern. etc.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 274-278.
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